Mittwoch, 10. Oktober 2012

3-23 Australien im Rückspiegel

Am 13. Oktober, 0810h verlassen wir Australien in Richtung Auckland, Neuseeland, nach 320 Tagen Aufenthalt. Es ist Zeit, ein Resumé zu ziehen. Wie beim Auto im Rückspiegel ist es auch hier: alles ist etwas verkleinert, komprimiert. Aber dafür wird der Blick auf das Wesentliche gerichtet, das für uns Wesentliche.

Elo und Jürg 11.10.12
 

Zuerst aber noch ein Reisebericht-PS.:

Melbourne – genauer hingesehen

Wir haben eine knappe Woche in Werribee für den Besuch bei Cousin Peter und die Abwicklung der Bankgeschäfte. Das benutzen wir, um Melbourne nochmals genauer anzusehen. Und erst auf diesen zweiten Blick erschliesst sich uns der Reiz dieser Stadt. Im CBC (s.u.) gibt es stimmungsvolle Einkaufspassagen mit alter Dekoration, mit guten Cafés und kleineren Geschäften. Direkt neben dem CBD liegt der Hauptbahnhof, die Flinders Station, von dem aus lokale Züge in alle Richtungen abgehen. Er ist am Yarra River gelegen, und um ihn herum gibt es eine ganze Reihe von kulturellen Institutionen.

Der Federation Square ist modern überbaut mit Museen, Tagungsräumen und Cafés und lockt bei gutem Wetter viele Besucher an. In den Gebäuden ist die Ian Potter Collection für zeitgenössische Kunst. Ueber dem Fluss liegen die Konzerthalle und das National Museum of Victoria mit einer grossen Bilder-, Skulpturen- und Kunsthandwerksammlung, einer eindrücklichen Art Déco Collection (Jugendstil) und spannenden Wechselausstellungen. Zur Zeit läuft eine über die Apokalyptischen Reiter des ausgehenden Mittelalters und der Renaissance, in der Dürer-Stiche in grossen Zahl zu sehen sind. Im Garten des burgähnlichen Gebäudes (gute Architektur)- das an eine chinesische Festung erinnert - steht eine schöne Balzac-Plastik von Rodin.


Wir geniessen es, am Abend in der Stadt zu sein. Mit dem Wohnmobil waren wir immer ausserhalb stationiert. Nach einem guten Nachtessen auf der Promenade des Südufers gehen wir in der Hamer Hall in ein Barockkonzert des National Chamber Orchestra. Wir haben schöne Plätze im ersten Rang der Estrade, und die Halle hat eine sehr gute Akustik. Die Musik der klaren, durchsichtigen Arrangements kommt fast in einzelnen Tönen zu uns herauf, jede Stimme ist klar erkennbar und erst im Kopf und in den Sinnen setzen sich die Melodien von Corelli, Bach, Haendel, Mozart, Telemann und Konsorten zu wunderschöner Musik zusammen. Die Akustik ist so gut, dass – ich kann mir nicht helfen – auch die Gerüche fast überdeutlich wahrgenommen werden und  wenn der Hintermann das Schnupftuch herauszieht, ich deutlich rieche, dass er Raucher ist.

Am Abend vor der Abreise werden wir noch ins Theater gehen, in ein Kleintheater mit einem neuseeländischen Stück, das Maori-Elemente einzubauen verspricht.
 

Aber nun zum Rückblick:

Es gibt eine Karte, die die Umrisse des australischen Kontinents zeigt, worin ganz Europa Platz fände und immer noch Raum für andere Länder wäre. „We are so large that we could easily swallow Europe!“ – so könnte man die Botschaft verstehen. Wir können dem leicht erwidern, welche Vielfalt an Menschen, Sprachen und Kulturen in diesem Europa leben, wie viel Geschichte sich hier vollzog, welch grossartige Monumente davon zeugen. „Wir sind so alt und vielfältig, dass wir Australien leicht schlucken könnten“  - sind wir manchmal versucht zu erwidern. So viel Natur und so wenig Kultur!

