Das Powerhouse Australiens / Ins Innere / Camping am ausgetrockneten
Bachbett / Durch die Berge ins Bergbaugebiet / Bergbaumania / Viel flüssiges
Geld / Berge versetzen / Eigene Eisenbahn / Die Minenstadt / Wir sehen rot / Schluchten
im Outback / Torten und Sandwichs / Mit Pauken und Trompeten / Zurück an die
Küste / Exkurs: Etwas Politisch Oekonomie oder Ueberlegungen zur Theorie von
Karl Marx / Boomtown Karratha / Bonanza hoch zwei / Alle holen ab / 30'000
Jahre / Pneu / Geisterstadt / Australischer Charakter
Das Powerhouse Australiens
Die Region boomt wie wild. Selbstbewusst nennt sie sich das „Financial Powerhouse“, die finanzielle Kraftwerkzentrale, Australiens. Erz ist weltweit gefragt, die Lager sind gross, es wird Geld gemacht und ausgegeben wie wild. Vermögen werden gemacht, Vermögen versickern. „Jetzt geht es uns gut, jetzt geniessen wir es“, ist das Motto. Was war ist unwichtig (auch wenn 20-jährige Gebäude als „Historic“ bezeichnet werden), was kommt, ist ungewiss (viel ist buchstäblich auf Sand gebaut), was ist, allein das ist wichtig. Und den Leuten hier, den meisten, geht es gut, vor allem aber den Spekulanten, dem internationalen Kapital, den Geschäftsleuten.
Berge versetzen
In Pilbara versetzt nicht der Glaube die Berge, sondern allenfalls der Glaube an das Geld. Wir machen eine Führung in eine der Minen, und auf dem Aussichtspunkt sagt der Führer, hier seien ursprünglich 150 Meter Berg über uns gewesen. Das Loch vor uns ist knapp 300 Meter Tief, was eine Höhendifferenz von der noch stehenden Bergkuppe zum Minenboden von 440 Metern macht (oder etwa von unserer Haustüre in Sirnach zum höchsten Punkt des Kantons). Auf der Länge von ein bis zwei Kilometern ist der Berg weg, und es wird weiter gegraben.
Die von uns besichtigte Mine ist eine von über einem Dutzend auf hundert bis 200 Quadratkilometern. Und Tom Price ist nur eine von verschiedenen Minenstädten, und bei weitem nicht die Grösste. Die Mine gehört dem Konzern Rio Tinto, London basiert und mit der Königin als grösster Privataktionärin, aber der grösste Aktionär ist ein chinesisches Konglomerat. Sie sichern sich die Rohstoffe und schonen ihre eigenen.
Eigene Eisenbahn
Eine Mine umfasst den Abbau, die Zerkleinerung des Gesteins je nach Gehalt an Eisen, den Verlad auf die Bahn. Die Gesellschaft besitzt eine Eisenbahn ans Meer nach Dampier von einigen hundert Kilometern. Dort wird das Erz verschifft nach eben China, aber auch in den Mittleren Osten und nach Südostasien. In Malaysia bauen australische Konzerne Anlagen zur weiteren Verarbeitung: billigere Löhne, Subventionen – und wenn sie genutzt und nicht mehr gebraucht werden, liegen sie halt still….
Die Minenstadt
In Tom Price leben 5000 Menschen. Feste Wohnung haben die Chefs, die Arbeiter und Arbeiterinnen leben nach dem Prinzip „Fly in fly out“, werden also regelmässig ein- und ausgeflogen. Sie haben hier einen anderen Rhythmus als der oben geschilderte: Sie arbeiten 3 Tage à 12 Stunden Tagschicht, haben einen Tag frei, dann drei Nachtschichten und dann 6 Tage frei usw. usf.
Die Stadt hat eine sehr gute Infrastruktur: Schulen bis zum Gymnasium, Clubs und vor allem Sportanlagen bis zum Motocross. Der Supermarkt, in dem wir einkaufen, ist der beste, den wir bisher in einer ländlichen Stadt gesehen haben. Aber ein Lehrer, den wir später trafen, sagte, nach drei Jahren Unterricht hier sei es ihm zuviel geworden: Kultur ist hier, eben abgesehen vom Sport und gelegentlichen Country-Konzerten, wenig.
Und dass die einfachen Arbeiter locker bis dreimal so viel verdienen, wie ein Lehrer, mag die Motivation auf die Dauer auch nicht gefördert haben: Einfache Arbeiter beginnen bei einem Jahressalär von 100'000 und haben einen Schnitt von 150'000, ein Lokführer kommt auch mal auf 250'000.
Wir sehen rot
Die ganze Mine, die ganze Gegend ist rot vom Eisenstaub, vom Eisenerz, vom Metall der Anlagen. In der Mine selbst hat sich der Staub auf allem abgesetzt, auch die Reifen und anderen Ersatzteile haben eine rote Patina. Die Fahrzeuge, die Förderbänder, die Gesteinsmühlen, die Reparaturwerkstätten, alles rot. Auf dem Campingplatz der Boden und bald auch der Boden unseres Campers: rot.
Schluchten im Outback
Der Karijini-Park ist für seine Schluchten berühmt. An der Dales Gorge liegt ein Campingplatz, der auch für uns erreichbar ist, denn auf ungeteerten Strassen fahren wir nicht grössere Strecken, wenn irgend möglich. Dazu ist Jeb nicht geeignet.
Hier bildet der Fluss in der Schlucht drei Pools, in denen wir baden können. Einer, (Fern Pool (Farn Weiher), ist abseits gelegen und ruhig, einer unter einem Wasserfall (Fortescue Falls) und einer (Circular Pool) am Ende der Schlucht ganz im Schatten. Von den Fortescue Falls zum Circular Pool führt ein Weg durch die Schlucht: Und wie! Ueber Stock und Stein, Felsen und Steinabbrüche, Tümpel und den Fluss. Und am Schluss über einen – gepflegten – Ziegenweg in der Falllinie hoch zum Rand der Schlucht. Wir baden in allen drei Pools und sind am Abend ganz schön erschöpft.
