Montag, 19. November 2012

IV-4 Seen&Fjorde, Wind&Wetter

Abrupter Wechsel / Ferienorte / Ein Tag im Leben zweier Reisender / Ueberraschung / Ueber See und Pass in den Fjord / Auf dem Schiff durch den Sound / Grossartige Eindrücke / Leben im Wasser / Südlichster Punkt / Regenwald und Eingeborene / In der Dorfbeiz / Südküste / Dunedin

Abrupter Wechsel

Der Haast-Pass ist mit 550 Metern wie gesagt kaum als Passhöhe wahrnehmbar, aber er ist wirklich ein Scheitel- und Scheidepunkt. Hier die ruppigen Felsmassive des Westabhangs der Südalpen, mit Schründen und steilen Hängen, dort sanfter gewellte Berge und breite „Hoch“täler. Hier die üppige Regenwaldvegetation mit grossen Farnen, Farnpalmen, hohen Bäumen, dort eher magerer Buschbewuchs, kahle Hänge und in Forstwirtschaft gepflanzte Kiefern, hier alles Wildnis, dort viel Landwirtschaft mit Viehzucht und vereinzeltem Ackerbau.

Wir kommen in den Lake District, in den Teil der Provinz Otago mit vielen Seen meist glazialen Ursprungs und oft recht gross. Hinter dem Pass berühren wir zuerst den Lake Wanaka, dann den Lake Hawea, um wieder an den Wanaka zu stossen. Die Berge rund rum sind 1500 bis 2500 Meter hoch, die Spitzen haben immer noch Schnee.

Ferienorte
Wir übernachten in Wanaka am gleichnamigen See. Es ist ein schöner Ort, touristisch, aber ruhig. Unser Motel ist Spitze, mit eigener Waschmaschine, mit Tumbler, einem Schlafzimmer, einer Küchennische mit Abwaschmaschine (die wir hier nun wirklich nicht brauchen), einem Wohnraum und einer Terrasse, vor der ein eiliger Bach durchfliesst. Ausser dass die Enten alles verscheissen, ist es prächtig. Das Panorama ist mit Schneebergen bespickt, der See ladet zwar der Kühle wegen nicht zum Bade, aber gibt eine schöne Stimmung.

Auf der Weiterfahrt nach Te Anau, unserem nächsten Zielpunkt, kommen wir durch Queenstown. Wir fahren über eine respektable Pasststrasse hinunter; auf der anderen Seite merkt man gar nicht, dass es hoch geht, das Flusstal ist lang von 300 auf 1000 Meter. Hier ist wieder Frühling, alles blüht, neben dem Gelb der Ginster jetzt auch viele weisse Sträucher. In Queenstown ist viel mehr los, es ist grösser und weniger einladend als Wanaka. Trotzdem werden wir es voraussichtlich nochmals besuchen, da es Ausgangsort vieler Sehenswürdigkeiten ist.

Te Anau, das wir über eine schöne Seestrasse und durch breite Täler erreichen, ist wiederum an einem See, dem Lake Ta Anau (wie könnte es anders sein) und ein feiner Ort wie Wanaka. Der Kranz der Schneeberge, die es von der nahen stürmischen, nassen, kalten Küste abschirmen, ist das bisher schönste. Von hier aus fahren wir in einen Fjord, den Milford Sound, wo wir morgen auf einem Schiff übernachten. Die Fahrt durch die Berge allein soll sich lohnen.

Ein Tag im Leben zweier Reisender

Es könnte die geneigte Leserschaft ja vielleicht interessieren, wie wir auf dieser Reise einen Tag von so vielen verbringen. Sei’s drum, es hat sich ja jetzt hier in Neuseeland eine gewisse Routine eingestellt hat. Also:

Einen Wecker brauchen wir nicht. Wir erwachen so um 8 rum, manchmal etwas früher, manchmal etwas später. Elo macht Frühstück (wir haben hier Arbeitsteilung: Sie kocht und wäscht, ich fahre alles, trage die Koffer. etc., beide sind zufrieden). Wir haben immer etwas zu essen, fürs Zmorge und fürs Picknick. Dazu haben wir zwei Isoliertaschen gekauft, in denen wir die Sachen transportieren. Zum Zmorge gibt es Tee (ich mit Honig), Toast (es gibt etwas wie Vollkorntoast, der etwas weniger labrig ist, als der Rest des Brotangebots), Wurst oder Schinken (beide), Käse (Elo), Butterbrot mit Confi (Elo) oder Honig (Jürg), Joghurt und Früchte. Nicht schlecht.

Dann Zähne putzen, einpacken, Elektronik zusammenräumen, verladen (die Motelzimmer sind meist ebenerdig, das Auto vor der Türe – praktisch), abfahren. Meist kommen wir um 9 halb 10 weg.

