Schnorcheln im Riff / Mit Roy im
Regenwald / Noch Steinzeitmenschen / Die Urenkelin ist die Mutter / Kratersee /
Nach Süden nun sich lenken… / Kohleindustrie, Ueberbevölkerung, Schnaps /
Springende Wale / Der grösste Sandhaufen der Welt / Mit 100 über den Strand / Vogel“konzert“
/ Vorausschauende Stadtplanung / Die schönste Grossstadt Australiens / Pflugers
/ Gigantomanie am Strand – Gold Coast / Die alte Farm / Ueber den östlichsten Punkt zu Marty / Neuengland /
Komplexität im Alltag – oder wie so Eins zum Anderen führt / Von Schlangen und
Possums / Der letzte Abend / Durch das älteste Weinbaugebiet / Der Kreis
schliesst sich / Bei Mercers – Danke! an alle Helfer in der Schweiz / Jeb verkauft / Brutales Packen / Letzte
Fahrt mit Jeb /
Wir gehen auf die letzte Etappe der Australienreise, die Ostküste hinunter. Wenn wir in Sydney sind, hat sich der Kreis der Umrundung Australiens geschlossen, ist das Hauptziel unseres Reiseprojektes erreicht. Jeb soll dann verkauft werden, eine Uebung, die mir etwas auf dem Magen liegt.
Das Geschrei beginnt pünktlich um halb sechs abends. Wir können unser Wort nicht verstehen, es sind hunderte, wenn nicht tausende von Vögeln. Und um zwanzig nach sechs bricht der Lärm schlagartig ab. Ruhe. Ausser die Vögel werden durch ein Flugzeug gestört, dann geht es wieder eine halbe Stunde. Wenn die Schwärme ein- oder ausfliegen, rauscht es mächtig, und es tropft auch etwas (von ihren Hinterteilen). Tagsüber sind sie unterwegs.
M anchmal fahren wir vergünstigt, nämlich dann, wenn wir sagen, wir
seien über 65 Jahre, hätten aber keinen Ausweis (Concession Card). Dann meinen
die Fahrer, wir hätten sie vergessen, und ermahnen uns, sie künftig immer dabei
zu haben, was wir versprechen. Oder dann geht es ganz gratis, wenn wir nur
50-Dollar-Noten haben, und die Fahrerin nicht wechseln kann, uns aber trotzdem
mitnimmt.
Speziell ist das Südufer (South Bank), das wir über eine grosse Fussgängerbrücke erreichen, die zwei Universitäten verbindet. Dort gibt es einen Park mit Fluss, Liegewiesen, Sandstrand und grossen Schwimmbädern. 1988 war hier die Weltausstellung. Die Brisbaner vergnügen sich am Sonntag mit baden und Picknick. Restaurants, Bars und Schnellimbisse sorgen für das leibliche Wohl. Wir spazieren zweimal durch die Anlagen, schauen den Leuten zu, geniessen das schöne Wetter. Das Klima von Brisbane ist gut. Subtropisch, im Sommer schön warm mit Einfluss der nördlichen Regenzeit, im Winter mild und trocken.
Pflugers
In der Region Brisbane leben meine Verwandten von Vaters Seite. Sein Cousin ist vor dem Zweiten Weltkrieg ausgewandert und hat in den Bergen an der Grenze zu New South Wales eine Bananenplantage aufgebaut. Aus Pflüger wurde Pfluger, die Söhne haben das Farmen aufgegeben und die Enkel leben in der Stadt. Nur die geschiedene Frau eines Sohns wohnt noch auf dem Land.
Also:
W ir besuchen ein von kleinen Produzenten gemeinsam geführtes
Degustationslokal (Small Wine Producers), in dem wir schöne Weisse und einen
sehr interessanten Shiraz degustieren. Hier erfahren wir auch, dass die Erträge
gering gehalten werden, was sich auch in den Rebbergen mit weit auseinander
stehenden Rebreihen zeigt. Das hilft der Qualität.
Wir gehen auf die letzte Etappe der Australienreise, die Ostküste hinunter. Wenn wir in Sydney sind, hat sich der Kreis der Umrundung Australiens geschlossen, ist das Hauptziel unseres Reiseprojektes erreicht. Jeb soll dann verkauft werden, eine Uebung, die mir etwas auf dem Magen liegt.
Schnorcheln im Riff
In Cairns treffen wir Marianne und Heiri, Freunde aus Zürich, die im
eigenen Campervan zwei Wochen mit uns reisen werden, im Duett quasi. Sie haben
zuvor Sydney und das Rote Zentrum (Uluru/Ayers Rock) besucht. Nach einem Tag am
Strand in Ellis Beach, während dem sie die Eisenbahnfahrt nach Kuranda (s.
Blogspot 3-20) machen, geht es nach Port Douglas auf eine Rifffahrt.
