Freitag, 27. Juli 2012

3-18 Outback

Zwei Nachträge / Zurück in den Norden / Ins Outback / Einmal überholen = 40 Kilometer / Riesenfarmen / Strassenschilder / Erst jetzt so richtig / Trocken mit Abwechslung / In Queensland / Wie im Zoo / ((Exkurs Sozial-Anthropologie der Aborigines)) / Stadt in der Mine / Löhne / Weiter ins Niemandsland


Zwei Nachträge
1. Auf dem Weg zum Uluru haben wir mit dem Bus zwei Wedge-tailed Eagles aufgescheucht, die grössten Vögel Australiens. Diese Adler haben eine Spannweite bis zu 2,3 Metern und brauchen einige Zeit, bis sie flugmässig auf Touren sind. Ganz schön eindrücklich.

2. Die Flüsse hier im Zentrum haben keinen Zugang zum Meer. Sie entspringen irgendwo in den Bergen und fliessen irgendwo hin in die Wüste, wenn sie mal Wasser haben. Alle paar Jahre kommen sie ganz schön mächtig und machen tiefe Betten. Die Wasserreserven der Region sind unterirdisch, und sie ermöglichen sogar Plantagen von Trauben, Mangos und  Melonen.

Zurück in den Norden
Wir sind mit dem geflickten Jeb wieder auf Fahrt in Richtung Norden. Wir fahren auf der gleichen Strecke zurück, die wir gekommen sind. Dann geht es nördlich von Tennant Creek in Three Ways nach Osten an die Grenze zu Queensland.

Sid, der Fahrer auf dem Weg zum Uluru – sonst ein sehr netter und kenntnisreicher Mensch (!) –  bezeichnete Wohnmobile wie unseres als „Aluminium Roadblock“, als Strassensperren aus Aluminium. Sicht des Fahrprofis. Sei’s drum, wir gondeln mit 75 bis 80 Kmh durch die Gegend und geniessen es.

Nachdem wir mit Ulla zwei durchgeplante Wochen hatten – es war ein gutes Programm – nehmen wir es jetzt wieder gemütlich und fahren einfach der Nase lang so weit wir wollen. Den  nächsten Termin haben wir nicht heute Nachmittag, morgen oder übermorgen. Er ist in rund 6 Wochen in Cairns, wo wir Marianne und Heiri treffen wollen.



In Alice Springs gehen wir nochmals in die Stadt. Auf einem Parkplatz malen Aborigine-Künstler auf dem Trottoir sehr schöne Bilder. Wir erstehen eines. Die Künstlerin heisst Rahab Spencer. Das Bild „Possum Dreaming, Women Looking for Food and Looking for Possum“ (Opossum Traum, Frauen schauen für Essen und schauen nach Opossums aus).


Rahab (rechts) mit Schwester und Bild









Ins Outback
Die Gegend, durch die wir hier fahren, ist nun wirkliches Outback, Hinterland, weit weg von allem. Auf den 500 Kilometern bis Tennant Creek hat es drei Roadhouses, sonst nichts. Drei Tankstellen also, mit allenfalls einer Aborigine-Siedlung in der Nähe. Ab Three ways geht es dann 600 Kilometer bis nach Mount Isa, der Minenstadt in Queensland. Unterwegs nach 400 Kilometern ein Dorf. Sonst nichts.

Die Landschaft ist eintönig flach. Dann und wann kommt ein Hügelzug in Sicht. Manchmal begleitet er uns viele Dutzend Kilometer seitlich und verschwindet in der Ebene ebenso, wie er aufgetaucht ist, manchmal kreuzt er die Fahrbahn. Dann gibt es ein paar richtige Kurven.

Sonst geht es immer gerade aus. Vor uns das gestreckte asphaltierte Fahrband mit ausgezogenen Linien an der Seite und der gestrichelten in der Mitte. Links und rechts Busch. Meist dicht, Sträucher wie Mulga, das Nutzholz der Eingeborenen, wenig Bäume. Diese dann aber oft schön mit weissen oder rosaroten Stämmen, White oder Salmon Gum also (Weisser oder Lachs-Eukalyptus).

Einige Büsche blühen gelb. Es sieht aus wie Mimosen, aber es sind viele kleine Blütenwürmchen, also eine andere Pflanze. Tagsüber sehen wir keine Tiere, ausser manchmal einigen Kühe, und nur wenig Vögel. Auf dem Weg nach Norden haben wir am Morgen die Sonne von rechts, dann von vorn und am Nachmittag von links. Das wechselnde Licht sorgt für Abwechslung.

Nochmals Tüfelschügeli

Wir kommen wieder an den Devils Marbles vorbei, den Tüfelschügeli. Diesmal übernachten wir hier. Der freie Campingplatz ist etwas überlastet, aber wir können am Nachmittag in den Teufelsmurmeln spazieren und am Abend den Sonnenuntergang geniessen.




Wir freuen uns an den Farben und Formen. Es ist sehr schön.











Einmal überholen = 40 Kilometer
Der Verkehr ist schwach. Auf der Nord-Süd-Transversalen von Darwin nach Adelaide ist es etwas mehr, nach Osten dann merklich weniger. Wenig Lastwagen, wenig Personenwagen, wenn schon Wohnmobile der Rentnerband. Sie sagen dem hier ja die Grauen Nomaden. Ich bezeichne es als Rollendes Altersheim, Home mobile (im Mobile Home), Asilo roulante. Ohne diese Verkehrsteilnehmer wäre die Strasse quasi tot.

Und auch mit ihnen ist auf der Geraden von zig Kilometern oft hinten und vorne nichts zu sehen. Da taucht ein Wohnmobil  weit hinten im Rückspiegel auf. Es ist etwas (weniges) schneller als wir, und nach 15 bis 20 Kilometern hat es uns eingeholt. Dann fährt es 5 Kilometer hinter uns her, bis der Fahrer meinem Blinkzeichen glaubt und uns überholt. Dann geht es weitere 10 bis 20 Kilometer, bis es vorne verschwindet, nachdem es die längste Zeit auf einer Luftspiegelung vor uns her gegondelt ist. Es wird immer kleiner und löst sich dann irgendwie auf. Mir kommt Mani Matters Lied „Bim Coiffeur“ in den Sinn, wo er in den Spiegeln der Unendlichkeit verschwindet „grad wie-n-en Gufechnopf“.

Die Ueberholmanöver der grossen Lastzüge mit Anhängern bis zu 53,5 Metern Gesamtlänge (so genau nehmen sie es hier; muss wohl eine Umrechnung von englischen Längen in metrische sein), diese dauern dann viel weniger lang, ebenso wie die von PWs.

