Am 13.
Oktober, 0810h verlassen wir Australien in Richtung Auckland, Neuseeland, nach
320 Tagen Aufenthalt. Es ist Zeit, ein Resumé zu ziehen. Wie beim Auto im
Rückspiegel ist es auch hier: alles ist etwas verkleinert, komprimiert. Aber
dafür wird der Blick auf das Wesentliche gerichtet, das für uns Wesentliche.
Wir geniessen es, am Abend in der Stadt zu sein. Mit dem Wohnmobil waren wir immer ausserhalb stationiert. Nach einem guten Nachtessen auf der Promenade des Südufers gehen wir in der Hamer Hall in ein Barockkonzert des National Chamber Orchestra. Wir haben schöne Plätze im ersten Rang der Estrade, und die Halle hat eine sehr gute Akustik. Die Musik der klaren, durchsichtigen Arrangements kommt fast in einzelnen Tönen zu uns herauf, jede Stimme ist klar erkennbar und erst im Kopf und in den Sinnen setzen sich die Melodien von Corelli, Bach, Haendel, Mozart, Telemann und Konsorten zu wunderschöner Musik zusammen. Die Akustik ist so gut, dass – ich kann mir nicht helfen – auch die Gerüche fast überdeutlich wahrgenommen werden und wenn der Hintermann das Schnupftuch herauszieht, ich deutlich rieche, dass er Raucher ist.
Die Natur wird nicht nur geschützt, sondern auch genutzt. Die Rangers sind kenntnisreich und geben ihr Wissen gern weiter, die Campingplätze und Picknickplätze sind gut erhalten und laden zum Verbleiben ein. Die Natur ist grossartig und einmalig: einsame Strände, wo es nur Dich und ein paar Krokodile gibt, rauschende Wasserfälle, die Pools bilden, die zum Baden einladen, Regenwälder, in denen stundenlange Wanderungen möglich sind, Hügel und Felsen, wenig Berge, aber rau gegliederte Hochländer und Vorgebirge bis hart ans Meer, die das Inland direkt hinter der Küste abschotten, nur hier wachsende Pflanzen, lärmende bunte Vögel, alle Arten von Kängurus.
Verkaufskosten 242 $
Fahrkosten total 30'028 $
Kilometerkosten 0.93 $
Dieselverbrauch total in Litern 4258
Dieselverbrauch/100 km in Litern 13.19
Kosten für Fahrt und Uebernachtung pro Tag (300 Tage) 122.42 $
____________________________________________________________________
Elo und Jürg 11.10.12
Zuerst aber noch ein Reisebericht-PS.:
Melbourne – genauer hingesehen
Wir haben eine knappe Woche in Werribee für den Besuch bei Cousin Peter
und die Abwicklung der Bankgeschäfte. Das benutzen wir, um Melbourne nochmals
genauer anzusehen. Und erst auf diesen zweiten Blick erschliesst sich uns der
Reiz dieser Stadt. Im CBC (s.u.) gibt es stimmungsvolle Einkaufspassagen mit
alter Dekoration, mit guten Cafés und kleineren Geschäften. Direkt neben dem
CBD liegt der Hauptbahnhof, die Flinders Station, von dem aus lokale Züge in
alle Richtungen abgehen. Er ist am Yarra River gelegen, und um ihn herum gibt
es eine ganze Reihe von kulturellen Institutionen.
Der Federation Square ist modern überbaut mit Museen, Tagungsräumen und
Cafés und lockt bei gutem Wetter viele Besucher an. In den Gebäuden ist die Ian
Potter Collection für zeitgenössische Kunst. Ueber dem Fluss liegen die
Konzerthalle und das National Museum of Victoria mit einer grossen Bilder-,
Skulpturen- und Kunsthandwerksammlung, einer eindrücklichen Art Déco Collection
(Jugendstil) und spannenden Wechselausstellungen. Zur Zeit läuft eine über die
Apokalyptischen Reiter des ausgehenden Mittelalters und der Renaissance, in der
Dürer-Stiche in grossen Zahl zu sehen sind. Im Garten des burgähnlichen
Gebäudes (gute Architektur)- das an eine chinesische Festung erinnert - steht
eine schöne Balzac-Plastik von Rodin.