Mit dem schnellen Motorkatamaran Quicksilver und rund 200(!!)
Mitreisenden geht es durch das Riff nach Nordosten an seine äussere Grenze. Die
Stelle heisst Adincourt Reef. Dort ist eine Plattform verankert, von der aus
wir schnorcheln können. Elo versucht es, aber einmal mehr zeigt es sich, dass
ihr das nicht liegt, Wasserratte, die sie ja sonst ist. Sie bekommt etwas wie
Platzangst.
Aber es gibt ein Halbunterseeboot, ein Schiff, dessen Kabine ganz im
Wasser liegt, alles mit Fenstern, schmal, dass man auf beide Seiten raussieht.
Dieses macht halbstündige Ausflüge auf die Korallenstöcke, und so hat auch Elo
die „Aussicht“ geniessen können. Ich mache zwei Schnorchelausflüge, die sehr
schön sind. Fische gibt’s vielleicht im Roten Meer mehr, aber die
Korallenlandschaften sind einmalig.
Mit Roy im Regenwald
Auf der Fahrt ins Tafelland hinter der Küste machen wir nochmals einen
Abstecher in die Mossman Gorge.
Diesmal nehmen wir an einer geführten Tour
teil, mit Roy Gibson, dem kulturellen Kopf der Aborigine-Gemeinschaft, die das
Mossman Gorge Zentrum aufgebaut hat. Es ist auch diesmal eine eindrückliche
Tour.
Er erzählt von seiner Initiierung. Als Junge wurde er von den Alten
seines Stammes in einem Buschritual ausgewählt. Eine Nacht musste er allein im
Busch verbringen, umgeben von Lauten der Natur und von Stimmen von Menschen
oder Geistern, die er nicht sah. Als er seine Angst überwunden und die Alten
durch den Regenwald wieder gefunden hatte, teilten sie ihm mit, er sei
auserwählt, einer der zukünftigen Lehrer seines Volkes zu sein.
Diese Aufgabe nimmt er heute wahr. Er ist die Respektsperson seines
Clans, mit dem er das Mossman Gorge Interpretative Center und die Wege und
Lehrpfade in der Schlucht aufgebaut hat. Er ist zwar nicht der Administrator,
diese Aufgabe nimmt ein jüngerer, formal besser Ausgebildeter wahr. Roy hat nur
die Volksschule besucht. Aber er scheint die Seele des Ganzen zu sein.
Noch Steinzeitmenschen
Sein Vater und seine Mutter wurden noch im Busch geboren. Im Weltkrieg,
als die Armee die Kontrolle über das Gebiet übernahm – Bedrohung durch die
Japaner –, wurden sie gezwungen, in die methodistische Missionsstation zu
gehen, wo auch Roy geboren wurde. Meine Frage, ob noch Leute im Busch lebten,
wie damals, in der Steinzeit also, bejaht er.
Als vor einigen Jahren ein Helikopter über eine Bergkuppe in der
Nachbarschaft flog, sahen sie Stammesangehörige, die aber so schnell im Wald
verschwanden, dass sie nicht fotografiert werden konnten. Eine Frau hatte ihr
Baby auf den Schultern usw. Roy sagt, er habe sie noch nie gesehen, aber schon
mehrfach gefühlt, gespürt also, dass ihn Menschen beobachteten.
Die Urenkelin ist die Mutter
Der Stamm von Roy hat, wie andere Stämme auch, komplizierte
Familienstrukturen. Die Bezugspersonen von Roy sind die Kinder seiner
Schwester. Die Urenkelin ist formal wieder die Mutter von Roy, die er
respektieren muss und die für ihn zu sorgen hat (wenn er alt wird!). Der
Urenkel der Schwester ist entsprechend formal der Vater. So schliessen sich
Kreise.
Und es entspricht dieser Familienverband der Clanstruktur insgesamt, in
der es eben keine Herrscher gibt, sondern nur die Beratung der erfahrenen
Mitglieder, die kollektiv beschliessen, was zu tun ist. Roy bestätigt, dass das
System der „Elders“ (Aeltesten) von den Weissen eingeführt wurde, die
Ansprechspersonen haben wollten, mit denen sie bindende Vereinbarungen treffen
konnten.
Daher zerstörten sie die unhierarchische, urdemokratische, gleichsam
anarchistische Struktur. Und daher gehen die Aborigines heute wieder vom
Begriff der Elders ab zu dem der Lehrer. Roy hat wenig formale Autorität, umso
grösser ist seine persönliche, kulturell begründete.