Auch diese Schlucht ist entstanden, als sich die Kontinentalplatte angehoben und der Fluss sich langsam eingefressen hat. Bei Regen hat er viel Wasser, davon zeugt das Schwemmholz. Es sind deutlich zwei Gesteinsarten zu unterscheiden: Unten ungefaltete, fein gegliederte Ablagerungen in verschiedenen Farbtönen, darüber grobes körniges Felsmaterial. Die Farbenspiele der dünnen Schichten sind faszinierend. Mal wie angeschnittene Tortenstücke, mal australische Sandwichs: oben und unten dünnes Schlabberbrot, dazwischen ein mächtiges Stück Fleisch.
Mit Pauken und Trompeten
Das 66. Altersjahr hat sich an seinem letzten Tag eindrücklich verabschiedet, mit Pauken und Trompeten sozusagen. Wie angeworfen hatte ich das, was mein Grossvater „Schiiser und chalt Ohre“ bezeichnete, meine Grossmutter etwas feiner als „Türlipfiife“, noch vornehmer Darmgrippe. Die Bezeichnung des Grossvaters war korrekt, denn gefroren habe ich auch noch. Ich war schwach wie ein altes Blatt Papier, das Trinken eines Bechers Tee war eine grosse Anstrengung. Ich habe fast nur gelegen.
Tagsüber habe ich zwei Bananen gegessen, am Abend ein Rührei. Und am Abend ein Aspirin genommen, zweimal leicht geschwitzt – und der Kopf war wieder frei und ich auf den Beinen. Ich habe in diesen 36 Stunden sicher 30 geschlafen!
Aber jetzt ist es vorbei, oder fast: Der Magen zwickt noch etwas, wenn er das ausgiebige Frühstück verdauen muss. Es rumpelt noch etwas in den Gedärmen. Und ich werde mich dann nach dem Schreiben wieder etwas hinlegen. Aber der Einstieg ins 67. ist gut, ich freue mich darauf. Und dann gehen wir schwimmen.
Zurück an die Küste
Vom Karijini Park fahren wir nach Norden, Richtung Port Hedland, dann machen wir einen Abstecher nach Westen, nach Dampier, den wir dann wieder zurück müssen. Nach wenigen Kilometern (ca. 100) kommen wir aus den Bergen an die grossen Flüsse, die nach Norden in den Ozean münden – alle leer, bis auf wenige Billabongs, wie die Tümpel in den teilweise ausgetrockneten Flüssen heissen.
Dann kommen auch Ueberbreiten entgegen, „Oversize“-Vehikel, die riesige Maschinen transportieren, auch ganze Häuser, und wenn es gut geht noch einen Minibus draufgeladen haben, das kommt ja nicht mehr drauf an. Wenn sie uns überholen, ist das nicht immer gemütlich.
Jetzt wird es flach, bis auf wenige Hügel, die von Steinwülsten aus dem Boden heraus gebildet werden. Die Schichten zersetzen sich oft einzeln, sodass auf einer glatten Oberfläche riesige Steinblöcke über- und aufeinander liegen. Entlang der Strasse sehen wir zum ersten Mal überfahrene Kühe, das aber dann gleich in grösserer Zahl. Bisher waren es Kängurus, Wallabies, Füchse usw. Die toten Tiere sind teilweise aufgedunsen oder auch schon fast zerfallen und gefressen. In der Luft sind viele Greifvögel, aber auch Raben, Elstern.
Zurück lässt es die unbeweglicheren Teil der Wirtschaft, die Umwelt, die Menschen, wobei letztere seit Generationen gewohnt sind, mit den Verdienstmöglichkeiten mitzuziehen. Das war schon in den verschiedenen Goldräuschen des 19. und 20. Jahrhunderts so. Städte entstanden, blühten für zwei bis drei Jahrzehnte, verfielen.
Minen, die heute grosses Geld abwerfen, wurden vor 40 Jahren gegründet, dann vor 20 Jahren für einen Dollar verkauft und sind jetzt wieder Milliarden wert. Das Geld kommt aus der ganzen Welt, und es geht in die ganze Welt. Die hohen Löhne hier sind lediglich regionale Gestehungskosten. Die Folgen dieser Ausbeutung vor allem der Natur trägt diese, trägt das Land.
Wir kennen ja Analoges, nur werden bei uns nicht die Bodenschätze sondern die Wirtschaftsschätze ausgeplündert. Was Generationen von verantwortungsbewussten Unternehmern und Arbeitern aufgebaut haben, wird im Quartalsrhythmus abgebaut. Ob es die Firma in fünf Jahren noch gibt, ist egal. Hauptsache, das Quartalsergebnis, die Managerlöhne und die Bankerprovisionen stimmen. Waren früher Renditen von 10% gut, müssen es heute 25% sein, sonst werden die Aktien verkloppt und das Geld (Kapital) zieht weiter, auch hier, geht sonst wohin, in die ganze Welt.
Wenn die Beute erlegt ist, werden neue Jagdgründe gesucht. „Raubtierkapitalismus“ nennt das Jean Ziegler, und einmal mehr hat Jean den Begriff gut geprägt. Wir können uns hier vorstellen, wie das z.B. in Afrika abläuft, wo statt eines in Australien immerhin vorhandenen gesetzlichen Rahmens die bare Korruption die Grundlage des wirtschaftlichen Spektakels ist.
