Freitag, 28. Oktober 2011

2-VII Hong Kong

(((Zuerst eine Bemerkung zum Reiseprojekt: Wir fahren nicht nach Taiwan. Wir sind jetzt seit Südkorea über einen Monat dauernd von einem Hotel zum anderen unterwegs, leben immer aus dem Koffer, ziehen immer wieder um. Das ist manchmal anstrengend, und wir haben jetzt genug davon. Also haben wir Taiwan kurzspitz gestrichen und fahren sozusagen in Badeferien: zwei Wochen ans Meer. Und das auch nicht, wie mal vorgehabt in den Philippinen, sondern in Malaysia. Und dann geht es nach Australien.  
Der Grund ist ein ganz simpler: Es ist viel billiger, da wir mit der Malaysian Air Line ein günstiges Flugticket ergattern konnten. Zwar nicht nach Melbourne im Südosten des Kontinents, sondern nach Perth im Südwesten. Aber es ist ja Wurst, wo wir Australien betreten, wir haben ja Zeit. Ob wir dann, wie wir jetzt denken, zuerst mit dem Zug nach Melbourne zum Cousin Peter fahren oder ganz anders, wird die Zeit zeigen.
Wenn wir in Perth nach heutigem Plan einreisen, ist unsere Anreise nach Australien beendet. Sie wird dann 4 Monate und eine Woche gedauert haben. Denn wir wollten ja ursprünglich nur nach Australien, Neuseeland und die Südsee.

In Perth können wir bei einer Bekannten eines unserer Gastgeber von Hong Kong (s.u.) wohnen, einer verthurgauerten St.Gallerin, die uns liebenswert ihre Gastfreundschaft angeboten hat. Was wir gerne annehmen, da sie uns sicher viele Tipps für unsere Reise geben kann. Und Zeit haben wir ja.

Davor werden wir also noch zwei Wochen herumliegen und den lieben Gott einen guten Mann sein lassen. Das Hotel sollte gut sein, günstig ist es auf jeden Fall. Gebucht habe ich es im Internet.

Nun aber zur Gegenwart:)))

Den unerfreulichen Einstieg in Hong Kong habe ich am Schluss des letzten Blogspots beschrieben. Erledigt. Doch dann zeigte sich die Stadt so wie wir sie kannten und kennen: Faszinierend, schön, lebendig, eine Mischung aus englischer Tradition, altem und neuem China.
Wir wohnen in Kowloon, auf der nördlichen Seite des Hafens, auf dem Festland. Gegenüber liegt Hong Kong Island, mit dem Gipfel, darunter die Wirtschaftsmetropole mit Banken und Bürogebäuden. Die Skyline ist beeindruckend, und am Abend, wenn wir entlang der Hafenpromenade spazieren, sehr schön mit den Lichtern, Lasertstreifen am Nachthimmel.

Bregenz im Quadrat

Wir sitzen auf einer Plattform einer Bar und haben vor uns die Kulisse eine Freilichtbühne besonderer Art. Hinten das Bühnebild der Wolkenkratzer mit den vielen Lichtern. Dann die zweite Ebene des Hafens mit seinem Verkehr an Fracht- und Vergnügungsschiffen, Schleppern, Containerbrücken, Privatjachten. Und schliesslich die vorderste Front der Bühne, die promenierenden jungen und alten Hong Konger und Touristen.


Wir durchstreifen die Gassen Kowloons mit den vielen Geschäften. Es sind einfache, teure, neue, alte, glitzernde und schäbige, Tand und Luxus, Qualität und Schund. Restaurants aller nur vorstellbaren Art: Italien,, Steakhouses, alle chinesischen Küchen von Peking über Sichuan, Kanton und Shanghai, Spanien, Deutschland mit Marco Polo (so heiss das Hotel) German Bier Festival, Japan. Denk es, such es und du findest es: You name it, you look for it and you will find it.


Alte Bank of China (unten rechts, 1974 das zweithöchste Gebäude), neue Bank of China (oben links)

Die Entwicklung Hong Kongs scheint uns etwas langsamer, als die in der Volksrepublik, aber dafür vermutlich auch solider. Und es tut sich auch hier viel. Seit wir vor bald 40 Jahren das erste Mal hier waren, ist der Hafen immer kleiner, d.h. schmaler geworden. Auch jetzt wird wieder aufgeschüttet. Was mal am Wasser lag, liegt jetzt schon ganz weit hinten, und es hat sich eine Bewegung gebildet, um den Hafen zu retten. Wir fahren mit der ehrwürdigen Star Ferry hinüber nach Hong Kong. Sie war früher die einzige Verbindung, und bei Taifun konnte sie nicht fahren und so war die Insel oft tagelang abgeschnitten. Wir suchen die alte Bank of China, einst das höchste Gebäude. Sie ist fast nicht zu finden. Heute ragen die Wolkenkratzer bis fast 500 Meter in die Höhe, und die neue Bank of China ist längst wieder überflügelt.
 