Kratersee
Im Tabelland übernachten wir nochmals in Millaa Millaa, wie vor über
einen Monat. Auf fast 800 Metern Höhe ist es eher kalt! Auf dem Weg dahin
fahren wir mit Marianne und Heiri nochmals an den Lake Barrine, einen
Kratersee. Er ist durch Dampfexplosionen entstanden, als Magma, flüssiges
Vulkangestein, auf Grundwasser stiess. Wiederholte Explosionen, die auch viel
Erde ausstiessen und einen runden Wall um den späteren See aufbauten, schufen
einen tiefen Krater, der dann später mit Grundwasser gefüllt wurde.
Wir umrunden den See und bewundern einmal mehr den tropischen Regenwald
mit seiner Fülle: Wuchernde Bäume, Farne, Palmen, Lianen, Pilze auf morschem
Holz, Rattanschlingen und –ranken, Blüten und Früchte. Ueberall windet es sich
hoch, schlingt es sich um die Nachbarn, erstickt diese oder nutzt sie einfach
als Weg zum Licht, sitzen Farne und Orchideen auf den Astgabeln. Wenig Vögel,
die dann aber oft laut sind, einige Buschtruthähne.
Nach Süden nun sich lenken…
Jetzt geht es in grösseren Etappen die Küste runter, und mir kommt das
alte Studentenlied von den Vöglein in den Sinn, die allzumal nach Süden nun
sich lenken. Die Zeit, die Marianne und Heiri (der auf diesem Weg Theo im
Wallis grüssen lässt!) zur Verfügung haben, ist beschränkt, wir machen fürschi.
Wir fahren an die Küste und übernachten in schönen Campingplätzen von
Nationalparks wie dem Big Crystal Creek im Paluma Range National Park. Am Fluss
in den Felsen ist ein grosses Wasserloch, in dem wir schön schwimmen können,
und auch ein feines Feuer für den Abend ist möglich.
Wir kommen durch Provinzstädte wie Ayre, die sich nicht wesentlich von
denen des Hinterlands unterscheiden. Unterwegs halten wir auch mal am Strand
und nehmen ein Bad. In der Touristenstadt Bowen liegt der Campingplatz an der Hufeisenbucht,
und wir haben einen wunderschönen Sonnenuntergang, obwohl wir ja an der
Ostküste sind.
Von Bowen geht es noch einmal (etwas) ins Landesinnere, durch
eine schöne Gegend bei Collinsville und Glenden, Orten mitten in einem grossen
Kohlerevier.
Post von Rockhampton
Kohleindustrie, Ueberbevölkerung, Schnaps
Es hat Dutzende von Minen in der Umgebung, die grösste – sie gehört
natürlich dem Giganten Rio Tinto – fördert pro Jahr eine Million Tonnen Kohle.
Und sie bringt diese teilweise über Förderbänder von gegen 20 Kilometern Länge zur
Kopfstation der Eisenbahn, die extra für die Minen angelegt wurde und
unterhalten wird. Zweispurig, teilweise elektrifiziert. Aber kein
Personentransport.
Wir campieren an einem künstlichen See, der von den Minengesellschaften
aufgestaut wurde, damit die Arbeiter an den Wochenenden sich hier vergnügen
können. Da muss dann die Hölle los sein: Dutzende von Motortöffs und Booten auf
dem Wasser, Musik, Rämidämi.
Baden können wir nicht, da die Vögel Blaualgen gebracht haben, die
nicht so gut für die Haut sind.
Auf der weiteren Fahrt besichtigen wir Tropfsteinhöhlen – in denen
Hochzeiten abgehalten werden –, ein Kulturzentrum der Aborigines, in dem wir
auch über die Ureinwohner Inselwelt der Torres Strait, der Meerenge zwischen
Australien und Papua New Guinea („niu gini“ sagen sie), informiert werden. Hier
führt die Verbesserung der Hygiene und die Senkung der Kinder- und
Muttersterblichkeit zu einer tendenziellen Ueberbevölkerung.
Die Gegend an der Küste ist Zuckerrohrgebiet. Und aus Zuckerrohr wird
unter anderem – neben Zucker, Produkten für die Lebensmittelindustrie und auch
die chemische Industrie – Rum hergestellt. Wir besuchen daher die grösste
Rumfabrik, in Bundaberg. Hier werden aus Zuckerrohrmolasse jährlich Millionen
von Litern Rum gebrannt (es ist eben alles gross hier, einmal mehr), der dann
als Schnaps oder als Beimischung zu Fertiggetränken in Dosen wie Coca Rum
verkauft wird.
Springende Wale
Der letzte grosse Aufenthalt mit Marianne und Heiri ist in Hervey Bay,
von wo aus wir zwei Ausflüge machen. Der erste gilt den Buckelwalen, die hier auf
ihrem Weg zurück in arktische Gewässer, Station machen. Wir fahren in einem
mittelgrossen Boot in die Moreton Bay hinaus. Und dann sind sie da. Zuerst ist
es etwas wenig, zwei schöne Wale, die blasen (Luft ablassen, um dann
einzuatmen), und schön auftauchen und runtergehen, mit der Schwanzflosse
winken. Dann eine Mutter mit Kind aus der Ferne.