Wir geniessen es, am Abend in der Stadt zu sein. Mit dem Wohnmobil waren wir immer ausserhalb stationiert. Nach einem guten Nachtessen auf der Promenade des Südufers gehen wir in der Hamer Hall in ein Barockkonzert des National Chamber Orchestra. Wir haben schöne Plätze im ersten Rang der Estrade, und die Halle hat eine sehr gute Akustik. Die Musik der klaren, durchsichtigen Arrangements kommt fast in einzelnen Tönen zu uns herauf, jede Stimme ist klar erkennbar und erst im Kopf und in den Sinnen setzen sich die Melodien von Corelli, Bach, Haendel, Mozart, Telemann und Konsorten zu wunderschöner Musik zusammen. Die Akustik ist so gut, dass – ich kann mir nicht helfen – auch die Gerüche fast überdeutlich wahrgenommen werden und wenn der Hintermann das Schnupftuch herauszieht, ich deutlich rieche, dass er Raucher ist.
Am Abend vor der Abreise werden wir noch ins
Theater gehen, in ein Kleintheater mit einem neuseeländischen Stück, das
Maori-Elemente einzubauen verspricht.
Aber nun zum Rückblick:
Es gibt eine Karte, die die
Umrisse des australischen Kontinents zeigt, worin ganz Europa Platz fände und
immer noch Raum für andere Länder wäre. „We are so large that we could easily
swallow Europe!“ – so könnte man die Botschaft verstehen. Wir können dem leicht
erwidern, welche Vielfalt an Menschen, Sprachen und Kulturen in diesem Europa
leben, wie viel Geschichte sich hier vollzog, welch grossartige Monumente davon
zeugen. „Wir sind so alt und vielfältig, dass wir Australien leicht schlucken
könnten“ - sind wir manchmal versucht zu
erwidern. So viel Natur und so wenig Kultur!
Australien ist gross. Anfangs hat
uns die schiere Grösse erschlagen. Wie sollen wir eine Reise planen in einem
Land, das von Osten nach Westen und von Norden nach Süden Tausende von
Kilometern weit ist, ein Land, dessen Zentrum aus riesigen Wüsten besteht, ein
Land, in dem uns ein Mann sagt, er lebe in Perth, wobei es sich dann beim
Nachfragen herausstellt, dass er 300 Kilometer in die Stadt zu fahren hat. Als
wir ihm erklären, da wäre er dann so ungefähr durch die Schweiz hindurch
gefahren, findet er das erstaunlich und amüsant. Alles ist gross: die
Fahrdistanzen, die Flächenausdehnung der Siedlungen, die Küstenlinien, die
Staaten, das Selbstbewusstsein der Einwohner (wobei uns hier der Verdacht
kommt, das könnte auch ein überdeckter Minderwertigkeitskomplex sein).
Viel Natur, wenig Kultur
Doch Australien ist nicht so
einheitlich wie es scheint. Die Bundesstaaten – New South Wales, Victoria,
South Australia, Western Australia, Queensland, Tasmanien sowie das Northern Territory
und der Distrikt der Hauptstadt Canberra – sind recht unabhängig. Die Menschen
fühlen sich in erster Linie ihrer lokalen und regionalen Umgebung, ihrem Staat
verbunden. Sie sind Patrioten, stolz (manchmal zu stolz) auf ihr Land, in dem
sie alles als „histrorisch“ bezeichnen, was älter als 30 Jahre ist. Obwohl die
Mobilität der Australier gross ist – ständig werden Häuser gekauft und
verkauft, wird der Job gewechselt, zieht man von einem Platz zum andern – ist
alles sehr lokal ausgerichtet, angefangen von den Zeitungen (die für jemanden,
der aus dem Nachbar-Shire kommt, schon nicht mehr zu verstehen sind), über die
TV-Nachrichten, die sich lediglich mit Geschehnissen in der näheren Umgebung
beschäftigen, bis zum Denkhorizont, der nicht über den nächsten Hügel reicht.
Aber viele Australier sind auch
weit gereist. Wer in der Schweiz war, hat Luzern besucht und ist auf den
Pilatus gefahren, Kreuzfahrten auf Rhein, Main und Donau sind das neueste „must
do“. In Bern war fast keine(r).