Wir lernen viel
Wir werden durch die Vermittlung von Hans Ueli von dessen Freunden eingeladen. Die Orte sind schön: die Lobby des Peninsula, die Terrasse eines Restaurants in der Repulse Bay auf der Südseite der Insel, ein Kantonrestaurant an der Nathan Road. Aber das immer ausgezeichnete Essen ist nicht das Wichtigste, es sind es vielmehr die spannenden Gespräche. Erich ist seit über 40 Jahren als Handelsvertreter und heute als Geschäftsinhaber tätig. Peter hat eine grosse Hotelgruppe geführt und baut heute mit seiner Stiftung Schulen in Burma. Lucille ist eine bekannte Künstlerin und in Hong Kong aufgewachsen, ihr Mann Mike war Geschäftsmann und stammt aus Shanghai; beide haben in der Schweiz gelebt: er ist dipl. ing. ETH, sie hat zur Zeit von Kielholz in Basel in der psychiatrischen Klinik gearbeitet. Und mit allen diskutieren wir über Hong Kong, ihre und unsere Erfahrungen mit China, unsere Reise, Gott und die Welt. Wir lernen viel.

Anlauf zum Ueberblick
Heute sind wir auf den höchsten Turm Hong Kongs gefahren, respektive gewandert: den ICC, das Internation Commerce Centre. Er ist 490 Meter hoch, die obersten Stockwerke nimmt das Ritz Carlton ein, auf 397 Metern gibt es im 100. Stock eine 360 Grad-Aussichtsplattform, sky100.
    
Warum „gewandert“? Der Hotelconièrge hat zwar etwas für unsere Fitness getan, aber ein Mostkopf im Quadrat ist er trotzdem! Meine Mutter würde sagen, er sei nicht schuld daran, dass der Klee grün ist. Ich fragte ihn nach dem Weg zum höchsten Gebäude der Stadt, in Kowloon. Und er ringelte auf der Karte eine Metrostation an, die von der in unserer Nachbarschaft gelegenen 5 Stationen entfernt ist, Sham Shui Po. Als wir da ausstiegen, waren wir zwar mitten in hohen Wohnhäusern, und in einiger Entfernung war auch ein Wolkenkratzer. Der war aber von einer eher gewöhnlichen, etwas mickrigen Höhe, gut  100 Meter oder so.

Die Himmelsrichtung wusste ich ungefähr, auch wenn die 20-50 Stockwerke hohen Mietskasernen die Sicht verstellten. Da machten wir uns dann halt auf den Weg. Nach etwa einer halben Stunde kam das Ding in Sicht, aber so hohe Häuser sind weiter entfern, als du denkst. Und ausserdem wurde zwischen uns und unserem Ziel gerade noch ein wenig U-Bahn gebaut. Wir machten daher noch zwei-, dreimal gehörige Umgehungsstrecken. Ingesamt wanderten wir, im zügigen Tempo, das wir gewohnt sind, über eine Stunde bis zum Ziel. (Es waren Luftlinie über drei Kilometer, dann die Umwege. Und es war warm bis heiss! Wir haben ganz schön geschwitzt. Ohne Metro wäre es direkt vom Hotel etwa gut zwanzig Minuten gewesen.)


Ueber 200 Meter hoch

Der Concièrge war übrigens der gleiche, der Elo sagte, das Buchpäckli, das wir nach Peking schicken wollten, würde etwa 250 Hong Kong-Dollar kosten (rund 27 Franken). Er hatte mit fürchterlich gewichtiger Miene das Gewicht der Sendung auf seiner offenen Hand abgeschätzt. Wir sind dann selbst auf die Post gegangen und haben es für 23 Dollar spediert. Das hätte uns ja eine Lehre sein müssen.





Einmalig
Aber es hat sich gelohnt. Nachdem wir uns in den Eingeweiden des Gebäudes – das sind ganze unterirdische Einkaufs- und Bürostädte (z.B. die Credit Suisse ist da) – nachdem wir uns also zu den Lifts durchgefragt und den Eintrittsobolus bezahlt hatten, fuhren wir in 60 Sekunden auf 400 Meter und traten ans Fenster. Und obwohl es diesig war, war die Sicht auf den Hafen, auf Kowloon und auf Hong Kong Island einfach umwerfend. Das gibt es nur einmal.





