Freitag, 16. März 2012

3-9 Murray - Yorke Peninsula - Adelaide


Point Claire, Yorke Peninsula

An den Murray
Von Melbourne fahren wir auf der Autobahn Melbourne – Sydney, dem Hume Highway, 250 Kilometer nord-nordöstlich entlang der Eisenbahnlinie direkt an den Murray, den grössten Fluss Australiens. Er fliesst nach Westen bis Adelaide, und wir wollen, nachdem wir im Dezember schon am Oberlauf waren, ihm mehr oder weniger folgen. Er bildet die Grenze zwischen Victoria und New South Wales. In Victoria, im Süden also, ist die Gegend noch recht besiedelt, über der Grenze, das zeigt die Karte, wird es sofort dünn, beginnt quasi der Qutback, das Hinterland, das wir aber später bereisen wollen.

In Melbourne lassen wir noch das Spiegelschränkli flicken, endlich. Der Arbeitsrhythmus im grossen Betrieb für Wohnmobile unterscheidet sich von dem uns gewohnten deutlich. „I’m with you in a couple of minutes! („Ich komme in einigen Minuten!“) kann alles von 5 Minuten dauern und ist nach oben offen. Bei uns war es eine Stunde. Da wird telefoniert, meist wohl privat, geraucht, geplaudert – und wenn eine Störung des Ablaufs kommt, wird zuerst diese behandelt, das andere wird dann schon noch. Aber freundlich sind sie und günstig. Nach zwei Stunden ist der Schaden behoben.

Great Port
Bei Rutherglen, einer für australische Verhältnisse alten Stadt in der gleichnamigen Weingegend, übernachten wir am Fluss, direkt. Zuerst trinken wir noch eins in der kleinen Stadt. Es ist Viertel nach Fünf – und alles schon geschlossen, wenn es denn je offen war. Ein altes Hotel mit Charme und Bar, ein Pub, und das war’s dann. Aber ihre Reklame ist gut: „Sydney might have a nice Harbour, but Rutherglen has a great Port” Hier wird mit dem  doppeldeutigen Begriff “Port” gespielt: Hafen und Portwein.

Den Platz finden wir eher zufällig. Wir fahren auf der Suche nach dem im Führer eingezeichneten in eine private Einfahrt zu einer Farm am Fluss. Ein netter Herr, gekleidet in einer Qualität, wie ich sie in Australien selten gesehen habe, erklärt, der offizielle sei weniger schön als einer gleich in der Nähe, der ebenfalls öffentlich sei. Er hatte recht.



Wir sind ganz allein, direkt am Fluss. Während Elo kocht, bade ich einen Wurm Es hat entweder keine Fische, oder hier keine, oder sie haben keine Lust auf Würmer oder …. Resultat: kein Biss auch hier, aber wunderschön. Viele Vögel, darunter ein lokaler Eisvogel mit dunkelblauem Frack und stahlblauer Weste darunter.

Nach dem Essen sitzen wir im Freien und sehen den Sternen zu, wie sie kommen. Als es ganz dunkel ist, meint Elo, wenn wir durch die lichten Eukalyptusbäume nach oben sehen, sei das wie ein Christbaum. Für mich ist es, wie wenn eine ganz eng mit Sternen bedruckte Decke über die Bäume gebreitet ist.

Dazu das Konzert der Vögel. Die Kookaburras sind lustig. Einer beginnt, und dann kommen alle und machen einen Saumais. Ganz in der Ferne hören wir alle fünf bis zehn Minuten ein Auto auf der Landstrasse. In der Ferne über dem Fluss muht eine Kuh. Sonst ist Ruhe. Als die Vögel schlafen, zirpen nur noch die Zikaden.
Es ist so schön hier, dass wir beschliessen einen Tag zu bleiben und auszuruhen, denn wir waren in der letzten Zeit doch ganz schön aktiv.

Tag am Fluss

Am Morgen bei Sonnenaufgang wird wieder ein Wurm gebadet; einer reicht erneut, es beisst nicht. Aber die Stimmung: Der Fluss zieht still vorbei. Er ist etwa 40 bis 50 Meter breit, aber tief und fliesst schnell. Er hat viel Wasser. Dann die Vögel in der Morgensonne: Der Kingfisher mit einer Grille im Schnabel, ein kleiner Kormoran auf einem im quer im Fluss liegenden umgefallenen Baum (also doch Fische), Elstern, Kookaburras, Die Papageien Cokatoo und Blue Bonnet. Die Elstern singen hier ganz anders, als bei uns, schöner – und sie singen den ganzen Tag, begleitet von den Zikaden. Die Bienen sind schon fleissig und besuchen, beladen mit grossen Pollenpaketen, auch die unansehnlichsten Spitzwegeriche. Und vom Baum fällt von Zeit zu Zeit ein abgedorrtes Blatt.

Ich suche noch Holz für das Feuer heute Abend, die vorgeschriebene Feuerstelle muss ich noch graben mit Johnnys Spaten. Dann schreibe ich diesen Text. Und dann ab in die Hängematte.

Den Murray runter

In Rutherglen kaufen wir einen Port, die Werbung ist gut, der Port auch. Wir wollen dem Murray folgen bis nach Südaustralien an seine Mündung ins Meer. Zwar ist der Darling, der westlich von Mildura in den Murray mündet, 150 Kilometer länger, aber mit seinen 3000 Kilometern ist er nicht nur respektabel, sondern auch noch viel wasserreicher als der Darling. Die Länge des Murray ergibt sich aus den unendlich vielen Schlingen und Kurven, die er macht, da er meist durch ganz flaches Land fliesst. In der Luftlinie sind es wesentlich weniger. Die Kurven und Schlingen ergeben viel schöne Landschaften und sehr günstige Verhältnisse für Flora und Fauna.