Lechts und Rinks
Alles ist verkehrtrum in
Australien: Die Autos fahren auf der falschen Seite, was wir schnell raus
haben, beim Ueberqueren der Strasse kommen sie daher von rechts, statt von
links, an was wir uns nur schwer gewöhnen, der Mond nimmt auf der falschen
Seite zu und ab, die Sonne steht am Mittag im Norden, nach Süden wird es kalt,
nach Norden warm, das Wasser läuft andersrum den Ablauf hinab, als bei uns, das
Sternbild Orion steht auf dem Kopf.
Und dann die Sprache. Ist das
wirklich Englisch, fragen wir uns am Anfang oft. Und auch wenn wir uns langsam
ganz gut an das Gemusel gewöhnt haben, so stossen wir doch auch jetzt noch
immer wieder mal auf ein Exemplar, das sich einer Sprachgattung bedient, die
uns fast völlig unverständlich ist. Statt „ai“(I, ich) heisst es „oi“, statt
„nait“ (night, Nacht) „noit“ und statt „wail“ (while, Weile) „woil“. Und wenn
ich dem Kapitän eines Fischerschiffs erzählen will, dass ich mit den Walhaien
geschwommen bin, so versteht er mein „Walesharks“ in der Aussprache „Weilschark“
nicht, und erst als ich buchstabiere, meint er anerkennend „o, Wailscharks“.
Und überhaupt mit dem Buchstabieren: Mit e, i, a komme ich immer noch nicht
klar, wenn sie von Einheimischen kommen: Wir sind gewöhnt für e in Englisch i,
zu sagen, für i kommt ai, für a kommt ei. Bei ihnen ist es völlig unterschiedlich,
„ai“, „oi“, „ei“ oder sonst was, und das h ist dann erst noch ein „haitsch“.
Verstehe, wer will.
Von Aussies und Mossies
Hinzu kommt die Abkürzugswut.
Alles ist zu lang oder wird durch Abkürzungen zum vertrauten Begriff. Das
beginnt beim Gruss G’day für Good Day. Hryou – How are you oder wie geht es ?,
ist der übliche Gruss. Moskitos sind Mossies, Australier Aussies, Tasmanier Tassies.
CBD (central business district) ist das Stadtzentrum auch in kleinen Käffern, der
Fernseher heisst Telly, der Generator Genny, das Nutzfahrzeug Ute (für
utility), die Kreditkarte EFPOS (Electronic Payment Organization(?) System).
Crocs sind Krokodile, sweeties sind Süsswasserkrokodile, salties
Salzwasserkrokodile. Der Bus zum Flughafen fährt von der RSL (Returned Soldiers
Leage Klub). BYO schreiben sie und sagen sie für „bring your own“, wenn du den
Wein selbst mitbringen musst im (nicht für alkoholische Getränke lizensierten )
Restaurant oder das Holz für die Feuerstelle im Campingplatz. Und auf den
Strassenschildern steht Ct für Court, Trc für Terrace, St für Strasse, Ave für
Avenue, Pde für Parade, Lne für Lane, Dr für Drive.
Black and White
Je weiter wir nach Norden reisten,
umso mehr wurde uns bewusst, dass Australien auch aus zwei Nationen besteht,
jener der Blackfellows und jener der Whitefellows Oder politically correct:
Aborigines und weisse Australier. Die Letzteren haben den Ersteren viel Leid
zugefügt, sich deren Gebiete angeeignet, ihre Lebensart und Kultur fast
zerstört, ihre Kinder gestohlen… Aus schlechtem Gewissen wollen die Weissen nun
Gutes tun. Aber sie machen das Falsche: Die Regierung gibt den Aborigines
Landrechte und Geld als Entschädigung für die Betreibung von Mienen, befreit
sie von Steuern usw. So verbleiben viele Aborigine-Communities in Abhängigkeit,
sehen wenig Notwendigkeit, etwas Eigenes zu entwickeln, ihre Kinder
auszubilden. Ihre Kultur wird nicht selten museal präsentiert,
Aborigine-Dysneyland.
Die Aborigines sind stolz auf ihre
40 000 Jahre alte Kultur. Zum Teil grossartige Felsmalereien zeugen davon. Aber
bis die Weissen kamen, waren sie Jäger und Sammler, es war immer alles im
Überfluss vorhanden, so dass sie weder Ackerbau betreiben mussten noch Vorräte
anlegen. Sie lebten z.B. im Regenwald, wo sie die Pflanzen und Tiere nutzten
für Nahrung, Kleidung, Medizin, zur Herstellung der wenigen Werkzeuge, die sie
brauchten. Der Regenwald ist der grösste Supermarkt, die beste Apotheke und der
vielfältigste Hardwarestore für die Menschen, die dort leben. In der Wüste
hingegen ging es vor allem darum, Wasser zu finden.