Die Fahrten sind unterschiedlich lang, meist zwischen 100 und 250 Kilometern pro Tag. Das lässt uns Zeit, spontan oder etwas vorgeplant Sachen anzusehen, einzukaufen, Spaziergänge zu machen, Picknickplätze zu suchen. Das Mittagessen besteht aus einer Scheibe Brot, Wurst oder Rauchfisch oder Lachskonserve, einer Frucht und einem Guezli, es sei denn, wir kaufen eine Languste. Unterwegs kehren wir manchmal ein, Elo nimmt meist einen Tee oder einen Long Black, d.h. einen Kaffee nature, ich einen „lartsch lätteii“, einen grossen Café Latte auf neuseeländisch.

Meist kommen wir so um 4 am Ziel an. Wir gehen in etwas grössere Orte, wo wir dann zu Fuss auch eine gute Beiz finden für das „Dinner“, wie es hier vornehm heisst. Das Motel suchen wir oft über die lokale Touristeninformation. Die Büros sind ausgezeichnet, sie sagen uns auch, was für uns am Besten wäre, sie buchen usw.

Im Motel gibt es zuerst einen Apéro (die blauen Kühltaschen haben immer eine Flasche Weissen und eine Flasche Roten (für den Abend!) aus Neuseeland. Die Weine hier sind sehr gut. Wir lesen oder schreiben. Dann gehen wir in den Ort und essen. Wir teilen uns je eine Vorspeise und eine Hauptspeise, das reicht immer. Dazu Wein, glasweise, dann noch Kaffe und oft einen Whisky (Jürg).

Im Motel lesen wir, schreiben Reisebericht, jassen, telefonieren, trinken Rotwein. Zwischen halb 11 und halb 12 gehen wir ins Bett, wo wir lesen, bis uns die Augen zufallen Und dann schlafen wir bis….(s.o.)

So, das wär’s, und was wir dazwischen alles erleben, kennt Ihr aus den Berichten.

Ueberraschung

Und wieder mal kam es erstens anders und zweitens als man denkt. Als wir in Wanaka essen gehen, sieht Elo ein Schild: „Road to Milford Sound closed, a tomorrow“. Die Strasse sei wohl zu, meint sie, aber ich bin da souverän: Du spinnst, das ist nachts immer so“, denn immer schliesst er messerscharf, das nicht ist, was nicht sein darf. Elo ist – mit recht – sauer, und ich gehe nach meiner Erfahrung, dass die beste aller Ehefrauen nicht spinnt, und meist auch noch recht hat. Also frage ich irgendwo nach, und siehe. Ein Steinschlag hat die Strasse zugemacht (für mindestens 3 Tage, wie sich dann rausstellt).

Wir haben aber für morgen Nachmittag gebucht und bezahlt. Zum Glück ist der Veranstalter hier in der Gegend etwas wie ein Monopolist und hat in Wanaka ein Büro. Die Frau am Schalter beruhigt uns, indem sie sagt, sie könne uns von Milford Sound auf den Doubtful Sound umbuchen. Dafür müssten wir aber aufbezahlen. Es lohne sich jedoch, der Ausflug sei viel besser. Die Dame hatte, wie sich zeigte, recht, aber Elo hat dann mit der Begründung, wir könnten ja nichts für die Umbuchung, etwas rausgeschunden: Noch mehr Rabatt könne sie uns nicht geben, das sei schon ein Sonderangebot, aber eine Dampfschifffahrt in Queenstown sei möglich. Wir nahmen das gerne an.

Ueber See und Pass in den Fjord

Der Doubtful Sound (Namensgeber, wer wohl? Ja, Captain Cook auch hier) ist nur über einen See oder vom Meer her erreichbar, weshalb er viel ruhiger ist, als der Milford Sound. Eigentlich müsste es jeweils Fjord heissen, es sind nicht Buchten sondern tiefe Täler, die die Gletscher in das harte Gestein gegraben haben.
 
Zuerst ging es also über den Lake Manapouri, eine Stunde, und das war schon eine Reise für sich. Auf 200 Metern über Meer viele Arme mit steilen Ufern. Ganz hinten ist ein grosses Kraftwerk, dessen Turbinen im Berg liegen, bevor das Wasser dann unten durch einen weiteren Tunnel in den Sound abfliesst. Der Fluss, der den See entwässert, war einmal der zweitgrösste Neuseelands, aber er musste viel Federn – konkret Wasser – lassen.

Die Strasse über einen Pass zum Sound wurde beim Bau des Kraftwerks gebraucht und gebaut. Heute dient sie vor allem dem Tourismus. Sie führt durch einen schönen Regenwald, mit Bäumen, deren Stämme über und über von Moos bedeckt sind. Es regnet hier noch mehr als sonst wo an der Westküste. Unten am Sound sind es 7 bis 10 Meter pro Jahr, auf den Gipfeln bis zu 15 Metern (Hinterthurgau: rund 1,5 Meter, und bei uns ist ja auch nicht gerade trocken).

Dementsprechend war auch das Wetter: kaum waren wir auf dem Pass, kam Nebel und es regnete  allpot und gli wider. Aber das tat der Sache keinen Abbruch, im Gegenteil, es erhöhte die Dramatik.