Australien ist gross. Anfangs hat uns die schiere Grösse erschlagen. Wie sollen wir eine Reise planen in einem Land, das von Osten nach Westen und von Norden nach Süden Tausende von Kilometern weit ist, ein Land, dessen Zentrum aus riesigen Wüsten besteht, ein Land, in dem uns ein Mann sagt, er lebe in Perth, wobei es sich dann beim Nachfragen herausstellt, dass er 300 Kilometer in die Stadt zu fahren hat. Als wir ihm erklären, da wäre er dann so ungefähr durch die Schweiz hindurch gefahren, findet er das erstaunlich und amüsant. Alles ist gross: die Fahrdistanzen, die Flächenausdehnung der Siedlungen, die Küstenlinien, die Staaten, das Selbstbewusstsein der Einwohner (wobei uns hier der Verdacht kommt, das könnte auch ein überdeckter Minderwertigkeitskomplex sein).

Viel Natur, wenig Kultur
Doch Australien ist nicht so einheitlich wie es scheint. Die Bundesstaaten – New South Wales, Victoria, South Australia, Western Australia, Queensland, Tasmanien sowie das Northern Territory und der Distrikt der Hauptstadt Canberra – sind recht unabhängig. Die Menschen fühlen sich in erster Linie ihrer lokalen und regionalen Umgebung, ihrem Staat verbunden. Sie sind Patrioten, stolz (manchmal zu stolz) auf ihr Land, in dem sie alles als „histrorisch“ bezeichnen, was älter als 30 Jahre ist. Obwohl die Mobilität der Australier gross ist – ständig werden Häuser gekauft und verkauft, wird der Job gewechselt, zieht man von einem Platz zum andern – ist alles sehr lokal ausgerichtet, angefangen von den Zeitungen (die für jemanden, der aus dem Nachbar-Shire kommt, schon nicht mehr zu verstehen sind), über die TV-Nachrichten, die sich lediglich mit Geschehnissen in der näheren Umgebung beschäftigen, bis zum Denkhorizont, der nicht über den nächsten Hügel reicht.

Aber viele Australier sind auch weit gereist. Wer in der Schweiz war, hat Luzern besucht und ist auf den Pilatus gefahren, Kreuzfahrten auf Rhein, Main und Donau sind das neueste „must do“. In Bern war fast keine(r).

Lechts und Rinks
Alles ist verkehrtrum in Australien: Die Autos fahren auf der falschen Seite, was wir schnell raus haben, beim Ueberqueren der Strasse kommen sie daher von rechts, statt von links, an was wir uns nur schwer gewöhnen, der Mond nimmt auf der falschen Seite zu und ab, die Sonne steht am Mittag im Norden, nach Süden wird es kalt, nach Norden warm, das Wasser läuft andersrum den Ablauf hinab, als bei uns, das Sternbild Orion steht auf dem Kopf.

Und dann die Sprache. Ist das wirklich Englisch, fragen wir uns am Anfang oft. Und auch wenn wir uns langsam ganz gut an das Gemusel gewöhnt haben, so stossen wir doch auch jetzt noch immer wieder mal auf ein Exemplar, das sich einer Sprachgattung bedient, die uns fast völlig unverständlich ist. Statt „ai“(I, ich) heisst es „oi“, statt „nait“ (night, Nacht) „noit“ und statt „wail“ (while, Weile) „woil“. Und wenn ich dem Kapitän eines Fischerschiffs erzählen will, dass ich mit den Walhaien geschwommen bin, so versteht er mein „Walesharks“ in der Aussprache „Weilschark“ nicht, und erst als ich buchstabiere, meint er anerkennend „o, Wailscharks“. Und überhaupt mit dem Buchstabieren: Mit e, i, a komme ich immer noch nicht klar, wenn sie von Einheimischen kommen: Wir sind gewöhnt für e in Englisch i, zu sagen, für i kommt ai, für a kommt ei. Bei ihnen ist es völlig unterschiedlich, „ai“, „oi“, „ei“ oder sonst was, und das h ist dann erst noch ein „haitsch“. Verstehe, wer will.