 Den obersten Teil haben wir auf der Fahrt nach Canberra über die australischen Alpen bereist. Die Gegend, in die wir nun kommen, ist sehr trocken, und endlich wird es auch warm: 38 Grad, 38 Grad, 37 Grad sind die Tagestemperaturen, und nachts kühlt es nicht ab. Wir stellen den Jeb ans Flussufer und schwimmen, wann immer wir können. Wir montieren die Camp-Dusche, einen Wassersack mit Duschöffnung, die wir durch ganz Asien geschleppt und im Büssli nie benutzt haben. Und nachts, es kühlt nicht eigentlich ab,  freuen wir uns – leicht stöhnend – über die endlich gefundene Wärme. Erst in Mildura, nach einigen hundert Kilometern, kommt eine Gewitterzone, aber der leichte Regen kann der Wärme nicht wirklich etwas anhaben.

Wir kommen in eine Fruchtfliegenzone. In diese dürfen wir keine Früchte und kein Gemüse mitnehmen. Wir müssen es in einen Container am Anfang der Zone werfen:  Zwei Aepfel und eine halbe Aubergine müssen dran glauben. Zwei Pfirsiche essen wir auf dem Platz.

Vorvergangenheit

Die  wenigen Städte sind verschlafen, Hinterland wirklich. Mein Eindruck: Sie haben ihre Zukunft meist hinter sich. In Rutherglen sind die Geschäft um fünf Uhr nachmittags geschlossen. Aber die Einwohner schauen ihren Städten gut, sie geben sich alle Mühe. Die Orte sind sauber, haben – extrem – breite Strassen, jedes etwas ältere Haus ist ein Museumsstück. Und ihre Werbebroschüren. Da könnten wir uns in der Schweiz eine Scheibe abschneiden. Die machen aus nichts eine Sehenswürdigkeit.

Die Häuser sind oft nett und ansprechend, die Vorgärten gepflegt. Aber das erste, was hier bei einem Neubau gemacht wird, ist ein Blechzaun um das Ganze, der das Haus richtig einengt, denn die Grenzabstände sind klein. Ob das in diesem riesigen Land ein Gefühl der Geborgenheit gibt? Denn eine Frage der Sicherheit ist es nicht, die ist gegeben.

Die Dörfer entlang der Ueberlandstrassen bestehen entweder aus wenigen Gebäuden an den Strassen und weit verstreuten Farmen, oder sie sind zwar auf der Karte eingezeichnet, aber am Weg schlicht nicht existent.

Milchwirtschaft
In Cobram, einer Kleinstadt, besuchen wir Trix, die Tochter von Turnkamerad Hampi und seiner Frau Lieselott, die beide im Verein Helvécia aktiv sind und immer wieder ungarische Freunde beherbergt haben. Trix ist Lebensmittelingenieurin ETH und arbeitet im Labor und in der Entwicklung von Murray Goulbourne, einem der grössten Milchkonzerne Australiens. Murray Goulbourne gehört genossenschaftlich den Milchproduzenten und verarbeitet pro Tag 3,8 Millionen Liter Milch zu Käse, Milchpulver, Lactose (vor allem aus der Schotte bei Käsen, sie wird nicht, wie bei uns, als Schweinefutter verwendet) und anderes mehr. Die Milch wird aus ganz Victoria und teilweise Südaustralien in Tanklastern zusammengekarrt. Früher waren es mehr Bauern aus der Umgebung, aber die lange Trockenheit und der Preisdruck auf der Milch angesichts des harten Dollar, haben viele kleine Bauern ruiniert.

Der Käse wird zur Hälfte nach Japan exportiert, und hier macht der Dollar eben Probleme. Wir erfahren von Trix viel über die Landwirtschaft. So z.B., dass der Export von Heu nach Australien ein gutes Geschäft ist. Das Heu wird in kleine Ballen stark gepresst und verschifft. Heuen ist hier nicht einfach: Es gibt nur einen Schnitt, und das Heu darf nicht zu feucht und nicht zu trocken sein. Sonst gärt es in den Ballen, in die es zunächst gepresst wird, und fängt Feuer, oder es zerbröselt und ist unbrauchbar.

Auf dem Fluss

In Echua, der grössten Stadt am mittleren Murray, gibt es einen alten, gut erhaltenen Hafen. Von hier fahren regelmässig restaurierte Raddampfer den Fluss rauf und runter. Wir machen eine kleine Ausfahrt, auf der wir mit einem Italiener aus Kalabrien ins Gespräch kommen. Er ist Agronom und Olivenspezialist, und arbeitet in einer Kleinstadt im Hinterland von New South Wales. Seine Frau, eine Griechin, und er finden das Leben hier eher schrecklich, aber sie beantragen zur Zeit trotzdem ein permanentes Visum. Emigrantenschicksal.

Unser Boot heisst Emmylou, stammt aus den ersten Jahren des vorigen Jahrhunderts. Die meisten Passagiere nehmen ihr Mittagsmahl ein, wir sitzen bequem in einer Art Loge auf dem Oberdeck, geschützt vor der sengenden Sonne. Die Fahrt ist gemütlich, die Steilufer ziehen vorbei, denn der Fluss hat hier eher wenig Wasser. Wir beobachten die Australier bei ihren Lieblingsvergnügen: Boot fahren, fischen, baden.



