Mehrstufiger Abschied von Darwin / Endlich Crocs / Felsmalereien / Röntgen
und Striche / Entwicklungen / Klettermuseum / Perfekt / Kunstzentrum / Nourlangie
/ Sie sitzen auf dem kulturellen Zaun / Badefreuden / Auf dem Weg nach Süden / Tüfelschügeli
/ Im Zentrum Australiens / Fahren lassen: ins rote Herz Australiens / Uluru und
Olgas / Farbspiele / Falllinie / Olga erwandern / Garten Eden / Ueberdosis
Landschaft / Reparatur und Abschied / PS I Designerarbeit / PS. II Four for nine
Mehrstufiger Abschied von Darwin
Wir holten unsere Freundin Ulla
aus Frankfurt vom Flughafen ab, wo sie noch einigermassen verfroren von Sydneys
Wetter erzählte. Nach einer Stadtrundfahrt spazierten wir durch die Innenstadt
zum Hafen.
Auf dem Pier gab’s zum Apéro Crevetten, dann in einem schönen Hafenrestaurant grosses Buffet mit Fisch, Fleisch und Dessert.
Wir waren schön müde, als wir
nach gut 10 Kilometern Rückfahrt im Campingplatz ankamen und feststellten, dass
Ullas Rucksack mit allem (!) drin am Stuhl auf dem Pier hängen geblieben war.
Und ich hatte so schön in unseren Standplatz eingeparkt! Also: alles zurück,
und der Rucksack war brav eingesammelt und sicher deponiert worden. Australien,
auch das.
Am Morgen besuchten wir noch
das sehr schöne Museum, das an der Bucht in einem Park liegt. Sie haben eine
gute Ausstellung über eine Aborigine-Künstlerfamilie aus dem Norden. Dann auch
eine Dokumentation über den Wirbelsturm Tracy von Weihnachten 1974, der über
70% der Häuser demolierte.
Wir verabschiedeten uns von
Darwin. Aber nichts da.. Als wir im Palmerston nach dem Einkaufen noch einen
Kaffee tranken, meinte Ulla plötzlich, da seien doch noch irgendwie drei grosse
Badetücher an einer Leine im Campingplatz. Was sind schon 10 Kilometer: nichts
wie zurück, und die Tücher geholt. Aber nun endgültig: bye bye Darwin.
Endlich Crocs
Auf dem Weg in den Kakadu
Nationalpark machen wir in Corrobee Station. Das liegt mitten in den
Feuchtgebieten mit vielfältiger Flora und vor allem auch Fauna: Vögel und Reptilien vor allem.
Wir machen einen Bootsausflug auf dem Corrobee Bellabong. Ein Billabong ist ein stehendes Gewässer, entweder weil der Fluss in der Trockenzeit zu wenig Wasser führt oder ein Altarm des Flusses, der mehrere Meter tief sein kann und das Wasser aus den Feuchtgebieten bezieht.
Wir sehen an diesem
Spätnachmittag grosse Salzwasserkrokodile (sie leben hier im Süsswasser, warum
also „Salties“?) und viele schöne Vögel wie Schlangenhals-Kormorane, Kraniche,
Enten, kleine Janacas, die auf den Lilienblättern rumlaufen, und Adler mit
Jungen. Der Führer ist gut, und er räumt mit vielen hier kolportierten
Räubergeschichten von Krokodilen auf, die angeblich die Menschen an den Ufern
verfolgen. Sie sind nur im Wasser tödlich, dort aber mit grossem Erfolg. Daher:
nicht schwimmen, nicht fischen im Wasser.
Auf dem Rückweg nach Sonnenuntergang fahren wir durch ein grosses Buschfeuer. Das ist eindrücklich. Wir wissen nicht, ob das ungewollt ist, oder kontrolliert. Das kontrollierte abbrennen in der Zeit nach dem Regen ist nötig, um den vielen Blitzschlägen in der späteren Trockenzeit die Nahrung zu nehmen.