Von Aussies und Mossies
Hinzu kommt die Abkürzugswut. Alles ist zu lang oder wird durch Abkürzungen zum vertrauten Begriff. Das beginnt beim Gruss G’day für Good Day. Hryou – How are you oder wie geht es ?, ist der übliche Gruss. Moskitos sind Mossies, Australier Aussies, Tasmanier Tassies. CBD (central business district) ist das Stadtzentrum auch in kleinen Käffern, der Fernseher heisst Telly, der Generator Genny, das Nutzfahrzeug Ute (für utility), die Kreditkarte EFPOS (Electronic Payment Organization(?) System). Crocs sind Krokodile, sweeties sind Süsswasserkrokodile, salties Salzwasserkrokodile. Der Bus zum Flughafen fährt von der RSL (Returned Soldiers Leage Klub). BYO schreiben sie und sagen sie für „bring your own“, wenn du den Wein selbst mitbringen musst im (nicht für alkoholische Getränke lizensierten ) Restaurant oder das Holz für die Feuerstelle im Campingplatz. Und auf den Strassenschildern steht Ct für Court, Trc für Terrace, St für Strasse, Ave für Avenue, Pde für Parade, Lne für Lane, Dr für Drive.

Black and White
Je weiter wir nach Norden reisten, umso mehr wurde uns bewusst, dass Australien auch aus zwei Nationen besteht, jener der Blackfellows und jener der Whitefellows Oder politically correct: Aborigines und weisse Australier. Die Letzteren haben den Ersteren viel Leid zugefügt, sich deren Gebiete angeeignet, ihre Lebensart und Kultur fast zerstört, ihre Kinder gestohlen… Aus schlechtem Gewissen wollen die Weissen nun Gutes tun. Aber sie machen das Falsche: Die Regierung gibt den Aborigines Landrechte und Geld als Entschädigung für die Betreibung von Mienen, befreit sie von Steuern usw. So verbleiben viele Aborigine-Communities in Abhängigkeit, sehen wenig Notwendigkeit, etwas Eigenes zu entwickeln, ihre Kinder auszubilden. Ihre Kultur wird nicht selten museal präsentiert, Aborigine-Dysneyland.

Die Aborigines sind stolz auf ihre 40 000 Jahre alte Kultur. Zum Teil grossartige Felsmalereien zeugen davon. Aber bis die Weissen kamen, waren sie Jäger und Sammler, es war immer alles im Überfluss vorhanden, so dass sie weder Ackerbau betreiben mussten noch Vorräte anlegen. Sie lebten z.B. im Regenwald, wo sie die Pflanzen und Tiere nutzten für Nahrung, Kleidung, Medizin, zur Herstellung der wenigen Werkzeuge, die sie brauchten. Der Regenwald ist der grösste Supermarkt, die beste Apotheke und der vielfältigste Hardwarestore für die Menschen, die dort leben. In der Wüste hingegen ging es vor allem darum, Wasser zu finden.

So sind sie an der Schwelle zur Neusteinzeit stehen geblieben. Es gab keinen Grund, Landwirtschaft und Viehzucht mit Vorratshaltung, die Voraussetzung für Arbeitsteilung und weitere Stufen von Zivilisation und Gesellschaft, zu entwickeln: Alles ist im Ueberfluss vorhanden, es muss nur eingesammelt werden. Und diese Haltung scheint die Gemeinschaften immer noch weitgehend zu prägen. Nur dass neben der Natur jetzt auch die weisse Gesellschaft Australiens als Selbstbedienungsladen zur Verfügung steht.

Die wenigen Communities, die wir gesehen  haben, stimmen uns fast alle traurig: slumartige Häuser, Abfallhaufen überall, Autowracks, die Leute hängen teilnahmslos herum. Die Kinder gehen nicht zur Schule, die Väter und Mütter saufen, Gewalt in der Familie, Kindsmissbrauch. Manche Communities aber sind stark genug – oder haben gute „Lehrer“ –, um dies zu ändern. Sie bauen, wie in Mossman-Gorge, eine touristische Infrastruktur auf, die Jobs schafft, die Menschen unabhängig und zuversichtlich macht. In Laura hingegen, wo die Felsmalereien von der Aborigine-Community torutistisch vermarktet werden, nimmt man zwar gern das Geld der Touristen, vernachlässigt aber die Infrastruktur. Einigermassen saubere Toiletten wären aber auch eine Art Kultur!