Die Aufforderung zum Ueberholen ist, wie vieles hier Down Under für uns verkehrt. Wie der Mond auf die falsche Seite zu- und abnimmt, wie die Sonne am Mittag im Norden statt im Süden steht, wie das Wasser im Ablauf verkehrt rum runterläuft, wie der Verkehr links statt rechts fährt, wie wir beim Ueberqueren der Strasse erst rechts, dann links schauen müssen – genau so ist des mit dem Ueberholblinker: Wenn du zeigen willst, dass er dich überholen soll, musst du zur Strassenmitte (beim Linksverkehr also nach rechts) blinken, er kann also die rechte Fahrbahn nutze. Blinkst du zum Strassenrand, soll er bleiben wo er ist. Bis ich das gemerkt habe!

Riesenfarmen

In Richtung Westen fahren wir durch das Gebiet der grössten Viehfarmen (Cattle Stations = Viehstationen). Sie haben Tausende von Quadratkilometern Fläche. Vieh sieht man wie gesagt wenig, aber Zäune entlang der  und Viehgrills quer über die Strassen zeugen von der Viehwirtschaft. Alle paar Dutzend Kilometer kommt ein grosser Sendemast mit Antennen. Diese dienen der Kommunikation der Farmen, die auch eigene Flugfelder haben.

Wir sind jetzt etwa 200 Kilometer auf dieser Strasse gefahren, und es waren nicht mehr als ein halbes Dutzend dieser Masten. Also auch etwa so viele Farmen, deren Land dann weit nach Norden und Süden geht. Siedlungen gibt es wie gesagt keine. Die Savanne hier ist etwas ansprechender. Es gibt weniger Unterholz, dafür mehr einzelne Bäume, die im Abendlicht sehr schön sind. Wie ein grosser Park.

Weiterhin ist alles flach, nur manchmal eine wenige Meter hohe Wasserscheide zwischen zwei Flussläufen, in denen in der Regenzeit das Wasser fliesst. Auf den „Anhöhe“ sehen wir dann weit ins Land hinaus. Topfeben, soweit das Auge reicht.

Strassenschilder
Die Flüsse müssen von Zeit zu Zeit ganz schön Wasser bringen. Immer wieder wird auf einen „Floodway“, eine Ueberflutungsstelle hingewiesen. Und Messpfähle („Indicators“) zeigen in solchen Situationen die aktuelle Wasserhöhe, damit der Fahrer weiss, wie tief er eintauchen wird, und ob das sein Gefährt aushält, ohne Wasser in den Motor zu bekommen. Meist sind die Pfähle auf 1,4 Meter ausgelegt, aber es gibt auch solche, die bis 2 und mehr Meter gehen. Zu dieser Jahreszeit nicht vorstellbar.

Ueberhaupt die Strassenschilder: Was da nicht alles angezeigt und vorgeschrieben wird. Vermutlich um die Monotonie der Landschaft etwas zu unterbrechen. Da wird zum Beispiel für die vor uns liegenden Wegstrecken (Aborigine- Land) in der Oeffentlichkeit Alkoholkonsum und Pornographie verboten. Was das erstere ist, können wir uns vorstellen, das letztere ist uns aber schleierhaft. Wir wollen uns nächstens so ein Schild genauer ansehen, denn immer ist so viel Kleingedrucktes drauf, dass das ein Autofahrer sowieso nicht lesen kann. (Es sind Androhungen von Bussgeldern, gestuft nach Material und Quantität des „Imports“.)

Dann die gelben Hinweise auf Tiere. Kamele: Nie eins gesehen. Kängurus: immer von links kommend (gestern eines von rechts, so ein Nonkonformist), wie wenn die nicht auch von rechts könnten (heute habe ich auf einem dieser Schilder gesehen, dass ein Witzbold dem Tier mit Filzstift Skis angezogen hat; das sah im wahrsten Sinne des Wortes cool aus). Kühe: meist von links, aber manchmal auch von rechts, auf der Tafel.

Dann die braunen Hinweise auf historische Stätten, die meist nur eine Hinweistafel auf die Tat eines Entdeckers sind, bei der dann wichtiger ist, welcher Politiker wann diese Tafel eingeweiht hat. Aber auch Hinweise auf schöne Aussichtspunkte (dort wo es Hügel und Berge hat), die zu besuchen sich meist lohnt.

Erst jetzt so richtig

Als wir gemeint hatten, wir wüssten nun endlich, wie das richtige Outback aussieht, ging es erst eigentlich los. Hinter Barkly Homestead, im Barkly Tabelland, wurde es auf rund 200 bis 300 Metern über Meer endgültig flach. Hier gehen auch die Büsche und Bäume aus. Alles gelbes Gras, von Horizont zu Horizont. Ein Antennenmast in einigend Dutzend Kilometern zeigt die nächste Riesenfarm an. Es ist eindrücklich und schöner als die buschige Steppe davor.



Auf beiden Seiten der Strasse Stacheldrahtzäune, um die Kühe vom Betreten der Strassen abzuhalten. Und als kleine Erhebungen der Aushub von grossen Wasserlöchern, um die über Mittag die Vieherden versammelt sind. Die, die noch nicht da sind, trotten auf dem Weg dahin vor sich her. Der grosse Muni, der hinter einer Kuh auf dem Weg zur Tränke hertrottet, hat wohl nicht nur das Wasser im Sinn, auch wenn es ihm im Mund zusammenlaufen mag.

Trocken mit Abwechslung
Ausser den Homesteads gibt es gar nichts. Nach Süden kündigen sich grossen Wüsten (Simpson Desert, Sturt Stony Desert, Strzelecki Desert, Tirari Desert) sowie die Halbwüste Diamantina an, in die die Flüsse sich verlieren. Eine fast unmerkliche Wasserscheide von rund  330 Metern Höhe führt ins Becken des Lake Eyre. Dieser ist rund 1000 Kilometer (Luftlinie!) weiter südlich in Southern Australia und verliert, wenn er alle paar Jahre durch grosse Regenfälle mal voll läuft, sein Wasser ebenso in diesem Wüstenbecken. Dieses Jahr war er voll, die regionalen Touristikflieger hatten Hochsaison.

Am Uluru war heuer alles recht grün, denn es hat nach 10 Jahren in der letzten Zeit wieder einmal richtig geregnet. Sie rechnen nun wieder mit einer Trockenheit von rund einem Jahrzehnt.

In Queensland
Nach 200 Kilometern nichts steht im Nichts die Begrüssungstafel von Queensland. Kurz vor Camooweal (wohl „Kamuwiil“ ausgesprochen), einer Etappenstadt mit rund 300 Seelen, biegen wir in einen ausgedehnten Buschcamping ab. Entlang des halb ausgetrockneten Georgina Rivers, von dem nur noch einige schnell verlandende Wassertümpel stehen, gibt es eine grosse Anzahl schöner Stellplätze. Der Georgiana ist übrigens einer der zwei Hauptflüsse, die den erwähnten Lake Eyre speisen – von hier aus quasi! Der andere ist der Diamantina.