Am Abend haben wir dann die Boote vor unserer Nase bis es dunkel wird. Sie ziehen alles hinter sich her: Wasserski, Monoskis/Surfbretter, Gummiboote, Gleitbretter zum knien oder sitzen. Fluss rauf, Fluss runter, hin und her und her und hin, ein Saumais.

Pioniere

In Swan Hill besichtigen wir ein Pioneer Village, ein Dorf mit alten Häusern, die von überall zusammengetragen wurden. Die Hauptstrasse besteht aus Geschäften, die voll im Stil der Zeit eingerichtet sind, und durch die wir flanieren können. Auf der Porch, der gedeckten Veranda, spielen fünf Senioren schmissige Musik, nicht ganz lupenrein zwar, aber sehr ansprechend. Wir kaufen die CD, die wir im Auto laufen lassen. Einer muss aus Deutschland sein, denn es sind auch alte deutsche Schlager drauf.


Die Wohnhäuser aus der Zeit sind sehr einfach. In einem sitzt eine alte Frau, sie ist 85, und plaudert mit uns. Ihr Mann hiess Schulz, und mit ihm hat sie ganz Europa bereist (wie viele andere auch, die wir treffen). Ihr Vater kommt aus einer englischen Familie, ihre Mutter aus einer Hebammen-Dynastie irischen Ursprungs. Ihre Haare sind nach der Mutter: feuerrot. Und ihre Einschätzung der Engländer auch: „Die haben doch nie etwas allein richtig zustande gebracht“, meint sie eher verächtlich. „Wir mussten in die Kriege, wir wurden nicht gefragt.“ (Im Ersten Weltkrieg hat Churchill beim Debakel von Gallipoli am Bosporus die Australier gnadenlos verheizt. Wir haben Kriegerdenkmäler gesehen, auf denen wir bis vier Namen der gleichen Familie gelesen haben.


Hier steht auch das erste vorfabrizierte Wohnhaus Australiens. Aus Wellblech, wie es sich gehört. Dass die Dörfer heute mehr oder weniger immer noch so aussehen wie damals, ist ein anderes Kapitel (s.o.).




Die schöne Welt von 1880
Weiter hat das Museum eine gute Sammlung alter Maschinen und Fahrzeuge. Für uns ist das Prunkstück aber eindeutig ein Panorama, ein Panoptikum, eine transportable Bildmaschine, mit der ein Schausteller von Ort zu Ort reiste und den Leuten die schöne Welt zeigte. Sie ist rund, aussen sind kleine Bänke, auf die sich bis 36 Personen setzen können und durch eine Art Feldstecher die Bilder betrachten, die sich Stück um Stück an ihnen vorbeibewegen. Und diese sind dreidimensional, 3D!

Sie zeigen Ansichten Europas und Amerikas aus der Zeit um 1880, 1890. Auf jeden Fall vor dem Auto, denn das ist nirgends zu sehen. Dafür Kutschen, Kaiser, Denkmäler, Kirchen, Paraden, die vornehme Welt in Festtagskleidung mit Sonnenschirmchen, Melone und Strohhut, Marktszenen mit Obstfrauen und Kindern. Und alles gestochen scharf mit überwältigenden Details. Paris, London, französische Riviera, Istanbul, Kalifornien, Rheinfall, Jungfraujoch, Grindelwald, Venedig, Stierkampf in Spanien, Seebäder in Holland, Beerdigung eines französischen Generals, Hamburger Hafen. Wir haben geschwitzt wie blöd in dem Raum, aber wir haben kein Bild ausgelassen. Die Fotos allein wären eine Ausstellung wert gewesen.

Wein und Obst

Entlang des Flusses fahren wir die ganze Zeit durch Wein- und Obstplantagen. Zunächst ist das Land völlig flach, dann kommen kleine Wellen. Aber keine eigentlichen Berge. Die Weingüter sind eher Fabriken mit riesigen Tanks, fast wie Getreidesilos. Dann grosse Anlagen mit Steinobst, vor allem Pfirsichen und Aprikosen, weiter Zitronen, Orangen, Mandarinen, und schliesslich, kurz vor Mildura, kilometerlang nur Mandeln.

Wo nicht bewässert wird, ist es fast wie in der Wüste: Furztrocken, Büsche und Bäume aus salzigem Boden. Trix hat uns erklärt, dass die starke Bewässerung ohne genügend Regen dazu den Boden versalzt. Grundwasser hat immer Salz gelöst, und es braucht Regen, um dieses wieder in den Grund zu spülen.

Mildura war Schaftzuchtgegend, bis in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts durch eine lange Trockenperiode, wie sie hier immer wieder vorkommt, die Bauern aufgaben. Die Regierung beauftragte zwei Kanadier mit dem Bau von Bewässerungsanlagen, und heute ist die Stadt eine eigentliche Oase, weit ab von der Welt, aber blühend.

Wettersturz – ist der Sommer vorbei bevor er begonnen hat?

Wir sind jetzt auf einem bezahlten Campingplatz, da die freien alle am Flussufer liegen, und dort ist der Boden Lehm. Es ist gewittrig und hat auch etwas geregnet. Und dann wir es seifig, und mit unserem Fahrzeug gute Nacht!

Auf der Weiterfahrt kommt es dann richtig happig. Es regnet wie aus Kübeln, stundenlang. Das ist hier selten, und Elos Fähigkeiten als Regenmacherin haben sich offensichtlich wieder mal bewährt – Rain Woman haben sie vor einigen Jahren in der Zeitung in Queensland geschrieben, als sie nach einer Trockenperiode von einigen Jahren den gleichen Effekt auslöste. Die Temperatur fällt um rund 25 Grad und erholt sich nur langsam.

