Samstag, 20. Oktober 2012

VI-1 Im Nordland

Gutes Essen, schöne Stadt / Ureinwohner – der Unterschied zu Australien / Ein Gründungsvertrag / Kulturspuren / Nach Norden / Schottische Odyssee / Im ältesten Hotel, in der ältesten Beiz / Nordend / Von der Flut eingeschlossen / 5 Stunden Warten / Ende gut, alles gut / Freimaurer-Hotel / Sing Out und Poolbillard / Baumriesen

Nordland, das ist der Norden Neuseelands, der ja klimatisch eigentlich der Süden ist (respektive sein sollte), da auch hier verkehrte Welt herrscht. Dahin gehen wir zuerst, denn wir hoffen auf einen milden Frühling. Ist aber nichts, es ist oft Sauwetter und ein miserabel kalter Wind bekämpft die wärmende Sonne erfolgreich. Sei’s drum, wir hatten ja bisher 16 Monate Sommer.

Gutes Essen, schöne Stadt

Das Essen ist gut in Neuseeland. Wir haben am ersten Abend einen Tintenfisch gegessen, wie wir ihn lange nicht – wenn überhaupt je hatten: zart, ausgezeichnet gewürzt. Und am zweiten Abend einen Thunfisch vom feinsten. Auch der Wein schmeckt uns ausgezeichnet. Das Frühstück, das hier wie fast überall auf der Welt nicht im Hotelpreis inbegriffen ist und sauteuer verkauft wird, nehmen wir in einer Sandwichbar oder als Sushi in einem japanischen Schnellimbiss. Der Kaffee ist auch in Neuseeland sehr gut. Es leben – einmal mehr – die italienischen Kaffeemaschinen!

Auckland ist eine schöne Stadt. Wir wohnen am Hafen, im 11. Stock mit Blick auf das aufgewühlte Meer, das seine Farbe in Minutenschnelle ändert, denn das Wetter ist, sturmgetrieben sehr wechselhaft. Sonne, Wolken, Regen, Sonne – wie es Petrus grad gefällt. Grad vor der Türe sind die Touristeninformation, der Terminal der Fähren und viele Bars und Restaurants. Die Haupteinkaufsstrasse, Queen Street, ist um die Ecke. Erste Lage also.

Das Auto lassen wir in der Garage, wir gehen zu Fuss. Es ist Sonntag, die Geschäfte öffnen meist erst nach 10 Uhr. Der Kauf eines Internetmodems muss warten, wird aber am Nachmittag nachgeholt. Zuerst gehen wir ins Auckland Museum (Hinweg Bus, Rückweg Fuss). Auf dem Weg dahin kommen wir am Sky Tower vorbei, und wir lassen uns die Aussicht aus über 200 Metern nicht entgehen. Auf der Plattform können wir über Glasplatten gehen, die uns einen Blick direkt nach unten ermöglichen. Zwar steht geschrieben, das Glas sei dick und sicher. Aber es ist doch ein mulmiges Gefühl.
 
 
 
Im Schaufenster (unfreiwillig)

Ureinwohner – der Unterschied zu Australien
Das Museum of Auckland  ist das ehemalige Militärmuseum, was nachwirkt. Im obersten Stock ist es sehr patriotisch, interessant ist allerdings ein Raum über die Kriege, die die Ureinwohner Neuseelands, die Maoris, gegen die Weissen Mitte des 19. Jahrhunderts führten. Das war kein Zuckerschlecken, für beide Seiten.

Im Zentrum des Museums ist eine grosse Sammlung von Maori-Gegenständen. Sehr eindrücklich, wenn auch, wie wir bei einer „Kundenbefragung“ am Ausgang in einem längeren Gespräch mit einer Angestellten deutlich machen, eher wie ein Lager des Museums als wie eine moderne Ausstellung. Aber es hat (zu) viele schöne Stücke.

Uns wird deutlich, wie unterschiedlich in jeder Beziehung die Ureinwohner dieses Landes im Vergleich zu denen Australiens sind. Da ist einmal die materielle Kultur. Zwar gibt es auch hier keine Metallgegenstände, aber die Steinbearbeitung war wesentlich weiter. Wir würden Jungsteinzeit sagen. Feine Steinklingen und sehr gut gearbeitete Steinbeile mit schöner Politur. Raffinierte Schmuckstücke und eine hoch entwickelte Tradition der Holzbearbeitung, sei das in der Skulptur, der Schnitzerei oder der Waffenherstellung.