Doch dann kommen wir in ein Gebiet, wo die Männchen ihre Kampfspiele
treiben. Sie bekrabbeln sich, tauchen auf und unter. Und plötzlich – springen
sie hoch: Sie schrauben sich schräg nach hinten aus dem Wasser und drehen sich,
meist nach links, dabei fast völlig um die eigene Achse, bis sie, mit einem
grossen „platsch“, wieder aufs Wasser fallen und untertauchen. Da springt eine
ganz schöne Masse Fisch, 12 bis 16 Meter lang, über 30 Tonnen schwer.
Und schliesslich kommt einer ganz zum Schiff, beäugt dieses von allen
Seiten, schwimmt unter dem Kiel durch und kommt von rechts, alles zu seinem und
unserem Vergnügen.
Der grösste Sandhaufen der Welt
Der nächste Tag ist Fraser Island gewidmet, der grössten Sandinsel der
Welt. Sie schliesst vor Hervey Bay die Merton Bay nach Osten ab, mit einer
Länge von 120 Kilometern, einer Breite von über 20 Kilometern (Fläche 1840 km2)
und einer Höhe von bis gegen 250 Metern. Die Sandmasse beträgt 113
Kubikkilometer, und die Insel ist ein riesiger Süsswasserspeicher, vom reinsten
Wasser, das man sich vorstellen kann.
Wir mieten einen Wagen (Hummer) mit Fahrer, denn auf den reinen
Sandwegen selbst zu fahren, macht uns nicht an. Und mit Recht, die Piste ist
ruppig und schwierig. Jason ist Fahrer und Reiseführer zugleich, und er macht
seine Sache ausgezeichnet. Er war mal Rallye- und mal Lastwagenfahrer.
Zuerst machen wir eine kleine Wanderung im subtropischen Regenwald im
Zentrum, entlang eines kleinen Baches, durch Farne und grosse Bäume. Am Schluss
gibt es Tee und Kuchen. Dann schwimmen wir im Lake McKenzie, einem der über 100
Süsswasserseen. Dessen berühmter Sandstrand aus fast reinem Silikat ist
allerdings auf wenige Meter zusammengedrängt: Es hat soviel geregnet im letzten
Sommer, dass der See platschvoll ist.
Aus der Höhe eines Aussichtspunktes bewundern wir den Lake Boomanjin,
der entstanden ist, weil eine Düne sich vor die Küste gelegt hat und das Wasser
staut. Aber die Düne macht den See nicht nur, sie begräbt ihn in den nächsten
Jahrzehnten auch wieder unter sich.
Zum anschliessenden Picknick gibt es Weissen und Roten!
Mit 100 über den Strand
Schliesslich fahren wir noch zum 75 Mile Beach (120-Kilometer-Strand),
entlang dessen wunderschöner Brandung wir mit gegen Hundert über den feinen,
festen Sand preschen. Kleinflugzeuge, die hier landen, fliegen uns über den
Kopf.Baden kann man hier nicht, weil die Küste vor Haien wimmelt.
Und dann waten wir noch im grössten Bach der Insel, im Eli
Creek. Er bringt täglich 80 Millionen Liter Wasser ins Meer. Er ist auch recht
tief, und als ich einen kleinen Schritt auf die falsche Seite mache, lande ich
in meinen Unterhosen ganz schön im Wasser. Magenotti, es geht dann später auch ohne.
Anschliessend gibt es einen Champagnerapéro mit Erdbeeren und Pralinés,
bevor wir – über Löcher und Gräben geschüttelt – wieder auf die Fähre zum
Festland fahren. Diese kann in der tiefen Ebbe kaum auf der Insel landen. Wir
wurden heute ganz schön verwöhnt!
Vogel“konzert“
In Hervey Bay, dem Ausgangsort für obige Ausflüge, haben wir den
Campingplatz direkt am Strand. Wir können schön baden und gönnen uns noch einen
Ruhetag, bevor die Gäste wieder abfliegen. Die Ruhe wird allerdings jeweils um
rund eine Stunde brutal unterbrochen. Hinter uns sind Schlafbäume von
Lorikeets, kleinen Papageien, die sich vor allem von Nektar ernähren. Sie
veranstalten einen Reisenkrach beim Einnachten und in der Morgendämmerung (da
stört es uns wenig).
Das Geschrei beginnt pünktlich um halb sechs abends. Wir können unser Wort nicht verstehen, es sind hunderte, wenn nicht tausende von Vögeln. Und um zwanzig nach sechs bricht der Lärm schlagartig ab. Ruhe. Ausser die Vögel werden durch ein Flugzeug gestört, dann geht es wieder eine halbe Stunde. Wenn die Schwärme ein- oder ausfliegen, rauscht es mächtig, und es tropft auch etwas (von ihren Hinterteilen). Tagsüber sind sie unterwegs.