Felsmalereien
Der nächste Tag ist Ubirr gewidmet, einem Ort im Park mit vielen schönen Felsmalereien. Allein schon die Fahrt dahin ist eindrücklich. Das grosse Felskliff („Escarpment“, zu Deutsch: Geländeabbruch, geologische Schichtstufe, Klippe) mit dem dahinter liegenden flachen Land auf bis zu 300 Metern über der Ebene, das zieht sich hunderte von Kilometern nach Süden. Es ist eine Gegend mit einer eigenen Magie. Das Gestein ist nicht gefaltet, sondern einfach hochgehoben worden. Die Erosion lässt Türme stehen, Steine auf den Spitzen. Es brechen Quader ab, die in sich dann wieder geschichtet sind. Spielplätze von Riesen, die die Mythologie der Ureinwohner stark anregten. Diese Mythologie finden wir dann auch in den Malereien.
Wir campieren an einem Platz, an dem wir abends ein Feuer machen können, an dem es aber auch ausserordentlich viele Moskitos („Mossies“ sagen die Australier) hat. Mit Antibrumm und langen Beinen und Aermeln ist es aber am offenen Feuer sehr schön. Es wird ein langer Abend.
Zuvor besuchen wir aber die Bildergalerien, die über Tausende von Jahren entstanden. Sie finden sich an Felswänden, in Höhlen, an Ueberhängen und Plätzen, die in der Regenzeit Schutz vor den Wassermassen in den flachen Nassgebieten gewähren. Sie sind oft übereinander gemalt, unter den neuesten Bildern sind wer weiss wie viele Schichten alter Bilder versteckt. Die Künstler verwendeten neben Weiss, das relativ schnell wieder vergeht, vor allem roten und gelben Ocker, die Bilder unverwüstlich macht, auch wenn sie nass werden. Sie fressen sich quasi in den Stein ein.
Röntgen und Striche
Hier oben dominiert die
Röntgen-Stilart. Es werden vor allem Tiere abgebildet, die gejagt werden. Die
Tiere werden oft wie durchsichtig dargestellt, mit Gräten bei den Fischen oder
Innereien bei Krokodilen, Schildkröten, Schlangen, Wallabys und Echsen. Die so
dargestellten Tiere müssen wir uns als gegessen vorstellen, sind sie nur
gejagt, erscheinen sie nicht durchsichtig.
Daneben gibt es Zeichnungen in
einfachen Strichen, Menschen und mythologische Figuren. Diese sind in ihrer
Abstraktion oft sehr eindrücklich: das Wesen ist erkannt und dargestellt, kein
Firlefanz drum rum. Die Stilart mit den vielen feinen Punkten, für die die
Kunst der Ureinwohner bei uns auch berühmt ist, gibt er hier oben praktisch
nicht.
Auch komplexe Mythen werden dargestellt, so die Schöpfungsgeschichte der Regenbogenschlange, die von Norden kommend viele aus Gras geflochtene Behälter, sogenannte Dillibags, am Hals trug, in denen sie Völker hatte. Diese setze sie an den verschiedensten Orten ab, gab ihnen eine jeweils unterschiedliche Sprache. Auf ihrem Weg formte sie auch die Flüsse und Berge. Als die Taschen leer waren, war ihre Aufgabe erfüllt, und sie zog sich in eines oder mehrere der vielen oft sehr tiefen Wasserlöcher unter den Wasserfällen zurück.
Auf dem felsigen Hügel hoch
über der Feuchtebene bewundern wir einen weiteren sehr eindrücklichen
Sonnenuntergang.
Entwicklungen
Hauptort des Parks ist Jabiru,
benannt nach dem seltenen Schwarzstorch, den wir schon früher gesehen haben.
Der Ort mit 1800 Einwohnern (für die Gegend gross!) verdankt seine Existenz
einer grossen Uranmine im Besitz der australischen Regierung. Die Naturschützer
sind wenig erbaut darüber, lässt doch die Mine jeden Tag rund 100'000 Liter
verdrecktes Wasser in ein fragile Oekosystem (Weltkulturerbe der Unesco) ab.
Und eine zweite ist in unmittelbarer Nähe geplant.