Die Maori waren eine sehr kriegerische Kultur, untereinander und dann gegen die Weissen. Die in mehreren Wellen vor über 700 Jahren aus dem Pazifik eingewanderten Stämme verspeisten durchaus ihre gefangenen Feinde. Die Stärke der Ureinwohner hatte auch eine andere Staatsgründung zur Folge.

Ein Gründungsvertrag

Während das moderne Australien seinen Ursprung auf die Landnahme der Weissen 1770 zurückführt, ist es hier ein Vertrag zwischen den Weissen und den Maori, der Vertrag von Waitangi vom 6. Februar 1840. Der Vertrag etablierte einerseits einen Gouverneur auf Neuseeland, andererseits anerkannte er Landrechte der Maori und gab ihnen von Anfang an die britische Staatsbürgerschaft.

Zwar war die Auslegung des Vertrags (zwei sprachliche Versionen) von Anfang an umstritten – was u.a. zu den erwähnten Kriegen führte –, aber die Stellung der Maori als Staatsbürger war gegeben. Und das wirkt nach bis heute. Die rund 15% der neuseeländischen Einwohner mit Maori-Wurzeln sind selbstbewusst, die Kultur ist anerkannt. Widersprüche und Missverständnisse gibt es bis heute. Im Theaterstück, das wir in Melbourne gesehen haben, (s. Blogspot IV-1) sagt der Held des Stückes, seine englische Mutter sei ausserordentlich beeindruckt gewesen über die Grösse des Landes, das ihr Maori-Gatte sein Eigentum nannte, bis sie merkte, dass noch weitere 1500 Eigentümer des gleichen Landstückes existierten.

Wir werden der Maori-Linie weiter folgen.

Kulturspuren

Am nächsten Tag hatten wir weiter Kultur. Zuerst die berühmte Art Gallery, in der neuseeländische Kunst des 19., 20. und 21. Jahrhunderts gezeigt wird. Die Entwicklung ist eindrücklich, und auch hier wieder zeigte sich, dass die Kultur der Uhreinwohner selbstbewusst ist. Seit Mitte des 20. Jahrhunderts gibt es starke Einflüsse in der modernen Kunst, die sich stärker von der europäischen abhebt als in Australien.

Am Nachmittag fuhren wir mit einer Fähre auf die Insel Waiheke, auf der ausgezeichneter Wein gemacht wird. Wir wanderten auf das Weingut Cable Bay, das einen sensationellen Blick auf das ferne Auckland hat. In der leicht nebligen Stimmung des gemischt regnerisch-sonnigen Tages kamen Lichtstimmungen auf, die an Turner-Bilder erinnerten. Die Trauben für den Pinot Noir und den Semillon Blanc kommen von der Südinsel (das Klima hier ist dafür nicht geeiget), der Wein wird, wie der von den hier wachsenden Pinot Gris und Shiraz, hier gekeltert.

Wie vornehm der Ort ist, merke ich erst auf der Toilette! Keine falschen Vorstellungen bitte! Es ist nur so, dass dort Zeitungsartikel hängen und ich lerne, dass vor einem Jahr hier ein Treffen von 7 europäischen Staatschefs mit gleichviel asiatischen stattgefunden hat, an dem auch Uno-Generalsekretär  Ban Ki Moon teilnahm. Ob die wohl ahnten, dass auch wir dahin kommen würden……?

Anschliessend assen wir in einem Restaurant eines kroatischen Ehepaars, das vor den Kriegswirren geflohen ist. Ausgezeichnet (assen wir).

 
 
 
 
 
Wo ist Elo?
 
 
 
Nach Norden

Heute sind wir nach Norden gefahren. Es wurde nicht wärmer, was es eigentlich sollte, und es wurde nicht trockener (was man von Neuseeland einfach nicht erwarten kann). Aber es ist  schön. Grün, gewellt bis ruppig, Aussichten auf die Küste zum Verlieben, Kühe und Schafe, blühende Bäume und Wiesen, kleine Orte mit Ruhe, Strand, seltenen Vögeln, kleinen Restaurants und schönen Unterkünften. Die Landschaft und die Naturstrassen sind oft wie im Hinterthurgau, nur dass hinter der Krete direkt das Meer ist.