Ende des Exkurses))
Boomtown Karratha
Ein Exempel des im Exkurs Gesagten ist Karratha, eine der Städte am Meer, die als wirtschaftliche Brennpunkte des Hinterlandes aktiv sind. Hier kommen die grossen Züge an, von hier aus werden regional die Minen in Tom Price und Paraburoo geführt (die Hauptquartiere, die Headquarters, sind anderswo: Perth für den Westen, Melbourne, London, irgendwo auf der Welt. Ein analoge Funktion für Newman hat die weiter östlich gelegene Stadt Port Hedland, die wir noch besuchen werden.
Bonanza hoch zwei
Ein Immobilienpropekt in der Zeitung verspricht für die nächsten 10 Jahre in der Region 190 Milliarden A$ Investitionen der Minenkonzerne und 53'000 zusätzliche Arbeitsplätze. Die Baukosten sind 1,8 mal so hoch wie in Perth. Es fehlen aktuell in Karratha 1500 Häuser, bis 2015 sollen 4380 gebaut werden (Mehrfamilienhäuser kennt man hier nicht). Die Immoblienpreise stiegen in den letzten 10 Jahren in Perth im Schnitt um 10%, hier um 14%, die Kaspitalrendite in Immobilien war in Perth 2011 4,7%, hier 11%. Hotelpreise (gute, aber nicht Luxuskästen, die es hier nicht gibt) liegen im Schnitt bei 376 $ pro Nacht und Zimmer.
Die Investitionen der Konzerne sind auf 55 Jahre angelegt, so lange sollen die Erzvorräte noch halten; die Gasvorräte reichen noch 40 Jahre.
Die Häuserpreise liegen in der Gegend um knapp eine Million (einfachere auch ab 650'000), nach oben offen. Arbeiter müssen entweder Häuser mieten oder kaufen oder in Barackensiedlungen, Wohnwagen usw. leben. Die Mieten sind exorbitant. Wochenpreise (Monatsmieten werden nicht ausgeschrieben) beginnen bei 1200 $ (wenige), die meisten liegen zwischen 1500 und 2000$, aber auch Angebote von 5000 $ sind da. Stadt Zürich lässt grüssen.
Alle holen ab
Alle Preise hier sind hoch, in den Geschäften, in Werkstätten, in Restaurants. Das Geld sitzt eben locker, „Reservebildung“ kann nicht in die Sprache eines Landes übersetzt werden, in dem fast alles irgendwie im Ueberfluss da ist, angefangen vom Land (in Karratha nicht Bauland!) über die Ressourcen. Der Lebensstil ist, begünstigt durch das warme Klima, locker, auf Freizeit ausgerichtet, sprich Wassersport und Bar. Jeder kann sich ein schönes Auto leisten, ein Boot für das Fischen.
Eben fährt so ein Geländewagen mit grossem angehängtem Boot neben uns auf den Campingplatz. Am Steuer ein junger, kräftiger Mann, ärmelloses Unterhemd, grosse Tätowierung auf dem muskulösen Oberarm. Der Kumpel, der ihn einweist hat eine Bierbüchse in der Hand, ohne geht es nicht. Sie stellen ihr Zelt auf. Sie haben wohl einige Tage frei und gehen hier in Point Samson fischen. Beim Zeltplatz hat es ein Restaurant mit einer schönen Bar, die werden sie dann heute Abend besuchen. Pilbara wie es leibt und lebt.
30'000 Jahre
Bei Dampier gibt es eine berühmte Stätte von Petroglyphen der Ureinwohner. Das sind keine Felsmalereien sondern Einritzungen oder Abschabungen auf Felsen. Wir wandern zuerst über eine Wiese, inmitten von Hügeln aus vielen eckigen Felsbrocken. Von Weitem sehen sie aus wie grosse Schotterlager der SBB. Wir müssen wieder mal über Stock und Stein. Denn die Ureinwohner wollen keine „autobahnmässige“, leicht zugängliche Erschliessung, und das ist gut so, es gibt weniger Wandalismus auf diese Art.
Unsere Informationen sagen, dass die Bilder seit 30'000 bis 20'000 Jahren entstanden sind, immer wieder, bis die Ankunft der Europäer vor 400 Jahren dem ein Ende gemacht haben. Es ist schon eindrücklich, durch eine Bildergalerie dieses Alters zu stolpern (gehen ist mühsam hier). Im Internet lese ich, dass die wirtschaftliche Entwicklung das Gebiet bedroht. Das Erdgaslager ist keinen Kilometer Luftlinie weit weg.
Geisterstadt
Auf dem Weg ans Meer in Point Samson, wo wir die Wartezeit am Meer verbringen, besuchen wir eine der vielen Geisterstädte: Cossack. Cossack war Perlenstation und Hafen nördlich von Roeburne, dem Verwaltungszentrum der Gegend im 19. Jahrhundert (heute neben Karratha unbedeutend, starke Ureinwohner-Bevölkerung). Cossack wurde auf einer Halbinsel im Mangrovenland gegründet, weil in der Nähe Perlen entdeckt wurden.
Hier in Pilbara haben wir eine weitere Facette des australischen Charakters kennen gelernt: Die Anpassungsfähigkeit, das Achselzucken gegenüber möglichen zukünftigen Problemen. Wenn es uns heute gut geht, werden wir das auch morgen packen. Wurzeln sind wenig da, die Beweglichkeit ist gross. Heute hier, morgen dort, es wird schon schief gehen.
22.5.12 / JB.
Das Powerhouse Australiens
Verladestation in Point Samson |
Nach Exmouth biegt die Küste in
Richtung Nordwesten ab. Hinter der Küste liegt die Region Pilbara mit den
grossen Bergwerken. In den Küstenstädten wird das Erz, das auf eigens gebauten
Bahnlinien transportiert wird, auf Schiffe verladen und kommt dann meist nach
Uebersee, oft nach China. Aber es wird auch nach Malaysia verschifft, wo es in
australischen(!) Werken weiterverarbeitet wird: Lohn und Steuern tiefer, Subventionen
höher. Oestlich Richtung Darwin schliesst sich die Kimberly-Region an, aber
davon später.