Auf dem Schiff durch den Sound
 
Wir bezogen unser Schiff. Wir hatten eine Zweierkabine für uns, mit WC/Douche. Ueber uns war der Salon: schöne Sitzgelegenheiten, eine Bar, eine (gute!) Küche. Vorne und darüber gibt es ein Beobachtungsdeck, und auf der Brücke sind Gäste immer willkommen, der Kapitän gibt gerne Auskunft, und es ist geheizt, wie im Salon. Ein Mitglied der Crew weist auf die Sehenswürdigkeiten hin und erläutert die Natur. So erfahren wir, dass der Sound, der bis über 400 Meter tief ist, und dessen Flanken mehrere Hundert Meter meist fast senkrecht aufsteigen, in einer Zeit von Gletschern gebildet wurde, als der Niederschlag nur als Schnee fiel: 50 bis 150 Meter pro Jahr!

Wir fahren in verschiedene Arme des Fjords, so den Crooked Arm (Gebogener Arm) und den First Arm (Erster Arm), wo wir dann übernachten.
 
Im Crooked Arm könnten wir mit dem Kanu paddeln oder mit einem der Motorboote entlang der Felsen fahren. Aber erstens haben wir nicht dafür bezahlt, dass wir selbst rudern und erst noch nasse Schuhe und Hosen bekommen (Kanu) oder im Wind frieren (Motorboot). Wir sehen uns die Sache vom Deck an und geniessen die Stille, denn es sind fast alle unterwegs. Gereut hat mich nur, dass ich keine Badehose dabei hatte. Ich wäre schon schnell (!) mal ins Meer gehüpft, auch wenn Wasser und Luft etwa gleich kalt waren (ca. 12°).

Am Nachmittag gibt es dann für die Sportler (unter die wir uns natürlich auch mischen) eine warme Suppe, die uns nach der langen Zeit auf dem kühlen Deck gut tut. Und am Abend ein feines Nachtessen mit allem Drum und Dran. Nur den Wein müssen wir selbst bezahlen, aber der ist flaschenweise recht günstig, und ein Fläschchen mag man ja immer.

Grossartige Eindrücke

Die Fahrt durch den Fjord am Nachmittag und am nächsten Morgen (Tagwacht: 0615!)  ist eindrücklich. Immer neue Aus- und Einblicke bieten sich. Das Licht wechselt ständig, mal scheint die Sonne, gleich regnet es, dann wird es wieder hell. Die Felsformationen zeigen sich in oder über den Nebelbänken. Die Bergflanken sind mit Regenwald, mit Bäumen, Büschen und vielerlei Farnen überwachsen, nur wenn vor relativ kurzer Zeit ein Bergsturz war, zeigt sich der Fels. (Das soll in Norwegen, sagen uns reiselustige Neuseeländer, anders sein.)
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 


Dazwischen immer wieder Bäche und Wasserfälle, die sich zum Teil von sehr weit oben über die Wände stürzen. Das viele Wasser, das an den steilen Felswänden hinunterläuft, bildet Moos, worin sich Farn festsetzen kann. Dieser bietet Halt für Sträucher und Bäume. Kommt das Wasser allzu wild, werden Bäume, Sträucher und Farne davon gespült. Der Kreislauf beginnt aufs Neue.
 

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Und wir sehen auch Tiere: Zunächst Vögel, deren Gesang durch die schmalen Täler hallt, die aber meist nur ganz kurz sichtbar sind. Ueber den Schluchten gleiten die Möwen still durch die Luft. Am Morgen stellt der Kapitän hinten im Hall Arm den Motor ab. Mindestens fünf Minuten sind alle ganz still, und wir nehmen das Rauschen der Wasserfälle, das Plätschern der leichten Wellen an der Bordwand und den Gesang der verschiedenen Vögel intensiv wahr.

Leben im Wasser

An Wassertieren beobachten wir Robben und eine Kolonie Seelöwen, die zu Dutzenden auf Felsen vor dem Eingang zum Fjord spielen oder auch ihre Macht gegen Rivalen demonstrieren. (Hier draussen schaukelt es in der starken Dünung schon etwas, und die Bar ist geschlossen.) Es gibt zwei Sorten Pinguine: Einmal die Crested Fjordland Penguins (Dickschnabelpinguin oder Fjordlandpinguin, Gattung Schopfpinguin), eine der seltensten Pinguinarten der Welt, die nur in diesen Fjorden und auf Stewart Island (s.u.) vorkommen; dann die Blue Penguins (Zwergpinguine), mit gut 30 Zentimetern die kleinste Pinguinart, die mehr verbreitet ist. Wir sehen die Crested Fjordlands Penguins auf Felsen herumturnen, die Zwergpinguine nur ganz schnell, denn sie sind im Wasser am Fischen.

Das schönste Erlebnis mit Tieren war ganz am Schluss eine Delphinschule. Sie schwammen, spritzten, sprangen in die Luft, mal allein, mal paarweise und oft sehr hoch. Fotografieren ist mit meiner kleinen Kamera nur begrenzt möglich, und als sie vor unserer Nase die schönsten Turnübungen machten, hatte ich gerade den Feldstecher in der Hand. Dafür habe ich sie gut gesehen.

Wieder ein Höhepunkt, empfehlenswert. (S. auch www.realjourneys.co.nz.)