Wir wohnen in einem kleinen Häuschen mit einer „sidigen“ Schlummermutter, haben den Strand zum Spazieren in der Nähe und das Restaurant mit guter Hammelkeule und feinem Tintenfisch (schon wieder) über die Strasse. Im Restaurant setzt sich die Wirtin mit ihrem Abendessen zu uns, und wir unterhalten uns bestens.

Am Nachmittag, vor unserem ersten Picknick in Neuseeland, waren wir noch im Thermalbad, mit Becken von 32, 36, 40 und 48 Grad. Das 48grädige Wasser allerdings liess ich mir nur über die Schultern laufen.

Schottische Odyssee

Heute sind wir der Küste entlang weiter nach Norden gefahren. In Whangarai haben wir die Haare schneiden lassen (der Friseuse aus Südafrika musste ich dreimal „kürzer“ sagen, bis sie mir glaubte – jetzt ist es kurz!). Die Preise sind fast wieder wie zuhause: zusammen 70 Franken, etwas mehr als die aus Australien gewohnten 30 bis 40. Dann habe ich ein Kabel erstanden und kann nun all unsere Musik vom iPod direkt auf das Radio spielen. Und das Auto ist ja nun wirklich nach dem Büssli und Jeb, die ganz schön rumpelten, viel leiser. Jetzt ist auch Klassik wieder möglich.

Auf dem Weg nach Whangarei kamen wir durch Waipu. Der grosse Friedhof reizte mich, und er war dann auch erstaunlich: alles Schotten, bis heute, die alten teilweise geboren in Nova Scotia in Kanada! Das Ortsmuseum klärte mich dann auf (Elo waren die 8$ Eintritt, ein Fünfliber, zu viel, aber es hat sich gelohnt): Ende de 18. Jahrhunderts haben die Engländer Schottland endgültig erobert. Sie unterdrückten Kultur (Kilt und Pipes (Dudelsack)) und Religion (Presbyterianismus), und die Clanchefs rissen sich das Land der Stämme unter den Nagel, was die Kleinbauern pauperisierte.
Schottische Abteilung













Maori-Abteilung




Eine richtige Auswanderungswelle brachte in drei Jahrzehnten 80'000 Schotten nach dem heutigen Kanada. Mitte des 19. Jahrhunderts führten Missernten unter anderem durch die Kartoffelfäule zu Not. Ein charismatischer Pfarrer führte eine ganze Glaubensgemeinschaft mit fünf (selbstgebauten) Schiffen nach 1851 zunächst nach Adelaide (kein Land), Melbourne (kein Geld, nur Goldrausch) und schliesslich über Auckland nach Waipu, wo sie endgültig siedelte. Bis 1907 wurde der Gottesdienst in Gälisch gehalten, und auch heute noch sind die Nachkommen stolz auf ihre Geschichte und Kultur. Schafe züchten auch sie.

Im ältesten Hotel, in der ältesten Beiz

Wir sind in Russell gelandet, einer Kleinstadt an der Bay of Islands. Sie liegt unweit vom heute unwichtigen Okiato, 1840/41 die erste Hauptstadt Neuseelands (vor Auckland und heute Wellington an der Cook Strait zwischen den beiden Inseln). Und das gemächliche, mit viel Charme geschützt am Meer liegende Russell selbst hat auch viel Geschichte: Hier ist das älteste Hotel Neuseelands, der Duke of Marlborough, das seit 1827 besteht und dessen Bar auch noch die älteste Alkohollizenz des Landes hat. Sie wurde kurz nach dem Vertrag von Waitangi erteilt und wird seither durchgehend genutzt. Das wäre auch bei uns ein stattliches Alter.
 
Und wir wohnen hier, denn die Uebernachtungspreise sind tragbar (110 Franken mit Frühstück). Das Haus am Hafen hat viel Atmosphäre. Ich sitze auf der durch Plastikvorhänge vor dem kalten Wind geschützten Terrasse, trinke ein Bier und schreibe. Und ich freue mich auf das Abendessen im stilvollen Lokal und dem Absacker in der klassischen Bar. Elo hat sich hingelegt und versucht, ihre starke Erkältung etwas zu kurieren.