Dots und Didgeridoos
DIE Aborigines gibt es eigentlich nicht. Auf dem australischen Territorium leben zahlreiche verschiedene Stämme mit eigenen Gebieten, eigener Sprache, und je nach ihrer Umgebung mit unterschiedlichen Kulturen. So finden sich die berühmten Gemälde mit Punkten (dots) nur im Innern, nicht aber im Norden Australiens – weil im Regenwald aus den Fasern einer Pflanze Pinsel hergestellt werden konnten, im wüstenähnlichen Outback hingegen die Farbe mit einem Stock aufgetragen wurde. Auch das Blasinstrument Didgeridoo ist nicht unter allen Aborigine-Stämmen verbreitet, weil zu seiner Herstellung die Zweige eines bestimmten Baumes erforderlich sind. Anscheinend wurde in begrenztem Rahmen Handel betrieben, aber die Stämme waren nach Familien und Klans organisiert – mit sehr komplexen Familienstrukturen. Diese segmentären Strukturen kamen zwar ohne Hierarchien und Herrschaftsstrukturen aus, aber eben auch ohne Arbeitsteilung als Grundlage weiterer Entwicklung.

Und vor etwa 250 Jahren begannen die Weissen Australien zu kolonisieren. Nach und nach drangen sie ins Landesinnere vor, gründeten ihre riesigen Farmen für Viehzucht und  Getreideanbau, verdrängten die ursprünglichen Bewohner. Aber zur Arbeit einspannen liessen sich die wenigsten Aborigines. Um verlässliche Ansprechpartner zu haben (mit wem sollen Vereinbarungen getroffen werden, wenn die Person immer noch zuerst die anderen fragen muss?), wurden Aelteste benannt, mit pompösen Blechschildern wie für Feldjäger in der deutschen Armee behängt, und so die Grundstruktur der traditionellen Gesellschaft zerschlagen. Daran leiden die Stämme heute noch, denn es gibt keine richtige gemeinschaftliche Verantwortung mehr.

Die weisse Geschichte Australiens ist erst 250 Jahre alt. Aber jedes Dorf hat eine „heritage site“, ein paar alte Häuser, ein kleines Museum, in dem pathetisch einfach alles zusammengetragen wir, was Staub angesetzt hat und nicht mehr funktioniert, und das Gerichtsgebäude mit Gefängnis, meist aus dem frühen 20. Jahrhundert. Doch dann finden wir plötzlich Überraschendes wie das Museum in Nullarbour-Roadhouse von Balladonia mit seiner Darstellung des Lebens der Pioniere oder in Cloncurry, wo die Geschichte der Fliegenden Ärzte begann. Inzwischen ist das angelsächsische Erbe vermischt mit Asiatischem. Und wie bei uns herrscht die Angst vor dem Vordringen des Islam.

Auf grosse Religiosität sind wir in Australien nicht gestossen, viele Menschen bezeichnen sich als nicht religiös. Nur in New England und anderen Gebieten früher Siedler gibt es viele Kirchen, anglikanische, katholische, wenige lutheranische, presberytanische, baptistische usw. Hin und wieder sieht man mal einen Tempel der Zeugen Jehovas. Wer im Outback am Sonntag in die Kirche gehen will, muss weite Entfernungen zurücklegen. Und so merkt man denn auch kaum, ob werktags oder sonntags ist. Die Geschäfte sind offen, die  bis zu 55 Meter langen Roadtrains mit bis zu vier Anhängern sind tags und nachts unterwegs.