So sind sie an der Schwelle zur
Neusteinzeit stehen geblieben. Es gab keinen Grund, Landwirtschaft und
Viehzucht mit Vorratshaltung, die Voraussetzung für Arbeitsteilung und weitere Stufen
von Zivilisation und Gesellschaft, zu entwickeln: Alles ist im Ueberfluss
vorhanden, es muss nur eingesammelt werden. Und diese Haltung scheint die
Gemeinschaften immer noch weitgehend zu prägen. Nur dass neben der Natur jetzt
auch die weisse Gesellschaft Australiens als Selbstbedienungsladen zur
Verfügung steht.
Die wenigen Communities, die wir
gesehen haben, stimmen uns fast alle
traurig: slumartige Häuser, Abfallhaufen überall, Autowracks, die Leute hängen
teilnahmslos herum. Die Kinder gehen nicht zur Schule, die Väter und Mütter
saufen, Gewalt in der Familie, Kindsmissbrauch. Manche Communities aber sind
stark genug – oder haben gute „Lehrer“ –, um dies zu ändern. Sie bauen, wie in
Mossman-Gorge, eine touristische Infrastruktur auf, die Jobs schafft, die
Menschen unabhängig und zuversichtlich macht. In Laura hingegen, wo die
Felsmalereien von der Aborigine-Community torutistisch vermarktet werden, nimmt
man zwar gern das Geld der Touristen, vernachlässigt aber die Infrastruktur.
Einigermassen saubere Toiletten wären aber auch eine Art Kultur!
Dots und Didgeridoos
DIE Aborigines gibt es eigentlich
nicht. Auf dem australischen Territorium leben zahlreiche verschiedene Stämme
mit eigenen Gebieten, eigener Sprache, und je nach ihrer Umgebung mit unterschiedlichen
Kulturen. So finden sich die berühmten Gemälde mit Punkten (dots) nur im
Innern, nicht aber im Norden Australiens – weil im Regenwald aus den Fasern
einer Pflanze Pinsel hergestellt werden konnten, im wüstenähnlichen Outback
hingegen die Farbe mit einem Stock aufgetragen wurde. Auch das Blasinstrument
Didgeridoo ist nicht unter allen Aborigine-Stämmen verbreitet, weil zu seiner
Herstellung die Zweige eines bestimmten Baumes erforderlich sind. Anscheinend
wurde in begrenztem Rahmen Handel betrieben, aber die Stämme waren nach
Familien und Klans organisiert – mit sehr komplexen Familienstrukturen. Diese
segmentären Strukturen kamen zwar ohne Hierarchien und Herrschaftsstrukturen
aus, aber eben auch ohne Arbeitsteilung als Grundlage weiterer Entwicklung.
Und vor etwa 250 Jahren begannen
die Weissen Australien zu kolonisieren. Nach und nach drangen sie ins
Landesinnere vor, gründeten ihre riesigen Farmen für Viehzucht und Getreideanbau, verdrängten die ursprünglichen
Bewohner. Aber zur Arbeit einspannen liessen sich die wenigsten Aborigines. Um
verlässliche Ansprechpartner zu haben (mit wem sollen Vereinbarungen getroffen
werden, wenn die Person immer noch zuerst die anderen fragen muss?), wurden
Aelteste benannt, mit pompösen Blechschildern wie für Feldjäger in der
deutschen Armee behängt, und so die Grundstruktur der traditionellen
Gesellschaft zerschlagen. Daran leiden die Stämme heute noch, denn es gibt
keine richtige gemeinschaftliche Verantwortung mehr.
Die weisse Geschichte Australiens
ist erst 250 Jahre alt. Aber jedes Dorf hat eine „heritage site“, ein paar alte
Häuser, ein kleines Museum, in dem pathetisch einfach alles zusammengetragen
wir, was Staub angesetzt hat und nicht mehr funktioniert, und das
Gerichtsgebäude mit Gefängnis, meist aus dem frühen 20. Jahrhundert. Doch dann finden
wir plötzlich Überraschendes wie das Museum in Nullarbour-Roadhouse von
Balladonia mit seiner Darstellung des Lebens der Pioniere oder in Cloncurry, wo
die Geschichte der Fliegenden Ärzte begann. Inzwischen ist das angelsächsische
Erbe vermischt mit Asiatischem. Und wie bei uns herrscht die Angst vor dem
Vordringen des Islam.