 

Neue Epoche
Im Tram (s.u.) haben wir einen Engländer getroffen, der seit 18 Jahren hier lebt. Als wir ihn fragten, was sich seit der Uebernahme durch die Chinesen geändert hätte, meinte er, es sei eigentlich nicht anders, oder doch: die unbefristete Aufenthaltsgenehmigung sei einfacher erhältlich. Was dem Menschen halt so wichtig ist!

Wir waren damals 1997 an dem Tag des sognannten „Hand over“, der Uebergabe also, hier in Hong Kong. Elo als Journalistin des Tagblatt, ich, mit meiner Taschenkamera, als akkreditierter Fotograf! Es war eindrücklich. Als Charlie – sorry: Prince Charles – auf der Yacht Britannia um Mitternacht aus dem Hafen ausfuhr, buchstäblich abdampfte, war eine Epoche zu Ende: der Kolonialismus. Das lief uns dann doch etwas kalt den Rücken herunter.

Stadtrundfahrt für 30 Rappen

Heute sind wir auf Hong Kong Island mit dem Trämmli gefahren. Es ist zweistöckig und fährt von Ost nach West und umgekehrt. Die Tarife sind günstig: du steigst ein und es kostet 2$30 oder 25 Rappen, solange du fährst. Ich beschloss jedoch, das für uns der Tarif für „Senior Citizens“, Senioren gilt, auch wenn wir nicht Hong Konger sind. Dann ist es pro Strecke 1$ oder gut 10 Rappen. Da wir in einer Richtung noch einmal umgestiegen sind, kostete uns die Reise 30 Rappen. Für rund hundert Haltestellen oder fast zwei Stunden! Was wir da nicht alles sehen. Business und Strassenhandel, Glitzerpaläste und schäbige Wohnblocks, Verwaltungsgebäude und Hotels, Reichtum und Armut, Einkaufsstrassen und Wohnviertel. Es war ein Erlebnis.







Verkehr

Ueberhaupt ist der Verkehr sehr gut organisiert. Da wirkt England nach. Hochstrassen und Tunnels unter dem Hafen für den Schnellverkehr. Klug angeordnete Einbahnstrassen und getrennte Fahrspuren für Tram und Autos. Viele separate Fussgängerwege quasi im ersten Stock. Dies sind nicht einfach Ueberführungen, es sind ganze Strassenzüge. Sie gehen dann in Hochhäuser und Ladenpassagen hinein und wieder hinaus, über Strassen und Plätze. Sie verbinden ganze Quartiere und schützen auch vor leichtem Regen, wie wir ihn heute hatten. Und zum Flughafen, den wir morgen brauchen, geht eine Metro und Schnellbahn aus dem Zentrum direkt vor die Eincheckschalter.








Zum Flughafen
Der Öffentliche Verkehr im Zusammenhang mit dem Flughafen ist ein weiteres Beispiel hongkonger Organisationskunst. Unser Hotel hat zusammen mit anderen einen Minibusverkehr auf die Beine gestellt, der die Gäste, die zum Flughafen wollen, im 12-Minuten-Takt abholt, im Hotelpreis inbegriffen, direkt vor der Tür. Der Bus fährt zur Kowloon Station der Flughafenschnellbahn, die sich im Zentrum beim Güterhafen direkt unter dem Riesenwolkenkratzer befindet, den wir besucht hatten. Eine analoge Bahnstation gibt es auch im Zentrum von Hong Kong Island.

Am Bahnhof gibt es eine ebenerdige Zufahrt. Du steigst aus, kommst in eine Vorhalle, in der du das Ticket für die Flughafenbahn löst (10 Franken für 20 Minuten und all den Service), gehst einige Schritte weiter durch eine Schranke – und stehst, mitten in der Stadt, vor einer ganzen Reihe von Check-in-Schaltern. Keine 50 Meter vom Auto entfernt, das dich gebracht hat. Dort gibst du am Schalter deiner Fluglinie das Gepäck auf (Kuantan in Malaysia mit Umsteigen in Kuala Lumpur), erhältst die Bordkarten für beide Flüge. Fertig.