Zuvor sind wir zum Fahnenenmast hochgelaufen. Dem ersten Australiens, der dann von den Maoris in den 40er-Jahren des 19. Jahrhunderts hintereinander drei- oder viermal umgelegt wurde, bis sich die beiden Völker etwas besser fanden. Der Blick auf die Bay ist atemberaubend.

Nordend

Wir sind ganz hochgefahren an die Nordspitze des Insellandes. Cape Reinga heisst der Punkt, wo der grosse Pazifik und die Tasmanische See (eigentlich auch ein Teil des Pazifiks) zusammenkommen und Winde und Strömungen die Szene beherrschen. Captain Cook hatte hier 1769 die grösste Mühe auf seiner Erkundung der Inseln. Auch wir spürten die Gewalt der Elemente, es hat uns fast umgeweht. Aber die Natur des Kaps, dessen weniger berühmter Nachbar eigentlich noch ein wenig weiter nördlich liegt, ist eindrücklich.

Schon die Anfahrt. Da geht es rauf und runter, vorbei an einsamen Farmhäusern, durch Wiesen und Weiden mit Kühen und Schafen, die das intensive Grün Neuseelands mit schwarzen und weissen Punkten versehen. Am Kap ragen vulkanische Riffe hoch über die See, die Brandung nagt unerbittlich am Felsen, Blüten grosser Agavenarten erfreuen das Auge, und grosse und kleine Vögel zeigen ihre Künste.
 

Von der Flut eingeschlossen

Am nächsten Tag schlagen uns die Betreiber der einfachen Unterkunft in Waitiki Landing vor, wir sollten doch über den Ninety Mile Beach (Neunzig Meilen Strand, der aber etwas kürzer ist) nach Süden fahren. Das sei ein reines Vergnügen, mit gegen 100 Sachen über den glatten Sand, zwischen den Dünen und der starken Brandung. Ich bin etwas skeptisch und frage nach der Zeit der Flut. Kein Problem, wir hätten massig Zeit, und mit einem Vierradantrieb könnte nichts passieren Letzteres stimmte dann ungefähr, wir haben es überstanden!



Aber der Reihe nach: Zuerst mussten wir nach einer Naturstrasse noch einige Kilometer zwischen hohen Sanddünen durch ein Flussbett fahren. Der Fluss führte wenig Wasser, kein Problem.
 
 
 
 
 
 
 
 
Dann waren wir am Strand, und es war wirklich ein eindrückliches Erlebnis und ein schönes Fahren. Brandung ist riesig. Kilometer um Kilometer rollen seitlich starke Wellen auf dich zu.

An einer Stelle, die zwischen steiler Düne und starker Brandung recht eng war, fragte ich mich, ob das mit der Zeitangabe für die Flut auch stimmte (wir sollten noch rund drei Stunden haben). Aber dann wurde es wieder weiter, wir genossen es – bis wir plötzlich nach etwa 20 Kilometern vor einem Felsriff standen, an dem es kein Beikommen mehr gab, zu hoch war schon das Wasser! Hier in der Nähe wäre eine Ausfahrt zur Hauptstrasse gewesen, die wir nehmen wollten.

Eine Sandauffahrt, eine Art Weg, versuchte ich, blieb aber oben stecken und konnte mich dank Vierradantrieb und Differentialsperre mit Hin- und Herschaukeln wider nach unten bewegen. Also zurück. Aber da war die Enge, und ich hatte Angst, dort wieder nicht durchzukommen und dann plötzlich hinten und vorne blockiert zu sein, und das Wasser kommt höher und höher, du bist drin und wirst überspült. Die Vorstellung war sehr ungemütlich! Ich ging das Risiko nicht ein.

5 Stunden Warten

Ich beschloss, einen Punkt zu suchen, der sicher über der höchsten Flut lag. Das war bei der Mündung eines grösseren Bachs möglich, wir fuhren ihm entlang landeinwärts und dort auf eine Düne, von der aus wir die Brandung sehen konnten. Ich wendete – mit einiger Mühe und einigem Ruckeln – und dann sassen wir da. Der einzige Trost: auf die Flut folgt die Ebbe.