Südlichster Punkt

Wir nähern uns dem südlichsten Punkt unserer Reise: Stewart Island. Sie liegt wenige Kilometer südlich von Invercargill, einer mittelgrossen Stadt mit gut 50'000 Einwohnern, relativ reich. Der Ort Oban ist mit 46°53’ südlicher Breite etwa gleich weit südlich, wie Bern nördlich. Das Klima allerdings ist nicht ganz das gleiche! Hinter Stewart Island kommt nichts mehr als Südpolarmeer und der Südpol. Und das spürt man!
 
Kaum sind wir, vom Lake Manapouri kommend, an der Südküste angelangt, empfängt uns eine ausserordentlich steife Brise aus Südwest, der vorherrschenden Windrichtung. Die Bäume sind alle nach links geneigt, teilweise sehr stark, und auf der dem Wind und dem Meer zugewandten Seite haben sie, wenn sie nicht im Windschatten liegen, keine Aeste und oft auch keine Rinde. Es geht uns durch Mark und Bein. Wir wollen eigentlich einen ganzen Tag in Invercargill bleiben, aber wir buchen um und fahren schon am nächsten Tag mit der Fähre rüber auf die Insel.
 
 

 

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Oban  – die Insel ist wie der ganze Süden von Schotten besiedelt worden, und so heisst der Ort, dessen Name in gälisch Kleine Bucht heisst, wie eine heute berühmte Marke des Single Malt Whiskys – hat rund 400 Einwohner, die ganzjährig dort leben. Es liegt in der Halfmoon Bay, im Windschatten von steil nach oben gehenden Hügeln. Es gibt nur ganz wenige Strassen, aber doch recht viele Autos, denn alle Einwohner brauchen eines.
 
Regenwald und Eingeborene

Wir haben Glück, das Wetter ist gut, es regnet nur zwischendurch (oder umgekehrt), und wir werden auf unseren Spaziergängen entlang der Küste durch schönen Regenwald nie nass. Andere haben da mehr Pech und kommen mit nassen Hosen und Schuhen in die Beiz.
 
 
 
 
 
Auf dem Spaziergang geht es 10 Mal steil rauf und dann wieder gleich weit steil runter  Konditionstraining.  Im Wald sehen wir den berühmten Kea-Vögeln zu, einer Papageienart der neuseeländischen Südinsel.
 
Sie kommen auch auf die Veranda unserer Lodge, und sie werden ihrem Ruf gerecht, mit ihrer Neugier eher eine Plage als ein Vergnügen zu sein. Meinen Brissagostummel lassen sie aber liegen – neben dem Aschenbecher, versteht sich.
 
Unterwegs kommen wir mit einem einheimischen Paar ins Gespräch. Sie laden uns ein, auf ihrer Veranda den Ausblick über den Hafen zu geniessen. Er ist schön, denn das Haus liegt ganz oben am Berg. Der Mann stammt aus einer Familie, die 1864 in Oban eingewandert ist, als Schiffsbauer. Sie kamen von den Orkney-Inseln im Nordatlantik. Sie haben, so meinte ich, das Klima ihrer Heimat gesucht – und gefunden. Er war der gleichen Meinung.

In der Dorfbeiz
Am Abend nach einem feinen Essen in einem kleinen Restaurant auf dem Church Hill (Kirchhügel, nicht englischer Politiker des 20. Jahrhunderts!) kehrten wir noch im Dorfpub ein. Da war sie dann, die Bevölkerung, oder mindestens Teile davon. In Gummistiefeln, direkt vom Fischerboot, in alten Pullovern, mit Wollmützen auch in der Beiz, mit Biergläsern, Weinflaschen und Schnäpsen, am Billardtisch und an der Juekebox (gute Musik!). Und sie waren manchmal etwas laut, aber immer sehr freundlich. Sie sprachen uns an, und sie fanden es schon etwas daneben, nur eine Nacht hier zu sein. Einer mit Wollmütze, Stoppelbart und Zähnen wie ein abgebranntes Walliserdorf erzählte uns, er sei für eine Woche hergekommen, vor weit über zehn Jahren. Hier sei es am besten, die Leute am nettesten. Vom Wetter sprachen wir nicht.

Südküste

Ueber die Southern Scenic Route fahren wir nach Dunedin, der zweitgrössten Stadt der Südinsel. Die Landschaft ist eindrücklich, aber auch hier bläst es wie verrückt. Und das Wetter. Es wechselt im Halbstundentakt. Kaum habe ich den Scheibenwischer abgestellt, tropft es wieder, kaum lässt sich die Sonne blicken, ist sie wieder hinter einem Regenschleier verschwunden, der aber auch nicht lange anhält. Eine Informationstafel an einem Aussichtspunkt erklärt, das habe den Grund darin, das die Winde ständige wechselten.


Warum auch immer, die Gegend ist zwar wunderschön, die Strände aus der Wärme des Autos einladend, der Regenwald, der hier noch bis ans Meer kommt, dicht, wie wir auf einem Spaziergang an einen Wasserfall erleben, die Wiesen, von den Schafen abgegrast wie Golfrasen, von einem leuchtenden Grün, besetzt mit weissen Schafen. Elo bringt es auf den Punkt: Schöne Landschaft und nette Leute, aber ein Klima zum Davonlaufen!

