Samstag, 8. Dezember 2012

IV-7 Neuseeland im Rückspiegel



Die zwei Monate Neuseeland, die uns erst lange vorkamen, sind schnell verflogen. Ausser Deutschland, Schweiz, China (2 Jahre) und Australien (11 Monate) waren wir niemals länger in einem Land. Es hat uns sehr gefallen mit seinen ausgefallenen Landschaften – wenn auch das Wetter meistens zum Davonlaufen war. Neuseelands Klima lädt an sich definitiv nicht zum Ferienmachen ein. Aber wie gesagt, die Landschaften, die Natur sind schon einmalig.

Und die Menschen sind sehr sympathisch und haben uns überall freundlich empfangen. Und obwohl wir hier nochmals ein Stück weiter von Europa entfernt sind – weiter geht nicht mehr – fühlten wir uns weniger isoliert als in Australien. Das mag daran liegen, dass alles kleiner und vertrauter (europäischer) ist. Neuseeland ist (natürlich neben den Maori und asiatischen Einflüssen) sehr britisch. Das merkt man z.B. auch an der Sprache – aber zum Glück nicht am Essen. Das ist nämlich erstaunlich gut. Und Neuseeland ist sozusagen ein grosses Weingebiet, was uns sehr entgegenkam.

Wir haben beim Reisen in Neuseeland folgende Erfahrungen und Beobachtungen gemacht:

Ø      So sehr sich ein Motorhome für Australien anbietet, so sehr ist in Neuseeland davon abzusehen:

v      Es ist zu kalt. Morgens und abends kann man überhaupt nicht draussen sitzen, am Mittag allenfalls zu einem schnellen Picknick oder direkt in der Sonne.

v      Wenn es denn warm werden sollte (Januar/Februar ???) ist Ferienzeit, alles überlaufen…

v      Die Campingplätze sind weniger schön als in Australien.

v      Die Strassen sind sehr oft eng und gewunden, besser geeignet für einen PKW.

Ø      Unterkunft ist (ausserhalb der Hochsaison) gut zu finden. Bed&Breakfast sind allerdings erstaunlicherweise relativ teuer, während Motels bequem und günstig sind, ausgestattet mit Küche, so dass man sich sehr gut selbst versorgen kann.

Ø      Informationen über Unterkünfte, Restaurants, Ausflüge etc. sowie Reservierungen sind in den Informationsbüros der Städte, genannt iSite, (die es fast überall gibt) sehr gut möglich.

Ø      Ein Monat ist eher knapp, wer kann, sollte zwei machen. Wir sind gut 8000 Kilometer gefahren.
Ø      Die Südinsel braucht etwas mehr Zeit (60%), weil es mehr Besonderes zu sehen gibt. Neben den Gletschern hat uns besonders die Fjordlandschaft im Südwesten gefallen. Doubtful Sound ist schöner als Milford Sound. Lewis-Pass ist schöner als Arthur’s Pass, aber vor allem von Westen nach Osten.

Ø      Auf der Nordinsel haben uns die Ostküste und Rotorua (Maori-Kultur und Geysire) am meisten beeindruckt.

Ø      Automieten direkt über Internet ist billiger, About New Zealand ist gut (http://www.rentalcar.co.nz). Wir haben für einen mittleren 4x4 (Toyota RAV4, permanenter Allrad, Differentialsperre) bei unbegrenzten Kilometern für zwei Monate (59 Tage) 2400 CHF (40 Franken pro Tag) bezahlt, was sehr günstig war. Halb-Hochsaison.

Ø      Fähren kann man voraus buchen und über Autovermieter auch gut verschieben.

Ø      Nach 15 Monaten Sommer hatten wir in Neuseeland erstmals wieder frischen Frühling. Wir mussten alles anziehen, was wir dabei hatten. Also: Kleidung wie eine  Zwiebel und regenfest, genug Warmes, regenfeste Schuhe.