Dann geht aus der Vorhalle ein Lift einen Stock runter, und du stehst auf dem Perron der Schnellbahn, die dich über zwei grosse Brücken und einige Tunnels zum Flughafen bringt. Dort geht es im gleichen Stil weiter: aussteigen, ohne Treppen über eine Rampe und du bist in der eigentlichen Eicheckhalle, die du aber als Zugfahrer gar nicht mehr brauchst. Dafür kannst du dann in einem der vielen Restaurants eine Etage höher noch ein letztes chinesisches Essen geniessen (Dim Sum für uns) und steigst dann bequem in den Flieger















Bei der Ankunft in Hong Kong ist es analog. Du landest trotz der Entfernung quasi mitten in der Stadt. Der Flughafen Zürich oder der in Frankfurt, die sind auch nicht schlecht angebunden mit ÖV, aber das hier ist noch ein Quantensprung besser.

Der neue Flughafen wurde vor über 10 Jahren mit einigen Monaten Verspätung eingeweiht. Er war fertig, fertig war aber das Zubringersystem des öffentlichen Verkehrs nicht. Finanzielle Verluste der Flughafenbetreiber hin oder her, die Freigabe erfolgte erst, als die Anfahrt ohne Verkehrschaos und sehr hohe Taxikosten möglich war.

Der alte Flughafen lag mitten in Kowloon, und die Flugzeuge flogen den Kowloonern quasi durch die Wohnungen. Es konnten hier auch keine (richtigen) Hochhäuser gebaut werden. Und Landung und Abflug waren oft gefährlich. Wir sassen hier einmal bei einem starken Sturm im Flugi. Abflug war immer Richtung Hong Kong Island. Es hat uns ganz schön rumgeweht, und der Chefpilot, Sohn unseres Freundes Hans Ueli, sagte uns später, das sei einer der kriminellsten, wenn nicht der kriminellste Start seiner Karriere gewesen, wir wären beinahe an die Insel gedrückt worden!

Abschied mit heimatlichen Rachenlauten
Am Vorabend sind wir noch gut essen gegangen. Nach all den chinesischen Köstlichkeiten war uns nach etwas Europäischem. Wir gingen im Marco Polo Hotel Kowloon, direkt neben der Star Ferry, ins italienische Restaurant „Cucina“. Und die Küche: Ravioli und Nudeln (jeweils unter uns geteilt), Bistecca (geteilt), Vannilleglace mit Espresso (ungeteilt), die Küche also war wirklich gut, der Service ausgezeichnet und der biologische Pinot Noir vom Lageder im Südtirol excellent, obwohl er – typisch – unter den billigsten firmierte. Uns war das egal.

Als der Chef de Service des Abends seinen Kontrollgang machte, hörte er uns zu und fragte: „Wohär chömed er i de Schwiz?“. Unsere Gegenfrage beantwortete er mit „Us Güttinge.“ Giovanni Di Russo heisst der Seebueb, ist als Italiener in Güttingen aufgewachsen und heute Assistant Food & Beverage Manager des Hotels. Food & Beverage Managers sind nicht nur für die Küche, den Einkauf verantwortlich, sondern auch den Service und dessen Qualität. Und da gab es im Cucina wirklich nichts zu meckern.




Der Eindruck bleibt: Hong Kong ist eine gute Stadt.








(((P.S. zu den Wahlen in der Schweiz:
Es ist unserer Ansicht nach besser rausgekommen, als vorhergesagt, vorhergedacht, vorherbefürchtet. Die Mitte wurde gestärkt, die Linke geschwächt, aber nicht pulverisiert. Man mag ja von den Grünliberalen und der BDP halten, was man will, aber Mitteparteien sind sie beide.

Das wichtigste scheint uns, dass sich die alte Erkenntnis, dass in der Schweiz keine dominierende Parteiherrschaft toleriert wird, auch praktisch durchgesetzt hat. Etwas spät zwar, und noch nicht in allen Kantonen. Aber immerhin: Die Mehrheit des Stimmvolks, auf dass sich die Brüder immer so pathetisch und mit Alleinvertretungsanspruch berufen, diese Mehrheit hat offensichtlich genug von BB – nicht Brigitte Bardot, sondern Blocher-Brunner, sie hat genug von BM – nicht Bader-Meinhof, sondern Blocher-Mörgeli und Konsosrten. Und sie hat auch im Kanton Zürich offensichtlich genug von solch geistig, ideologisch und sogar physisch unappetitlichen Figuren wie Herrn Schlüer. Für Letzteres kann er zwar wenig, aber ein Schuppenschampoo wäre schon empfehlenswert.

Kurzum, es ging, nehmt alles nur in allem, ganz gut.)))

29.10.2011 / JB.