Der grosse Regen hat grosse Ueberschwemmungen zur Folge. Wir erleben sie nicht, sie treten am Mittel- und Unterlauf erst mit etwa 14 Tagen Verzögerung ein. Aber wir hören auf der weiteren Reise immer wieder davon. 1956 war eine Ueberschwemmung, die am Mittellauf den Pegelstand um mehr als 10 Meter anhob. Merkpunkte zeugen davon.

Früchte im grossen Stil

Mal sehen, wo wir den Sommer wieder finden. Wir versuchen es südwestlich, aber erst nachdem wir dem Fluss noch bis zur Mündung gefolgt sind. Zunächst geht es unterhalb Mildura durch riesige Anlagen von Wein und Obst. Kilometerlang. Wir wundern uns, wo die Trauben hingehen, da wenig Weingüter zu sehen sind. Ein Mann meint, das sei nicht so viel, nur wenige Kilometer (!) seitlich der Strasse, dann komme die Wüste. Die Felder sind alle bewässert, das Wasser wird hochgepumt.

Eine Wirtin in Blanchetown, wo eine der wenigen Brücken die Strasse von Adelaide nach Sydney, der Sturt Highway über den Fluss führt, erklärt uns die Sache mit den Trauben: Die meisten gehen an grosse Weingüter im berühmten Barossa Valley, Lindemann, Wolf Bass usw. Diese stellen dann – guten – Massenwein her, den sie unter einem ihrer Labels verkaufen. Die Früchte sind neben Pfirsichen, Pflaumen und Aprikosen auch viele Orangen und Mandarinen.

Auf einem Zeltplatz treffen wir einen Bauern weiter aus dem Süden. Er ist, sagt er, „dry farmer“, Trockenbauer, bewässert also nicht. Er sei mittelgross, eher klein, mit 1600 Hektaren (Kanton Thurgau: 10'000). Er hat hälftig Schafe und Ackerbau. 600 Lämmer pro Jahr gehen in die Metzgerei, einige Tonnen Wolle auf den Markt. Er baut vor allem Gerste an. Und er betreibt das Ganze zusammen mit seinem Sohn. Allein, ohne Hilfsarbeiter.

Mächtiger Murray

Der Fluss wird hier gross. Er ist 150 bis 200 Meter breit und hat sich in eine etwa 20 bis 30 Meter höher gelegene praktisch topfebene Landschaft eingegraben, vermutlich dadurch, dass das Land im Laufe der vielen Jahrtausende angehoben hat. Wir folgen dem Fluss auf kleinen Nebenstrassen ohne Verkehr. Wenn wir nicht direkt an der Kante fahren, können wir den Fluss nicht einmal ahnen. Die Strassen queren den Fluss mit Fähren, gratis, 24-Stunden-Betrieb. Wir benutzen sie kreuz und quer, denn wir fahren gerne damit. Bis Mildura gibt es 11 Schleusen, die aber mehr der Regulierung als der Ueberwindung von Höhe dienen, denn sie sind nicht tief.

Entlang des Flusses, der auch weiterhin stark mäandriert und so Schlingen und Schleifen in die Landschaft legt, sind in Totarmen viele See, die sie hier Lagunen nennen. Ein Paradies für Vögel. Wir verbringen eine Regennacht in Waikerie, dessen Name in der Sprache der Ureinwohner „alles was fliegtt“ heisst, der vielen Vögel wegen, die auch uns gut unterhalten. Auf der Terrasse des Hotels in Blanchetown, wo wir einen Kaffee und (ich) ein Glas lokalen Weisswein trinken, beobachten wir Dutzende von Pelikanen, die majestätisch kreisen und sich vom Aufwind hoch tragen lassen oder gemütlich im aufgewühlten Wasser unter der Schleusensperre landen.

Gekocht wird bei Regen natürlich in house, und es riecht dann wie in einer Mittelmeerbeiz – Knobli en masse. Die Kontrolleurin an der Staatsgrenze zwischen Victoria und South Australia fragt denn auch explizit, ob wir keinen Knoblauch dabei hätten. Sie muss es gerochen haben, uns ist das schnuppe.

Strahlende Geschichte

Auf dem Campground in Swan Reach, wo wir am Fluss zwei Nächte verbringen, erzählt mir ein Australier, er habe in der wirklichen Nullarbor-Wüste gearbeitet, und nicht nur dort, wo die Strasse, die wir nehmen wollen, entlang der Küste die Wüste streift. Er war in den 50er und 60er Jahren als Schlosser bei den englischen Atomversuchen angestellt, in einem Gebiet, das bis heute gesperrt ist. Es sei schon gefährlich gewesen, und nach der Arbeit hätten sie immer erst duschen müssen. Wenn der Geigerzähler angegeben habe, ein zweites Mal, und wenn er nach der dritten Dusche immer noch gepiepst habe, seinen sie in den nächsten Ort zum Arzt gebracht worden. Sie hätten es allerdings auch los gehabt, das Ding dreimal zum Piepsen zu bringen, denn im Ort sei nicht nur der Arzt, sondern vor allem auch die Beiz gewesen…

Er erzählt mir auch vom einem bekannten Bushman, einem Vermesser und Erkunder, der dort gearbeitet habe. Einmal sei er mit fünf Ureinwohnern aufgetaucht, die bis dahin noch nie eine weisse Person gesehen hätten. „Und auf diese haben sie den ganzen Dreck runter gelassen“, meinte er trocken. Einer, dem wir die Geschichte erzählten, kommentierte: „Mother Brittanny cared for us, Mutter Grossbritannien hat zu uns geschaut“. Die Franzosen hätten den Dreck dem Pazifik und seinen Inseln hinterlassen.