Wir machen einen tägigen geführten Ausflug in das über dem South Alligator River – es gibt in Australien keine Alligatoren, nur Krokodile – in das benachbarte North Arnhem Land, eine Gegend von mehr als doppelter Grösse der Schweiz und knapp 20'000 Einwohnern, die Mehrheit Aboriginies. Nach einer Fahrt durch eine Furt mit recht viel Wasser kommen wir nach Gunbalanya (Openelli), eine Aborigine-Siedlung, die uns wieder einmal eher deprimiert. Verlottert, unaufgeräumt, schmuddelig. Daneben völlig neue Wohnhäuser, die an den Bedürfnissen der Ureinwohner vorbei gebaut werden: Geschlossen, wo Offenheit gefragt wäre, mit Zäunen rund rum für Leute, die viel Kontakt wollen usw. Eine Schreibtischtat aus der sehr fernen Stadt, ohne die Leute gefragt zu haben, was sie wollen. Ueberreste des Missionarsgedankens. Und dass sich dann da noch jemand eine goldene Nase dran verdient, rundet das Bild ab.
Klettermuseum
Von hier aus fahren wir zu
einem der heiligen Berge dieser Gegend. Wieder ist die Magie der Landschaft von
Anfang an zu spüren, sie wird dann im Laufe des Tages immer dichter. Begleitet
werden wir von Simon, einem älteren Herrn mit viel Humor und Geduld, mit viel
Wissen, vielen Geschichten. Er führt uns den Berg hoch, zu Bildergalerien,
Höhlen und Aussichtspunkten.
Auf dem Berg haben Simons Vorfahren in der Regenzeit Schutz gesucht, hier haben sie ihre Zeremonien abgehalten und Feste gefeiert.
Die Ueberhänge und Höhlen bieten spektakuläre
Ausblicke. Alle Ecken kommen neue Bilder und ganze Bilderbücher. Simon erklärt
sie uns, schildert den Schöpfungsmythus der Regenbogenschlange, die hier anders
dargestellt ist. Und er weist uns auf die vielen Details hin.
Perfekt
Hier sehe ich auch die für mich
bisher eindrücklichste Zeichnung. Ein Jäger in vollem Lauf, die Beine weit
ausgreifend, einen Arm zur Balance vorgestreckt, den anderen weit nach hinten
gezogen mit der Speerschleuder und dem darauf liegenden langen Speer, um der
Waffe die grösstmögliche Kraft zu geben, wenn er sie im nächsten Moment auf das
Wallaby schleudert. Besser kann man das wohl kaum darstellen. Und doch ist die
Zeichnung unscheinbar, unten an einem Fels.
Kunstzentrum
Nachher besuchen wir in
Gunbalanya das Injalak Arts and Crafts Projekt (www.injalak.com.au). Hier sehen wir
Malern zu, wie sie ihre Farben bereiten, wie sie malen, mit grosser Geduld und
feinem Stilgefühl. Die Felsmalerei wird nicht mehr praktiziert, gemalt wird auf
Papier oder Baumrinde, die speziell präpariert wird. Aber hier kommen die
klassischen Motive immer wieder zur Darstellung. Sie bedrucken auch Stoffe im
Siebdruck. Malen ist Männersache.
In einem Laden kaufen wir ein T-Shirt für mich. Befremdend ist auch hier, dass der Laden durch Weisse geführt werden muss, um dem Projekt die nötige Konstanz geben zu können. Die Frauen arbeiten freiwillig. Nichts gegen Freiwilligkeit, aber hier drückt der Missionsgedanke offensichtlich wieder einmal durch.
Aber die Bilder, Plastiken,
Stoffe, Körbe und Wandbilder sind sehr schön, in ihrer Art einmalig.
Nourlangie
Südwestlich von Jabiru sind die Felsgalerien und Höhlen von Nourlangie gelegen. Hier haben die Malereien etwas andere Motive. Sie stellen zum Teil jüngere Elemente der Schöpfungsgeschichte dar, und sie sind auch teilweise recht jung. Die letzten Bilder wurden in den 60er-Jahren von einem alten Mann gemalt, sehr drastisch und konkret. Aber auch er verwendet die Bildsprache seiner Vorgänger, die in über 40'000 Jahren entwickelt wurde.
Hier erhalten wir auch Erklärungen zur Besiedlung der verschiedenen Höhlen und Siedlungsplätzen. Die Rangerin zeigt archäologische Funde. Mir fällt auf, dass die Technologie der Steinbearbeitung nicht über das hinaus geht, was wir bei uns die letzte Phase der Altsteinzeit bezeichnen: Grobe Werkzeuge, recht roh behauen. Die Absplitterungen sind meist mehrere Zentimeter gross, die Klingen nicht scharf. Silex, die Feuersteinknolle, scheint nicht genutzt worden zu sein, oder sie gibt es hier nicht.
