Sonntag, 14. Oktober 2012

IV-0 Nach Neuseeland

(Der erste Teil dieses Textes entsteht noch in Australien, und zwar mitten in der Nacht, der letzten in diesem Land. Wir sind in einem Hotel, und ich kann nicht schlafen, bin ich nach wenigen Stunden hellwach. Ich habe, so komisch das nach all der bisherigen Reiserei scheinen mag, ich habe – Reisefieber! Nach der australischen Routine kommt nun mit Neuseeland, Südsee, Hawaii und Kontinental-USA wieder etwas völlig Neues, das mich gespannt die Dinge erwarten lässt, die uns da passieren werden. Passieren ist hier im doppelten Wortsinn gemeint: geschehen und an uns vorbeigehen. Ich schreibe den Text auf dem WC, denn Elo schläft den Schlaf der Gerechten, und das Hotel ist zwar zweckmässig, aber doch so einfach, dass es nur ein grosses Licht im Zimmer hat, das sie wecken würde.)

Der richtige Weg

Wir haben den letzten Tag in der Stadt genossen. Beim letzten Abendessen – bei einem guten Italiener – lassen wir das Jahr nochmals etwas Revue passieren. Wir hatten ein sehr gutes Jahr! Wie wir gereist sind, war genau der richtige Weg. Mit Jeb, dem Wohnmobil, durch die Weiten zu tingeln, hat uns Einblicke ermöglicht, die wir mit Hotelübernachtungen niemals hätten haben können.

Dass wir über die Campingplätze an Orte gekommen sind, die wir sonst nicht in dieser Eindringlichkeit gesehen und erlebt hätten, ist nur das Eine, auch wenn es sehr wichtig ist. Wichtiger aber war, dass wir auf diesen Plätzen mit den Australierinnen und Australiern – ich verwende diese Doppelform hier sehr bewusst – aller Schichten in Kontakt gekommen sind, zwar oft kurz nur, aber doch intensiv. Meist waren es Graue Nomaden wie wir, viele Bauern, Lastwagenunternehmer, Bürolisten, Lehrer, Beamte, Minenarbeiter usw. usf.

Ich bin jeweils zu den Campingnachbarn hingegangen, habe sie mit einem „G’day, how are ye?“ und immer mit einem „where are ye from?“ begrüsst, was zur gegenseitigen Vorstellung („Joe, Sandra“ ihrerseits, „George (einfacher als Jürg), Elo“ unsererseits führte, und das Gespräch war lanciert, der Schnack, wie die Norddeutschen sagen, war am Laufen. Unterstützt wurde das von der Vorliebe der Australier, Gespräche zu führen über Gott und die Welt (ihre Welt, versteht sich), oft so ausdauernd, dass es uns fast zu viel wurde. (Eine Bemerkung von mir, Elo, sei erlaubt, Jürg hat auch genug geredet). Und sie waren immer offen, haben alle Fragen beantwortet. Auch an der Grillstelle oder am gemeinsamen Campingfeuer wurden Erfahrungen ausgetauscht und Geschichten erzählt

(Ich habe das von meinem Grossvater Kaspar gelernt, der im Alter vor dem Haus sass und die Vorübergehenden fragte: „Wer seid Ihr? Woher kommt Ihr? Was tut Ihr? Wohin geht Ihr?“ und so viel erfahren hat.) Auch wir haben so viel erfahren, und wir lernten die Denk- und Lebensweise der Bevölkerung aller Schichten und Alter kennen. Denn es waren nicht nur graue Nomaden, es waren auch Junge, Familien mit Kindern, Einzelgänger und ganze Gruppen. Das ermöglichte uns gegen den Schluss dann auch, mit z.B. der Garderobière in der Ian Potter-Sammlung des National Museums of Victoria in ein längeres Gespräch zu kommen, sodass sie uns schon von weitem anstrahlte, als wir unsere Sachen wieder abholten. Und ein freundliches „thank ye, maite“ meinerseits im Wollies (Woolworth) führte durchaus auch mal zu einem „so easy, buddy“.

Also: wir können diesen Einstieg ins Land nur empfehlen.

Theatraler Uebergang

Neuseeland begann eigentlich schon mit dem wirklich letzten Erlebnis in Australien. Zur Zeit findet das Melbourne Festival statt, mit Musik, Film und Theater. Wir kauften uns Karten für eine Première eines neuseeländischen Theaters im Kellertheater „fortyfivedownstairs“ (45 Kellergeschoss, im Haus 45 Flinders Lane). Angekündigt war eine Aufführung eines Stücks mit Maori-Einschlag, mit Elementen der Neuseeländischen Ureinwohnern also. Thema: Vietnamsoldat.Truppe: Taki Rua Productions (Aotearoa/ New Zealand’s national Māori theatre company, www.takirua.co.nz). Es war einmalig gut.