From Nothing to Nowhere
Endlos ziehen sich die Strassen dahin, hunderte, ja tausende von Kilometern. Entfernungen zählen nicht, mit dem Auto ist jeder Ort erreichbar. Ausser in der Regenzeit, wenn  grosse Gebiete im Norden überflutet sind. Und jeder fährt, als sei er allein auf der Strasse.

So much nothing to get nowhere, soviel Nichts um nach Nirgendwo zu kommen. Die Einsamkeit und Isoliertheit – nicht nur im outback – hat uns trotz der Weite der Landschaft eingeengt, oft fast erdrückt. Man fühlt sich gefangen in der Weite. Als wir die Grenze zwischen Südaustralien und Western Australia passieren, müssen wir alles Obst und Gemüse abgeben. Macht nichts, denken wir uns, als wir den letzten Apfel essen, nach der Grenze können wir einkaufen. Ein Schild warb denn auch für den nächsten Supermarkt in Norseman. Nichts wie hin. Der Weg führte 800 Kilometer (davon 150 km schnurgerade) durch die Wüste.

Aehnlich der Schweiz, wo fast jeder glaubt, noch eng mit den bäuerlichen Vorfahren verbunden zu sein, fühlt sich irgendwie jeder Australier als Stockman (Cowboy) oder Squatter (Farmer). Pioniere allesamt, mit verkrumpeltem breitkrempigem Hut, breitem Gurt, wiegendem Schritt fast explodierend vor Kraft und Zähigkeit – auch wenn der Bauch oft in Richtung Kniegegend schwappt. Das äussert sich selbst im Lebensstil der Städter: Man trägt bei allen Temperaturen Shorts und T-Shirt, man hat immer Zeit für einen – z.T. endlosen – Schwatz. Aber die Leute sind hilfsbereit und freundlich, neugierig, unkompliziert, offen, lachend, kinderfreundlich.

Die Mehrheit der 22 Millionen Australier lebt jedoch in Städten (haben das seit über hundert Jahren getan!), in den grossen Städten Sydney, Melbourne, Brisbane, Perth, Adelaide. Die Zentren  dieser Städte sind oft relativ klein, die Wohngebiete, praktisch ausschliesslich einstöckige Bungalows, breiten sich in alle Richtungen aus und bilden riesige Agglomerationen. Die Städte haben alle viele schöne Parks, gute botanische Gärten, Rad-und Spazierwege, Fluss- und Meerespromenaden. Wenige Mittelstädte wie Hobart, Cairns und Darwin entwickeln sich in die gleiche Richtung.

Provinz, Provinz, Provinz
Am Rande der Agglomerationen gibt es an sich grosse Städte wie Werribee wo wir bei Cousin Peter wohnen. Hunderttausend und mehr Einwohner, eine Einkaufsstrasse, ein grosses Einkaufszentrum, ein Bahnhof, kein Gesicht. Und Riesenflächen von Wohnstrassen, in denen wir uns immer noch verlaufen.

Im Norden sind die Mittelstädte eher trostlos, in Mienengegenden z.B. rein auf die Ausbeutung der umgebenden Natur und die Ausbeutung der diese Natur ausbeutenden Arbeiter ausgerichtet.

Dann sind da die kleineren Orte, regionale Versorgungszentren, auch sie bestehend aus der Mainstreet, einem Einkaufszentrum, einer Tankstelle, Hardwarestores, Anbietern von „preowned cars“. Provinz, wo immer man hinkommt. Aber es gibt auch positive Ueberraschungen wie die Universitätsstadt Armidale im Hochland von New South Wales mit viel Atmosphäre und guter Substanz, oder Maitland am Rande des Hunter Valleys, das an norddeutsche Mittelstädte erinnert.

Und schliesslich die Orte, die zwar auf der Karte eingezeichnet sind, die wir aber beim Durchfahren überhaupt nicht wahrnehmen, abgesehen davon, dass einige Strassen mit richtigen Strassenschildern seitlich ins Niemandsland abgehen.