Elo schlief fast zwei Stunden, was ihrer Erkältung gut tat, und sie ging auch zweimal an den Strand spazieren, durchlüften war nur der Vorname. Ich habe das Auto nicht verlassen und mit dem Feldstecher das Steigen der Flut, den Höhepunkt und das langsame Absinken beobachtet. Nach knapp vier Stunden war ich der Ansicht, es sei nun gut, und wir fuhren los. Aber oha.

Nach rund einem Kilometer stellte ich fest, dass der Sand oben am Rand noch zu weich war, und unten die Wellen noch zu weit rein kamen. Ich hielt halbschräg am oberen Rand der Dünung an, die Wellen donnerten und rauschten auf uns zu, und manchmal umspülten sie auch noch die unteren Räder.




Da hingen wir drin




Wir warteten nochmals eine Stunde, eine Zeit, die viel Disziplin von mir erforderte, denn zu frühes Abfahren hätte verheerende Folgen haben können: Einmal eingesunken, bist du erledigt!

Ende gut, alles gut
Aber es ging dann gut. Ich stellte fest, dass es dort am besten ist, wo das Wasser gerade noch hinkommt. Wir kamen zum Fluss, dessen Bett hoch – und endlich wieder auf eine Strasse. Ich fragte Elo., ob sie gehört habe, wie mir der Stein vom Herzen geplumpst ist, als wir im sicheren Bachbett waren.

Eine gute Seite hatte die Sache: Als ich im Auto zur Ablenkung etwas lesen wollte, merkte ich, dass ich mein elektronisches Buch und meine Lesebrille in der Unterkunft vergessen hatte. Weil wir ja zurückfuhren, konnte ich die Sachen gleich wieder abholen.

Freimaurer-Hotel

Der Tag hatte dann einen sehr schönen Abschluss. Wir fuhren noch bis Rawene, das wir mit einer Fähre über den weit ins Landesinnere ausgreifenden Meeresarm Hokianga Harbour erreichten. Rawene ist die drittälteste Siedlung in Neuseeland, und es war zur Zeit des Kauribooms (s.u.) eine recht grosse Stadt. Heute ist es ein etwas schläfriges Nest, mit sehr freundlichen Einwohnern und einem romantischen Hotel. Es heisst Masonic Hotel (Freimaurer-Hotel). Das Haus sollte zuerst eine Freimaurerloge werden, aber als die Freimaurer den Bau nicht bezahlen konnten, wandelte es der Baumeister kurz entschlossen in ein Hotel um. Und das ist es seit 1879 geblieben, und damit ist die Barlizenz auch hier eine der ältesten des Landes. ¨

Wir scheinen das zu suchen, aber es ist Zufall, wir fragten auf der Fähre einfach nach einem Hotel, und es war das einzige, und es war sieben Uhr, und wir hatten Hunger, und wir waren müde – und das Masonic Hotel hat uns vom ersten Moment, als wir es betreten haben, gefallen. Im Pub war etwas los. Da wurde gesungen zu Gitarren- und Uklulele-Begleitung, da wurde Billiard gespielt, da liefen Spielautomaten. Und alle waren sofort freundlich zu uns, sagten, wo wir nach Zimmern fragen sollten usw.

Der Wirt entschuldigte sich, das Hotel sei wirklich sehr alt, und vieles nicht mehr so ganz im Schuss, aber sauber sei alles (da hatte er recht), und gemütlich auch (auch da hatte er recht). Das Zimmer war einfach, Bad und WC auf dem Gang, aber als einzige Gäste störte uns das nicht, müssen wir doch auch zuhause aus dem Schlafzimmer aufs WC und mussten wir doch in Australien ein Jahr lang zuerst ins Freie. Und die Küche war gut, der Wein in Ordnung.







Sing Out und Poolbillard
Und dann die Bar. Wir genehmigten uns nach dem Essen noch etwas Wein am Tresen neben dem Billardtisch. Und wir waren sofort Teil der Gemeinschaft. Mitsingen konnten wir nicht, denn es wären englische Texte gefordert gewesen. Ausserdem war die Qualität des Gesangs sehr gemischt. Laut war es immer, aber manchmal war die Melodie nur der Spur nach zu ergründen, da ging zu viel durcheinander. Gut waren die Instrumente, und als sie dann mal auf rockigen Blues umstellten, war es ausgezeichnet. Aber nur vorübergehend.