Die erste Nacht verbringen wir noch in Strassennähe. Ich suche, unterstützt von Elo, Feuerholz, muss allerdings weit gehen. Die Arme sind vom Schleppen etwas offen, und auf der letzten der 8 Ueberquerungen eines giftigen Stacheldrahtzauns, erhält die Hose einen Dreiangel. Passier nüt Schlimmers! Dafür ist das Campfire am Abend schön wie lange nicht mehr.

Am Morgen machen wir noch einen Spaziergang an die Wassertümpel – und bleiben eine weitere Nacht, diesmal direkt am Wasser.

Wie im Zoo
Die Vogelwelt ist unwahrscheinlich: Grosse Saurus-Kraniche und kleine weisser Reiher
...von uns gestört


ebenso wie Weisshalsreiher, dann zwei Sorten Ibisse (Glossy und White), dann Kormorane und Pelikane, dann allerlei Enten und Taucher,

dann Dutzende von grossen Raubvöglen (kites, Milanart), deren Nester direkt über unseren Köpfen in den Bäumen hängen, dann kleine Singvögel, dann Möwen und Papageien, dann Raben und Elstern – alles direkt vor der Nase zu besichtigen. Sie jagen, sie tauchen, sie fressen, sie verjagen sich, sie wechseln die Standplätze. Pferde kommen von ihren Weiden, um zu saufen. Es ist immer was los.


Ich sitze auf dem Stuhl und staune, Fotoapparat und Feldstecher in Bereitschaft. Oder wir liegen in den Hängematten und haben den Ausblick zwar etwas eingeschränkt, aber dafür können wir dann und wann ein Nickerchen machen.

((Exkurs Sozial-Anthropologie der Aborigines))
Ich habe mich im letzen Blogpost über das kulturelle Entwicklungsstadium ausgelassen, das die Ureinwohner Australiens erreichten. Ich bin jetzt etwas unsicher geworden: Ich weiss nicht, ob sie wirklich technisch auf dem Stadium der jungen Altsteinzeit stehen geblieben sind. Denn wir haben hier am Georgina River Unmengen von Feuerstein (Silex) gefunden. In Knollen, zersplittert, mit scharfen Kanten. Und dieser Silex war ja das Material, das in unserer Jungsteinzeit für die Herstellung von Waffen und vor allem auch Werkzeugen gebraucht wurde.




Silexknollen


Ich habe im Internet gesucht. Die Ureinwohner scheinen im Wesentlichenwirklich nicht über das Entwicklungsstadium der Jäger und Sammler hinaus gekommen zu sein, auch wenn einige Stämme z.B. am Murray Aale regelrecht züchteten. Sie haben auch Vorräte angelegt, wenn wohl auch nur in durch die Natur beschränktem Masse. Und im Südosten wurde auch Warenaustausch durch Handel getrieben. Aber über Werkzeuge habe ich wenig gefunden. Die Suche nach Nahrung erfolgte mit einem Grabstock, Ackerbau in unserem Sinne wurde nicht betrieben. Die Arbeitsteilung, abgesehen von der zwischen Mann und Frau, war, wenn überhaupt, rudimentär.




So bleibt vorläufig bei aller Unsicherheit meine Aussage, dass die Gesellschaft der Ureinwohner auf einem bestimmten Entwicklungsstadium stehen geblieben ist, bestehen. Und dass diese Gesellschaft segmentär war, also keine zentralen Herrschaftsstrukturen gekannt hat, ist sicher.
Ende des Exkurses))

Stadt in der Mine
Nach knapp 200 Kilometern kommen wir ins Zentrum dieser Ortschaft zu der Camooweal gehört: Mount Isa. Die Leute von Camooweal bezeichnen die Strasse als die grösste Hauptstrasse der Welt, da sie ja ein Vorort von Mount Isa seien. Dieses ist mit rund 25'000 Einwohnern die grösste Stadt Queenslands abseits der Küste. Und das im Niemandsland. Sie entstand nach der Entdeckung einer Silbermine, und heute wird hier Kupfer, Blei, Zink  und Silber abgebaut.
Die Mount Isa Mines, die im Zentrum des Ortes liegen, sind die grösste Untertage-Mine der Welt. Sie beschäftigen rund 4000 Personen im Bergbau. Die Stadt hat zwar eine umfassende Infrastruktur, die aber auf die technische Seite ausgelegt ist. Die Mine kommt bis ins Zentrum. Die Luft soll nicht sehr gut sein, und die Böden mit Giften belastet. Wir legen hier einen Waschtag ein, mehr gibt „The Isa“ nicht her, es sei denn einen saukalten starken Wind.



Löhne
Ein Nachbar packt seinen Wohnwagen (riesig, uralt) zusammen. Ich frage nach dem Wohin. Er wechselt nur den Zeltplatz, denn er hat hier einen festen Job gefunden, und auf unserem Platz kann er nur maximal einen Monat bleiben.

Er kommt aus Adelaide und ist Mechaniker für Dieselmotoren. Seine neue Firma, für die er auch schon in Adelaide Jobs gemacht hat, arbeitet im ganzen Nordwesten, und er muss dann nach Darwin, nach Cairns, nach Brisbane usw. Er hat einen Service-Lastwagen, mit dem er die Distanzen bewältigt – keine unter 1500 Kilometern.

Er verdient gut: Die Arbeitswoche beträgt 60 Stunden (6x10). Für die ersten 38 Stunden gibt es 40$ Stundenlohn, für die nächsten zehn 60 und für die restlichen 12 Stunden 80$. So kommt er netto auf gut 2000$ die Woche. Dazu kommt noch die Wohnung, die bezahlt ist: Jetzt sind es die Campingplatzgebühren mit allem drum und dran. Wenn er nach 3 Monaten Probezeit fest angestellt wird, stellt ihm die Firma ein Haus zur Verfügung, mit Strom und Gebühren. Und wenn er 6 Monate „übersteht“, dann kommt noch ein einmaliger Umzugsbonus von 15'000$ dazu.

„Was machst Du mit dem Bonus“, frage ich ihn. „Ich kaufe hier ein Haus. Ich habe drunten in Adelaide schon zwei Häuser. Die bringen mir jede Woche noch einige Hundert Dollar.“ Es geht ihvf21m offensichtlich gut, aber er muss hart arbeiten dafür. Und entweder ist er Boxer oder er hat vor lauter malochen keine Zeit zum Zahnarzt zu gehen. Die Hälfte der oberen Schublade fehlt auf jeden Fall.

Weiter ins Niemandsland
Wir sind jetzt auch Besitzer einer sehr komfortablen Matte vor der Eingangstüre, 1,5x1,5 Meter, Schaumstoff, leicht zusammenlegbar. Elo hat sie gefunden. Ein Camper hat sie beim Abfahren vergessen, und als echte Thurgauerin hat sie gemeint, es sei besser, wir nehmen sie mit, bevor ein anderer auf die Idee kommt.

Morgen geht es 100 Kilometer nach Osten, nach Cloncurry, dann 400 Kilometer nach Norden an den Golf von Carpentaria, auf einer Strasse, auf der nur eine Spur geteert ist. Da wird unterwegs was los sein!