Ø      Telefonkarte und Internetmodem lohnen sich. Telefon-Karte ist gut bei „2degrees“; Modem ist gut bei Vodafone (Modem kostet 90$, kann auch in anderen Ländern und mit anderen Providern gebraucht werden. Die SIM-Karte ist inbegriffen, mit 2 GB drauf, die in zwei Monaten aufgebraucht werden müssen. Mit vielen Gratisnetzzugängen in den Motels hat das für uns gut gereicht.)


E+JB / 9.12.2012

IV-6 Abschied von Neuseeland

Regentage / Begegnung am Berg / Vergessene Welt / Ziegenbock als Präsident Vulkanischer Abschied / Weihnachtszeit / Nichts für meinen Kopf, nichts für mein Gefühl

Regentage
Die Fahrt mit der Fähre auf die Nordinsel über die Cook Strasse ist recht ruhig, auch wenn es stark windet und regnet. In Wellington schifft es, und wir hoffen auf Besserung gegen Norden. Aber entlang der Westküste regnet es immer wieder stark, und erst kurz vor Wanganui, wo wir übernachten wollen, bessert es. Auckland wurde von einem schweren Sturm heimgesucht, der drei Tote und viele Verletzte forderte. Wir spüren die Ausläufer.

Da aber die Temperatur wenigstens jetzt etwas über 20 Grad ist, haben wir einen schönen Abend in der schönen alten Stadt Wanganui: Alt für neuseeländische Verhältnisse, versteht sich. Wir essen gut, ich nehme eine Portion Schweinebauch, der, mit Gemüse nach thailändischer Art, ausgezeichnet zubereitet und sehr zart ist.

Am nächsten Tag geht es weiter wie in Wellington: stürmischer Regen. Von dem grossen Vulkan an der Südwestküste, dem 2500 Meter hohen Mount Taranaki (maori) / Mount Egmont (englisch) sehen wir überhaupt nichts, obwohl wir ihn fast vollständig umrunden. Der Nebel geht bis in die Ebene, bis fast an die Küste.
Aber wir fahren eine der Strassen hoch, die bis auf knapp 1000 Meter durch Regenwald den Berg hoch geht. An einen Spaziergang ist nicht zu denken, aber wenigstens einen Tee trinken wollen wir im Bergcafé an den Dawson Falls. Da gab es eine Ueberraschung.

 
Begegnung am Berg

Das Café war eigentlich eher eine Berghütte, mit rustikalen Tischen und Stühlen. Und an der Wand hing ein Tuch mit allen Kantonswappen der Schweiz, in einer Vase ob dem Buffet steckte eine Schweizerflagge. Die Wirtin, so stellte sich heraus, hat zwar keinen Schweizerpass mehr. Dem musste ihr Vater aufgeben, als er vor Jahrzehnten eine Farm kaufen wollte.

Aber Linda ist reinrassige Schweizerin, denn auch die Mutter kommt aus dem Gebiet des oberen Zürchersees. Da fielen im Gespräch Ortsnamen wie Freienbach (Vater) und Hurden („Hörden“ gesprochen, Mutter), dann Fischenthal ennet des Hörnli, wo die Schwestern noch Ferienhäuser haben. Und eine Tante, die über 100 Jahre alt wurde, war Anni Hiestand, in den 30er-Jahren eine der besten Schifahrerinnen der Schweiz. Und ein Cousin, den Linda jeweils in der Schweiz besucht, wohnt in St.Gallen.

Der Vater kam in diese regengesegnete Gegend, da hier schon andere Schweizer siedelten, und bis heute sind sie sich ihrer Tradition bewusst. Auf der Fahrt zum Berg war uns schon ein Briefkasten aufgefallen, rot mit Schweizerkreuz. Schon fühlst Du Dich wieder etwas zuhause, auch wenn Dir der Patriotismus an sich eher suspekt ist. Aber das Tösstal (Fischenthal) ist ja wirklich lokale Heimat.

Den Berg haben wir auch hier mehr geahnt, als gesehen. Die Schauer waren gar zu stürmisch.

Vergessene Welt

Nach einer Umrundung des Bergs im Nebel übernachten wir in New Plymouth, dessen Klima im schönen lokalen Museum mit „mild, moist, windy“ (mild, feucht, windig) umschrieben wird. Es war so. Den Berg haben wir auch am nächsten Tag nicht gesehen und die Besitzerin des Motels von Turangi am Lake Taupo meinte, sie habe am Fuss des Berges gewohnt und ihn  oft wochenlang nicht erblickt.

