(Der erste Teil dieses Textes entsteht noch in Australien, und zwar
mitten in der Nacht, der letzten in diesem Land. Wir sind in einem Hotel, und
ich kann nicht schlafen, bin ich nach wenigen Stunden hellwach. Ich habe, so
komisch das nach all der bisherigen Reiserei scheinen mag, ich habe –
Reisefieber! Nach der australischen Routine kommt nun mit Neuseeland, Südsee,
Hawaii und Kontinental-USA wieder etwas völlig Neues, das mich gespannt die
Dinge erwarten lässt, die uns da passieren werden. Passieren ist hier im
doppelten Wortsinn gemeint: geschehen und an uns vorbeigehen. Ich schreibe den
Text auf dem WC, denn Elo schläft den Schlaf der Gerechten, und das Hotel ist
zwar zweckmässig, aber doch so einfach, dass es nur ein grosses Licht im Zimmer
hat, das sie wecken würde.)
Rumpelflug
Der richtige Weg
Wir haben den letzten Tag in der Stadt genossen. Beim letzten
Abendessen – bei einem guten Italiener – lassen wir das Jahr nochmals etwas
Revue passieren. Wir hatten ein sehr gutes Jahr! Wie wir gereist sind, war
genau der richtige Weg. Mit Jeb, dem Wohnmobil, durch die Weiten zu tingeln,
hat uns Einblicke ermöglicht, die wir mit Hotelübernachtungen niemals hätten
haben können.
Dass wir über die Campingplätze an Orte gekommen sind, die wir sonst
nicht in dieser Eindringlichkeit gesehen und erlebt hätten, ist nur das Eine,
auch wenn es sehr wichtig ist. Wichtiger aber war, dass wir auf diesen Plätzen
mit den Australierinnen und Australiern – ich verwende diese Doppelform hier
sehr bewusst – aller Schichten in Kontakt gekommen sind, zwar oft kurz nur,
aber doch intensiv. Meist waren es Graue Nomaden wie wir, viele Bauern,
Lastwagenunternehmer, Bürolisten, Lehrer, Beamte, Minenarbeiter usw. usf.
Ich bin jeweils zu den Campingnachbarn hingegangen, habe sie mit einem
„G’day, how are ye?“ und immer mit einem „where are ye from?“ begrüsst, was zur
gegenseitigen Vorstellung („Joe, Sandra“ ihrerseits, „George (einfacher als
Jürg), Elo“ unsererseits führte, und das Gespräch war lanciert, der Schnack,
wie die Norddeutschen sagen, war am Laufen. Unterstützt wurde das von der
Vorliebe der Australier, Gespräche zu führen über Gott und die Welt (ihre Welt,
versteht sich), oft so ausdauernd, dass es uns fast zu viel wurde. (Eine
Bemerkung von mir, Elo, sei erlaubt, Jürg hat auch genug geredet). Und sie waren immer offen, haben alle
Fragen beantwortet. Auch an der Grillstelle oder am gemeinsamen Campingfeuer
wurden Erfahrungen ausgetauscht und Geschichten erzählt
(Ich habe das von meinem Grossvater Kaspar gelernt, der im Alter vor
dem Haus sass und die Vorübergehenden fragte: „Wer seid Ihr? Woher kommt Ihr?
Was tut Ihr? Wohin geht Ihr?“ und so viel erfahren hat.) Auch wir haben so viel
erfahren, und wir lernten die Denk- und Lebensweise der Bevölkerung aller
Schichten und Alter kennen. Denn es waren nicht nur graue Nomaden, es waren
auch Junge, Familien mit Kindern, Einzelgänger und ganze Gruppen. Das
ermöglichte uns gegen den Schluss dann auch, mit z.B. der Garderobière in der
Ian Potter-Sammlung des National Museums of Victoria in ein längeres Gespräch
zu kommen, sodass sie uns schon von weitem anstrahlte, als wir unsere Sachen
wieder abholten. Und ein freundliches „thank ye, maite“ meinerseits im Wollies
(Woolworth) führte durchaus auch mal zu einem „so easy, buddy“.
Also: wir können diesen Einstieg ins Land nur empfehlen.
Theatraler Uebergang
Neuseeland begann eigentlich schon mit dem wirklich letzten Erlebnis in
Australien. Zur Zeit findet das Melbourne Festival statt, mit Musik, Film und
Theater. Wir kauften uns Karten für eine Première eines neuseeländischen
Theaters im Kellertheater „fortyfivedownstairs“ (45 Kellergeschoss, im Haus 45
Flinders Lane). Angekündigt war eine Aufführung eines Stücks mit
Maori-Einschlag, mit Elementen der Neuseeländischen Ureinwohnern also. Thema:
Vietnamsoldat.Truppe: Taki Rua Productions (Aotearoa/ New Zealand’s national
Māori theatre company, www.takirua.co.nz).