27.7.2012 / JB.

Freitag, 20. Juli 2012

3-17 Vom Kakadu zum Uluru




Mehrstufiger Abschied von Darwin / Endlich Crocs / Felsmalereien / Röntgen und Striche / Entwicklungen / Klettermuseum / Perfekt / Kunstzentrum / Nourlangie / Sie sitzen auf dem kulturellen Zaun / Badefreuden / Auf dem Weg nach Süden / Tüfelschügeli / Im Zentrum Australiens / Fahren lassen: ins rote Herz Australiens / Uluru und Olgas / Farbspiele / Falllinie / Olga erwandern / Garten Eden / Ueberdosis Landschaft / Reparatur und Abschied / PS I Designerarbeit / PS. II Four for nine

Mehrstufiger Abschied von Darwin
Wir holten unsere Freundin Ulla aus Frankfurt vom Flughafen ab, wo sie noch einigermassen verfroren von Sydneys Wetter erzählte. Nach einer Stadtrundfahrt spazierten wir durch die Innenstadt zum Hafen.




Auf dem Pier gab’s zum Apéro Crevetten, dann in einem schönen Hafenrestaurant grosses Buffet mit Fisch, Fleisch und Dessert.
Wir waren schön müde, als wir nach gut 10 Kilometern Rückfahrt im Campingplatz ankamen und feststellten, dass Ullas Rucksack mit allem (!) drin am Stuhl auf dem Pier hängen geblieben war. Und ich hatte so schön in unseren Standplatz eingeparkt! Also: alles zurück, und der Rucksack war brav eingesammelt und sicher deponiert worden. Australien, auch das.
Am Morgen besuchten wir noch das sehr schöne Museum, das an der Bucht in einem Park liegt. Sie haben eine gute Ausstellung über eine Aborigine-Künstlerfamilie aus dem Norden. Dann auch eine Dokumentation über den Wirbelsturm Tracy von Weihnachten 1974, der über 70% der Häuser demolierte.
Wir verabschiedeten uns von Darwin. Aber nichts da.. Als wir im Palmerston nach dem Einkaufen noch einen Kaffee tranken, meinte Ulla plötzlich, da seien doch noch irgendwie drei grosse Badetücher an einer Leine im Campingplatz. Was sind schon 10 Kilometer: nichts wie zurück, und die Tücher geholt. Aber nun endgültig: bye bye Darwin.

Endlich Crocs
Auf dem Weg in den Kakadu Nationalpark machen wir in Corrobee Station. Das liegt mitten in den Feuchtgebieten mit vielfältiger Flora und vor allem auch Fauna: Vögel und  Reptilien vor allem.

Wir machen einen Bootsausflug auf dem Corrobee Bellabong. Ein Billabong ist ein stehendes Gewässer, entweder weil der Fluss in der Trockenzeit zu wenig Wasser führt oder ein Altarm des Flusses, der mehrere Meter tief sein kann und das Wasser aus den Feuchtgebieten bezieht.



Wir sehen an diesem Spätnachmittag grosse Salzwasserkrokodile (sie leben hier im Süsswasser, warum also „Salties“?) und viele schöne Vögel wie Schlangenhals-Kormorane, Kraniche, Enten, kleine Janacas, die auf den Lilienblättern rumlaufen, und Adler mit Jungen. Der Führer ist gut, und er räumt mit vielen hier kolportierten Räubergeschichten von Krokodilen auf, die angeblich die Menschen an den Ufern verfolgen. Sie sind nur im Wasser tödlich, dort aber mit grossem Erfolg. Daher: nicht schwimmen, nicht fischen im Wasser.


Auf dem Rückweg nach Sonnenuntergang fahren wir durch ein grosses Buschfeuer. Das ist eindrücklich. Wir wissen nicht, ob das ungewollt ist, oder kontrolliert. Das kontrollierte abbrennen in der Zeit nach dem Regen ist nötig, um den vielen Blitzschlägen in der späteren Trockenzeit die Nahrung zu nehmen.



Felsmalereien

Der nächste Tag ist Ubirr gewidmet, einem Ort im Park mit vielen schönen Felsmalereien. Allein schon die Fahrt dahin ist eindrücklich. Das grosse Felskliff („Escarpment“, zu Deutsch: Geländeabbruch, geologische Schichtstufe, Klippe) mit dem dahinter liegenden flachen Land auf bis zu 300 Metern über der Ebene, das zieht sich hunderte von Kilometern nach Süden. Es ist eine Gegend mit einer eigenen Magie. Das Gestein ist nicht gefaltet, sondern einfach hochgehoben worden. Die Erosion lässt Türme stehen, Steine auf den Spitzen. Es brechen Quader ab, die in sich dann wieder geschichtet sind. Spielplätze von Riesen, die die Mythologie der Ureinwohner stark anregten. Diese Mythologie finden wir dann auch in den Malereien.

Wir campieren an einem Platz, an dem wir abends ein Feuer machen können, an dem es aber auch ausserordentlich viele Moskitos („Mossies“ sagen die Australier) hat. Mit Antibrumm und langen Beinen und Aermeln ist es aber am offenen Feuer sehr schön. Es wird ein langer Abend.

Zuvor besuchen wir aber die Bildergalerien, die über Tausende von Jahren entstanden. Sie finden sich an Felswänden, in Höhlen, an Ueberhängen und Plätzen, die in der Regenzeit Schutz vor den Wassermassen in den flachen Nassgebieten gewähren. Sie sind oft übereinander gemalt, unter den neuesten Bildern sind wer weiss wie viele Schichten alter Bilder versteckt. Die Künstler verwendeten neben Weiss, das relativ schnell wieder vergeht, vor allem roten und gelben Ocker, die Bilder unverwüstlich macht, auch wenn sie nass werden. Sie fressen sich quasi in den Stein ein.

Röntgen und Striche

Hier oben dominiert die Röntgen-Stilart. Es werden vor allem Tiere abgebildet, die gejagt werden. Die Tiere werden oft wie durchsichtig dargestellt, mit Gräten bei den Fischen oder Innereien bei Krokodilen, Schildkröten, Schlangen, Wallabys und Echsen. Die so dargestellten Tiere müssen wir uns als gegessen vorstellen, sind sie nur gejagt, erscheinen sie nicht durchsichtig.

Daneben gibt es Zeichnungen in einfachen Strichen, Menschen und mythologische Figuren. Diese sind in ihrer Abstraktion oft sehr eindrücklich: das Wesen ist erkannt und dargestellt, kein Firlefanz drum rum. Die Stilart mit den vielen feinen Punkten, für die die Kunst der Ureinwohner bei uns auch berühmt ist, gibt er hier oben praktisch nicht.

