1.7.
Die letzte Nacht in unseren Betten war schon etwas komisch. Am Vortag haben wir noch den 97. Geburtstag meiner Mutter im Garten gefeiert, im Kreise der Familie und mit Freunden. Dann nahmen wir Abschied, die Mutter sehr grosszügig und mit einem "Ich warte auf Euch!", und auch ich mit etwas Schwermut.
Also am Morgen dann nochmals die letzen Kontrollen, ob auch alles aufgeräumt, abgehängt, versorgt und zugesperrt ist, dann die Schlüssel in den Briefkasten und Ade Haus und Hof.
In Sirnach nochmals vollgetankt und ab auf die Autobahn. Stolz flatterte der Fahnenstander von Kathrin und Peter vorne drauf, die Kinder konnten sich kaum erholen von unserem Anblick - ich nehme nicht an, es sei meine Schöhneit gewesen, die sie Maul und Augen aufsperren liess.
Die Route führte über das Toggenburg, den Ricken ins Prättigau, wo wir in Klosters einkehrten. Im Hotel Alpina, wo wir immer die Schiferien verbringen. Das Alpina lohnt einen Umweg, wie es in Fressführern heisst, nicht nur der Qualität von Haus und Küche wegen, sondern es ist einfach ein sehr gut geführtes Haus. Das Ehepaar Conzett staunte nicht schlecht über unsere Pläne und das Büssli, und Räto wäre wohl am liebsten gerade mitgefahren.
Dann standen die ersten richtigen Pässe an - der Ricken zählt da wohl noch nicht - mit dem Flüela und dem Ofen. Kein Problem für unser Fahrzeug.
Am Ofen gabe es das erste Picknick: Reste essen von zuhause, aber gut!
Im Münstertal wollten wir dann auch noch Schokolade für Ungarn kaufen (Gross-Tobleronen sind immer gut!), und da kam dann der Reiserhythmus zu ersten Mal: die halbe Stunde, die wir auf die Oeffnung des Coop warten mussten, erhalf uns zu einem Spaziergang.
Das nächste Warten kam ennet der Grenze: Die Bäckerei Schuster in Latsch, bei der wir uns mit südtiroler Schüttelbrot eindecken wollten, öffente erst um 1505 (!), hier gab es einen Kaffee.
Um 1630 waren wir in Meran, das wir kurz zu Fuss erkundeten, ehe wir uns ins Schloss am Winkelweg aufmachten, wo Eva, Walter und die Tochter Lea Cora wohnen. Wir wurden herzlichg empfangen und ich musste (durfte!) mit der knapp 8jährigen Tochter des Hauses Fussball spielen und verlor, wie es sich gehört. Dazwischen habe ich im Schlossgarten die erste Brissago geraucht, Heiri!
Die erste Nacht wollten wir im Büssli schlafen, das im Schlosshof stand. Um den Schock in Grenzen zu halten, stellten uns die Gastgeber aber ihr Bad zur Verfügung. Und es war dann eine sehr schöne Nacht, mit einem unvergleichlichen Blick beim Erwachen.
2.7.
Kurz nach 8 gings los, über die stark befahrene MeBo, die Autrobahn von Meran nach Bozen. Un hier hatten wir Glück im Unglück. Unser stolzer Fahnenstander hatte leider nur ein sehr kurzes Leben. Trotz aller Zusicherung, die Magnete, mit denen er auf dem Dach befestigt war, hielten dem Fahrtwind stand, riss ihn eine Föhnböe "ratsch" vom Dach und schleuderte ihn zwischen die nachkommenden Fahrzeuge auf die Strasse - zum Glück eben auf die Strasse. Anhalten war unmöglich, einen Standstreifen gibt es nicht, aber ich habe im rückspiegel noch gesehen, dass das Ding einfach unter ein Auto kam und so wohl den Weg alles Vergänglichen gegangen ist. Schade, und nochmals danke Kathrin und Peter.