Dunedin

Das 1848 gegründete Dunedin war bis 1900 die grösste Stadt Neuseelands. Sie wurde geprägt vor allem durch Schotten, und die Einwohner dieses Landstrichs zwischen den beiden grossen Städten sind bis heute stolz und fühlen sich als etwas Besonderes. Hier in Dunedin – der keltische Name für Edinborough - wurden einige erste Dinge der Welt getan: höhere Schule für Mädchen (1870), Verschiffung von gefrorenem Fleisch (1882 in 98 Tagen nach – wohin wohl, klar nach – London), das erste Indoor-Stadium mit einem natürlichen Rasen (wen wundert das bei dem Klima!).

Auch die erste Universität des Landes wurde hier gegründet (1869), die erste Tageszeitung (1861), der erste Botanische Garten (1863), die erste Strassenbeleuchtung mit Gas (1863), die erste Kunstschule (1870), die erste Käsefabrik (1871) – ich glaube, die waren auch uns in einigem voraus. Auch im Frauenstimmrecht: Neuseeland war das erste Land der Welt, das  das aktive Stimmrecht für Frauen einführte (1883 für alle! Frauen), und Dunedin wird da eine führende Rolle gehabt haben.

Dunedin hat Charakter, ist eine schöne Stadt. Auch scheint sie reich zu sein, sie ist gut im Schuss und die Geschäfte sind teilweise höhere Klasse. Wir hatten heute gutes Wetter (bisher, jetzt ist es wieder bewölkt und windig). Mit dem Bus sind wir in den schönen Botanischen Garten mit vielen Rhododendren gefahren, dann durch den ruhigen Universitätscampus an einem kleinen Fluss ins Otago Museum gelaufen. Dieses ist der Natur und den Menschen des Südens (Provinz Otago) gewidmet, hat aber auch eine gute Sammlung der Kulturen der Südseeinseln. Und eine schöne Sammlung vorklassischer und klassischer griechischer Keramik. Da hat vor über hundert Jahren einer mit viel Geld sein Hobby betrieben.





 
 Im Bahnhof aus der Gründerzeit
 
Anschliessend geht es die Hauptgeschäftsstrasse entlang ins Zentrum, dann ins Hotel zum Ausruhen und dann zum Abendessen. Morgen fahren wir wieder in den Lake District und von dort nach Norden.
 
19.11.2012 / JB.



 
 

Montag, 12. November 2012

IV-3 An der Tasman Sea

Nasser Abschied – sonniger Empfang / Die Sonnenstube der Südinsel / 112/795/196 und Vivaldis Jahreszeiten / Symphonie in Gelb / Keine Eile / Obama in Westport / Seehunde und Küstenlandschaft / Alpenflug / Die Gletscher / Die Gipfel / Goldräusche / Saunass / In den Moränen / Regen im Wald / Sonniger Abschluss / Kulinarisches

Nasser Abschied – sonniger Empfang

Wellington verabschiedete sich im Regen. Auf der Fahrt zur Fähre frühmorgens am Sonntag kamen wir in eine grosse Alkoholkontrolle; sie waren wohl auf Nachtvögel aus. Als sie mrt so ein Apparätli vor das Gesicht hielten, blies ich kräftig drauf, worauf er mehrere Male etwas wie „cannotfind (kann’s nicht finden)“ sagte und dann schnauzte, bis ich merkte, dass ich einfach auf fünf zählen musste (count to five), was ich brav machte und das Apparätli zur ebenso braven Reaktion „no alcohol“ veranlasste.
 
Die Ueberfahrt war ruhig, kaum waren wir im grossen natürlichen Hafenbecken von Wellington, wurde das Wetter gut, und in der Cook Strasse waren wenig Wellen, trotz des stürmischen Windes der letzten Tage. Wenn man die Hafenbucht verlässt sieht man in der Ferne schon die Südinsel, die weniger als 50 Kilometer entfernt ist. Von weitem sieht es aus, als seien das nur abweisende Felsberge, und erst als wir kurz vor der Küste sind, zeigt sich die enge Einfahrt in den schönen Tory Sund, durch den wir in die Queen Charlotte Bay und dann nach Picton, einer Kleinstadt fahren, die vor allem Fährhafen ist. Queen Charlotte war eine Prinzessin von Mecklenburg-Strelitz, die Gattin des Hannoveraner Königs Georg III., Vorfahr der Elizabeth.
 

 
 
 

 

 
 
 
 
 
 
 
 
Die Sonnenstube der Südinsel

Entlang der Queen Charlotte Bay führt uns die Strasse mit ihren schönen Ausblicken in Richtung Nelson und Golden Bay, wo es die meisten Sonnenstunden der Südinsel geben soll. Und wir werden nicht enttäuscht, auch wenn der Wind immer noch kalt ist und kalt bleiben wird, haben wir jetzt wieder merklich mehr Sonne, was die Kühle etwas ausgleicht.