Auch komplexe Mythen werden dargestellt, so die Schöpfungsgeschichte der Regenbogenschlange, die von Norden kommend viele aus Gras geflochtene Behälter, sogenannte Dillibags, am Hals trug, in denen sie Völker hatte. Diese setze sie an den verschiedensten Orten ab, gab ihnen eine jeweils unterschiedliche Sprache. Auf ihrem Weg formte sie auch die Flüsse und Berge. Als die Taschen leer waren, war ihre Aufgabe erfüllt, und sie zog sich in eines oder mehrere der vielen oft sehr tiefen Wasserlöcher unter den Wasserfällen zurück.
Auf dem felsigen Hügel hoch über der Feuchtebene bewundern wir einen weiteren sehr eindrücklichen Sonnenuntergang.

Entwicklungen
Hauptort des Parks ist Jabiru, benannt nach dem seltenen Schwarzstorch, den wir schon früher gesehen haben. Der Ort mit 1800 Einwohnern (für die Gegend gross!) verdankt seine Existenz einer grossen Uranmine im Besitz der australischen Regierung. Die Naturschützer sind wenig erbaut darüber, lässt doch die Mine jeden Tag rund 100'000 Liter verdrecktes Wasser in ein fragile Oekosystem (Weltkulturerbe der Unesco) ab. Und eine zweite ist in unmittelbarer Nähe geplant.

Wir machen einen tägigen geführten Ausflug in das über dem South Alligator River – es gibt in Australien keine Alligatoren, nur Krokodile – in das benachbarte North Arnhem Land, eine Gegend von mehr als doppelter Grösse der Schweiz und knapp 20'000 Einwohnern, die Mehrheit Aboriginies. Nach einer Fahrt durch eine Furt mit recht viel Wasser kommen wir nach Gunbalanya (Openelli), eine Aborigine-Siedlung, die uns wieder einmal eher deprimiert. Verlottert, unaufgeräumt, schmuddelig. Daneben völlig neue Wohnhäuser, die an den Bedürfnissen der Ureinwohner vorbei gebaut werden: Geschlossen, wo Offenheit gefragt wäre, mit Zäunen rund rum für Leute, die viel Kontakt wollen usw. Eine Schreibtischtat aus der sehr fernen Stadt, ohne die Leute gefragt zu haben, was sie wollen. Ueberreste des Missionarsgedankens. Und dass sich dann da noch jemand eine goldene Nase dran verdient, rundet das Bild ab.

Klettermuseum
Von hier aus fahren wir zu einem der heiligen Berge dieser Gegend. Wieder ist die Magie der Landschaft von Anfang an zu spüren, sie wird dann im Laufe des Tages immer dichter. Begleitet werden wir von Simon, einem älteren Herrn mit viel Humor und Geduld, mit viel Wissen, vielen Geschichten. Er führt uns den Berg hoch, zu Bildergalerien, Höhlen und Aussichtspunkten.


Es geht über Stock und Stein, einmal mehr, zwischen grossen Felsblöcken zwängt sich der Weg, wir müssen auf allen Vieren unter Felsplatten hindurch kriechen, neben uns geht es das Loch runter. Und wir werden immer wieder mit Ausblicken und Ansichten belohnt, immer höher über der Eben der Fechtgebiete und der Savanne mit lockerem Baumbestand.. Am Horizont zeigen sich immer weitere Bergzüge.

Auf dem Berg haben Simons Vorfahren in der Regenzeit Schutz gesucht, hier haben sie ihre Zeremonien abgehalten und Feste gefeiert.

Die Ueberhänge und Höhlen bieten spektakuläre Ausblicke. Alle Ecken kommen neue Bilder und ganze Bilderbücher. Simon erklärt sie uns, schildert den Schöpfungsmythus der Regenbogenschlange, die hier anders dargestellt ist. Und er weist uns auf die vielen Details hin.


Mittagessen


Perfekt
Hier sehe ich auch die für mich bisher eindrücklichste Zeichnung. Ein Jäger in vollem Lauf, die Beine weit ausgreifend, einen Arm zur Balance vorgestreckt, den anderen weit nach hinten gezogen mit der Speerschleuder und dem darauf liegenden langen Speer, um der Waffe die grösstmögliche Kraft zu geben, wenn er sie im nächsten Moment auf das Wallaby schleudert. Besser kann man das wohl kaum darstellen. Und doch ist die Zeichnung unscheinbar, unten an einem Fels.


Kunstzentrum


Nachher besuchen wir in Gunbalanya das Injalak Arts and Crafts Projekt (www.injalak.com.au). Hier sehen wir Malern zu, wie sie ihre Farben bereiten, wie sie malen, mit grosser Geduld und feinem Stilgefühl. Die Felsmalerei wird nicht mehr praktiziert, gemalt wird auf Papier oder Baumrinde, die speziell präpariert wird. Aber hier kommen die klassischen Motive immer wieder zur Darstellung. Sie bedrucken auch Stoffe im Siebdruck. Malen ist Männersache.

Die Frauen weben aus gefärbten Pflanzenblättern kunstvolle Körbe und Wandbilder.

In einem Laden kaufen wir ein T-Shirt für mich. Befremdend ist auch hier, dass der Laden durch Weisse geführt werden muss, um dem Projekt die nötige Konstanz geben zu können. Die Frauen arbeiten freiwillig. Nichts gegen Freiwilligkeit, aber hier drückt der Missionsgedanke offensichtlich wieder einmal durch.

Aber die Bilder, Plastiken, Stoffe, Körbe und Wandbilder sind sehr schön, in ihrer Art einmalig.

Nourlangie

Südwestlich von Jabiru sind die Felsgalerien und Höhlen von Nourlangie gelegen. Hier haben die Malereien etwas andere Motive. Sie stellen zum Teil jüngere Elemente der Schöpfungsgeschichte dar, und sie sind auch teilweise recht jung. Die letzten Bilder wurden in den 60er-Jahren von einem alten Mann gemalt, sehr drastisch und konkret. Aber auch er verwendet die Bildsprache seiner Vorgänger, die in über 40'000 Jahren entwickelt wurde.


Hier erhalten wir auch Erklärungen zur Besiedlung der verschiedenen Höhlen und Siedlungsplätzen. Die Rangerin zeigt archäologische Funde. Mir fällt auf, dass die Technologie der Steinbearbeitung nicht über das hinaus geht, was wir bei uns die letzte Phase der Altsteinzeit bezeichnen: Grobe Werkzeuge, recht roh behauen. Die Absplitterungen sind meist mehrere Zentimeter gross, die Klingen nicht scharf. Silex, die Feuersteinknolle, scheint nicht genutzt worden zu sein, oder sie gibt es hier nicht.