Vorausschauende Stadtplanung
In Brisbane verabschieden wir uns von Marianne und Heiri. Es war eine
gute Zeit. Wir schlafen etwas ausserhalb. Die Plätze hier werden von
Dauermietern belegt, Camping ist das nicht. Vor dem Platz fährt direkt ein Bus.
Das Bussystem ist hervorragend. Die Busse haben eine eigene, kreuzungsfreie
Spur bis mitten in die Stadt. Das geht blitzgeschwind, ist zuverlässig.
Diese Buslinien sind ein Musterbeispiel vorausschauender Stadtplanung,
denn sie wurden angelegt, als Brisbane – heute fast zwei Millionen Einwohner –
noch viel kleiner war. Dass die Autolobby die beiden Spuren gerne für sich
hätte, versteht sich, sind doch die Ein- und Ausfallsstrassen jeweils am Morgen
resp. am Abend chronisch verstopft. Denn die Agglomeration erstreckt sich über
Dutzende von Kilometern nach Norden und nach Süden. Landeinwärts ist es
weniger, da kommen dann schnell die Berge.
Die schönste Grossstadt Australiens
Wir erkunden die Stadt am Brisbane River zu Fuss. Das Zentrum ist nicht
sehr gross, aber sehr urban. Wir geniessen die Stadt mit ihren Museen, der
Fussgängerzone, dem nahe gelegenen Botanischen Garten. Für uns ist Brisbane die
schönste der grossen Städte Australiens (also neben Sydney, Melbourne,
Adelaide, Perth, Darwin). Die City liegt in einer Schleife des Flusses, der
hier brackig ist und von den Schwankungen der Gezeiten beeinflusst.
Speziell ist das Südufer (South Bank), das wir über eine grosse Fussgängerbrücke erreichen, die zwei Universitäten verbindet. Dort gibt es einen Park mit Fluss, Liegewiesen, Sandstrand und grossen Schwimmbädern. 1988 war hier die Weltausstellung. Die Brisbaner vergnügen sich am Sonntag mit baden und Picknick. Restaurants, Bars und Schnellimbisse sorgen für das leibliche Wohl. Wir spazieren zweimal durch die Anlagen, schauen den Leuten zu, geniessen das schöne Wetter. Das Klima von Brisbane ist gut. Subtropisch, im Sommer schön warm mit Einfluss der nördlichen Regenzeit, im Winter mild und trocken.
In der Region Brisbane leben meine Verwandten von Vaters Seite. Sein Cousin ist vor dem Zweiten Weltkrieg ausgewandert und hat in den Bergen an der Grenze zu New South Wales eine Bananenplantage aufgebaut. Aus Pflüger wurde Pfluger, die Söhne haben das Farmen aufgegeben und die Enkel leben in der Stadt. Nur die geschiedene Frau eines Sohns wohnt noch auf dem Land.
Die Familiengeschichte ist sehr kompliziert: Adoptionen, Heirat von Vaters
Cousin mit einer angenommenen Tochter meiner Grosstante usw. Ich blicke nicht
so recht durch, aber die Aufnahme durch die Pflugers ist nichts desto weniger
herzlich
Gigantomanie am Strand – Gold Coast
Wir wohnen bei Enkel Trys, dem Sohn meines Cou-Cousins Marty, und seiner Frau Lisa. Trys
zeigt uns die Gegend.
Zuerst geht es in die Stadt Gold Coast, die mit der
Goldküste südlich Brisbanes identisch ist. Es ist irgendwie eindrücklich und
fürchterlich zugleich. Nach den völlig leeren und naturnahen Stränden im Norden
sind es hier nicht nur mehr Menschen, sondern vor allem die gigantische
Bebauung bis direkt an den Strand, die ehr abstossen als locken – uns
jedenfalls.
Surfers Paradise (!!!) aus einem Immobilienprospekt
Die alte Farm
Dann fahren wir auf das Land, wo Traugott und Dora ihr Leben aufgebaut
haben. Es ist wunderschön, aber das Gelände ist äusserst steil und die Arbeit
muss dementsprechend hart gewesen sein. Ich bewundere den Mumm der beiden. Die
Schwiegertochter Kim, die wir zuerst auf dem Sonntagsmarkt von Murwillumbah
treffen, wo sie ihre Gartenprodukte verkauft, wohnt noch auf einer Teilparzelle
der Bananenfarm. Der Regenwald hat fast alles zurückerobert.
Als wir zu ihrem
Haus hinuntergehen, sehen wir eine sehr schöne Python-Schlange, die die letzen
Sonnenstrahlen aufsaugt.