Auf grosse Religiosität sind wir
in Australien nicht gestossen, viele Menschen bezeichnen sich als nicht
religiös. Nur in New England und anderen Gebieten früher Siedler gibt es viele Kirchen,
anglikanische, katholische, wenige lutheranische, presberytanische, baptistische
usw. Hin und wieder sieht man mal einen Tempel der Zeugen Jehovas. Wer im
Outback am Sonntag in die Kirche gehen will, muss weite Entfernungen
zurücklegen. Und so merkt man denn auch kaum, ob werktags oder sonntags ist.
Die Geschäfte sind offen, die bis zu 55
Meter langen Roadtrains mit bis zu vier Anhängern sind tags und nachts
unterwegs.
From Nothing to Nowhere
Endlos ziehen sich die Strassen
dahin, hunderte, ja tausende von Kilometern. Entfernungen zählen nicht, mit dem
Auto ist jeder Ort erreichbar. Ausser in der Regenzeit, wenn grosse Gebiete im Norden überflutet sind. Und
jeder fährt, als sei er allein auf der Strasse.
So much nothing to get nowhere, soviel Nichts um nach Nirgendwo zu
kommen. Die Einsamkeit und Isoliertheit – nicht nur im outback – hat uns trotz
der Weite der Landschaft eingeengt, oft fast erdrückt. Man fühlt sich gefangen
in der Weite. Als wir die Grenze zwischen Südaustralien und Western Australia
passieren, müssen wir alles Obst und Gemüse abgeben. Macht nichts, denken wir
uns, als wir den letzten Apfel essen, nach der Grenze können wir einkaufen. Ein
Schild warb denn auch für den nächsten Supermarkt in Norseman. Nichts wie hin.
Der Weg führte 800 Kilometer (davon 150 km schnurgerade) durch die Wüste.
Aehnlich der Schweiz, wo fast
jeder glaubt, noch eng mit den bäuerlichen Vorfahren verbunden zu sein, fühlt
sich irgendwie jeder Australier als Stockman (Cowboy) oder Squatter (Farmer). Pioniere
allesamt, mit verkrumpeltem breitkrempigem Hut, breitem Gurt, wiegendem Schritt
fast explodierend vor Kraft und Zähigkeit – auch wenn der Bauch oft in Richtung
Kniegegend schwappt. Das äussert sich selbst im Lebensstil der Städter: Man
trägt bei allen Temperaturen Shorts und T-Shirt, man hat immer Zeit für einen –
z.T. endlosen – Schwatz. Aber die Leute sind hilfsbereit und freundlich,
neugierig, unkompliziert, offen, lachend, kinderfreundlich.
Die Mehrheit der 22 Millionen
Australier lebt jedoch in Städten (haben das seit über hundert Jahren getan!),
in den grossen Städten Sydney, Melbourne, Brisbane, Perth, Adelaide. Die
Zentren dieser Städte sind oft relativ
klein, die Wohngebiete, praktisch ausschliesslich einstöckige Bungalows,
breiten sich in alle Richtungen aus und bilden riesige Agglomerationen. Die
Städte haben alle viele schöne Parks, gute botanische Gärten, Rad-und
Spazierwege, Fluss- und Meerespromenaden. Wenige Mittelstädte wie Hobart, Cairns
und Darwin entwickeln sich in die gleiche Richtung.
Provinz, Provinz, Provinz
Am Rande der Agglomerationen gibt
es an sich grosse Städte wie Werribee wo wir bei Cousin Peter wohnen. Hunderttausend
und mehr Einwohner, eine Einkaufsstrasse, ein grosses Einkaufszentrum, ein
Bahnhof, kein Gesicht. Und Riesenflächen von Wohnstrassen, in denen wir uns immer
noch verlaufen.
Im Norden sind die Mittelstädte eher trostlos,
in Mienengegenden z.B. rein auf die Ausbeutung der umgebenden Natur und die
Ausbeutung der diese Natur ausbeutenden Arbeiter ausgerichtet.