Sitzen auf dem kulturellen
Zaun
Auf jeden Fall wurde die
materielle Kultur nicht weiterentwickelt. Es scheint keine Notwendigkeit dafür
gegeben zu haben: Nahrung war genug da, feste Häuser waren keine Notwendigkeit.
Sie kamen über die Stufe der nomadisierenden Jäger und Sammler nicht hinaus, kein Ackerbau,
keine Viehzucht, keine Vorratshaltung (und damit keine Akkumulation von Reichtum), keine
erweiterte Arbeitsteilung. Es gab zwar die Aeltesten, die über die Einhaltung der
überlieferten Gesetze wachten und bei deren Verletzung oft drastische Strafen
aussprachen. Aber es gab keine eigentlichen Herrschaftsstrukturen. Unser Lehrmeister
in Entwicklungssoziologie Christian Sigrist spricht von segmentärer
Gesellschaft.
So waren die Menschen mit dem zufrieden, was sie hatten. Und das ist in gewisser Hinsicht auch heute noch weitgehend der Fall. Sie bekommen, wenn nötig, Sozialhilfe oder Geld für z.B. die Konzessionen der Bergwerke. Und sie müssen sich dafür nicht sehr anstrengen. Und scheinen in gewisser Weise damit zufrieden zu sein(?).
Aber sie stehen in der Spannung zwischen archaischer Tradition und Moderne, zwischen Walkabout einerseits, dem – für uns – plötzlichen Drang, in den Busch zu wandern oder halt einfach das zu tun, was ihnen gerade einfällt, und dem Wunsch andererseits, die westliche Technologie und Kultur zu nutzen. Wenn ich mir die Jungen ansehe: die alte Kultur wird es schwer haben, und in einem permanenten Spannungsfeld zu leben, ist nicht angenehm, fördert Aggressionen gegenüber sich selbst und anderen. Auf einem Zaun zu sitzen, ein Bein hüben, ein Bein drüben, das ist auf die Dauer unbequem.
Badefreuden
Wir legen auf dem Weg nach
Süden in Leliyn, den Edith Falls, einen Ruhetag ein. Wie schon auf dem Hinweg
nach Darwin (s. Blogspot 3-16), umfängt uns der Zauber der Landschaft erneut.
Wir wandern zum Baden an den oberen Pool, das schönste Schwimmbad, das wir in
unserem Leben je hatten.
Und wir baden im unteren Pool mehrmals am Tag. Wir schwimmen zum Fall und lassen uns in der Strömung entlang der hohen Felsen auf dem Rücken treiben. Dabei bewundern wir Netze der grossen Orb-Spinnen (ungefährlich) ebenso wie die Büsche und Bäume, die sich an den Klippen halten und ihre Wurzeln durch die Felsspalten nach unten treiben.
Es ist plötzlich sehr heiss
geworden, schon in Jabiru. Gegen 40°, und die Sonne brennt in den Steinen auf
dem Spaziergang unerbittlich.
Weiter im Süden, bei Mataranka,
baden wir in den warmen Wassern von Bitter Springs. Es ist auch hier wie im
Märchen. Der Bach trägt uns durch eine tropische Vegetation, und zurück zu
schwimmen braucht Kraft. Es ist so schön warm im Wasser, dass wir trotz grosser
Hitze beim rauskommen fast schlottern.
Bild UG
Auf dem Weg nach Süden
Wir machen uns nun ernsthaft
auf nach Süden, auf der Strasse von Darwin nach Adelaide, die den Kontinent in
der Mitte durchschneidet.
Unterwegs besuchen wir romantische Roadhouses wie das von Larrimah, wo alles rosa ist, und wo der Wirt einen kleinen Privatzoo mit schönen Papageien und Schlangen unterhält. Die Roadhouses war oft Stationen der Armee im zweiten Weltkrieg, zu weit von der Küste für die japanischen Flieger, aber nah genug für eine allfällige Verteidigung. In dieser Zeit erlebte das Northern Territory einen grossen Entwicklungsschub (Strasse geteert, Eisenbahn gebaut). Orte wie Daly Waters sind dann nach dem Krieg wieder verfallen, und nur einige Kneipen haben sich gehalten.