Zuvor besichtigen wir auf der obersten Ecke der ehemaligen Farm das
neue Haus eines Paars, das an der Strasse eine Bed-and-breakfast-Unterkunft
betreibt. Sie scheinen gut Geld zu haben, das Haus ist wunderbar. Für uns wäre
es allerdings etwas abgelegen…
Am nächsten Tag führt uns Trys in den subtropischen Regenwald im
Lemington National Park hinter Mount Tamborine. Wir machen in O’Reilly’s
Resort, zu dem ein langer, gewundener und enger Weg führt, eine schöne
Wanderung und bewundern grosse Bäume und einen romantischen Wasserfall. Die
Antarctic Beech (Antarktische Buche) macht riesige Wurzelanlagen, die Bush Box
Trees sind rund 1500 Jahre alt. Trys fischt junge Krebse aus dem Bach, die ihn ganz schön pieksen (Lamington
Spiny Cray). Wir könnten auch noch Papageien füttern (Rosellas und Kings
Parrots), aber das lassen wir. Auf dem Rückweg werden wir von einem Gewitter
überrascht. Aber es regnet nicht genug, um die Buschbrände, die gefährlich nahe
an der Strasse wüten, zu löschen.
Ueber den östlichsten Punkt zu Marty
Den nächsten Abend verbringen wir bei Cou-Cousin Marty. Er lebt ganz
abgelegen am Ende eines kleinen Tals in einem einfachen Haus, das er allein
bewohnt und gut im Schuss hält. Hier sassen wir eigentlich zum ersten Mal auf einer
der klassischen australischen Veranden („Porch“). Wir genossen den Abend und
den Morgen und unterhielten uns mit Marty, der einen Hang zum Philosophischen
hat, über Gott und die Welt.
Zu Marty fuhren wir über den östlichsten Punkt des Australischen
Kontinents: Byron Bay mit dem Leuchtturm auf Cape Byron. Es war so viel Rummel,
dass wir durchfuhren, auch wenn es landschaftlich noch so schön war.
Neuengland
Von Marty aus fuhren wir über Lismore und Casino nach Neuengland. Hier
wird viel Milchwirtschaft betrieben. Grafton liegt am grossen Clarence River,
an dem wir 25 Kilometer weiter oben schön übernachteten. Es wird langsam kalt,
wir können ohne Feuer den Abend nicht im Freien geniessen.
Weiter geht es über den romantischen Gwydir („Gweidr“ gesprochen)
Highway ins Hochland. Hier liegen die Städte und Farmen auf 1000 bis 1300
Metern, Guyra rühmt sich mit 1333 Metern den höchstgelegenen Campingplatz
Australiens zu haben. (Australien ist ein flacher Kontinent). Das Klima ist
rau, die Menschen freundlich, die Städte meist angenehm mit guter Substanz (vor
allem die Universitätsstadt Armidale). Viele Namen sind gälisch: schottisch
(Glen (in Glenn Innes z.B.) für Talsenke, und Ben für die Hügel daneben ist
schottisch. Gwydir ist walisisch nach einer Landschaft in Nordwales.
Auf dem Highway sehen wir einen grossen Seeadler, weiss mit etwas
braunschwarz, Spannweite fast 2 Meter 50. Mit meinem Fotoapparätli kann ich ihn
aber nicht fotografieren, er streicht ab, als ich halte.
Komplexität im Alltag – oder wie so Eins zum Anderen führt
Wenn ich auf der Reise nicht abgenommen hätte, hätten wir einen der
schönsten Uebernachtungsplätze der Reise nicht gefunden. Alles klar? Also:
-
wenn wir
in Walcha mit seinen 1300 Einwohnern nicht einen Kaffee hätten trinken wollen,
wären wir nicht an einem schönen Sattlergeschäft vorbeigekommen,
-
wenn ich
nicht abgenommen hätte, wäre mein Gürtel nicht zu weit geworden und hätte keine
neuen Löcher gebraucht,
-
wenn ich
nicht ins Sattlergeschäft gegangen wäre und den Sattler um die zwei Löcher
gebeten hätte – die er übrigens gerne und gratis gemacht hat –, hätte ich mich
nicht mit ihm über unsere Reise unterhalten können,
-
wenn ich
nicht mit ihm geplaudert hätte, hätte er uns nicht auf die nahe gelegene
Apsley-Schlucht mit dem Apsley-Fällen und einem guten Campingplatz im Wild
Rivers Nationalpark aufmerksam machen können,
-
wenn er
mich nicht darauf hingewiesen hätte, wären wir nicht nach links abgebogen,
sondern gerade aus gefahren
-
und so
hätten wir wirklich etwas verpasst.
Das zeigt, wie nützlich doch das Abnehmen nicht nur im Allgemeinen
sondern auch im Speziellen ist!