Der Unterlauf


Am Unterlauf wird die Landschaft beidseits gewellter, die Ufer zwar noch hoch, aber weniger steil. Sanfte Hügelzüge umgeben den Fluss, der etwa hundert Kilometer von der Mündung entfernt schon rund einen halben Kilometer breit ist. Wir bleiben zwei Nächte in Mannum, nahe der Fähre, mit der wir zu Fuss in den Ort einkaufen gehen können. Mannum ist Hauptort der Region. Auf dieser Ebene gibt es einen gewählten Rat, darüber kommt direkt der Staat South Australia und dann die Zentralregierung in Canberra. Die Aufgaben des Rats von Mannum sind denen unserer Gemeinden ähnlich: Strassen sofern sie nicht überregionale Verbindungen sind, Bauverwaltung, Wasser usw.


Alte, gute Weingegend


Wir kennen Barrosa Valley,  und das Hunter Valley. Aber das McLaren Valley (südlich von Adelaide, da gehen wir noch hin) und die Limestone Coast, (wo wir wieder sind, nachdem wir schon Conawarra mit Ulla und Vreni besucht haben). Wer hat von Langhorne Creek gehört, dem kleinen Nest, auf dessen Campingplatz wir gelandet sind? Und dabei ist hier die nach der Gegend um Mildura grösste Rebenfläche Australiens, an der Mündung des Murray. Und hier wird seit über 150 Jahren Wein produziert. Und guter. Hier macht einer der berühmtesten Nachwuchswinzer Australiens, Ben Glatzer, seine Heartland Wines, die auch in Europa Auszeichnungen en Masse holen.

Einige Familien sind versippt, und sie betreiben zusammen eine Weindegustation, die 200 Meter vom Campingplatz entfernt ist. Ein Cellar Door nennt sich das, eine Kellertür im Land der Häuser ohne Keller. Das „Winehouse“ von Langhorne Creek, das sich als „Tasting Room“, Probierstube, versteht, wird von fünf kleineren guten Betrieben unterhalten: Ben Pott, Gipsie Jack, Kimbolton, John’s Blend und Heartland von Ben Glatzer. www.thewinehouse.com.au. Ueber 20 Weine könnten wir probieren, wir lassen es bei fünf oder sechs, und sie sind sehr fein. Wenn eine Flasche zu lange offen war, und der Wein dementsprechend flach, öffnete die sehr kompetente Dame von sich aus eine neue.

Maschinelle Lese

Wir erfahren wieder sehr viel im über einstündigen Gespräch. Ein eigentliches Weibauinstitut gibt es nicht, dafür Fakultäten an den Universitäten. Die Jungwinzer bilden sich international weiter. Wenn es heiss ist, wird nachts geerntet, das gibt weniger Verlust. Anschliessend gehen wir noch einer Erntemaschine bei der Arbeit zusehen, sie liest Shiraz. Weinbauer Case von Kimbolton erklärt uns, dass die Maschine, die die Trauben in Rinnen losschüttelt, während das Laub weggeblasen wird, das diese Maschine also weniger Verlust hat als das bei der Handlese der Fall ist. Diese wird nur bei ganz jungen Reben angewendet, die noch geschont werden müssen; insgesamt ist es weniger als 1% der Ernte.

Immer wenn ich wieder etwas Neues über den Weinbau und die Reben erfahre, denke ich ans Bachtobel und an Juk. Und immer noch sind die gleichen Gefühle da: Trauer, Verständnis und Zorn.

Baukosten : Rechtskosten = 1 : 2

Wir nehmen die letzten Fähren über den nun mächtigen Fluss und fahren zur Mündung des Murray. Zunächst entlang des Lake Alexandrina, den der Murray vor seinem Eintritt ins Meer bildet nach Goolwa. Dort geht es über eine Brücke auf die Insel Hindmarsh. Die Aboriginies von Hindmarsh, und dabei vor allem die Frauen, wollten diese Brücke verhindern und die Insel schützen. Sie gewannen vor dem obersten Gericht Australiens den Prozess – aber der dauerte so lange, dass die Brücke bis dann schon zwei Jahre in Betrieb war! Die Prozesskosten für den Staat waren dementsprechend: Der Bau kostete 6 Millionen, der Prozess 12.

Und dass die Frauen mit ihren Befürchtungen Recht hatten, zeigt sich direkt nach der Brücke. Dort wird von Inmobilienhaien eine riesige sogenannte Marina gebaut, ein Projekt, bei dem (fast) jedes Haus einen eigenen Bootsplatz hat in künstlichen Meeresarmen. Völlig aus der Retorte, die Infrastruktur für das tägliche Leben soll noch kommen. Aber auch dann ist jeder „Schritt“ aus dem Haus nur mit dem Auto möglich. Da hilft auch ein Alibi-Radweg nichts. Von weitem erinnert mich die Marina mit den vielen unterschiedlichen Blechdächern an die Ghettos in den Homelands von Südafrika.

Kampf bis zur Mündung

Nachdem er sich schon durch so viele Felsformationen gekämpft hat, muss sich der Murray muss auch seine Mündung immer wieder freikämpfen gegen die Wellen des Südlichen Ozeans. Wie bei vielen anderen Flüssen schwemmen sie auch hier so viel Sand an, dass die geringe Strömung des Flusses nicht ausreicht, um die Mündung offen zu halten.