Dann sind da die kleineren Orte, regionale
Versorgungszentren, auch sie bestehend aus der Mainstreet, einem
Einkaufszentrum, einer Tankstelle, Hardwarestores, Anbietern von „preowned
cars“. Provinz, wo immer man hinkommt. Aber es gibt auch positive
Ueberraschungen wie die Universitätsstadt Armidale im Hochland von New South
Wales mit viel Atmosphäre und guter Substanz, oder Maitland am Rande des Hunter
Valleys, das an norddeutsche Mittelstädte erinnert.
Und schliesslich die Orte, die
zwar auf der Karte eingezeichnet sind, die wir aber beim Durchfahren überhaupt
nicht wahrnehmen, abgesehen davon, dass einige Strassen mit richtigen
Strassenschildern seitlich ins Niemandsland abgehen.
Was die Städte teilweise an
historischer Substanz und kulturellem Leben vermissen lassen, kompensieren sie
oft durch ein ausgeprägtes System der freiwilligen Arbeit und Aktivitäten für
alle Lebensalter. In den sehr freundlichen Informationsstellen für Touristen
arbeiten Hausfrauen und Pensionäre. Gemeindedienste für die Entlastung von
Familienangehörigen von Schwerkranken werden ebenso von Freiwilligen getragen
wie die vielen Aktivitäten für Kinder (oft Sport) und Alte (Lotto, Basteln,
Lesen usw.). Auch in den
Gemeindebibliotheken, in denen auch Internetzugang zu finden ist, finden wir
Laienhelfer, die sehr freundlich und bemüht sind.
Das kulturelle Leben wird stark
unterstützt von Mäzenen, die ihr Geld für Sammlungen, Instrumente von
Künstlern, Veranstaltungen usw. ausgeben. Sie scheinen sich des Problems der
kulturellen Abgelegenheit bewusst zu sein, und versuchen, hier Abhilfe zu
schaffen. Beste Galerien und Museen zeugen davon.
Zentralisierte Kultur
Wirklich urbanes Leben ist also rar in Australien. Aber in den Zentren,
in den Grosstädten, wird auch gute Kultur gemacht. So in Melbourne mit der
engen Verknüpfung von Geschäftszentrum, öffentlichem Verkehr und Kultur Museen,
Konzerthallen, Galerien Freilichtbühnen und Sportstätten mit wiederkehrenden
internationalen Veranstaltungen wie Tennistournieren und Autorennen. Melbourne
hat uns in dieser Hinsicht sehr gut gefallen, es konkurriert in unserer
Beliebtheit mit Brisbane, wo wir allerdings weniger Kultur fanden.
Einige Grossstädte haben ein
ausgesprochen gut ausgebautes System des öffentlichen Verkehrs. So in Adelaide
und Brisbane, wo in vorausschauender Stadtplanung eigene Fahrspuren und
Strassen für den Busverkehr gebaut wurden. Da wurde geschickt genutzt, dass
einfach vorher nichts Bauliches da war. Auch gibt es überall gepflegte öffentliche
Toiletten, immer gratis. An den Stränden sind sie mit Duschen ausgestattet, um
das Salzwasser abzuwaschen. Und in allen Parks finden wir Grillstellen mit Gas-
oder Elektrobarbecues. Diese werden für die verschiedenste Art von Picknicks
rege genutzt.
Allein mit Krokodilen
Im ganzen Land die Menschen sind
sehr naturverbunden. Wer nicht fischt, sportbegeistert ist (das kann durchaus
passiv sein, TV-zentriert), Motorboot fährt und zeltet, läuft – so unsere
Vermutung – Gefahr, die Staatsbürgerschaft aberkannt zu bekommen. Überall sind
Nationalparks, die sich sehr weit ausdehnen. Die Natur wird nicht nur geschützt, sondern auch genutzt. Die Rangers sind kenntnisreich und geben ihr Wissen gern weiter, die Campingplätze und Picknickplätze sind gut erhalten und laden zum Verbleiben ein. Die Natur ist grossartig und einmalig: einsame Strände, wo es nur Dich und ein paar Krokodile gibt, rauschende Wasserfälle, die Pools bilden, die zum Baden einladen, Regenwälder, in denen stundenlange Wanderungen möglich sind, Hügel und Felsen, wenig Berge, aber rau gegliederte Hochländer und Vorgebirge bis hart ans Meer, die das Inland direkt hinter der Küste abschotten, nur hier wachsende Pflanzen, lärmende bunte Vögel, alle Arten von Kängurus.