Takaka an der Golden Bay liegt hinter einem respektablen Pass. Fast oben besichtigen wir eine schöne Tropfsteinhöhle.
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
In Takaka bleiben wir zwei Nächte, wir machen es zum Ausgangspunkt für einen Ausflug ans Nordende, zum Cape Farewell (auch hier wieder Captain Cook) und dessen grosse Sandspitze, dem Farewell Spit (Farewell Spiess) Das Spit ist wie eine Pickelspitze 90 Grad nach Osten an die schmale, süd-nördlich ausgerichtete Gebirgskette des Kaps angehängt. Es ist viele Kilometer lang. Wir machen eine Wanderung – das wird die Hauptbeschäftigung hier im Süden sein, denn baden ist trotz schönster Strände einfach nichts, bei der Kälte. Aber für die Fitness ist es allemal gut, und schön erst noch.

Natur pur, meist allein, breite Strände. Es ist Ebbe. Südlich der Halbinsel, gegen die grosse Golden Bay ist es flach. Daher hat sich das Meer verkrümelt, nur Sand und Vögel. Nördlich dann, nach 20 Minuten durch Wiesen und Busch, die grosse Weite der Tasman Sea mit leicht anrollender Brandung. In einer Ecke ruhen sich wenige Seehunde aus. Einer verkriecht sich empört in eine Höhle in der Felswand, als wir ihm zu sehr auf die Pelle rücken – ungewollt, er war halt plötzlich da.

 112/795/196 und Vivaldis Jahreszeiten

Auf dem Rückweg fahren wir wieder über den Pass, denn die Gegend hier ist durch eine Bergkette richtig abgeriegelt (und daher geschützt von den Westwinden!). Ich erinnere mich der vielen Kurven auf der Hinfahrt, und ich zähle. Bis oben sind es 112. Die Höhe (wir kommen ja vom Meer) ist 795 Meter. Runter sind es 169 Kurven. Es geht hier einer Flanke entlang, kein grades Stück. Centovalli  und Arosa kombiniert. Die Fahrt, die auch jetzt wieder sehr schön ist, dauert genau einmal Vivaldis Vier Jahreszeiten, die wir uns anhören.

Symphonie in Gelb

Die dominierende Farbe wird nun das Gelb. Das Grün der Wiesen und Wälder ist mehr und mehr durchsetzt von leuchtendem Gelb, manchmal heller, manchmal dunkler ins Gold übergehend. Es ist Frühling, und das heisst hier, dass der Ginster blüht. Er wurde durch die Europäer eingeführt, und er ist eigentlich ein Unkraut, das die Wiesen, Strassenränder, Hänge und Wälder durchzieht. Aber es ist schön, es macht richtig Freude, hier durchzufahren. Jede Kurve bringt neue Eindrücke. Wo Forstwirtschaft mit regelmässigen Baumreihen betrieben wird, sieht es manchmal aus, als wenn eine afrikanische Frauenfrisur auf einer leuchtendgelben Kopfhaut aufgepflanzt worden wäre.
 
Wir kommen durch die Buller Gorge, wo der Buller einen tiefen Graben durch die Gebirgskette der südlichen Alpen gegraben hat, bevor er dann bei Westport.in die Tasman Sea mündet.









In der Schlucht hangeln wir uns über die längste Hängebrücke Neuseelands. Elo meint, eigentlich hätte sie fünf Dollar erhalten müssen für die zweimal 220 Meter pendeln über dem reissenden Fluss, statt fünf zu bezahlen. Hier bebte es vor knapp hundert Jahren so stark, dass das Erdreich auf der einen Seite der Erdplatte um viereinhalb Meter hochgehoben wurde. Ein ganzes Stockwerk.

Wir essen sehr gut hier in Neuseeland. Und sehr oft essen wir Muscheln. Miesmuscheln würden wir in Deutschland sagen, hier heissen sie Grünlippen-Muscheln. Sie werden immer etwas anders zubereitet, aber sie schmecken uns immer ausgezeichnet.

Keine Eile

Es ist schön, auch auf dieser Reise viel Zeit zu haben. Wo es uns gefällt, bleiben wir zwei Nächte und haben dann immer einen eher faulen Tag, an dem wir wenig machen, uns ausruhen, den Ort geniessen.

Das etwas brachiale aber eingängige Motto der neuseeländischen Polizei, mit dem sie der Raserei auf den Strassen begegnen will, ist für uns wie gemacht: „You are dead a very long time – so what’s the hurry?“ (Du bist noch sehr lange tot – was soll die Eile?). Wir nehmen es immer eher gemächlich, und ich habe schon Hunderte von Fahrzeugen überholen lassen. Ich weiss, dass unser Auto Saft hat, wenn es nötig ist, mehr brauche ich nicht.