Die Region boomt wie wild. Selbstbewusst nennt sie sich das „Financial Powerhouse“, die finanzielle Kraftwerkzentrale, Australiens. Erz ist weltweit gefragt, die Lager sind gross, es wird Geld gemacht und ausgegeben wie wild. Vermögen werden gemacht, Vermögen versickern. „Jetzt geht es uns gut, jetzt geniessen wir es“, ist das Motto. Was war ist unwichtig (auch wenn 20-jährige Gebäude als „Historic“ bezeichnet werden), was kommt, ist ungewiss (viel ist buchstäblich auf Sand gebaut), was ist, allein das ist wichtig. Und den Leuten hier, den meisten, geht es gut, vor allem aber den Spekulanten, dem internationalen Kapital, den Geschäftsleuten.
Ins Innere
Wir fahren also (etwas) ins
Landesinnere. Zuerst müssen wir jedoch gut 80 Kilometer zurück nach Süden, da
der Exmouth Gulf den Weg versperrt. Dann geht es Richtung Osten. Alles ist
flach, trocken, eintönig. Einige Schafe und Kühe, die der Strasse entlang
weiden, sorgen für Abwechslung. Die Erde wird zunehmend rot, Eisen in der Erde.
Manchmal leuchtet es fuchsrot, manchmal mehr ins Violett wechselnd. Wo vor
einiger Zeit ein Feuer gewütet hat, ist die Erde offen, sonst von kurzem Gras
überwachsen.
Und dann kommen Erdwellen,
längs oder quer zur Strasse. Es sind Erhebungen von einigen Dutzend Metern Höhe,
steinig, nahe beieinander liegend, wie Wellen im Gelände. Oft sind sie kahl,
oft von Gras überwachsen, dass es aus der Ferne aussieht wie eine
Erika-Bepflanzung, und oft sind sie sehr steinig. Dazwischen gibt es Hügel und
Berge, manchmal gerundet, manchmal mit Deckeln von nicht verwitterten harten
Gesteinsschichten. Alles ist grosszügig, weit, eindrücklich, so wie wir uns
Australien aus den Bildern eigentlich vorgestellt hatten.
Camping am ausgetrockneten
Bachbett
Die Flussläufe sind meist
ausgetrocknet, lassen aber erahnen, was da bei starken Regenfällen abgeht. Nur einige
haben noch Wasserreste. Wir übernachten an einem Bachbett, das sich rund einen
Meter tief eingeschnitten hat, und an dem viele Bäume auf das unterliegende
Grundwasser schliessen lassen.
Wir campieren an einem
ausgetrockneten Bachbett. Der Staub ist fein wie Puder, rot. Endlich können wir
wieder mal ein Feuer machen, das erste Mal seit dem Murray in Südaustralien.
Wir geniessen es. Das Holz brennt gut, die Sterne schimmern durch die Bäume,
ein Kauz ruft, eine einsame Kuh muht, eine Fledermaus flattert vorbei – die
Königscrevetten, die Melone, der Käse und der Wein schmecken. Friedlich.
Durch die Berge ins Bergbaugebiet
Die Fahrt wird immer
abwechslungsreicher. Wir kommen in Hügelzüge, nicht hoch, aber richtig bergig.
Es sind, das sehen wir gut, alte, sehr alte Verwitterungsschichten, die
unterschiedlich erodieren. Mal sieht es aus wie Schiefer, dann scheinen Riesen
Murmel gespielt zu haben und dann wiederum sind sanft gewellte Hügel mit
spärlichem Gras überwachsen, das goldgelb aus grünen Stöcken rausragt und im
sanften Wind weht. Es ist warm bis heiss. Greifvögel segeln durch die Luft,
einer so nah vor uns tief über die Strasse, dass ihn Elo beinahe überfähr
Wir fahren zwischen den Hügeln
durch in Richtung Tom Price, einer Bergbaustadt, die in den 60er-Jahren
gegründet wurde, als beschlossen wurde, die Erzlager zu nutzen. Wenn dann alles
abgebaut ist, wird die Stadt wieder eingehen. Elo meint, darin hätten die
Australier ja Erfahrung. Die Goldstädte des 19. Jahrhunderts im Osten waren
gross, hatten alle damals bekannte Infrastruktur. Und heute sind es bestenfalls
noch Touristenattraktionen. Das Gold wird jetzt hier im Westen abgebaut.
Bergbaumania
Bereits vor Tom Price sehen wir
in Paraburoo die erste grosse Mine. Da wird ein Berg einfach von oben nach
unten abgetragen. Es sieht aus wie in einem gigantischen Sandkasten: die
Bergflanken sind von Abbauterrassen gezackt wie der Stufengiebel des
Bezirksgebäudes in Münchwilen (oder des Römer in Frankfurt). Die Stadt hat 2000
Einwohner. Tagsüber sehen wir keine, da alle in der Mine sind.
Auf dem Zeltplatz in Exmouth
haben wir einen Minenarbeiter kennengelernt. Er wohnt in Geraldton an der
Westküste, arbeitet in Newman, 200 Kilometer südöstlich von hier, also etwa 800
Kilometer von Geraldton. Er arbeitet jeweils 2 Wochen am Strich, 12 Stunden pro
Tag. Dann hat er eine Woche frei, geht nach Hause, zur Familie. Aber nicht mit
dem Auto: Er wird nach Perth geflogen, übernachtet einmal im Hotel, dann fliegt
er nach Geraldton. All das ist gratis, ebenso wie die Unterkunft in der Mine
(1-Zimmer-Wohnung) und die Verpflegung (ausser Alkohol). Die Kantine koche nach
Wusch.