Wir übernachten auf einem Parkplatz an der Strasse, dann in Banka Banka, einer Homestead, einem ehemaligen Bauernhof. Es wird langsam kühler, und wir rücken möglichst nah ans grosse Feuer, das im Hof angezündet wird. Ein junger Musiker auf Durchreise unterhält uns mit schöner Musik.
Tüfelschügeli
Wir kommen an der Abzweigung nach Osten, nach Queensland vorbei, zu der wir nach dem Besuch im roten Zentrum zurückkehren werden. Dann kommen wir nach Tennant Creek, einer Stadt, die ihre Entstehung und ihr Dasein dem Goldbergbau verdankt. Trostlos.
Halbwegs zwischen Katherine und Alice Springs kommt dann aber eine wirkliche Attraktion: die Devils Marbles, Tüfelschügeli auf Schweizerdeutsch, Murmeln des Teufels auf gut Deutsch. Das sind Milliarden Jahre alte Granitblöcke einer Formation, die durch das Aufstossen alten Magmas unter eine Sandsteindecke entstanden ist. Der Granit zerfällt durch die Einwirkung von Wasser entlang von Rissen zuerst in rechteckige Blöcke, die dann an der Oberfläche zu runden Knollen von mehreren Metern Durchmessern werden.
Die Kugeln liegen übereinander,
oft in prekärer Lage, sodass es scheint, sie würden gleich runtertrollen. Tun
sie aber nicht. Die Formation ist räumlich sehr begrenzt, wir erwandern sie in
einer Stunde. Zwischen den Steinen wachsen Wüstenpflanzen und White Gums,
weisse Eukalyptus, deren weisser Stamm farblich sehr gut zum Rostrot der
Teufelskugeln passt. Phantastisch.
Auf dem Parkplatz sehen wir
einen Dingo, das erste Mal so richtig. Das ist ein australischer Wildhund. Das
Tier hier ist fast zutraulich, vermutlich wird es von Touristen angefüttert.
Im Zentrum Australiens
Wir nähern uns Alice Springs,
der Stadt im Red Centre, dem Roten Zentrum, wie es genannt wird. Sie ist
wirklich von überall fast gleich weit entfernt, also weitab von allem. Von Darwin
sind es 1400 Kilometer, mit nur zwei nennenswerten Ortschaften: Katherine und
Tennant Creek. Die Stadt ist regionales Wirtschafts- und Verwaltungszentrum,
aber auch Ausgangspunkt für Fahrten nach dem 500 Kilometer entfernten Ayers
Rock mit dem grossen Felsklotz Uluru in der Wüste (auch für uns!).
Die Landschaft unterwegs ist meist flach, mit Buschsavanne, d.h. gelbem oder grauem dürren Gras und mehr oder weniger dichtem Buschbestand. Wenige Hügelzüge sorgen für Abwechslung in der Monotonie, die aber nie langweilig ist. Die grossen Wüsten, die im Westen und im Osten liegen, lassen sich erahnen. Auch hier sehen wir viele Raubvögel, in den letzten hundert Kilometern vor der Stadt auch immer wieder Adler mit weisser Brust. Von Zeit zu Zeit überqueren wir die Eisenbahn. Züge sehen wir keine.
Die Nächte hier sind jetzt bitterkalt, und wir lassen die Heizung im Jeb laufen. Das hilft, etwas nur, denn sie ist eher schwach, aber immerhin. Tagsüber haben wir auch an der Sonne den Pulli an, denn der Wind ist beissend. Die Wüste grüsst. Und das nachdem wir vor drei Tagen noch in tropischem Wald geschwommen sind. Australien auch das.
Alice Springs liegt in einem
der Hügelzüge. Kurz vor der Stadt liegt der höchste Punkt der ganzen Strasse
zwischen den beiden Ozeanen: auf 720 Metern.
Die Stadt hat knapp 30'000 Einwohner, ist also für australische Verhältnisse recht gross. Und sie hat ein ansprechendes Stadtzentrum, mit vielen Geschäften. Ulla kauft hier Geschenke für ihre Enkel, und sie hat wenig Mühe, etwas zu finden. Neben grossen Einkaufszentren gibt es vor allem Galerien mit Kunstwerken der Aborigines. Die Preise sind meist happig, und ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass hier gilt: je grösser je teurer. Aber es gibt auch gute Bilder.