Australien bietet eine grosse
Anzahl landschaftlicher Höhepunkte. Die Küsten allerorten, insbesondere die
Great Ocean Road im Südwesten Victorias, die man am besten von West nach Ost
macht. Die Schluchten und Wasserfälle. Die Regenwälder. Die weiten Landschaften
des Outback (trotz allem!) oder des Weizengürtels im Westen, die Formationen
von Uluru und Olgas im Red Center bei Alice Springs und der nördlich davon
gelegenen Devils Marbles, die Bungle Bungles, die Hochländer hinter den
Hügelzügen an der Ostküste, die Flussläufe wie der Murray mit den schönen
Eukalyptusbäumen
Moderne Goldgräber
Aber Australien nutzt – um es
vorsichtig zu sagen – die Natur auch anderweitig. Der typische rote Sand zeigt
es: Australien ist ein einziger Rosthaufen. In den Hügeln und darunter verbergen
sich die Schätze: Gold, Diamanten, Eisenerz, Nickel, Chrom, seltene Metalle.
Die Mienen-Gesellschaft Rio Tinto beutet alles rücksichtslos aus, lässt die
Plätze nach einigen Jahren wir Narben zurück, die schweren Maschinen verrotten
im Sand. Vor den Küsten findet sich Gas. Sie liefern Steuern ab, die ein
ausgeglichenes Budget der regionalen und zentralen Regierungen vorspiegeln.
Wenn die Weltkonjunktur einbricht, geht es Australien schlecht. Ausverkauf der
Reserven statt nachhaltiger und ausgewogener Finanzierung. Es ist ein Tanz auf
dem Vulkan, ein Leben auf Pump, Pump von der Natur.
Die Leute, die in den Mienen
arbeiten, verdienen viel Geld – und geben es ebenso schnell wieder aus: für
Häuser, Autos, Boote. Der Boom, vor allem im Norden von Western Australia, bringt
das Geld direkt in den Umlauf und verteuert alles. Und teuer ist Australien
sowieso. Wir dachten immer, die Schweiz und Japan seien die teuersten Länder.
Aber Australien überbietet uns. Fleisch ist für uns zwar günstig, aber Früchte,
Gemüse, Brot kosten ein Vielfaches. Wie sollen sich die Leute gesund ernähren?
Schaut man in die Einkaufswagen, so sieht man Junkfood, weil es billiger ist.
Man sieht denn auch recht häufig sehr stark übergewichtige Leute. Die
Volksgesundheit ist eben nicht nur von strengen Rauchvorschriften und
Alkoholrestriktionen abhängig.
Für uns Weinliebhaber ist
Australien ein Paradies. Wir konnten überall günstig guten Wein für unseren
kleinen Weinkeller erstehen. Und wir haben fast alle Weingebiete besucht –
Barrossa-valley, McLaren Valley, Clare Valley, Langhorn Creek, Margaret River,
Hunter Valley, Lime Coast.
Mogelpackungen
Manchmal war Australien eine
Mogelpackung. Die Preis- und Mengenangaben in den Supermärkten verwirrend (wenig
Konkurrenz und schwache Konsumentenorganisationen); wunderschöne Strände – aber
das Wasser zu kalt (an der Südküste), verseucht mit Algen, bewohnt von Haien,
Krokodilen oder Quallen (Queensland), zu starker Surf. Nirgends hat es so viel
geregnet wie im „sunshine-state“ Queensland. Auch der australische Sommer, den
wir vorwiegend im Süden verbrachten, hielt nicht das, was er versprach: die
Klimaanlage in unserem Wohnmobil haben wir nie, die Heizung hingegen des
öfteren gebraucht.
Die zahlreichen
Touristenbroschüren, die in jedem Informationsbüro an jedem Ort erhältlich
sind, preisen alles in höchsten Tönen an, geben aber keinerlei Informationen.