Sitzen auf dem kulturellen Zaun
Auf jeden Fall wurde die materielle Kultur nicht weiterentwickelt. Es scheint keine Notwendigkeit dafür gegeben zu haben: Nahrung war genug da, feste Häuser waren keine Notwendigkeit. Sie kamen über die Stufe der nomadisierenden Jäger und Sammler nicht hinaus, kein Ackerbau, keine Viehzucht, keine Vorratshaltung (und damit keine Akkumulation von Reichtum), keine erweiterte Arbeitsteilung. Es gab zwar die Aeltesten, die über die Einhaltung der überlieferten Gesetze wachten und bei deren Verletzung oft drastische Strafen aussprachen. Aber es gab keine eigentlichen Herrschaftsstrukturen. Unser Lehrmeister in Entwicklungssoziologie Christian Sigrist spricht von segmentärer Gesellschaft.

So waren die Menschen mit dem zufrieden, was sie hatten. Und das ist in gewisser Hinsicht auch heute noch weitgehend der Fall. Sie bekommen, wenn nötig, Sozialhilfe oder Geld für  z.B. die Konzessionen der Bergwerke. Und sie müssen sich dafür nicht sehr anstrengen. Und scheinen in gewisser Weise damit zufrieden zu sein(?).

Aber sie stehen in der Spannung zwischen archaischer Tradition und Moderne, zwischen Walkabout einerseits, dem – für uns – plötzlichen Drang, in den Busch zu wandern oder halt einfach das zu tun, was ihnen gerade einfällt, und dem Wunsch andererseits, die westliche Technologie und Kultur zu nutzen. Wenn ich mir die Jungen ansehe: die alte Kultur wird es schwer haben, und in einem permanenten Spannungsfeld zu leben, ist nicht angenehm, fördert Aggressionen gegenüber sich selbst und anderen. Auf einem Zaun zu sitzen, ein Bein hüben, ein Bein drüben, das ist auf die Dauer unbequem.

Badefreuden

Wir legen auf dem Weg nach Süden in Leliyn, den Edith Falls, einen Ruhetag ein. Wie schon auf dem Hinweg nach Darwin (s. Blogspot 3-16), umfängt uns der Zauber der Landschaft erneut. Wir wandern zum Baden an den oberen Pool, das schönste Schwimmbad, das wir in unserem Leben je hatten.

Und wir baden im unteren Pool mehrmals am Tag. Wir schwimmen zum Fall und lassen uns in der Strömung entlang der hohen Felsen auf dem Rücken treiben. Dabei bewundern wir Netze der grossen Orb-Spinnen (ungefährlich) ebenso wie die Büsche und Bäume, die sich an den Klippen halten und ihre Wurzeln durch die Felsspalten nach unten treiben.

Es ist plötzlich sehr heiss geworden, schon in Jabiru. Gegen 40°, und die Sonne brennt in den Steinen auf dem Spaziergang unerbittlich.




Weiter im Süden, bei Mataranka, baden wir in den warmen Wassern von Bitter Springs. Es ist auch hier wie im Märchen. Der Bach trägt uns durch eine tropische Vegetation, und zurück zu schwimmen braucht Kraft. Es ist so schön warm im Wasser, dass wir trotz grosser Hitze beim rauskommen fast schlottern.

Bild UG



Auf dem Weg nach Süden
Wir machen uns nun ernsthaft auf nach Süden, auf der Strasse von Darwin nach Adelaide, die den Kontinent in der Mitte durchschneidet.

Unterwegs besuchen wir romantische Roadhouses wie das von Larrimah, wo alles rosa ist, und wo der Wirt einen kleinen Privatzoo mit schönen Papageien und Schlangen unterhält. Die Roadhouses war oft Stationen der Armee im zweiten Weltkrieg, zu weit von der Küste für die japanischen Flieger, aber nah genug für eine allfällige Verteidigung. In dieser Zeit erlebte das Northern Territory einen grossen Entwicklungsschub (Strasse geteert, Eisenbahn gebaut). Orte wie Daly Waters sind dann nach dem Krieg wieder verfallen, und nur einige Kneipen haben sich gehalten.

Wir übernachten auf einem Parkplatz an der Strasse, dann in Banka Banka, einer Homestead, einem ehemaligen Bauernhof. Es wird langsam kühler, und wir rücken möglichst nah ans grosse Feuer, das im Hof angezündet wird. Ein junger Musiker auf Durchreise unterhält uns mit schöner Musik.

Tüfelschügeli

Wir kommen an der Abzweigung nach Osten, nach Queensland vorbei, zu der wir nach dem Besuch im roten Zentrum zurückkehren werden. Dann kommen wir nach Tennant Creek, einer Stadt, die ihre Entstehung und ihr Dasein dem Goldbergbau verdankt. Trostlos.

Halbwegs zwischen Katherine und Alice Springs kommt dann aber eine wirkliche Attraktion: die Devils Marbles, Tüfelschügeli auf Schweizerdeutsch, Murmeln des Teufels auf gut Deutsch. Das sind Milliarden Jahre alte Granitblöcke einer Formation, die durch das Aufstossen alten Magmas unter eine Sandsteindecke entstanden ist. Der Granit zerfällt durch die Einwirkung von Wasser entlang von Rissen zuerst in rechteckige Blöcke, die dann an der Oberfläche zu runden Knollen von mehreren Metern Durchmessern werden.
Die Kugeln liegen übereinander, oft in prekärer Lage, sodass es scheint, sie würden gleich runtertrollen. Tun sie aber nicht. Die Formation ist räumlich sehr begrenzt, wir erwandern sie in einer Stunde. Zwischen den Steinen wachsen Wüstenpflanzen und White Gums, weisse Eukalyptus, deren weisser Stamm farblich sehr gut zum Rostrot der Teufelskugeln passt. Phantastisch.

Auf dem Parkplatz sehen wir einen Dingo, das erste Mal so richtig. Das ist ein australischer Wildhund. Das Tier hier ist fast zutraulich, vermutlich wird es von Touristen angefüttert.








Im Zentrum Australiens
Wir nähern uns Alice Springs, der Stadt im Red Centre, dem Roten Zentrum, wie es genannt wird. Sie ist wirklich von überall fast gleich weit entfernt, also weitab von allem. Von Darwin sind es 1400 Kilometer, mit nur zwei nennenswerten Ortschaften: Katherine und Tennant Creek. Die Stadt ist regionales Wirtschafts- und Verwaltungszentrum, aber auch Ausgangspunkt für Fahrten nach dem 500 Kilometer entfernten Ayers Rock mit dem grossen Felsklotz Uluru in der Wüste (auch für uns!).

Die Landschaft unterwegs ist meist flach, mit Buschsavanne, d.h. gelbem oder grauem dürren Gras und mehr oder weniger dichtem Buschbestand. Wenige Hügelzüge sorgen für Abwechslung in der Monotonie, die aber nie langweilig ist. Die grossen Wüsten, die im Westen und im Osten liegen, lassen sich erahnen. Auch hier sehen wir viele Raubvögel, in den letzten hundert Kilometern vor der Stadt auch immer wieder Adler mit weisser Brust. Von  Zeit zu Zeit überqueren wir die Eisenbahn. Züge sehen wir keine.