Von Schlangen und Possums
Der Rastplatz ist im Oxley Wild River National Park direkt an der
Apsley-Schlucht gelegen, die rund 140 Meter tief ist. Er ist ausserordentlich
grosszügig angelegt, die Stellplätze sind rund 50 Meter voneinander entfernt,
jeder hat einen grossen, massiven Tisch mit Bänken, auf Steinplatten und eine
grosse Feuerstelle mit Grillplatte. Und das Beste: Die Parkverwaltung liefert
auch noch das Brennholz, Abschnitte einer Sägerei, handlich zugeschnitten und
Spitzenqualität.
Am Nachmittag machten wir einen Spaziergang entlang der Schlucht.
Runter können wir nicht, aber die Aussicht auf die beiden Fälle von
verschiedener Seite ist grossartig. Auf dem Rückweg gehen wir in flottem Tempo.
Ich schreite schnellen Schritts über einen quer liegenden Zweig, so scheint
mir. Elo sieht mit einigem Schrecken von hinten, dass der Zweig eine gut und
gern einen Meter lange Schlange ist, die, erschrocken, in Blitzeseile zwischen
meinen Beinen wegschnellt ins nahe Gras. Es war zum Glück eine nicht aggressive
Rotbäuchige Schwarzotter. Wäre ich draufgetreten, hätte sie wohl gebissen. Ich
hätte das zwar überlebt, aber mit einigen Problemen.
Abends sitzen wir lange am schön warmen Feuer. Als ich mein Weinglas
auf dem Tisch greifen will, sitzt da keinen Meter von mir ein neugieriges Opossum
(„Possum“ sagen sie hier) und beäugt mich aus seinen Riesenaugen. Als wir
aufstehen, verzieht es sich langsam, um dann ganz schnell mit viel Geräusch den
Baum hochzuklettern.
Der letzte Abend
Wir wollen noch einen Tag bleiben, aber nachts beginnt es plötzlich zu
regnen, und es wird kalt. Also ziehen wir weiter durchs Tafelland Neuenglands
über Gloucester (das uns nicht so gefällt) nach Dungog, wo wir – ohne es zu
wissen – auf dem gemeindeeigenen Campingplatz die letzte Campingnacht unserer
Australienreise verbringen. Er ist an der Bahnlinie gelegen, nicht besonders
attraktiv, aber gratis. Es ist kalt, wir müssen im Jeb essen.
Durch das älteste Weinbaugebiet
Ueber zum Teil ausserordentlich schlechte, an Flickenteppiche und
Wellblech erinnernde schmale Strassen in der sehr schönen Landschaft im
Hochland Neuenglands nähern wir uns dem ältesten Weibaugebiet Australiens, dem
Hunter Valley. Hier wurde vor fast 200 Jahren der erste Wein angebaut. Dann
ging das fast vergessen, andere Gebiete wie das Barossa Valley in Südaustralien
machten den australischen Tropfen seit den 60er Jahren berühmt.
Aber das Hunter Valley hat sich sehr gemacht. Gute Shiraz und Semillon
Blancs werden produziert, auch schöne Gewürztraminer. Die Nähe Sydneys bringt
einen grossen Ausflugstourismus. Am verlängerten Wochenende (einem der vielen
hier im Land) ist es voll.
Trotzdem sind die Preise vernünftig, ganz im Gegensatz zum Margaret
River in Westaustralien.
Der Kreis schliesst sich
Entlang eines kleinen Flusses und über eine lange Krete geht es nun in
Richtung Gosford, wo wir Weihnachten und Neujahr verbracht haben. Wir wollen
Mercers besuchen, die in diesem Sommer (europäische Zählung) in Europa, der
Schweiz, Sirnach, Hauweg waren.
Die Strasse ist wieder gewunden, führt durch Landwirtschafts- und
Gemüseland. Kurz vor Gosford kommen wir an eine Strassenkreuzung, auf der die
Strasse von Wisemans Ferry her kommt, die wir vor knapp 10 Monaten genommen
hatten. Der Kreis hat sich geschlossen, die Umrundung Australiens ist komplett!
Das hatten wir immer geplant gehabt, und das haben wir nun gemacht. Ein gutes
Gefühl!
Wir können abschliessen, und das tun wir schneller als gedacht.
Bei Mercers – Danke! an alle Helfer in der Schweiz
In Springfield/Gosford wurden wir von der Familie Mercer erneut riesig
empfangen und erleben eine wunderschöne Gastfreundschaft. Die Kinder Hannah
(13), Laura (11), Joshua (7), Lucy (5) und Elizabeth (3) sind lieb, aufgeweckt,
freundlich, wild, anhänglich und gut wie zuvor, die Eltern sind hilfsbereit,
humorvoll und so nett wie die Kinder.