Viel flüssiges Geld
Und die Löhne sind hoch. Das
Internet sagt, die Durchschnittslöhne lägen bei rund 150’000$ pro Jahr, auch
für unqualifizierte Arbeitskräfte. Das ist wirklich das Dreifache des Lohns in
der Landwirtschaft, der die Leute en Masse abgeworben werden, auch wenn sie
nicht viel taugen. Unser Bekannter, der eine untere Kaderstellung hat, meint,
auf einem normalen Arbeitsmarkt würde er die meisten Leute schon von der
Papierform her nicht einstellen, geschweige denn von der Arbeitseinstellung.
Aber es hat zu wenige. Uebrigens arbeiten auch viele Frauen da, vor allem als
Fahrerinnen für die Riesenfahrzeuge sind sie gefragt: Sie tragen mehr Sorge zum
Gerat und gehen weniger Risiken ein. (Ueber ihre allgemeine Qualität als
Arbeitskräfte hat sich der Bekannte nicht ausgelassen!)
Die hohen Löhne sind der Grund
für die hohen Preise hier: Die Leute können alles bezahlen und wissen oft
nicht, was die Sachen eigentlich wert sind (wären). Und da kommt wohl auch das
Geld her für die vielen grossen Autos, die wir sehen. Jeder zweite fährt einen
schweren Geländewagen, meist recht neu. Unser Eindruck ist, dass das Geld ohne
grosse Umwege über ein Sparkonto in den Konsum geht. Reservehaltung ist wenig
gefragt.
In Pilbara versetzt nicht der Glaube die Berge, sondern allenfalls der Glaube an das Geld. Wir machen eine Führung in eine der Minen, und auf dem Aussichtspunkt sagt der Führer, hier seien ursprünglich 150 Meter Berg über uns gewesen. Das Loch vor uns ist knapp 300 Meter Tief, was eine Höhendifferenz von der noch stehenden Bergkuppe zum Minenboden von 440 Metern macht (oder etwa von unserer Haustüre in Sirnach zum höchsten Punkt des Kantons). Auf der Länge von ein bis zwei Kilometern ist der Berg weg, und es wird weiter gegraben.
Die von uns besichtigte Mine ist eine von über einem Dutzend auf hundert bis 200 Quadratkilometern. Und Tom Price ist nur eine von verschiedenen Minenstädten, und bei weitem nicht die Grösste. Die Mine gehört dem Konzern Rio Tinto, London basiert und mit der Königin als grösster Privataktionärin, aber der grösste Aktionär ist ein chinesisches Konglomerat. Sie sichern sich die Rohstoffe und schonen ihre eigenen.
Eigene Eisenbahn
Eine Mine umfasst den Abbau, die Zerkleinerung des Gesteins je nach Gehalt an Eisen, den Verlad auf die Bahn. Die Gesellschaft besitzt eine Eisenbahn ans Meer nach Dampier von einigen hundert Kilometern. Dort wird das Erz verschifft nach eben China, aber auch in den Mittleren Osten und nach Südostasien. In Malaysia bauen australische Konzerne Anlagen zur weiteren Verarbeitung: billigere Löhne, Subventionen – und wenn sie genutzt und nicht mehr gebraucht werden, liegen sie halt still….
Die Maschinen sind riesig. Die
Räder zwei Stockwerke hoch, die Mulden der Transporter fassen viele Tonnen. Die
Züge haben 200 und mehr Wagen, sie werden laufend unter den Förderanlagen
beladen (Schrittempo, aber immerhin) und dann in Dampier in wenigen Minuten
entladen durch seitliches Kippen der Waggons. Ein Zug transportiert 30'000
Tonnen Gestein, es fahren viele Züge pro Tag.
Die Minenstadt
In Tom Price leben 5000 Menschen. Feste Wohnung haben die Chefs, die Arbeiter und Arbeiterinnen leben nach dem Prinzip „Fly in fly out“, werden also regelmässig ein- und ausgeflogen. Sie haben hier einen anderen Rhythmus als der oben geschilderte: Sie arbeiten 3 Tage à 12 Stunden Tagschicht, haben einen Tag frei, dann drei Nachtschichten und dann 6 Tage frei usw. usf.
Die Stadt hat eine sehr gute Infrastruktur: Schulen bis zum Gymnasium, Clubs und vor allem Sportanlagen bis zum Motocross. Der Supermarkt, in dem wir einkaufen, ist der beste, den wir bisher in einer ländlichen Stadt gesehen haben. Aber ein Lehrer, den wir später trafen, sagte, nach drei Jahren Unterricht hier sei es ihm zuviel geworden: Kultur ist hier, eben abgesehen vom Sport und gelegentlichen Country-Konzerten, wenig.
Und dass die einfachen Arbeiter locker bis dreimal so viel verdienen, wie ein Lehrer, mag die Motivation auf die Dauer auch nicht gefördert haben: Einfache Arbeiter beginnen bei einem Jahressalär von 100'000 und haben einen Schnitt von 150'000, ein Lokführer kommt auch mal auf 250'000.
Wir sehen rot
Die ganze Mine, die ganze Gegend ist rot vom Eisenstaub, vom Eisenerz, vom Metall der Anlagen. In der Mine selbst hat sich der Staub auf allem abgesetzt, auch die Reifen und anderen Ersatzteile haben eine rote Patina. Die Fahrzeuge, die Förderbänder, die Gesteinsmühlen, die Reparaturwerkstätten, alles rot. Auf dem Campingplatz der Boden und bald auch der Boden unseres Campers: rot.