Das Stück Michael James Mania von John Broughton, war eher banal, bot das, was beim Thema zu erwarten war. Es war die Darstellung der Biografie des Helden und einzigen Darstellers vom Kind einer englischen Mutter und eines Maori-Vaters bis hin zum Agent Orange verseuchten Heimkehrer aus Vietnam, dessen Dioxin-Vergiftung ihn nur ein Monsterkind zeugen lässt, das er aus Mitleid tötet. Komische und tragische Elemente waren recht geschickt gemischt. Die Regie war perfekt, die Lichtführung ausserordentlich. Aber die Hauptsache war der Schauspieler.

Te Kohe Tuhakaa beherrschte eineinhalb Stunden die Bühne von A bis Z, sowohl sprachlich, vor allem aber physisch. Ich habe noch nie eine solche Bühnenpräsenz gesehen. Seine Köpersprache, seine Gestik, der Gesichtsausdruck, seine räumliche Aufteilung der spärlichst eingerichteten Szene, der Wechsel von laut und leise, schnell und langsam, all das war perfekt. Dabei nutzte er die Formensprache seiner Vorfahren – er ist wohl ein Gemisch – und brachte so Elemente in die Darstellung, die wir noch nie gesehen hatten. Wie gut er war, sahen wir auch, als wir nach der Aufführung mit ihm kurz sprachen. Er war fast nicht wiederzuerkennen, nichts mehr von der kompakten, muskulösen Figur, dem eindringlichen Blick, von der Aggressivität und vom Leid, das er auf der Bühne abrufen konnte. Bescheiden und freundlich.

Jetzt sind wir auf dem Flughafen und warten auf das – verspätete – Gefährt der Emirates Airlines.

Rumpelflug

Der Flug war nicht gut. Zuerst hatten wir über eine Stunde Verspätung, und nachdem wir schon um halb sechs aufgestanden waren, um auch zur Zeit am Flughafen zu sein, war das eigentlich unnütz. Wir hatten denn auch ganz schön Hunger, aber das Essen liess auch auf sich warten. Ueberhaupt war der Service nicht so, wie wir uns von den Emirates Airlines gewöhnt waren und wie der Ruf dieser Fluglinie vorangeht.

Und dann das Wetter. Als wir uns Neuseeland näherten, wurde bekannt gegeben, es sei windig, und wir würden vielleicht nach Christchurch (auf der der Südinsel!, wo wir doch in Auckland auf der Nordinsel schon Hotel und Auto gemietet hatten) umgeleitet. Aber dann hat der Wind etwas nachgelassen, und wir konnten landen. Allerdings hat es die grosse Airbusmaschine (380er-Typ) völlig durchgerüttelt. Sie schwankte von einer Seite der Landebahn, auf die andere.

Wie stark der Sturm war, erfuhren wir erst in der Stadt, nachdem wir das Auto, einen mittelgrossen 4x4 von Toyota, übernommen und zum Hotel gefahren hatten. Der Gepäckboy erzählte Elo, der Sturm hätte am Morgen das Mobiliar von Strassencafés vor sich hergetrieben. Und als wir am Abend zum Essen gingen, hat es uns buchstäblich fast fortgeweht. Wir nahmen daher Apéro, Essen und Absacker in der nächsten Umgebung, was gut geht, da das Hotel direkt an den Piers der Fähren und des Yachthafens liegt. Jetzt hat sich das Wetter beruhigt.

Abspecken

Wir sind also wieder mit einem normalen Auto unterwegs, übernachten in Hotels, Bed&Breakfasts, Motels oder Bungalows von Zeltplätzen, essen in Restaurants. Da hatten wir es in Australien mit Jeb doch besser. Wir hatten

-          Auto
-          Wohnzimmer
-          Schlafzimmer
-          Küche
-          Bad
-          Gastzimmer
-          WC
-          Vorratsraum
-          Weinkeller
-          Aussensitzplatz
-          Abwaschmaschine (Elo)
-          Köchin (Elo)
-          Grillchef (Jürg)
-     Putztruppe
-          Chauffeur (meist Jürg, oft Elo)
-          Servicemonteur (Jürg)

Wir specken also ab, aber es geht uns trotzdem sehr gut.
 
 

14.10.2012 / JB. (mit Input von EB)

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