Obama in Westport
Wir erleben die Wahlsiegrede von Obama an einer Bar in Westport. Den Neuseeländern geht es wie uns: Alle sind froh, dass nicht die unmöglichen Romney&Konsorten gewonnen haben, aber sie sind auch kritisch gegen Obama. Der hat ja wenigstens die Gesundheitsreform über die Bühne gebracht, aber was er aussenpolitisch leistet, ist dünn.
Als er, ein hervorragender Volkstribun, eigentlich ohne Zwang, wie uns scheint, grossspurig von der stärksten Armee der Welt spricht, auf die Amerika stolz sei, geht ein einhelliges „Buuu“ durch die Kneipe. Keine und Keiner, die da nicht provoziert worden wären oder zumindest die Ansicht hatten, mehr internationales Feingefühl hätte dem Sieger der Wahl sehr wohl angestanden.


Seehunde und Küstenlandschaft

Die Westküste der Südinsel ist traumhaft schön. Zuerst fahren wir ans Cape Foulwind (Cook erneut), wo wir eine Kolonie von Seehunden beobachten, wie sie an der Sonne liegen, ihre Reviere verteidigen, miteinander spielen, an der Mutter saugen, sich im Wasser räkeln. Wir könnten stundenlang zusehen.

  
 
Dann geht es die Küste runter nach Süden. Einmal mehr ist es atemberaubend schön. Die Westküste ist eher rau, die Winde und die Brandung sind stetig. Das bildet bizarre Felsformationen, kleine und grosse Buchten mit schwarzem, grobem Sand. Die Strasse geht auf und ab, mal an der Bucht, dann über ein kleines Kap in die Höhe, von wo aus sich weite Ausblicke eröffnen.

 
An einer Stelle gibt es sogenannte Blow Holes (Blaslöcher), in denen bei Flut die Gischt gefangen wird und weit hinaufspringt (wir haben ähnliches in Westaustralien gesehen). Es ist Ebbe, die Löcher blasen nicht. Aber der sehr gut angelegte Weg auf die Klippen lohnt sich allemal. Die Felsformationen sind sehr speziell: Wie Blätterteig, nur viel höher und grösser.

 
Alpenflug

In Hokitika, das vor über hundert Jahren die Hauptstadt der Westküste war, legen wir wieder einen Pausentag ein. Hokitika liegt am Meer, und im Rücken hat es die Schneeberge der Südalpen. Der höchste Berg Neuseelands, der Mount Cook, mit 3754 Metern und der nur unwesentlich niedrigere Mount Tasman liegen in Sichtweite rund 100 Kilometer südlich. Sie sind umgeben von weiteren hohen Bergen und Gletschern.

Wir lassen uns nicht von den Abenteuerangeboten wie Helikopterflug auf den Gletscher und drei Stunden mit Steigeisen im Eis verleiten. Wir machen einen klassischen Alpenflug. Fünfviertel Stunden mit einer Cessna, nur wir zwei allein (und der Pilot notabene). Es ist unerhört, einer der herausragenden Höhepunkte einer Reise mit vielen Höhepunkten. 

Zuerst der Anflug über die Küstenlandschaft und die vielen mächtigen Flüsse, die aus den Alpen kommen. Unter uns die Stadt, dann die Farmen, die heute Milchwirtschaft betreiben, nachdem die Schaf- und Rinderzucht praktisch aufgegeben wurde. (Die Molkereiprodukte werden nach Japan und in die USA exportiert).

 

 
 
  
 
 
 
 
 
Die Gletscher

Dann geht es in die Berge. Es ist etwas bewölkt, was die Sicht aber nur unwesentlich behindert und die Dramatik des Eindrucks steigert. Zuerst fliegen wir über die beiden grossen nach Westen bis praktisch ans Meer abfliessenden Gletscher: Franz Joseph (Hier war ein Oesterreicher als Forscher tätig, der Herr Haast, nach dem hier ein Ort benannt ist) und Fox.

Die Gletscher fliessen mit über einem Meter pro Tag, aber sie nehmen auch hier ab (der grösste, der Tasman-Gletscher mit 27 Kilometern Länge, schrumpft pro Jahr mehr als 400 Meter). Wir fliegen über die Schrunde, und wir sehen, wo die Gletscher beim Uebergang in steilere Täler grosse Felder von Spalten bilden. Unten kommen sie gleichsam auf die grüne Wiese. Wir werden zu ihren Toren wandern, wenn es weiter nach Süden geht.

 

 

  
 
  
 
Die Gipfel

Dann nähern wir uns den Gipfeln. Sie sind benannt nach Abel Tasman, dem holländischen Seefahrer, der Neuseeland im 17. Jahrhundert als erster Europäer erforschte (Tasmanien trägt auch seinen Namen) und nach Captain Cook. Wir fliegen ganz nahe heran, drehen um sie herum. Wir haben das Gefühl, wir könnten sie angreifen, wir sehen jedes Detail, jeden Schneeabbruch und, weiter unten, die Spuren der Bergsteiger. Nebengipfel ragen aus den Wolken, das helle Weiss des Schnees in der Sonne sticht aus dem Grau des Gewölks.
 

Entlang der Gebirgskette geht es wieder nach Norden, und wir sehen im Westen die Ebenen von Marlborough. Bei glasklarem Wetter sind beide Küsten – Tasman Sea und Pazifik – gleichzeitig erkennbar, wir sehen den Pazifik nur im Dunst. Auf dem Rückflug wird auch nochmals klar, wir ruppig das Gelände ist: Tiefe, steile Täler, scharfe Bergrücken. Und die Flüsse entwässern in vorgelagerte Schuttebenen, in denen sie frei mäandrieren.