Aber es ist nicht das Rot von
Lenin und Mao, es ist das rot des Kapitals, denn hier wird ausgebeutet, vor
allem die Landschaft. Aber auch auf die Menschen wird wenig Rücksicht genommen.
Wenn die Nachfrage nach Erz zurückgeht, wird stillgelegt, gekündigt. Um dann
wieder aufzumachen, wenn es auf dem Weltmarkt anzieht.
Schluchten im Outback
Die Berge hier in der Gegend –
auch auf der Weiterfahrt –, haben alle rote Gesteinsschichten, die auf Eisen
schliessen lassen. Sie sind oft sehr gut zu erkennen, und auf der Weiterfahrt
in den Karijini-Nationalpark, in dem wir einige Tage über meinen Geburtstag
sein wollen, staunen wir immer wieder.
Der Karijini-Park ist für seine Schluchten berühmt. An der Dales Gorge liegt ein Campingplatz, der auch für uns erreichbar ist, denn auf ungeteerten Strassen fahren wir nicht grössere Strecken, wenn irgend möglich. Dazu ist Jeb nicht geeignet.
Hier bildet der Fluss in der Schlucht drei Pools, in denen wir baden können. Einer, (Fern Pool (Farn Weiher), ist abseits gelegen und ruhig, einer unter einem Wasserfall (Fortescue Falls) und einer (Circular Pool) am Ende der Schlucht ganz im Schatten. Von den Fortescue Falls zum Circular Pool führt ein Weg durch die Schlucht: Und wie! Ueber Stock und Stein, Felsen und Steinabbrüche, Tümpel und den Fluss. Und am Schluss über einen – gepflegten – Ziegenweg in der Falllinie hoch zum Rand der Schlucht. Wir baden in allen drei Pools und sind am Abend ganz schön erschöpft.
Torten und Sandwichs
Auch diese Schlucht ist entstanden, als sich die Kontinentalplatte angehoben und der Fluss sich langsam eingefressen hat. Bei Regen hat er viel Wasser, davon zeugt das Schwemmholz. Es sind deutlich zwei Gesteinsarten zu unterscheiden: Unten ungefaltete, fein gegliederte Ablagerungen in verschiedenen Farbtönen, darüber grobes körniges Felsmaterial. Die Farbenspiele der dünnen Schichten sind faszinierend. Mal wie angeschnittene Tortenstücke, mal australische Sandwichs: oben und unten dünnes Schlabberbrot, dazwischen ein mächtiges Stück Fleisch.
Wir bleiben vier Nächte im
Park, müssen dabei aber unser Wasser gut einteilen, denn hier gibt es keines,
und abbauen und ein Stück fahren, um Wasser zu holen und dann alles wieder
aufbauen, das stinkt uns. Wir haben 20 Liter Reserve gekauft, das wir aber
bisher noch nicht gebraucht haben.
Mit Pauken und Trompeten
Heute habe ich Geburtstag.
Das 66. Altersjahr hat sich an seinem letzten Tag eindrücklich verabschiedet, mit Pauken und Trompeten sozusagen. Wie angeworfen hatte ich das, was mein Grossvater „Schiiser und chalt Ohre“ bezeichnete, meine Grossmutter etwas feiner als „Türlipfiife“, noch vornehmer Darmgrippe. Die Bezeichnung des Grossvaters war korrekt, denn gefroren habe ich auch noch. Ich war schwach wie ein altes Blatt Papier, das Trinken eines Bechers Tee war eine grosse Anstrengung. Ich habe fast nur gelegen.
Tagsüber habe ich zwei Bananen gegessen, am Abend ein Rührei. Und am Abend ein Aspirin genommen, zweimal leicht geschwitzt – und der Kopf war wieder frei und ich auf den Beinen. Ich habe in diesen 36 Stunden sicher 30 geschlafen!
Aber jetzt ist es vorbei, oder fast: Der Magen zwickt noch etwas, wenn er das ausgiebige Frühstück verdauen muss. Es rumpelt noch etwas in den Gedärmen. Und ich werde mich dann nach dem Schreiben wieder etwas hinlegen. Aber der Einstieg ins 67. ist gut, ich freue mich darauf. Und dann gehen wir schwimmen.
Zurück an die Küste
Vom Karijini Park fahren wir nach Norden, Richtung Port Hedland, dann machen wir einen Abstecher nach Westen, nach Dampier, den wir dann wieder zurück müssen. Nach wenigen Kilometern (ca. 100) kommen wir aus den Bergen an die grossen Flüsse, die nach Norden in den Ozean münden – alle leer, bis auf wenige Billabongs, wie die Tümpel in den teilweise ausgetrockneten Flüssen heissen.
Wir fahren auf dem Great Northern
Highway, der bis Darwin geht. Auch hier ist alles Minengebiet. Wir sehen
Arbeitsplätze, auf denen offensichtlich neue Bergwerke erschlossen werden. Es
hat viel Verkehr. Vor allen grosse Lastwagen mit bis zu 4 Anhängern, aber auch
viele 4x4-Geländewagen, die eine kleine Fahne oben haben und damit
offensichtlich anzeigen, dass sie im Dienst sind.
Dann kommen auch Ueberbreiten entgegen, „Oversize“-Vehikel, die riesige Maschinen transportieren, auch ganze Häuser, und wenn es gut geht noch einen Minibus draufgeladen haben, das kommt ja nicht mehr drauf an. Wenn sie uns überholen, ist das nicht immer gemütlich.