Ein ehemaliger Holländer der hier hängen geblieben ist, erklärte uns, Freitag Abend sei hier immer viel los, und das Sing Out gehöre zum festen Programm. Der kleine Kapitän der Fähre wollte mich zum Billardspielen überreden, und je länger der Abend umso mehr. Irgendwie muss der Alkohol, dem sie nicht allzu bescheiden zusprachen, jeweils wieder eine Informationsschicht überdeckt haben. Gegen zwölf fragten sie mich im Viertelstundenrhythmus nach meinem Namen, meiner Herkunft und meinen Billardkenntnissen. Und wollten mich selbstverständlich auf die Tafel mit den nächsten Spielgruppen aufschreiben.

Eindrücklich war, wir sie miteinander umgingen. Junge und Alte, Frauen und Männer, Angehörige der verschiedensten Berufsstände. Sie neckten sich liebevoll, wenn auch nicht immer zurückhaltend, freuten sich über den Gewinn eines Spiels, egal ob es ihr Gewinn war oder der der Mitspieler (hier gab es keine Gegner), sie waren laut bis sehr laut, aber immer friedlich. Wir nahmen ihnen ab, dass sie gerne in Rawene lebten.

 Blick aus dem Zimmer

Das Frühstück nahmen wir auf der Terrasse eines Cafés unten am Hafen ein. Der Wirt hatte gemeint, ihm sei das zu früh, die Frauen da unten würden das sehr gut machen. Was stimmte.

 

 
 
 
 
 
 
Baumriesen

Auf der Fahrt nach Süden kamen wir nach immer wieder schönen Küstenpassagen ins Land der Baumriesen, der Kauri. Die Kauri, von denen es Arten auch in anderen Regionen gibt, (wir haben sie in Queensland und im Süden Westaustraliens gesehen), stammen aus der geologischen Zeit des Jura (vor rund 150 bis 200 Millionen Jahren) und sind alte Formen von Kiefern (Früchte sind Zapfen). Sie machen riesige Stämme mit über 15 Metern Durchmesser und bis zu 250 m3 Holz, und die ältesten, die heute noch stehen, sind über 1500 Jahre alt. Wenn sie verletzt werden, produzieren sie grosse Mengen von Harz.

Die Kauri wurden im 19. und 20. Jahrhundert abgeholzt, das Holz ging nach Australien. Das von uns besuchte Rawene erlebte zu dieser Zeit seinen Boom, denn hier wurde das Holz verschifft.




Aber es gibt noch einen anderen Ast der Kauri-Geschichte. Weiter im Norden, in der Gegend von Houhora, fielen vor 50'000 und mehr Jahren mehrer Kauriwälder Naturkatastrophen nicht genau definierter Art zum Opfer. Die Bäume fielen um und sie wurden von Wasser und Sumpf überspült. Der Cocktail von Sumpfpflanzen konservierte sie ausgezeichnet. Das Harz versteinerte teilweise und bildete Bernstein, oder es blieb in einer Form erhalten, die es als Grundstoff für die verschiedensten Produkte von Feueranzünder und Kaugummi der Ureinwohner bis hin zum Lack der Engländer wertvoll werden liess.

Es entstand ein eigentliches Gewerbe, die Suche nach Gum, wie die Harz- und Bernsteinknollen hier genannt werden. Zuerst wurden die Harzknollen an der Oberflläche gesammelt, dann aber immer mehr die Knollen der im Sumpf verschwundenen Wälder. Wir besuchten ein Museum. Das Gewerbe war hart, die Arbeit im Sumpf beschwerlich. Die Sucher stiessen auch auf die konservierten Stämme, die heute teilweise ausgegraben und für Kunstgewerbe genutzt werden.
 
 
 
Es ist eindrücklich, 100'000 Jahre alte Stämme zu sehen oder einen Pfannenuntersatz von 45’000-jährigem Holz kaufen zu können.

 

 
 
 
 
 
 
 
 
 
Elo im alten Holz
 
 
Zum Schluss noch ein Bild von den freundlichen Neuseeländern (die Eltern waren genauso zutraulich!):


21.10.2012 / JB.