Früher haben sich dann hinter den so entstehenden Dünen neben Lagunen auch einer oder viele grosse Seen gebildet – der Lake Alexandrina ist so einer –, bis der Murray bei einem Hochwasser das Loch wieder aufgemacht hat. Das Mündungsgebiet ist dementsprechend flach, und es ist viele Quadratkilometer gross. Es wird heute natürlich für die Landwirtschaft genützt. Daher sind chronische Ueberschwemmungen unerwünscht, was zu ebenso chronischer Arbeit führt. Jedes Jahr müssen Unmengen von Sand entfernt werden, um dem Murray den Weg zum Meer offen zu halten.

Am Strand liegt viel herum: Fischbein, das wir in den Käfigen der Kanarienvögel finden, Gerippe von Fischen und Krebsen, tote Robben Seetang, Känguru-Mist, Muscheln usw. Auch finden wir Spuren von Kupfer, weshalb hier eine Küste Copper Coast heisst.


Halbinseln


Links und rechts von Adelaide gibt es Halbinseln, genauer genommen: Fleurieu Peninsula südöstlich, Yorke Peninsula westlich über dem Golf von St.Vincent. Während Fleurieu mit Hügeln und Wäldern landschaftlich sehr schön ist, ist Yorke, auf der viel Gerste angepflanzt wird, fast völlig flach. Fleurieu durchfahren wir an einem Tag von Port Elliot nach Adelaide, Yorke erleben wir länger.


Wir fahren am Nachmittag von Adelaide aus noch bis ans Südostende, da im Norden die Landschaft öde ist, und weiter im Süden die Campingplätze belegt: ein langes Wochenende kündigt sich an, denn am Montag ist in Adelaide Feiertag: Adelaide Cup, ein grosses Pferderennen. Da fahren alle, die das können, ans Meer, mit – in dieser Reihenfolge – Boot zum Fischen, Wohnwagen, Kind und Kegel.

Wir finden einen Platz in Edithburg, einer wohl ursprünglich deutschen Gründung mit vielen alten Grabmählern in deutscher Sprache. Wir bleiben drei Nächte, müssen aber jeden Tag umziehen, da für diese drei Tage praktisch alles belegt ist. Der Platz ist voller Boote, und die Leute fischen wie blöd. Da nur vom Boot aus gefischt werden kann, lasse ich es bleiben und mache mit Elo Spaziergänge am Meer. Wir sehen eine Robbe beim sünnele, Pelikane, Krebslein und vieles andere mehr.
 

Elo im Watt






Wind und Wellen
Am Sonntag hängt es uns aus, wir ziehen weiter. Auf den Tipp eines Paares vom Campingplatz fahren wir an die Südspitze von Yorke und dort über eine Naturstrasse auf einen einfachen Campingplatz am Meer, Hillocks Drive, an der Küstenstrasse. Die Frau sagt, wir hätten 7 Kilometer Küste zur Auswahl. Und wir finden einen sensationellen Platz auf der Steilküste. Direkt über dem Meer über den Klippen, mit Aussicht auf die Brandung. Und mit viel Wind. Jeb schaukelt, es wird nachts wohl ein Schlafen wie in einer Hängematte sein. Hinter dem Bus sind wir etwas geschützt und können in der Sonne zu Abend essen.

Es gibt Fisch, aber nur als Vorspeise. Denn ich habe etwas gefangen, aber der Fisch ist klein. Ich hatte einen unwahrscheinlichen Platz, auf den Felsen, in der Brandung. Da die Flut herein kam, war es sehr unruhig. Es hat gewellt und gespritzt, oft bis zu mir hoch. Für das Fischen war es sehr unruhig, und ich war froh, einen zu erwischen. Aber es war eindrücklich.



Fast eine Reparatur
In unserer Nasszelle ist beim Wasserhahn der Plastik zerbröselt. Ich habe das mit Tape geflickt, wollte es aber richtig repariert haben. Daher habe ich im Internet eine Werkstätte gesucht in Adelaide. Zu dieser sind wir von der Fleurieu-Halbinsel gefahren, und sie meinten, sie müssten den Mittelteil mit dem Lavabo auswechseln. Diesen Teil müssten sie in Melbourne bestellen (er war vorrätig), aber das sei keine Sache, da wir ja eine Woche Zeit hätten. Wir sollten dann am Donnerstag kommen (Ruth kommt Freitagabend an).
Aber Australien ist ein grosses Land. Am Freitag teilen sie uns mit, der Lieferant, respektive sein Lager, stehe unter Wasser, es sei nichts zu machen, die Lieferung verzögere sich. Das wollten wir aber nicht riskieren, weshalb wir die Sache abgeblasen haben und das Depot ovn 100 Dollar wieder abholen werden. Bis jetzt hält der Flick tiptop!
Petri Heil – und Herzflattern
 
Wir sind zwei Nächte in Hillocks Drive geblieben, es war zu schön. Das hat mir auch ermöglicht, zweimal am Morgen auf die Felsen fischen zu gehen. Ich habe den Standort gewechselt, es war eine rechte Kraxlerei auf allen Vieren die Felsen runter und rauf. Aber es hat sich gelohnt. Der Standort war sehr schön und er war gut. Mal drei und dann vier schöne Fische, es gab zwei rechte Mahlzeiten.
Bei den vieren waren zwei Leatherjackets, Lederjacken. Die sind sehr gut, und sie sind speziell. Am Kopf haben sie einen grossen Stachel, und die Haut ist ledrig über den ganzen Körper gezogen. Nach dem Ausnehmen schneidet man ihnen dien Kopf ab und zieht die Haut vom Körper wie einen Handschuh.
  