Jetzt wird es flach, bis auf wenige Hügel, die von Steinwülsten aus dem Boden heraus gebildet werden. Die Schichten zersetzen sich oft einzeln, sodass auf einer glatten Oberfläche riesige Steinblöcke über- und aufeinander liegen. Entlang der Strasse sehen wir zum ersten Mal überfahrene Kühe, das aber dann gleich in grösserer Zahl. Bisher waren es Kängurus, Wallabies, Füchse usw. Die toten Tiere sind teilweise aufgedunsen oder auch schon fast zerfallen und gefressen. In der Luft sind viele Greifvögel, aber auch Raben, Elstern.
((Exkurs:
Etwas Politisch Oekonomie
oder Ueberlegungen zur Theorie von Karl Marx
Wenn ich sehe, wie hier in
Westaustralien das internationale Geld (Kapital) die Natur ausbeutet und auch
auf die Menschen wenig Rücksicht nimmt, so kann ich es mir nicht verkneifen, an
die oekonomische Theorie von Karl Marx zu denken. „Das Kapital“ und die
„Grundbegriffe der politischen Oekonomie“ (zusammen mit Engels) beschreiben die
aktuelle Entwicklung akkurat. Das Geld (Kapital) fliesst nach Marx dahin, wo
die Profite etwas grösser sind, als im jeweiligen gesellschaftlichen
Durchschnitt. Fällt der Profit unter den Durchschnitt, zieht das Kapital weiter,
es ist volatil, beweglich. Verantwortung trägt es ja in diesem Land keine.
Zurück lässt es die unbeweglicheren Teil der Wirtschaft, die Umwelt, die Menschen, wobei letztere seit Generationen gewohnt sind, mit den Verdienstmöglichkeiten mitzuziehen. Das war schon in den verschiedenen Goldräuschen des 19. und 20. Jahrhunderts so. Städte entstanden, blühten für zwei bis drei Jahrzehnte, verfielen.
Minen, die heute grosses Geld abwerfen, wurden vor 40 Jahren gegründet, dann vor 20 Jahren für einen Dollar verkauft und sind jetzt wieder Milliarden wert. Das Geld kommt aus der ganzen Welt, und es geht in die ganze Welt. Die hohen Löhne hier sind lediglich regionale Gestehungskosten. Die Folgen dieser Ausbeutung vor allem der Natur trägt diese, trägt das Land.
Wir kennen ja Analoges, nur werden bei uns nicht die Bodenschätze sondern die Wirtschaftsschätze ausgeplündert. Was Generationen von verantwortungsbewussten Unternehmern und Arbeitern aufgebaut haben, wird im Quartalsrhythmus abgebaut. Ob es die Firma in fünf Jahren noch gibt, ist egal. Hauptsache, das Quartalsergebnis, die Managerlöhne und die Bankerprovisionen stimmen. Waren früher Renditen von 10% gut, müssen es heute 25% sein, sonst werden die Aktien verkloppt und das Geld (Kapital) zieht weiter, auch hier, geht sonst wohin, in die ganze Welt.
Wenn die Beute erlegt ist, werden neue Jagdgründe gesucht. „Raubtierkapitalismus“ nennt das Jean Ziegler, und einmal mehr hat Jean den Begriff gut geprägt. Wir können uns hier vorstellen, wie das z.B. in Afrika abläuft, wo statt eines in Australien immerhin vorhandenen gesetzlichen Rahmens die bare Korruption die Grundlage des wirtschaftlichen Spektakels ist.
Ende des Exkurses))
Boomtown Karratha
Ein Exempel des im Exkurs Gesagten ist Karratha, eine der Städte am Meer, die als wirtschaftliche Brennpunkte des Hinterlandes aktiv sind. Hier kommen die grossen Züge an, von hier aus werden regional die Minen in Tom Price und Paraburoo geführt (die Hauptquartiere, die Headquarters, sind anderswo: Perth für den Westen, Melbourne, London, irgendwo auf der Welt. Ein analoge Funktion für Newman hat die weiter östlich gelegene Stadt Port Hedland, die wir noch besuchen werden.
Karratha hatte in den 80er
Jahren 5000 Einwohner, schon damals nicht wenig, als Folge des Booms in den
70ern. Aber es lief wenig, die Immobilienpreise waren am Boden, niemand wollte
herkommen. Heute sind es 12'000, und 2040 sollen es 50’000 und mehr sein.
Bonanza hoch zwei
Ein Immobilienpropekt in der Zeitung verspricht für die nächsten 10 Jahre in der Region 190 Milliarden A$ Investitionen der Minenkonzerne und 53'000 zusätzliche Arbeitsplätze. Die Baukosten sind 1,8 mal so hoch wie in Perth. Es fehlen aktuell in Karratha 1500 Häuser, bis 2015 sollen 4380 gebaut werden (Mehrfamilienhäuser kennt man hier nicht). Die Immoblienpreise stiegen in den letzten 10 Jahren in Perth im Schnitt um 10%, hier um 14%, die Kaspitalrendite in Immobilien war in Perth 2011 4,7%, hier 11%. Hotelpreise (gute, aber nicht Luxuskästen, die es hier nicht gibt) liegen im Schnitt bei 376 $ pro Nacht und Zimmer.
Die Investitionen der Konzerne sind auf 55 Jahre angelegt, so lange sollen die Erzvorräte noch halten; die Gasvorräte reichen noch 40 Jahre.
Die Häuserpreise liegen in der Gegend um knapp eine Million (einfachere auch ab 650'000), nach oben offen. Arbeiter müssen entweder Häuser mieten oder kaufen oder in Barackensiedlungen, Wohnwagen usw. leben. Die Mieten sind exorbitant. Wochenpreise (Monatsmieten werden nicht ausgeschrieben) beginnen bei 1200 $ (wenige), die meisten liegen zwischen 1500 und 2000$, aber auch Angebote von 5000 $ sind da. Stadt Zürich lässt grüssen.