Die Nächte hier sind jetzt bitterkalt, und wir lassen die Heizung im Jeb laufen. Das hilft, etwas nur, denn sie ist eher schwach, aber immerhin. Tagsüber haben wir auch an der Sonne den Pulli an, denn der Wind ist beissend. Die Wüste grüsst. Und das nachdem wir vor drei Tagen noch in tropischem Wald geschwommen sind. Australien auch das.

Alice Springs liegt in einem der Hügelzüge. Kurz vor der Stadt liegt der höchste Punkt der ganzen Strasse zwischen den beiden Ozeanen: auf 720 Metern.





Die Stadt hat knapp 30'000 Einwohner, ist also für australische Verhältnisse recht gross. Und sie hat ein ansprechendes Stadtzentrum, mit vielen Geschäften. Ulla kauft hier Geschenke für ihre Enkel, und sie hat wenig Mühe, etwas zu finden. Neben grossen Einkaufszentren gibt es vor allem Galerien mit Kunstwerken der Aborigines. Die Preise sind meist happig, und ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass hier gilt: je grösser je teurer. Aber es gibt auch gute Bilder.

  Marionettentheater im Einkaufszentrum

Fahren lassen: ins rote Herz Australiens



Von hier aus machen wir einen dreitägigen Ausflug zum Uluru, denn es stinkt uns, in wenigen Tagen 500 Kilometer hin und 500 zurück zu fahren. Unsere Zeit ist begrenzt, Ulla hat ihren Rückflug gebucht. Also lassen wir einen fahren. Einen Chauffeur, versteht sich.

Morgen früh werden wir um 0625 für den Ausflug abgeholt. Früh, wirklich. Wir sind das nicht mehr gewohnt, denn meist schlafen wir bis um halb acht. Und das ist sicher auch der Grund für eine filmreife Szene meinerseits: Ich habe gelernt, dass es neben dem grossen Tor einen Personeneingang gibt, dessen Türe den gleichen Code hat wie die Schranke der Autoeinfahrt. Ich karre also unsere gemeinsame Reisetasche dahin, drücke den vierstelligen Code, nichts geschieht.

Ich rufe Ulla, sie solle meine Taschenlampe halten. Ich drücke wie wild alle Tasten, wieder nichts. Ich habe Panik. Was tun, wenn der Bus kommt, wir drinnen, er draussen. Ueber den Zaun? Die Frauen? Unmöglich. Ich drücke weiter, bis Elo von draussen meint, ich solle doch einfach 10 Meter weiter durch das grosse Tor für die Fahrzeuge kommen, das weit offen steht. Seit 6 Uhr. So blöd bin ich mir länger nicht vorgekommen.
Wir sind die ersten im Bus, können ganz vorne sitzen. Erste Klasse quasi. Nachdem wir alle Mitreisenden eingesammelt haben geht es dann durch eine flache Landschaft ins rote Herz Australiens. Einen Zwischenhalt machen wir in einer Farm mit Kamelen. Den Ritt ersparen wir uns, das haben wir in der chinesischen Wüste vor Jahren erledigt.

Wir wohnen in einem schönen Hotel mit gutem Restaurant und geniessen zur Abwechslung mal wieder ein Bett. Das Schwimmbad lädt ein, die Temperaturen weniger. Wir lassen es bleiben, das Schwimmen.







Uluru und Olgas

Auf der Anfahrt zum Hotelresort Yulara tauchen die beiden Gesteinsformationen Uluru (Ayers Rock) und Kata Tjuta (Olgas) aus dem Horizont auf. Beide sind eindrücklich schon bei der Anfahrt.
Es sind Sandsteinformationen, gefaltet. Die Schichten des Uluru stehen senkrecht zur umgebenden Ebene; fast überall steigt der Fels direkt in den Himmel. Die Oberfläche ist rau, es hat viel Quartz im Gestein. Und sie ist von rötlicher Farbe, sie ist oxydiert oder schlicht: verrostet. Je nach Tageszeit und Sonneneinstrahlung kann das dann von graubraun bis leuchtend rot variieren.

Der Sandstein des Uluru ist feinkörnig, der der Olgas grob, mit grossen Steinbrocken. Beide sind etwa gleich alt: rund 300 bis 400 Millionen Jahre.

Uluru ist ein Aborigine-Name. Der englische Entdecker Giles nannte ihn Ayers Rock, eine auch heute noch häufige Bezeichnung. Die Olgas wurden von Giles zuerst Mount Mueller genannt, nach dem Sponsor der Expedition, Baron Ferdinand von Müller. Müller war selbst einer der grossen Erkunder der australischen Kontinents. Müller aber meinte, es sei richtiger, ihn nach der Frau des Württembergischen Königs zu benennen, der ihn zum Baron gemacht habe. Daher Mount Olga. Die Aborigines nennen die  Formation Kata Tjuta.

Farbspiele
Wir bewundern den Uluru zunächst bei Sonnenuntergang und dann – wieder früh am Morgen – beim ersten Sonnenlicht. Der Sonnenuntergang ist eindrücklicher. Es ist wirklich ein einmaliger Berg. Die Tour-Organisation ist gut, wir können mit Sekt auf das Schauspiel anstossen.
Anschliessend gibt es ein Bankett unter dem Sternenzelt. Saukalt, aber sauschön. Im anschliessenden „Star Talk“ erklärt uns ein Führer die Sternbilder der südlichen Hemisphäre. Die Milchstrasse ist hier wieder so dicht, dass wir zuerst meinen, es hätte Schleierwolken.


(Bild UG)



Tagwacht ist heute eine halbe Stunde früher als gestern: Abfahrt um 6. Bei Sonnenaufgang frieren wir ganz schön. Es ist um Null Grad, die Finger sind klamm. Aber es reicht immer noch aus, um die Auslöser der Fotoapparate zu drücken. Schön sind von hier aus auch die Olgas im ersten Licht.







Falllinie
Dann fahren wir an den Fuss des Berges, zum Ausgangspunkt des alpinistischen Höhepunkts unserer Australienreise. Wir besteigen den Uluru. Es gibt nur einen Weg. Er ist auf der einzigen Flanke, die nicht zuerst lotrecht aus der Ebene aufsteigt. Aber auch hier ist es noch steil genug, bis 45° Neigungswinkel. Und der Weg geht in der Falllinie hoch – und runter! Der Aufstieg ist gegen 350 Höhenmeter.







Als Hilfe ist nach einem Stück, bei dem wir hier schon manchmal auf allen Vieren gehen, eine schwere Eisenkette montiert, an der wir uns hochziehen können. Mehr als die Hälfte der Steigung ist so steil, dass wir nicht ausruhen können. Die Lunge pfeift, die Pumpe geht und die Knie zittern. Ich habe Bammel vor dem Abstieg. Positiv ist, dass die Oberfläche des Steins ist wie Sandpapier, die Schuhe also gut halten.