Läge Sirnach in Australien, so könnte man es als erstklassige
Touristendestination verkaufen: Besuchen
Sie Sirnach, machen sie einen romantischen Spaziergang an der Murg mit ihrem
Wasserfall und versteckten Teichen, beobachten Sie die einmalige Vogelwelt, besteigen
Sie den Sirnacher Berg und den Turm auf der Hochwacht, der einen wunderbaren
Blick auf den herrlichen Hinterthurgau erlaubt, geniessen Sie einen guten
Kaffee oder ein Versperplättli im Garten des Berg-Restaurants. Auf dem Rückweg
wandern Sie durch das verwunschene Bachtöbeli. Kehren Sie ein im historischen Pilger-Gasthaus
zum „Engel“ und versuchen Sie die lokalen Gerichte zu einem Glas einheimischen
Apfelweins …
Ein schönes Land, liebe Menschen – aber
nicht für immer
Aber noch sind wir in Australien. Wir haben viel davon
gesehen. Wir haben viel erlebt. Das Land haben wir aber auch in fast einem Jahr
nur unzureichend und vor allem aus Touristenperspektive kennengelernt. Es hat
uns gefallen. Die Menschen sind offen, die Kinder spontan und zutraulich. Wir
wurden überall freundlich und hilfsbereit aufgenommen. Aber leben wollten wir hier
nicht.
Statistik für 10 Monate Jeb
Kosten Bus netto 23'000
$
Dieselkosten 6'786
$ Verkaufskosten 242 $
Fahrkosten total 30'028 $
Gefahrene Kilometer 32’280
Kosten Zeltplätze, Hotels 6'697
$Kilometerkosten 0.93 $
Dieselverbrauch total in Litern 4258
Dieselverbrauch/100 km in Litern 13.19
Durchschnittlicher Dieselpreis 1.59
$
Uebernachtungskosten pro Tag
(300 Tage) 22.32
$Kosten für Fahrt und Uebernachtung pro Tag (300 Tage) 122.42 $
Tipps für Nachahmer
Hier noch einige Tipps für
Leser, die eine ähnliche Reise in Australien machen wollen:
-
Generator im Bus erhöht die Unabhängigkeit von
Zeltplätzen und eröffnet schöne Möglichkeiten
-
Ideal ist ein Kühlschrank, der auf Gas
umgestellt werden kann, dito Heizung
-
Für den Kauf Anzeigen in Gumtree ansehen (www.gumtree.com.au.). Kauf bei einem
Händler ist für Ausländer unkomplizierter, als bei Privaten, aber etwas teurer.
-
Auch für den Verkauf ist Gumtree gut. Wenn man
die Anzeige alle paar Tage löscht und neu aufsetzt (Text irgendwo ablegen im
PC), ist man immer wieder obendran.
-
Eine Adresse in Australien ist wichtig. Das kann
ein Bekannter sein, der die Post entgegennimmt usw. Die Adresse ist nötig für die Anmeldung des
Fahrzeugs, die Versicherung, die Mitgliedschaft im Automobilclub (Pannenhilfe)
usw. Die Adresse begründet die Identität.
-
Eine australische Telefonnummer ist sehr
nützlich. Das eigene Handy mitnehmen und einen Prepaid-Chip lösen, einsetzen,
fertig. Gut ist Telstra, deren Abdeckung insgesamt am besten ist.
-
Aufladen kann man den Chip mit Telstra-Vouchers,
die bei der Post und in anderen Geschäften erhältlich sind. Gut sind Vouchers
für 30 $. Sie geben neben den 30 $ auch noch Zusatzkredit. Grundguthaben und
Zusatzkredit sind einen Monat gültig und werden übertragen, wenn man den
nächsten Voucher vor dem Ablauf des alten auflädt (kurz vor Ablauf, wegen der
30 Tage Laufzeit). Verfällt der Voucher am Ende, geht auch das angesparte
Kapital weg. Aufladen mit Schweizer Kreditkarte hat das Telstra-System nie
geschluckt. Vouchers können auf Vorrat gekauft werden.
-
Für das Internet bietet sich ein Telstra
WiFi-Modem an (nicht ein USB-Modem zum einstecken, das läuft auf PC mit
deutscher Sprache nicht). Es hat einen Chip wie das Handy, läuft analog mit
Vouchers. Das Modem bedient auch elektronische Bücher wie Kindle von Amazon.
-
Ein Bankkonto ist hilfreich (Geld überweisen
lassen usw., Bankschecks einlösen). Es kann problemlos eingerichtet werden.
Seniorenkonten (über 60 Jahre) sind spesenfrei. Gute Banken sind
St.George’s/Bank of Melbourne, ANZ, CUA usw.
Elo und Jürg 11.10.12
Und hier noch Bilder, die mir besonders gut
gefallen haben (JB.):
(Die Legenden finden sich unter "Bilder" bei 3-22)
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