So lange können wir nicht warten, und daher geht es ins Zentrum der Südinsel, an den Lake Taupo, der durch einen riesigen Vulkanausbruch vor fast 23'000 Jahren entstand, bei dem 1170 Kubikkilometer Material ausgeschleudert wurde. Ein weiterer grosser Ausbruch erfolgte mit 120 Kubikkilometern im Jahr 180, und die chinesischen und römischen Geschichtsschreiber berichten von der Aschewolke. Der See ist 600 km2 gross, 40 Kilometer lang und 28 Kilometer breit und 128 Meter tief – all das innerhalb des Riesenkraters.
 

Der Weg an den See führt über die Strasse Nummer 41, den Forgotten World Highway, die Hauptstrasse der Vergessenen Welt. Es ist wirklich sehr einsam hier, das Gelände äusserst ruppig, mit steilen Hügeln, tiefen Tobeln, Schluchten, schmalen Strassen, einem Tunnel, das gerade so breit ist, wie ein Lastwagen und so hoch, dass Tiertransporte durchkommen. Es hat stark geregnet, überall sehen wir Steinschlag. Am Strassenrand Fasane, Schafe, Ziegen und Kaninchen.


Und Viehherden auf der Strasse: Vor uns eine sehr grosse Herde mit Schafen und Kühen, angetrieben durch viele Hunde und ein Vierradmotorrad. Dieses treibt die Tiere im Galopp vor sich her und auf die Seite. Wir halten uns eng an das Auto vor uns, ziehen gleichsam den Kopf ein und drücken uns am Vieh vorbei. Nur ein Rudel Kühe ist hartnäckig und saust vor uns her, die ganze Strasse benutzend, bis dann die angestrebte Weide auf der Seite kommt.

Ziegenbock als Präsident

Mitten in der Vergessenen Welt gibt es die einzige Republik Neuseelands: Whangamomona. Sie wurde in Rebellion gegen die Regionalpolitiker 1989 ausgerufen. Diese wollten die Gemeindegrenzen ändern, und das hätte zur Folge gehabt, dass die Dorfjugend und auch die Senioren nun für eine Rugby(New Zealand Football)-Mannschaft hätten spielen müssen, mit der sie seit Generationen verfeindet waren. Das ging dann doch zu weit. Präsident der Republik war mal ein Ziegenbock, mal ein Pudel. Und jedes zweite Jahr findet ein Republikfest statt: das nächste Mal am 26.1.2013 -  für alle, die dahin gehen wollen. (Das Hotel, die Heimat der Republik, steht übrigens zum Verkauf!)

Vulkanischer Abschied

In Taupo am gleichnamigen See kommen wir mitten in einen Halb-Ironman. Diesmal jagen wir statt Schafen und Kühen Velofahrer.
 
 
 
 
 
 
 
 
 
In der Stadt ist auch der Abfluss des Sees. Nach wenigen Kilometern fällt der Fluss über eine Stufe von einigen Metern Höhe. Davor gräbt er sich im harten Vulkangestein einen 10 Meter breiten tiefen Graben, durch den sich die grossen Wassermassen durchzwängen. Sehr eindrücklich.

 

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Weiter unten am Waikato-Fluss liegt das Hidden Valley, das Verborgene Tal, eine der schönsten Geysirlandschaften Neuseelands. Eine Motorfähre bringt uns über den gestauten Fluss, und über eine Stunde wandern wir in einer Regenwaldlandschaft an Sinterterrassen vorbei und bestaunen die Ablagerungsformationen, die qualmenden Schlunde, Geysire und vor allem die Farbspiele in Weiss (Kalkablagerungen), Gold (Schwefel), blau (Thermalwasser), grau-schwarz (Tonerdeschlamm gelöst durch heisses Wasser)  und Grün (Algen). Einem Geysir schauen wir eine Viertelstunde lang zu, wie er kommt, wie er spritzt, dampft und sprudelt, und wie er sich wieder zur Ruhe legt.