Was die Städte teilweise an historischer Substanz und kulturellem Leben vermissen lassen, kompensieren sie oft durch ein ausgeprägtes System der freiwilligen Arbeit und Aktivitäten für alle Lebensalter. In den sehr freundlichen Informationsstellen für Touristen arbeiten Hausfrauen und Pensionäre. Gemeindedienste für die Entlastung von Familienangehörigen von Schwerkranken werden ebenso von Freiwilligen getragen wie die vielen Aktivitäten für Kinder (oft Sport) und Alte (Lotto, Basteln, Lesen usw.).  Auch in den Gemeindebibliotheken, in denen auch Internetzugang zu finden ist, finden wir Laienhelfer, die sehr freundlich und bemüht sind.

Das kulturelle Leben wird stark unterstützt von Mäzenen, die ihr Geld für Sammlungen, Instrumente von Künstlern, Veranstaltungen usw. ausgeben. Sie scheinen sich des Problems der kulturellen Abgelegenheit bewusst zu sein, und versuchen, hier Abhilfe zu schaffen. Beste Galerien und Museen zeugen davon.

Zentralisierte Kultur
Wirklich urbanes Leben ist  also rar in Australien. Aber in den Zentren, in den Grosstädten, wird auch gute Kultur gemacht. So in Melbourne mit der engen Verknüpfung von Geschäftszentrum, öffentlichem Verkehr und Kultur Museen, Konzerthallen, Galerien Freilichtbühnen und Sportstätten mit wiederkehrenden internationalen Veranstaltungen wie Tennistournieren und Autorennen. Melbourne hat uns in dieser Hinsicht sehr gut gefallen, es konkurriert in unserer Beliebtheit mit Brisbane, wo wir allerdings weniger Kultur fanden.

Einige Grossstädte haben ein ausgesprochen gut ausgebautes System des öffentlichen Verkehrs. So in Adelaide und Brisbane, wo in vorausschauender Stadtplanung eigene Fahrspuren und Strassen für den Busverkehr gebaut wurden. Da wurde geschickt genutzt, dass einfach vorher nichts Bauliches da war. Auch gibt es überall gepflegte öffentliche Toiletten, immer gratis. An den Stränden sind sie mit Duschen ausgestattet, um das Salzwasser abzuwaschen. Und in allen Parks finden wir Grillstellen mit Gas- oder Elektrobarbecues. Diese werden für die verschiedenste Art von Picknicks rege genutzt.

Allein mit Krokodilen
Im ganzen Land die Menschen sind sehr naturverbunden. Wer nicht fischt, sportbegeistert ist (das kann durchaus passiv sein, TV-zentriert), Motorboot fährt und zeltet, läuft – so unsere Vermutung – Gefahr, die Staatsbürgerschaft aberkannt zu bekommen. Überall sind Nationalparks, die sich sehr weit ausdehnen.

Die Natur wird nicht nur geschützt, sondern auch genutzt. Die Rangers sind kenntnisreich und geben ihr Wissen gern weiter, die Campingplätze und Picknickplätze sind gut erhalten und laden zum Verbleiben ein. Die Natur ist grossartig und einmalig: einsame Strände, wo es nur Dich und ein paar Krokodile gibt, rauschende Wasserfälle, die Pools bilden, die zum Baden einladen, Regenwälder, in denen stundenlange Wanderungen möglich sind, Hügel und Felsen, wenig Berge, aber rau gegliederte Hochländer und Vorgebirge bis hart ans Meer, die das Inland direkt hinter der Küste abschotten, nur hier wachsende Pflanzen, lärmende bunte Vögel, alle Arten von Kängurus.