Via Bozen ging es dann nach Brixen und durch das Pustertal (Kaffe in Innichen) nach Osttirol und Kärnten. Eine sehr schöne, empfehlenswerte Fahrt. Insbesondere die südliche Route über Kötschach nach Villach zieht sich zwar, aber ist verkehrsarm und sehr schön. Auch heute wurde gepcknickt (Bilder siehe Bildstrecke 1), Kaffe gab's am Wörthersee, dann ging es weiter nach Maribor in Slowenien. Ein klapperndes Geräusch von der Region Vorderachse beunruhigte uns: Radlager?
Das Hotel Orel (Adler) liegt in der Altstadt, die schöne Flusspromenade an der Drau, der wir seit Innichen mehr oder weniger folgen, war durch ein lärmiges Festival leider zugepflastert, und meine tollen Sprachkenntnisse haben mich dazu verführt, statt schafte Bohnen Rotkraut zu bestellen, was ich nicht mag - wir haben dann das Essen getauscht.
3.7.
Heute ging es über Kroatien nach Ungarn. Die Kroaten sind wilde Autofahrer, ganz anders als die eher rücksichtsvollen Slovenen. Wir werden uns da noch etwas gewöhnen müssen.
Die Route haben wir zum zweiten Mal abgeändert. Statt südlich über Pecs nach Helvécia bei Kecskemet zu fahren, haben wir einen Weg weiter nördlich genommen, direkter, aber da wir keine Autobahn nahmen, nicht wenger lang.
Ich wollte mit einer Fähre über die Donau und zwar da, wo wir auf einer Familienvelotour mal übernachtet haben. Da ich die Ungarnkarte zuhause liegen gelassen hatte, musste ich mit einer 40jährigen Jugoslavienkarte navigieren, und hatte etliche Mühe, den Ort zu finden - und dann war der Betrieb eingestellt. Dafür fuhr die Fähre in Paks, und die wollte ich nehmen, auch wenn wir 40 Minuten warten mussten und die Brücke nicht weit gewesen wäre. Elo machte einen Spaziergang und ich lernte russische Zahlen und genoss die Musse!
Um 1930 fuhren wir bei leichtem Regen dann endlich bei Bea und Janos in Helvécia ein. (Für nicht Eingeweihte: Helvécia ist von einem Schweizer 1892 gegründet worden. Mit Köbi zusammen haben wir eine Gemeindepartnerschaft mit Sirnach aufgezogen, wir beide sind hier Ehrenbürger!. Wir haben Freunde hier, Janos, der mein Counterpart als Präsident des lokalen Vereins war, Miklos der Ex-Bürgermeister, der leider zur Zeit in Rumänien (!) ist).
Hier haben wir zwei Ruhetage eingschaltet, die der definitiven Organisation des Büsslis dienen und dem ersten Kleider waschen. Mit Janos, einem begnadeten Mechaniker, gingen wir zunächst dem Fahrgeräusch nach. Zum Glück war es nicht das Radlager, sondern nur der Freilauf des 4Rad-Antriebs rechts, der verdreckt und verhockt war. Wir (!, Janos!) nahmen ihn auseinander und reinigten ihn, und nachdem wir alle Teile (auch das kleine Kügeli, das davongesprungen war) wieder zusammengebaut hatten, war das Geräusch weg.
Janos schenkte mir nicht nur 2mal ein GPS mit Russland drauf (das erste fiel mir noch zuhause nach einem Tag auf den Boden und war kaputt - selten so geärgert!), sondern auch eine geniale Handpumpe, mit der ich von den Kanistern auf dem Dach direkt Diesel abfüllen kann, ohne die schweren Dinger runter nehmen zu müssen.
Heute waren wir noch am Weinfest. Wir haben Janos' Geburtstag vorgefeiert, er wird 60. Es war schön, gut und fröhlich-feucht!
Elo hatte dann noch eine Idee, die zur erneuten Aenderung der Route führte: Wir fahren morgen statt direkt nach Siebenbürgen zuerst via Belgrad nach Südrumänien, wo wir einen Tag am Eisernen Tor verbringen wollen, wo sich die Donau durch ein Gebirge zwängt, bevor sie in die Ebene Richtung Schwarzes Meer entlassen wird.
Seit gestern Nachmittag habe ich das Gefühl, dass ich wirklich von zuhause weg und auf grosser Tour bin. Davor war es noch ein grösserer Ausflug.
Soviel für heute!
5.7. / Jürg