Im Regenwald bewundern wir die Palmfarne von 10 und mehr Metern Höhe, die der Landschaft einen eigentümlich archaischen Charakter geben, der natürlich durch die Dämpfe, das Qualmen und Sprudeln direkt aus dem Erdinnern noch verstärkt wird.

 

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Weihnachtszeit

In Hamilton, wo wir übernachten und endlich mal wieder den Apéro im Freien an der Sonne geniessen können, gibt es einen Riesen-Christbaum zu bewundern, mit Hunderten von Kugeln. Nachts, das sehen wir aus dem Zimmer, leuchtet und blinkt er wie verrückt. Ueberhaupt hat das Bemühen mit Minichristbäumen in Kneipen und Läden, mit Weihnachtsdekorationen in den Schaufenstern im Sommer etwas Pathetisches an sich, etwas Komisches. Aber wir haben ja in Australien gesehen, dass die Familien und vor allem die Kinder da nicht wählerisch sind: Es geht auch in Shorts und Gummisandalen sehr gut!

Hamilton, das als viertgrösste Stadt Neuseelands keine Touristenstadt ist, hat am Waikaot-Ufer eine sehr grosse Gartenanlage. Der Kern sind Themengärten. Zum einen Gärten der Maori, Gemüsegarten, Hausgarten usw.
 
Dann aber auch einen japanischen Garten (17. Jahrhundert), einen chinesischen südliche Song-Dynastie 12. Jahrhundert), einen modernen amerikanischen, einen englischen Ende 19. Jahrhundert), einen indischen (Mogulzeit 17. Jahrhundert) und einen italienischen (Renaissance). Diese Gärten allein lohnen den Besuch der Stadt.
 
Von Hamilton fahren wir in starkem Sonntagsverkehr nach Auckland, wo wir in Flughafennähe ein Motel haben, damit wir morgen früh nicht weit zur Abgabe des Autos fahren müssen.
 
Hier nehmen wir das letzte Picknick in Neuseeland im Motelgarten, dann wird gepackt, denn ab jetzt geht es wieder weiter mit nur zwei Reisetaschen als Gepäck. (Und zu Hause haben wir dann wieder alle Kästen voller Kleider und Schuhe. Hier bescheiden wir uns in dieser Hinsicht sehr.)



 
Nichts für meinen Kopf, nichts für mein Gefühl
Morgen, am 10. Dezember, fliegen wir morgens um 10 nach Tahiti ab. Und wir kommen nach einigen Stunden Flug einen Tag früher dort an, als wir abgeflogen sind: heute, am 9. 12, um 16 Uhr, also zu der Zeit, zu der ich dieses schreibe!!! Das verstehe wer will.

Es hat nichts mit Reisen mit Lichtgeschwindigkeit zu tun, sondern mit der Datumsgrenze, die wir überfliegen. An dieser bist Du mit einem Schritt von Westen nach Osten einen Tag zurück (also auch jünger), umgekehrt einen Tag weiter (also auch älter), geanu gleiche Zeit. Elo versucht mir das seit Jahren zu erklären, aber das ist nichts für einen hinterthurgauer Quadratschädel, und für mein Gefühl schon gar nicht. Aber da das ja alle so machen, wird es seine Richtigkeit haben.

Elo meint, wir würden alle Stunden, die wir auf der Reise bisher jeweils an einer neuen Zeitzone verloren haben (Uhr vorstellen), mit einem Schlag wieder gewinnen, und sogar noch mehr, da es ja bisher nur 12 Stunden waren. Das Konto hat dann plötzlich eine Positivbilanz von 12 Stunden, die wir dann bis zu hause wieder verputzt haben. So weit so gut, aber begreifen tue ich es doch nicht recht. Nullsummenspiel also, was soll der Mist? Vielleicht ist es mir dann in Tahiti klarer – obwohl ich da meine Zweifel habe.

(Es ist noch anzufügen, dass für uns das Jahr 2011 einen Tag kürzer war, während das Jahr 2012 – nicht nur wegen des Schaltjahrs – für uns einen Tag länger dauern wird.)

9.12.2012 / JB.