So weit so gut. Als wir sie nach der Abreise vom schönen Strand etwa 60 Kilometer weiter an einer öffentlichen Grillstelle braten wollten, merkte ich plötzlich, dass ich meinen Portemonnaie, ein Lederetui zum Noten falten,  mit über 500 Dollar verloren hatte. Er war mir aus der hinteren Gesässtasche gefallen! Da war die Stimmung aber im Keller, teure Fische! Ich konnte es mir nur so erklären, dass beim Sitzen auf den Felsen der hinten rausgerutscht war, denn die australischen Shorts sind da lockerer geschnitten und ich hatte den Druckknopf icht zu.
 Also das Ganze zurück zum Ausgangspunkt: 45 Kilometer Hauptstrasse, 16 Kilometer Naturstrasse und dann noch 3 Kilometer Piste an der Küste von Hillocks Drive. Und dann runter an den Strand geklettert und rauf auf die Felsen. Es ging gerade noch, denn eine Stunde später wären die Felsen in der Flut eine Insel geworden und damit unerreichbar. Und wirklich – das Portemonnaie lag genau da, wo ich es gedacht hatte. Ein Blick zurück beim Verlassen des Platzes hätte gereicht, ich aber suchte nur einen kleinen Teich in den Felsen mit Wasser von der Flut, um die Fische zu waschen… Es waren 760 Dollar, nicht 500.
 
Arthurton
Da wir nun etwas später dran waren, beschlossen wir, den Gratis-Platz von Arthurton zu nutzen für die Nacht. Er liegt hinter der Kirche, beim Friedhof, also haben wir ruhige Nachbarn. Die Fische hatten wir inzwischen vertilgt, sie schmeckten ausgezeichnet. Unterwegs sind wir durch viel Rauch gefahren. Die Bauern brennen die Stoppelfelder aber, um so der Schnecken und Mäuse Herr zu werden.
 

Ueber den ganzen Schreck runter hatte ich Lust auf ein Bier. Aber um sieben war das Hotel und damit die Bar schon geschlossen. Wir spazierten durch den Ort, der aus wenigen Häusern und drei (!)Kirchen besteht, einer Military Memorial Hall, einem Laden und einer ehemaligen Autowerkstatt mit Tankstelle (auch ehemalig). Also gut zum gratis übernachten, und dann weg. Aber oha. Wir sahen am Ortsrand einen tipptoppen Tennisplatz, mit vier Feldern und einem schönen Tennishaus. Da wollten wir ein Bier kaufen, und es wurde mehr daraus.
 
Bauern-Tennis

Das Tennishaus hat keine Verkaufslizenz, aber wir erhielten doch zwei Bier, und sofort waren wir im Gespräch mit den verschiedensten Leuten. Alle sind Bauern, der Ort besteht im Wesentlichen aus den vielen Farmen darum herum. Und die sind nicht arm, der Platz ist vom Feinsten. Sie spielen zum Teil gut, zum Teil weniger, und wir erfahren einiges über die Landwirtschaft hier.
 
Die Erträge sind zwar wesentlich kleiner als bei uns, dafür aber die Farmen etwas grösser. 600 Hektaren sind klein, es reicht nicht, drei Familien zu ernähren, Vater und Söhne müssen noch Nebenjobs haben, als Elektriker, Spengler usw. 1200 Hektaren sind schon besser. Angepflanzt wird vor allem Gerste (für Bier in China), Raps und Linsen. Einige haben wenige (600) Schafe. Der Boden ist in der Mitte der Halbinsel gut, dann wird er zur Küste sofort sehr sandig. Wo er sandig ist, wird nicht gepflügt, sondern zwischen die Stoppelfurchen eingesät.
 
Wir erhalten spontan eine Einladung von Kirsty und Bill, am nächsten Tag ihre Farm zu besuchen. Diese nehmen wir gerne an, da wir so einen noch besseren Einblick ins Bauernleben Australiens erhalten. Und am Abend sollen wir unbedingt aufs „Oval“, so heissen die Sportplätze hier, kommen, es gibt eine grosse Party mit Rasenboccia (Bowle). Also nichts wie hin, und so bleiben wir zwei Tage an diesem schönen Ort, mit diesen wirklich sehr netten Menschen. (Aus einem Bier wurden drei, zwei waren gesponsort!). Am Tag gehen wir baden, ganz nah, nur 30 Kilometer weit weg.

Es kommt eigentlich nicht darauf an, wo und wie du ein Land erlebst, wenn du es denn nur erlebst.

Australischer Bauer

Untertags fahren wir ans Meer, nach Moonta, einer ehemaligen Kupfer-Bergwerksstadt. Die Abraumhalden sind noch da, die Maschinenhäuser sind am verfallen. Die Stadt hat noch die alten Bauten aus besseren Zeiten, die Kirchen. Heute lebt sie vom Tourismus, der das nahe Meer nützt. Wir gehen am Strand nicht aus dem Auto, es windet zu sehr.

Durch einen veritablen Sandsturm fahren wir nach Arthurton zurück. Kurz davor biegen wir links ab, bei dem am Zaun angebrachten Autoschild und einem grossen Gummibaum, die uns von Kirsty genau beschrieben wurden. Ueber eine Kiesstrasse kommen wir in einen grossen Bauernhof mit vielen Gebäuden und einer Reihe von Fahrsilos, die während der Ernte auf dem Feld das Korn aufnehmen, bevor es dann in die Lastwagen verfrachtet wird.