Sie waren auf der Europareise einige Zeit in der Schweiz, auch in
unserem Haus. Und sie bitten uns, allen unseren Freunden und Bekannten, die
ihnen geholfen und sie unterstützt haben nochmals zu danken. Das gilt vor allem
für das Hotel Alpina in Klosters (www.alpina-klosters.ch),
wo sie unvergessliche Tage verbringen durften, dann Cousine Ulla, Monika Bommer
und Frau Kamili, die in Sirnach für sie sorgten, aber auch für alle anderen.
Wir schliessen uns diesem Dank von ganzem Herzen an!
Jeb verkauft
Mit Jebs Verkauf ging es dann plötzlich ganz schnell. Das selbstgemalte
Schild „4 sale, 0404 946 442“ („zu verkaufen“ und Telefonnummer) hing nur zwei
Tage, und wäre gar nicht nötig gewesen. Die Anzeige in der Internetplattform
Gumtree (www.gumtree.com.au) hat
gereicht. Kurz vor Gosford hatte ich einen Anruf von Steve, ob Jeb noch zu
haben sei, und zu welchem Preis. Ich merkte an der Aussprache, dass es nicht
der gleiche Steve war, mit dem ich schon mehrmals telefoniert hatte, und der
mir nicht den besten Eindruck machte.
Ich nannte Steve unsere Vorstellung, er beriet sich mit seiner Frau,
sie waren einverstanden und wir verabredeten uns für den Tag nach unserer
Ankunft in Gosford. Am Morgen brachten wir Jeb innen und aussen auf Hochglanz,
soweit wir das vermochten. Die beiden kamen, wir hatten guten Kontakt, es gab
eine Probefahrt, auf der Steve an den steilen Strassen in den Wohnquartieren
hier die Kupplung testete usw. Und nach einer Stunde machten wir den Kauf per
Handschlag am Tisch der Mercers perfekt.
Brutales Packen
Wir räumen den Bus, scheiden aus: mitnehmen nach Neuseeland,
heimschicken, Mercers geben, im Jeb lassen zur freien Verfügung von Steve und
Chris, wegwerfen. Dann senden wir zwei Pakete nach Hause. Und packen für die
Reise. Er sind vorläufig zwei Reisetaschen, eine weitere Tasche für Neuseeland,
zwei Rucksäcke. Das Packen ist brutal, was nicht Platz hat muss weg, so auch
Badeschuhe und Schnorchelausrüstung. In Neuseeland, wo wir zwei Monate sein
werden, wird dann die weitere Tasche überflüssig gemacht, zwei Reisetaschen
müssen genügen.
Letzte Fahrt mit Jeb
Das Wohnmobil fahren wir nach Südsydney zu den neuen Besitzern. Nach gut 32'000
Kilometern nochmals 87 Kilometer – und dann ist Schluss. Es ist gut so, wir
haben gerade genug Camping, auch wenn wir am Schluss nochmals so schöne Plätze
hatten. Jetzt wird wieder aus den Koffern gelebt.
Gegen einen Bankcheck übergeben wir Jeb an Chris und Steve, die sich
riesig freuen. Die Abmeldung besorgt Steve. Und wir verabschieden uns von dem
treuen Gefährt, mit dem wir – wie auf der Reise durch Asien mit dem Mitsubishi –
wiederum keinen Unfall, keinen Platten und keine Panne hatten. Wir haben schon
Glück.
Bankgeschäfte
Heute überweisen wir das Geld in die Schweiz. Dann kaufen wir den Flug
nach Auckland in Neuseeland, buchen ein Auto und das Hotel für die ersten Tage.
So der Plan heute morgen. Das mit dem Ueberweisen ist nicht ganz so einfach:
Wir haben (hatten) kein Konto hier in Australien, und die erste Bank meinte,
sie wolle eine solche Summe nicht einfach überweisen, zumal der Scheck von
einer anderen Bank ausgesellt sei und erste geprüft werden müsse.
Wir gingen daher zur Bank, die den Scheck ausstellte, und da ging es
dann ganz flott. Ich wurde in Nullkommanichts Inhaber eines Retirement Access
Account, eines Seniorenkontos, das keine Gebühren kennt. Der Scheck wurde
gutgeschrieben, ist aber für drei Arbeitstage gesperrt, bis er geprüft ist.
Dann kann ich das Geld in die Schweiz überweisen und das Konto auflösen.
Morgen fahren wir mit dem Zug nach Werribee bei Melbourne zu Cousin
Peter. Der Flug nach Auckland ist gebucht, wir verlassen Australien nach 11
Monaten in Melbourne am Samstag, 13. Oktober um 10 Uhr.
5.10.2012 / JB.
PS. Ein Résumé mit einer
Gesamtsicht der Australienreise folgt als nächster Blogspot.