Marionettentheater im Einkaufszentrum
Fahren lassen: ins rote Herz
Australiens
Von hier aus machen wir einen dreitägigen
Ausflug zum Uluru, denn es stinkt uns, in wenigen Tagen 500 Kilometer hin und
500 zurück zu fahren. Unsere Zeit ist begrenzt, Ulla hat ihren Rückflug
gebucht. Also lassen wir einen fahren. Einen Chauffeur, versteht sich.
Morgen früh werden wir um 0625
für den Ausflug abgeholt. Früh, wirklich. Wir sind das nicht mehr gewohnt, denn
meist schlafen wir bis um halb acht. Und das ist sicher auch der Grund für eine
filmreife Szene meinerseits: Ich habe gelernt, dass es neben dem grossen Tor
einen Personeneingang gibt, dessen Türe den gleichen Code hat wie die Schranke
der Autoeinfahrt. Ich karre also unsere gemeinsame Reisetasche dahin, drücke
den vierstelligen Code, nichts geschieht.
Ich rufe Ulla, sie solle meine
Taschenlampe halten. Ich drücke wie wild alle Tasten, wieder nichts. Ich habe
Panik. Was tun, wenn der Bus kommt, wir drinnen, er draussen. Ueber den Zaun?
Die Frauen? Unmöglich. Ich drücke weiter, bis Elo von draussen meint, ich solle
doch einfach 10 Meter weiter durch das grosse Tor für die Fahrzeuge kommen, das
weit offen steht. Seit 6 Uhr. So blöd bin ich mir länger nicht vorgekommen.
Wir wohnen in einem schönen
Hotel mit gutem Restaurant und geniessen zur Abwechslung mal wieder ein Bett. Das
Schwimmbad lädt ein, die Temperaturen weniger. Wir lassen es bleiben, das
Schwimmen.
Uluru und Olgas
Auf der Anfahrt zum Hotelresort
Yulara tauchen die beiden Gesteinsformationen Uluru (Ayers Rock) und Kata Tjuta
(Olgas) aus dem Horizont auf. Beide sind eindrücklich schon bei der Anfahrt.
Es
sind Sandsteinformationen, gefaltet. Die Schichten des Uluru stehen senkrecht
zur umgebenden Ebene; fast überall steigt der Fels direkt in den Himmel. Die
Oberfläche ist rau, es hat viel Quartz im Gestein. Und sie ist von rötlicher
Farbe, sie ist oxydiert oder schlicht: verrostet. Je nach Tageszeit und
Sonneneinstrahlung kann das dann von graubraun bis leuchtend rot variieren.
Der Sandstein des Uluru ist feinkörnig,
der der Olgas grob, mit grossen Steinbrocken. Beide sind etwa gleich alt: rund
300 bis 400 Millionen Jahre.
Uluru ist ein Aborigine-Name. Der
englische Entdecker Giles nannte ihn Ayers Rock, eine auch heute noch häufige
Bezeichnung. Die Olgas wurden von Giles zuerst Mount Mueller genannt, nach dem
Sponsor der Expedition, Baron Ferdinand von Müller. Müller war selbst einer der
grossen Erkunder der australischen Kontinents. Müller aber meinte, es sei
richtiger, ihn nach der Frau des Württembergischen Königs zu benennen, der ihn
zum Baron gemacht habe. Daher Mount Olga. Die Aborigines nennen die Formation Kata Tjuta.
Farbspiele
Wir bewundern den Uluru
zunächst bei Sonnenuntergang und dann – wieder früh am Morgen – beim ersten
Sonnenlicht. Der Sonnenuntergang ist eindrücklicher. Es ist wirklich ein
einmaliger Berg. Die Tour-Organisation ist gut, wir können mit Sekt auf das
Schauspiel anstossen.
Anschliessend gibt es ein
Bankett unter dem Sternenzelt. Saukalt, aber sauschön. Im anschliessenden „Star
Talk“ erklärt uns ein Führer die Sternbilder der südlichen Hemisphäre. Die
Milchstrasse ist hier wieder so dicht, dass wir zuerst meinen, es hätte
Schleierwolken.