Für Kirsty, eine Kulturjournalistin, die in England studiert hat und aus den Hügeln bei Adelaide kommt, ist es sicher nicht einfach, hier auf dem wirklich platten Land zu leben. Zum Glück ist Bill auch gut gebildet und vielseitig interessiert.





Bill zeigt uns den Hof und die Fluren. Er bearbeitet mit seinem Bruder zusammen 4500 Acres oder 1800 Hektaren. 1500 Acres gehören ihnen nicht, hier liefern sie 25% des Ertrags an den Eigentümer ab. Sie bauen vor allem Weizen an, der international (vor allem nach China) verkauft wird, dann auch Linsen (naher Osten) und Raps. Sie haben 600 Merino-Schafe, die Wolle und Fleisch produzieren.

Der Weltmarkt diktiert die Preise. Das kann von Vorteil sein. Vor einigen Jahren herrschte Dürre. Glücklicherweise war das zu einer Zeit, als international das Getreide knapp war. Die hohen Getreidepreise glichen den geringen Ertrag aus.

Viel Geld gebunden
Der Maschinenpark von Bill und seinem Bruder ist imposant. Eine riesige Sämaschine. Viele Dutzend Messer ritzten den Boden wenige Zentimeter auf. Dann wird aus dem grossen Fahrsilo das Saatgut eingestreut und hinten kommen Räder, die den Boden wieder schliessen. Das Ding würde neu 700'000 Franken kosten, die Brüder haben es gebraucht gekauft. Das sind dann immer noch 400'000 Dollar oder Franken. Dazu kommen dann noch die Kosten für die grossen Scheunen.

Daneben haben sie noch einen Mähdrescher (auch grösser als bei uns), einen Sattelschlepper und und und. Bei 7% Kapitalzinsen muss da was laufen.

Auf den Feldern, über die wir fahren, sehen wir die vielen kleinen weissen Häuser-Schnecken. Das Problem ist nicht der Verlust durch ihren Frass, sondern die verheerenden Auswirkungen auf die Erntemaschinen. Die sehr kleinen Schnecken werden wie gemahlen. Ihr Schleim verbindet sich mit dem Getreidestaub zu einer Masse, die dann hart wie Zement wird und die Maschinen kaputt macht. Wenn die Felder abgebrannt werden, gehen die Schnecken kaputt, und nicht die Maschinen.
Bewässert wird hier nicht. Das Wasser, das vom Murray bis hierher geleitet wird, ist zu teuer. Dafür sind dann auch die Böden nicht versalzt.

Und dann doch noch
Unterwegs hatten wir plötzlich einen Anruf: Griggs. Sie könnten das Waschbecken doch noch erhalten. Ich bat sie, allenfalls Express-Kosten auf sich (uns) zu nehmen, und das klappte. Wir konnten Jeb am Morgen abliefern, mussten aber um sechs Uhr abfahren und  uns auf eine Nacht im Hotel einrichten. Wir nahmen den Rucksack mit den entsprechenden Utensilien mit, nachdem wir Jeb abgeliefert hatten.

Sie haben alles wunderbar geflickt, die Duschkabine ist wieder in Ordnung. Und wir haben gestaubsaugt wie die Wilden, im – eher vergeblichen – Versuch, den Sand der Yorke Peninsula wieder aus dem Auto zu bekommen.

Dank der Reparatur kamen wir zu unserer ersten Nacht in einem richtigen Bett sei drei und dem ersten eigenen Badezimmer sei vier Monaten. Es war schön, das Bett breiter als das Auto. Und trotzdem habe ich nicht gut geschlafen, sauber zwar, die Finger endlich von der Tinte der Tintenfische gereinigt, die mir als Köder gedient hatten, aber doch eingeschlossen in einem Raum, dessen Fenster sich nicht öffnen liessen.

Hahndorf und Kamera mit Liz und Tommy
Freund Erich aus Hongkong hat uns an seinen Freund Tommy aus Adelaide vermittelt. Liz und Tommy, ein früherer Direktor der HSBC (Hongkong and Shanghai Bank Corporation) führten uns nach Hahndorf aus, einer ehemals deutschen Gründung, die heute vor allem vom Tourismus lebt. Wir assen in einem deutschen Lokal Fleischkäse mit Kartoffelsalat, dazu ein deutsches Bier und einen Appelkorn. Es war gut, nicht ganz original zwar, aber gut.

Am Nachmittag habe ich dann noch eine neue Kamera gekauft. Die alte Olympus löst sich langsam in ihre Bestandteile auf. Die neue – auch eine Olympus – hat nur noch 80 Franken gekostet, scheint aber ganz gute Bilder machen zu können. Wie man für so wenig Geld eine Kamera bauen kann, entzieht sich meine Vorstellungskraft.



Putzwut in Erwartung der grossen Schwester

Morgen holen wir Ruth und ihren Sohn Thomas vom Flughafen ab. Wir fahren mit ihnen nach Westen, nach Perth. Um ihnen einen einigermassen adäquaten Empfang bieten zu können, haben wir Jeb nach Strich und Faden geputzt. Elo innen, ich aussen. Er war entsprechend dreckig. Insbesondere die Naturstrassen im Süden der Yorke Peninsula hatten deutliche Dreckspuren hinterlassen. Es war garstig, aber jetzt haben wir ein sehr gutes Gewissen.

16.3.12 / JB.