Nach dem steilsten Stück können wir ausruhen und die Aussicht in die Eben der Savanne und hin zu den Olgas geniessen. Herrlich.

Dann geht es weiter auf die weniger steile Oberfläche des Berges. Aber auch hier ist es ein Kraxeln, denn die Erosion hat tiefe und steile Gräben geschaffen. Auch hier ist es nicht leicht, und die letzten 30, 40 Höhenmeter lassen wir sein, und wir geniessen trotzdem ein Gipfelerlebnis. Wir haben es gepackt und sind schon etwas stolz darauf.




 Dann der Abstieg. Der ist viel weniger schlimm, als ich gedacht habe. Im Steilstück können wir uns entlang der Kette hangeln, ein-, zweimal rückwärts, denn die Kette ist recht tief. Und dann sind wir unten. Und recht geschafft.
















Olga erwandern

Am Nachmittag, nach einer guten Mittagspause, geht es auf eine Wanderung in die Olgas. Das ist eine ganz andere Landschaft, denn hier ist der Berg in Täler eingeschnitten. Immer wieder gibt es neue Ein- und Ausblicke. Die Farben sind einmalig: Das Gold des trockenen Grases, das Weiss der Eukalyptusstämme, das Grün der Blätter, das Blau des Himmels und das Rot des Berges.
Auch hier erleben wir den Sonnenuntergang. Und auch hier gibt es etwas zu futtern und zu trinken. Wir stossen auf unsere sportlichen Leistungen an. Und sind glücklich. Im Hotel gehen wir ins gute Restaurant und lassen es uns schmecken. Wir sind gar nicht mehr gewöhnt, in der Beiz zu essen, denn das tun wir mit dem Wohnmobil praktisch nie.



Garten Eden
Am nächsten Morgen geht es noch früher weg: um 5 ist Abfahrt. (Nur gut dass es nur drei Tage sind, sonst würden uns die noch um Mitternacht wecken!). Der Bus bringt uns in den Kings Canyon, benannt nach einem Freund des Entdeckers.
Wir haben die Wahl zwischen einer 3stündigen Wanderung entlang der Oberkante der Schlucht und einer eineinhalbstündigen durch das Bett. Elo hat genug von der Bergsteigerei. Sie sei doch keine Ziege, sagt sie, und sie bleibt unten. Ulla und ich wollen nach oben. Beide Parteien kommen auf ihre Kosten.

Wir müssen zuerst 500 Treppentritte (natur, aus Steinbrocken) hoch, und kommen dann auf die Hochebene.


Es ist wie in einer Theaterkulisse. Immer neue Blickfänge, um Ecken in neue Räume. Bäume und Felspartien, Ausblicke in die Ebene, die gegenüberliegende Schluchtwand als geologischer Prospekt. Und immer rauf und runter, Stägeli uf, Stägeli ab, juhee!

 


Hier sind zwei Gesteinsformationen durch eine Wasser undurchlässige Schieferschicht getrennt, was zu Wasserläufen und Teichen auf halber Höhe führt. Ganz hinten liegt das oberste Becken. Es heisst Garden of Eden, Garten Edens. Wir steigen hinab, und plötzlich sind wir in einem Feuchtgebiet mit starker Vegetation. Traumhaft.



Ueberdosis Landschaft
Am Schluss können wir die Eindrücke kaum noch aufnehmen. Wir haben eine Ueberdosis Landschaft erhalten, sehr viel in sehr kurzer Zeit. Und wir beginnen auf der Rückfahrt nach Alice Springs (fünf Stunden) langsam zu verdauen. Ich bin froh, dass die nächsten Tage uns auf dem Weg zuerst wieder 500 Kilometer nach Norden bis Three Ways bei Tennant Creek und dann nach Osten (Queensland) wieder durch eine eher monotone Gegend führen werden. Langweilig ist auch diese nicht, aber schon etwas weniger aufregend.







Reparatur und Abschied
Während wir am Uluru waren, wurde Jeb geflickt. Ich hatte festgestellt, dass eines der Bleche am Radkasten (Schutz gegen Steine an die Unterseite) kaputt war: durchgerissen entlang der Befestigung. Bei der Einfahrt nach Alice Springs sah ich ein Schild „Welding“ (Schweissen). Blinker raus, denn hier brauchen wir ja das Fahrzeug drei Tage nicht. Der Chef der recht grossen Werkstatt war unkompliziert. Er holte das Auto auf dem Campingplatz ab und brachte es wieder hin. Und er leistete eine sehr saubere Arbeit.

Hier in Alice Springs verabschiedeten wir uns von Freundin Ulla, die nach Deutschland zurückkehrte. Es waren gute Tage mit ihr. Wir haben es genossen. Und sie auch.















PS I Designerarbeit

Ich musste meine Jeans flicken, sie hatten an der Portemonnaietasche hinten rechts ein Loch. Ich fand ein Schweizerkreuz mit Klebstoff zum Aufbügeln. Das hat an dieser runden Stelle nicht gehalten. Daher versuchte ich es mit Sekundenkleber. Auch nichts. Jetzt wurde ich drastisch: ich habe die Ecken mit Draht angeheftet. Damit die Drähte den Geldbeutel nicht zerkratzen wurde die Tasche innen mit Gaffa-Tape ausgeklebt.
Und ich finde, das ganze macht sich gut. Ich sollte zum Designer umsatteln. Aber jetzt werden keine neuen Karrieren mehr angefangen.


 



PS. II Four for nine – Sie spinnen, die Römer

Beim Auto fahren habe ich einen etwas abartigen Geschmack: Ich trinke gegen den Durst am liebsten Coca Cola (Iight). Ich kaufe jeweils grosse Flaschen, denn die gehen perfekt in die Flaschenhalterung der Seitentüre. Und ich kaufe jeweils zwei. Das hat seinen Grund. Wir tanken wenn immer möglich in Tankstellen von Caltex-Woolworth, denn mit Kaufquittungen des Woolworth-Supermarkts gibt es 4 Cent Rabatt pro Liter, und wenn ich noch über 5$ einkaufe nochmals 4 Cent zurätzlich.

Als ich heute die zwei Flaschen kaufen will, sagt die Verkäuferin, ich solle vier nehmen, das sei billiger? Wie bitte? Ja meint sie, 2 Flaschen würden 10$ kosten, vier aber nur 9. Nochmals: Wie bitte? Ja das sei eine Aktion: Four for nine, vier für neun. Sie hat auch keine Erklärung für den Blödsinn, aber es wäre billiger, vier Flaschen zu kaufen (was ich tue) und zwei wegzuwerfen (was ich nicht tue), als nur zwei zu kaufen.

„La stratégie m’échappe“, ich blick da nicht durch, sagte der Indianderhäuptling in Luky Luke, als Rantanplan, der dümmste Hund der Welt, die Bisonherde durch sein Zeltlager trieb. Obelix hätte gesagt: « Ils sont fous, les romains », sie spinnen, die Römer.

 
20.7.2012 / JB.