(Bild UG)
Tagwacht ist heute eine halbe
Stunde früher als gestern: Abfahrt um 6. Bei Sonnenaufgang frieren wir ganz
schön. Es ist um Null Grad, die Finger sind klamm. Aber es reicht immer noch
aus, um die Auslöser der Fotoapparate zu drücken. Schön sind von hier aus auch die
Olgas im ersten Licht.
Falllinie
Dann fahren wir an den Fuss des
Berges, zum Ausgangspunkt des alpinistischen Höhepunkts unserer
Australienreise. Wir besteigen den Uluru. Es gibt nur einen Weg. Er ist auf der
einzigen Flanke, die nicht zuerst lotrecht aus der Ebene aufsteigt. Aber auch
hier ist es noch steil genug, bis 45° Neigungswinkel. Und der Weg geht in der
Falllinie hoch – und runter! Der Aufstieg ist gegen 350 Höhenmeter.
Als Hilfe ist nach einem Stück,
bei dem wir hier schon manchmal auf allen Vieren gehen, eine schwere Eisenkette
montiert, an der wir uns hochziehen können. Mehr als die Hälfte der Steigung
ist so steil, dass wir nicht ausruhen können. Die Lunge pfeift, die Pumpe geht
und die Knie zittern. Ich habe Bammel vor dem Abstieg. Positiv ist, dass die
Oberfläche des Steins ist wie Sandpapier, die Schuhe also gut halten.
Nach dem steilsten Stück können
wir ausruhen und die Aussicht in die Eben der Savanne und hin zu den Olgas geniessen.
Herrlich.
Dann geht es weiter auf die
weniger steile Oberfläche des Berges. Aber auch hier ist es ein Kraxeln, denn
die Erosion hat tiefe und steile Gräben geschaffen. Auch hier ist es nicht
leicht, und die letzten 30, 40 Höhenmeter lassen wir sein, und wir geniessen
trotzdem ein Gipfelerlebnis. Wir haben es gepackt und sind schon etwas stolz
darauf.
Dann der Abstieg. Der ist viel weniger schlimm, als ich gedacht habe. Im Steilstück können wir uns entlang der Kette hangeln, ein-, zweimal rückwärts, denn die Kette ist recht tief. Und dann sind wir unten. Und recht geschafft.
Olga erwandern
Am Nachmittag, nach einer guten
Mittagspause, geht es auf eine Wanderung in die Olgas. Das ist eine ganz andere
Landschaft, denn hier ist der Berg in Täler eingeschnitten. Immer wieder gibt
es neue Ein- und Ausblicke. Die Farben sind einmalig: Das Gold des trockenen
Grases, das Weiss der Eukalyptusstämme, das Grün der Blätter, das Blau des
Himmels und das Rot des Berges.
Auch hier erleben wir den
Sonnenuntergang. Und auch hier gibt es etwas zu futtern und zu trinken. Wir
stossen auf unsere sportlichen Leistungen an. Und sind glücklich. Im Hotel
gehen wir ins gute Restaurant und lassen es uns schmecken. Wir sind gar nicht
mehr gewöhnt, in der Beiz zu essen, denn das tun wir mit dem Wohnmobil praktisch
nie.
Garten Eden
Am nächsten Morgen geht es noch
früher weg: um 5 ist Abfahrt. (Nur gut dass es nur drei Tage sind, sonst würden
uns die noch um Mitternacht wecken!). Der Bus bringt uns in den Kings Canyon,
benannt nach einem Freund des Entdeckers.
Wir haben die Wahl zwischen
einer 3stündigen Wanderung entlang der Oberkante der Schlucht und einer
eineinhalbstündigen durch das Bett. Elo hat genug von der Bergsteigerei. Sie
sei doch keine Ziege, sagt sie, und sie bleibt unten. Ulla und ich wollen nach
oben. Beide Parteien kommen auf ihre Kosten.
Wir müssen zuerst 500
Treppentritte (natur, aus Steinbrocken) hoch, und kommen dann auf die
Hochebene.
Es ist wie in einer Theaterkulisse. Immer neue Blickfänge, um Ecken
in neue Räume. Bäume und Felspartien, Ausblicke in die Ebene, die
gegenüberliegende Schluchtwand als geologischer Prospekt. Und immer rauf und
runter, Stägeli uf, Stägeli ab, juhee!