Es war einmalig gut.
Das Stück Michael James Mania von John Broughton, war eher banal, bot
das, was beim Thema zu erwarten war. Es war die Darstellung der Biografie des
Helden und einzigen Darstellers vom Kind einer englischen Mutter und eines
Maori-Vaters bis hin zum Agent Orange verseuchten Heimkehrer aus Vietnam,
dessen Dioxin-Vergiftung ihn nur ein Monsterkind zeugen lässt, das er aus
Mitleid tötet. Komische und tragische Elemente waren recht geschickt gemischt. Die
Regie war perfekt, die Lichtführung ausserordentlich. Aber die Hauptsache war
der Schauspieler.
Te Kohe Tuhakaa beherrschte eineinhalb Stunden die Bühne von A bis Z,
sowohl sprachlich, vor allem aber physisch. Ich habe noch nie eine solche
Bühnenpräsenz gesehen. Seine Köpersprache, seine Gestik, der Gesichtsausdruck, seine
räumliche Aufteilung der spärlichst eingerichteten Szene, der Wechsel von laut
und leise, schnell und langsam, all das war perfekt. Dabei nutzte er die
Formensprache seiner Vorfahren – er ist wohl ein Gemisch – und brachte so
Elemente in die Darstellung, die wir noch nie gesehen hatten. Wie gut er war,
sahen wir auch, als wir nach der Aufführung mit ihm kurz sprachen. Er war fast
nicht wiederzuerkennen, nichts mehr von der kompakten, muskulösen Figur, dem
eindringlichen Blick, von der Aggressivität und vom Leid, das er auf der Bühne
abrufen konnte. Bescheiden und freundlich.
Jetzt sind wir auf dem Flughafen und warten auf das – verspätete –
Gefährt der Emirates Airlines.
Rumpelflug
Der Flug war nicht gut. Zuerst hatten wir über eine Stunde Verspätung,
und nachdem wir schon um halb sechs aufgestanden waren, um auch zur Zeit am
Flughafen zu sein, war das eigentlich unnütz. Wir hatten denn auch ganz schön
Hunger, aber das Essen liess auch auf sich warten. Ueberhaupt war der Service
nicht so, wie wir uns von den Emirates Airlines gewöhnt waren und wie der Ruf
dieser Fluglinie vorangeht.
Und dann das Wetter. Als wir uns Neuseeland näherten, wurde bekannt
gegeben, es sei windig, und wir würden vielleicht nach Christchurch (auf der
der Südinsel!, wo wir doch in Auckland auf der Nordinsel schon Hotel und Auto
gemietet hatten) umgeleitet. Aber dann hat der Wind etwas nachgelassen, und wir
konnten landen. Allerdings hat es die grosse Airbusmaschine (380er-Typ) völlig
durchgerüttelt. Sie schwankte von einer Seite der Landebahn, auf die andere.
Wie stark der Sturm war, erfuhren wir erst in der Stadt, nachdem wir
das Auto, einen mittelgrossen 4x4 von Toyota, übernommen und zum Hotel gefahren
hatten. Der Gepäckboy erzählte Elo, der Sturm hätte am Morgen das Mobiliar von
Strassencafés vor sich hergetrieben. Und als wir am Abend zum Essen gingen, hat
es uns buchstäblich fast fortgeweht. Wir nahmen daher Apéro, Essen und Absacker
in der nächsten Umgebung, was gut geht, da das Hotel direkt an den Piers der
Fähren und des Yachthafens liegt. Jetzt hat sich das Wetter beruhigt.
Abspecken
Wir sind also wieder mit einem normalen Auto unterwegs, übernachten in
Hotels, Bed&Breakfasts, Motels oder Bungalows von Zeltplätzen, essen in
Restaurants. Da hatten wir es in Australien mit Jeb doch besser. Wir hatten
-
Auto
-
Wohnzimmer
-
Schlafzimmer
-
Küche
-
Bad
-
Gastzimmer
-
WC
-
Vorratsraum
-
Weinkeller
-
Aussensitzplatz
-
Abwaschmaschine
(Elo)
-
Köchin
(Elo)
-
Grillchef
(Jürg)
- Putztruppe
-
Chauffeur
(meist Jürg, oft Elo)
-
Servicemonteur
(Jürg)
Wir specken also ab, aber es geht uns trotzdem sehr gut.
14.10.2012 / JB. (mit Input von EB)