Australien bietet eine grosse Anzahl landschaftlicher Höhepunkte. Die Küsten allerorten, insbesondere die Great Ocean Road im Südwesten Victorias, die man am besten von West nach Ost macht. Die Schluchten und Wasserfälle. Die Regenwälder. Die weiten Landschaften des Outback (trotz allem!) oder des Weizengürtels im Westen, die Formationen von Uluru und Olgas im Red Center bei Alice Springs und der nördlich davon gelegenen Devils Marbles, die Bungle Bungles, die Hochländer hinter den Hügelzügen an der Ostküste, die Flussläufe wie der Murray mit den schönen Eukalyptusbäumen

Moderne Goldgräber
Aber Australien nutzt – um es vorsichtig zu sagen – die Natur auch anderweitig. Der typische rote Sand zeigt es: Australien ist ein einziger Rosthaufen. In den Hügeln und darunter verbergen sich die Schätze: Gold, Diamanten, Eisenerz, Nickel, Chrom, seltene Metalle. Die Mienen-Gesellschaft Rio Tinto beutet alles rücksichtslos aus, lässt die Plätze nach einigen Jahren wir Narben zurück, die schweren Maschinen verrotten im Sand. Vor den Küsten findet sich Gas. Sie liefern Steuern ab, die ein ausgeglichenes Budget der regionalen und zentralen Regierungen vorspiegeln. Wenn die Weltkonjunktur einbricht, geht es Australien schlecht. Ausverkauf der Reserven statt nachhaltiger und ausgewogener Finanzierung. Es ist ein Tanz auf dem Vulkan, ein Leben auf Pump, Pump von der Natur.

Die Leute, die in den Mienen arbeiten, verdienen viel Geld – und geben es ebenso schnell wieder aus: für Häuser, Autos, Boote. Der Boom, vor allem im Norden von Western Australia, bringt das Geld direkt in den Umlauf und verteuert alles. Und teuer ist Australien sowieso. Wir dachten immer, die Schweiz und Japan seien die teuersten Länder. Aber Australien überbietet uns. Fleisch ist für uns zwar günstig, aber Früchte, Gemüse, Brot kosten ein Vielfaches. Wie sollen sich die Leute gesund ernähren? Schaut man in die Einkaufswagen, so sieht man Junkfood, weil es billiger ist. Man sieht denn auch recht häufig sehr stark übergewichtige Leute. Die Volksgesundheit ist eben nicht nur von strengen Rauchvorschriften und Alkoholrestriktionen abhängig.

Für uns Weinliebhaber ist Australien ein Paradies. Wir konnten überall günstig guten Wein für unseren kleinen Weinkeller erstehen. Und wir haben fast alle Weingebiete besucht – Barrossa-valley, McLaren Valley, Clare Valley, Langhorn Creek, Margaret River, Hunter Valley, Lime Coast.

Mogelpackungen
Manchmal war Australien eine Mogelpackung. Die Preis- und Mengenangaben in den Supermärkten verwirrend (wenig Konkurrenz und schwache Konsumentenorganisationen); wunderschöne Strände – aber das Wasser zu kalt (an der Südküste), verseucht mit Algen, bewohnt von Haien, Krokodilen oder Quallen (Queensland), zu starker Surf. Nirgends hat es so viel geregnet wie im „sunshine-state“ Queensland. Auch der australische Sommer, den wir vorwiegend im Süden verbrachten, hielt nicht das, was er versprach: die Klimaanlage in unserem Wohnmobil haben wir nie, die Heizung hingegen des öfteren gebraucht.

Die zahlreichen Touristenbroschüren, die in jedem Informationsbüro an jedem Ort erhältlich sind, preisen alles in höchsten Tönen an, geben aber keinerlei Informationen. Läge Sirnach in Australien, so könnte man es als erstklassige Touristendestination verkaufen: Besuchen Sie Sirnach, machen sie einen romantischen Spaziergang an der Murg mit ihrem Wasserfall und versteckten Teichen, beobachten Sie die einmalige Vogelwelt, besteigen Sie den Sirnacher Berg und den Turm auf der Hochwacht, der einen wunderbaren Blick auf den herrlichen Hinterthurgau erlaubt, geniessen Sie einen guten Kaffee oder ein Versperplättli im Garten des Berg-Restaurants. Auf dem Rückweg wandern Sie durch das verwunschene Bachtöbeli. Kehren Sie ein im historischen Pilger-Gasthaus zum „Engel“ und versuchen Sie die lokalen Gerichte zu einem Glas einheimischen Apfelweins …

Ein schönes Land, liebe Menschen – aber nicht für immer
Aber noch sind wir in Australien. Wir haben viel davon gesehen. Wir haben viel erlebt. Das Land haben wir aber auch in fast einem Jahr nur unzureichend und vor allem aus Touristenperspektive kennengelernt. Es hat uns gefallen. Die Menschen sind offen, die Kinder spontan und zutraulich. Wir wurden überall freundlich und hilfsbereit aufgenommen. Aber leben wollten wir hier nicht.