Hier sind zwei
Gesteinsformationen durch eine Wasser undurchlässige Schieferschicht getrennt,
was zu Wasserläufen und Teichen auf halber Höhe führt. Ganz hinten liegt das
oberste Becken. Es heisst Garden of Eden, Garten Edens. Wir steigen hinab, und
plötzlich sind wir in einem Feuchtgebiet mit starker Vegetation. Traumhaft.
Ueberdosis Landschaft
Am Schluss können wir die
Eindrücke kaum noch aufnehmen. Wir haben eine Ueberdosis Landschaft erhalten,
sehr viel in sehr kurzer Zeit. Und wir beginnen auf der Rückfahrt nach Alice
Springs (fünf Stunden) langsam zu verdauen. Ich bin froh, dass die nächsten
Tage uns auf dem Weg zuerst wieder 500 Kilometer nach Norden bis Three Ways bei
Tennant Creek und dann nach Osten (Queensland) wieder durch eine eher monotone Gegend
führen werden. Langweilig ist auch diese nicht, aber schon etwas weniger
aufregend.
Reparatur und Abschied
Während wir am Uluru waren,
wurde Jeb geflickt. Ich hatte festgestellt, dass eines der Bleche am Radkasten
(Schutz gegen Steine an die Unterseite) kaputt war: durchgerissen entlang der
Befestigung. Bei der Einfahrt nach Alice Springs sah ich ein Schild „Welding“
(Schweissen). Blinker raus, denn hier brauchen wir ja das Fahrzeug drei Tage
nicht. Der Chef der recht grossen Werkstatt war unkompliziert. Er holte das
Auto auf dem Campingplatz ab und brachte es wieder hin. Und er leistete eine
sehr saubere Arbeit.
Hier in Alice Springs
verabschiedeten wir uns von Freundin Ulla, die nach Deutschland zurückkehrte. Es
waren gute Tage mit ihr. Wir haben es genossen. Und sie auch.
PS I Designerarbeit
Ich musste meine Jeans flicken,
sie hatten an der Portemonnaietasche hinten rechts ein Loch. Ich fand ein Schweizerkreuz
mit Klebstoff zum Aufbügeln. Das hat an dieser runden Stelle nicht gehalten.
Daher versuchte ich es mit Sekundenkleber. Auch nichts. Jetzt wurde ich
drastisch: ich habe die Ecken mit Draht angeheftet. Damit die Drähte den
Geldbeutel nicht zerkratzen wurde die Tasche innen mit Gaffa-Tape ausgeklebt.
Und ich finde, das ganze macht
sich gut. Ich sollte zum Designer umsatteln. Aber jetzt werden keine neuen
Karrieren mehr angefangen.
PS. II Four for nine – Sie
spinnen, die Römer
Beim Auto fahren habe ich einen etwas abartigen Geschmack: Ich trinke gegen den Durst am liebsten Coca Cola (Iight). Ich kaufe jeweils grosse Flaschen, denn die gehen perfekt in die Flaschenhalterung der Seitentüre. Und ich kaufe jeweils zwei. Das hat seinen Grund. Wir tanken wenn immer möglich in Tankstellen von Caltex-Woolworth, denn mit Kaufquittungen des Woolworth-Supermarkts gibt es 4 Cent Rabatt pro Liter, und wenn ich noch über 5$ einkaufe nochmals 4 Cent zurätzlich.
Als ich heute die zwei Flaschen
kaufen will, sagt die Verkäuferin, ich solle vier nehmen, das sei billiger? Wie
bitte? Ja meint sie, 2 Flaschen würden 10$ kosten, vier aber nur 9. Nochmals:
Wie bitte? Ja das sei eine Aktion: Four for nine, vier für neun. Sie hat auch
keine Erklärung für den Blödsinn, aber es wäre billiger, vier Flaschen zu
kaufen (was ich tue) und zwei wegzuwerfen (was ich nicht tue), als nur zwei zu
kaufen.
„La stratégie m’échappe“, ich blick da nicht durch, sagte der Indianderhäuptling in Luky Luke, als Rantanplan, der dümmste Hund der Welt, die Bisonherde durch sein Zeltlager trieb. Obelix hätte gesagt: « Ils sont fous, les romains », sie spinnen, die Römer.
20.7.2012 /
JB.