Alle holen ab
Alle Preise hier sind hoch, in den Geschäften, in Werkstätten, in Restaurants. Das Geld sitzt eben locker, „Reservebildung“ kann nicht in die Sprache eines Landes übersetzt werden, in dem fast alles irgendwie im Ueberfluss da ist, angefangen vom Land (in Karratha nicht Bauland!) über die Ressourcen. Der Lebensstil ist, begünstigt durch das warme Klima, locker, auf Freizeit ausgerichtet, sprich Wassersport und Bar. Jeder kann sich ein schönes Auto leisten, ein Boot für das Fischen.
Eben fährt so ein Geländewagen mit grossem angehängtem Boot neben uns auf den Campingplatz. Am Steuer ein junger, kräftiger Mann, ärmelloses Unterhemd, grosse Tätowierung auf dem muskulösen Oberarm. Der Kumpel, der ihn einweist hat eine Bierbüchse in der Hand, ohne geht es nicht. Sie stellen ihr Zelt auf. Sie haben wohl einige Tage frei und gehen hier in Point Samson fischen. Beim Zeltplatz hat es ein Restaurant mit einer schönen Bar, die werden sie dann heute Abend besuchen. Pilbara wie es leibt und lebt.
30'000 Jahre
Bei Dampier gibt es eine berühmte Stätte von Petroglyphen der Ureinwohner. Das sind keine Felsmalereien sondern Einritzungen oder Abschabungen auf Felsen. Wir wandern zuerst über eine Wiese, inmitten von Hügeln aus vielen eckigen Felsbrocken. Von Weitem sehen sie aus wie grosse Schotterlager der SBB. Wir müssen wieder mal über Stock und Stein. Denn die Ureinwohner wollen keine „autobahnmässige“, leicht zugängliche Erschliessung, und das ist gut so, es gibt weniger Wandalismus auf diese Art.
Es geht ein Bachbett hoch, und
wir sehen nichts. Nicht weil nichts da wäre, sondern weil wir etwas anderes
erwartet haben. Es heisst zwar „Deep Gorge“, tiefe Schlucht. Aber es hat keine
steilen Wände auf denen dann Bilder zu sehen wären. sondern es ist mehr ein
Töbeli, ein Bachbett eben, an dessen Rand die vielen Steine liegen wie die
Verwitterung sie hinterlassen hat. Und auf diesen erkennen wir plötzlich die
Zeichnungen. Viele, immer wieder andere.
Unsere Informationen sagen, dass die Bilder seit 30'000 bis 20'000 Jahren entstanden sind, immer wieder, bis die Ankunft der Europäer vor 400 Jahren dem ein Ende gemacht haben. Es ist schon eindrücklich, durch eine Bildergalerie dieses Alters zu stolpern (gehen ist mühsam hier). Im Internet lese ich, dass die wirtschaftliche Entwicklung das Gebiet bedroht. Das Erdgaslager ist keinen Kilometer Luftlinie weit weg.
Pneu
In Karratha haben wir das erste
Mal seit der Abreise aus der Schweiz ein Pneu-Problem: Auf dem Parkplatz sehe
ich plötzlich am Vorderrad links direkt über der Felge einen Geschwulst von
knapp Faustgrösse. Also nichts wie hin zum Reifenhändler. Der sagt, da sei die
Wand des Reifens verletzt, ich sei wohl irgendwo angestossen. Ich kann mich
nicht erinnern, aber ausgetauscht werden muss der Reifen doch. Er wird in Perth
bestellt, kommt in einem Tag per Lastwagenfuhre, und wir können ihn zwei Tage
später abholen. Gemacht. Und da das Reserverad brandneu ist, haben wir zwei
neue Vorderpneus!Geisterstadt
Auf dem Weg ans Meer in Point Samson, wo wir die Wartezeit am Meer verbringen, besuchen wir eine der vielen Geisterstädte: Cossack. Cossack war Perlenstation und Hafen nördlich von Roeburne, dem Verwaltungszentrum der Gegend im 19. Jahrhundert (heute neben Karratha unbedeutend, starke Ureinwohner-Bevölkerung). Cossack wurde auf einer Halbinsel im Mangrovenland gegründet, weil in der Nähe Perlen entdeckt wurden.
Es hatte eine kurze Blüte, bis
ein grosser Zyklon 1898 die Stadt von 400 Einwohnern mehr oder weniger flach
legte. Heute sind nur noch wenige Steinhäuser zu besichtigen, denn nachdem der
Hafen, der hier ungünstig war, nach Norden, nach Point Samson, verlegt wurde,
zerfiel alles, die letzten Einwohner sind vor 60 Jahren ausgezogen.
In der Perlenfischerei waren
viele Japaner als Unternehmer und Taucher tätig. Es gibt einen japanischen
Friedhof neben dem australischen. Und auf den Perlfischern wurden auch
Ureinwohner gefangen gehalten und zum Tauchen gezwungen. Die Perlfischer und
auch die Farmer haben sie gejagt wie Wild, gefangen und versklavt. Die
Spannungen spüren wir heute noch. Die Ureinwohner sind geprägt von Traurigkeit
und latenter Aggression.
Australischer Charakter
Hier in Pilbara haben wir eine weitere Facette des australischen Charakters kennen gelernt: Die Anpassungsfähigkeit, das Achselzucken gegenüber möglichen zukünftigen Problemen. Wenn es uns heute gut geht, werden wir das auch morgen packen. Wurzeln sind wenig da, die Beweglichkeit ist gross. Heute hier, morgen dort, es wird schon schief gehen.
Das scheint mir eine der
Stärken dieser Nation zu sein, die Stärke einer Einwanderergesellschaft, in der
der Einwanderer nicht gefragt wird: Was warst du? sondern Was bist du? Er muss
sich durchsetzen, musste sich immer durchsetzen, egal woher er kam.
22.5.12 / JB.