 


Statistik für 10 Monate Jeb

Kosten Bus netto                                                                         23'000 $
Dieselkosten                                                                                  6'786 $
Verkaufskosten                                                                                242 $
Fahrkosten total                                                                          30'028 $

Gefahrene Kilometer                                                                     32’280
Kosten Zeltplätze, Hotels                                                              6'697 $
Kilometerkosten                                                                              0.93 $
Dieselverbrauch total in Litern                                                          4258
Dieselverbrauch/100 km in Litern                                                    13.19

Durchschnittlicher Dieselpreis                                                        1.59 $
Uebernachtungskosten pro Tag (300 Tage)                                22.32 $
Kosten für Fahrt und Uebernachtung pro Tag (300 Tage)         122.42 $

Tipps für Nachahmer
Hier noch einige Tipps für Leser, die eine ähnliche Reise in Australien machen wollen:

-          Generator im Bus erhöht die Unabhängigkeit von Zeltplätzen und eröffnet schöne Möglichkeiten
 
-          Ideal ist ein Kühlschrank, der auf Gas umgestellt werden kann, dito Heizung
 
-          Für den Kauf Anzeigen in Gumtree ansehen (www.gumtree.com.au.). Kauf bei einem Händler ist für Ausländer unkomplizierter, als bei Privaten, aber etwas teurer.
 
-          Auch für den Verkauf ist Gumtree gut. Wenn man die Anzeige alle paar Tage löscht und neu aufsetzt (Text irgendwo ablegen im PC), ist man immer wieder obendran.
-          Eine Adresse in Australien ist wichtig. Das kann ein Bekannter sein, der die Post entgegennimmt usw.  Die Adresse ist nötig für die Anmeldung des Fahrzeugs, die Versicherung, die Mitgliedschaft im Automobilclub (Pannenhilfe) usw. Die Adresse begründet die Identität.

-          Eine australische Telefonnummer ist sehr nützlich. Das eigene Handy mitnehmen und einen Prepaid-Chip lösen, einsetzen, fertig. Gut ist Telstra, deren Abdeckung insgesamt am besten ist.

-          Aufladen kann man den Chip mit Telstra-Vouchers, die bei der Post und in anderen Geschäften erhältlich sind. Gut sind Vouchers für 30 $. Sie geben neben den 30 $ auch noch Zusatzkredit. Grundguthaben und Zusatzkredit sind einen Monat gültig und werden übertragen, wenn man den nächsten Voucher vor dem Ablauf des alten auflädt (kurz vor Ablauf, wegen der 30 Tage Laufzeit). Verfällt der Voucher am Ende, geht auch das angesparte Kapital weg. Aufladen mit Schweizer Kreditkarte hat das Telstra-System nie geschluckt. Vouchers können auf Vorrat gekauft werden.

-          Für das Internet bietet sich ein Telstra WiFi-Modem an (nicht ein USB-Modem zum einstecken, das läuft auf PC mit deutscher Sprache nicht). Es hat einen Chip wie das Handy, läuft analog mit Vouchers. Das Modem bedient auch elektronische Bücher wie Kindle von Amazon.

-          Ein Bankkonto ist hilfreich (Geld überweisen lassen usw., Bankschecks einlösen). Es kann problemlos eingerichtet werden. Seniorenkonten (über 60 Jahre) sind spesenfrei. Gute Banken sind St.George’s/Bank of Melbourne, ANZ, CUA usw.                                                    

Elo und Jürg 11.10.12
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Und hier noch Bilder, die mir besonders gut gefallen haben (JB.):
(Die Legenden finden sich unter "Bilder" bei 3-22)