Das war gut.

Goldräusche

Hokitika ist in einem der vielen Goldräusche entstanden. Diese Zeiten waren für viele Gegenden dieser für Europäer Neuen Welt die entscheidenden Impulse der Entwicklung. Die Aussicht auf schnelles Geld, auf Abenteuer lockte viele Menschen an. Das lokale Museum informiert über die Zeit.

Der Goldrausch begann 1864. Zwei Jahre später war der Höhepunkt erreicht. Die Stadt hatte über 100 Hotels (heute: 1), es gab eine ausgebaute Infrastruktur mit Rösslitram, Läden, Schulen, Spital usw. In den Bergen wurde eine ausgeklügelte Infrastruktur für den Abbau von Gold aufgebaut, so z.B. eine Wasserleitung, eine Art Viadukt, von über 10 Kilometern, um das Gold aus dem Sand ausspülen zu können. 1866 kamen fast 50% der Einwanderer Neuseelands in Hokitika an, der Hafen blühte, die Schiffe mussten dreireihig hintereinander anlegen.

Zwar war der eigentliche Rausch relativ schnell vorbei, aber bis in die erste Hälfte des 20 Jahrhunderts war die Stadt von Bedeutung mit einem schönen Regierungsgebäude, mit einer Freihandbibliothek, die von Andrew Carnegie, dem amerikanischen Milliardär gespendet worden war (er spendete 12 Bibliotheken im ganzen Land). Dann ging die Bedeutung zurück, heute ist das nördlich gelegene Greymouth, dem Hokitika einmal den Rang als Hauptstadt abgelaufen hat, wichtiger.

Aehnlich wie Hokitika, das wenigstens noch besteht, ging es vielen Orten. An einem Platz sollen in den ersten 5 Wochen des Booms 50 Hotels aufgetan worden sein. Heute ist Hokitika ein Touristenort und regionales Kleinzentrum. Und der Ort ist – vorsichtig gesagt – ruhig.

Saunass

Die Fahrt an die Tore der beiden Gletscher ist nass, saunass. Zuerst kommen wir nach Franz Joseph Glacier (wenn wir brav „Franz Joseph“ sagen, werden wir angestaunt, bis der Zwanziger fällt: „O, Fräns Dschouseff“). Hier bleibt uns nur das heisse Bad im Thermalpool.

Aber das ist dann wirklich eine nasse Angelegenheit: Die Pools sind im Freien; statt Regendächern hat es Sonnensegel, die den Regen voll durchlassen. Und so hast du warmes Wasser um den Körper und eine kalte Dusche am Kopf. Liegebetten oder so was gibt es nicht und schon gar nicht am Trockenen. Also ins Wasser und dann nach über einer Stunde wieder weg. Aber es ist schön, mitten in einem Garten aus grossen Bäumen und Farnen.

Dann geht es weiter nach Fox Glacier, wo wir übernachten und auf besseres Wetter für morgen hoffen.

In den Moränen

Ueber Nacht beruhigt sich das Wetter – etwas. Wir machen an Vormittag eine kleine Wanderung um den Lake Matheson, einen See, gebildet, als sich der Gletscher zurückzog und die Endmoräne das Wasser staute. Also ganz ähnlich, wie der Zürichsee, der Bodensee, aber etwas kleiner: In einer guten Stunden sind wir rund herum. Es geht über die Seitenmoränen auf und ab, durch einen dichten Regenwald.  


Der Boden ist voll von Wasser, aus allen Borden quillt und tropft es. Moose überwuchern verrottendes Holz. Pflanzen wachsen auf den Baumstämmen. Farne, kleine und grosse, spüren den Frühling und sind bereit, sich aufzurollen und ihre Sporen auszuwerfen. Das Wasser der kleinen Flüsse ist seifig, schaumig, braun von dem moorigen Untergrund. Die Vögel erfreuen uns mit ihrem Frühlingskonzert. Und es regnet fast gar nicht.

Der Lake Matheson ist einer der am meisten fotografierten. In ihm spiegelt sich das ganze Panorama der Südalpen – wenn es sichtbar ist. Heute aber versteckt es sich hinter dichten Wolken, die immer mal wieder einen Schauer loslassen. Wir müssen uns in dieser Hinsicht mit der Erinnerung begnügen. Einmal die Erinnerung an den Flug von vor wenigen Tagen, und dann an die gleiche Wanderung, die wir vor 15 Jahren hier gemacht haben, bei bestem Wetter.
 
Regen im Wald

Als wir am Nachmittag den Fox-Gletscher von Nahem besichtigen wollen, regnet es immer wieder. Wir wandern mit Regenschirm zum Fluss runter, der grau und wild kommt, und dann gehen wir bald wieder zurück.

Wir fahren jetzt noch bis Haast an der Westküste nach Süden, dann geht es über einen Pass ins „Inland“, von wo aus wir dann die südlichen Fjorde besuchen wollen – Fjordland heisst die Gegend. Vor 15 Jahren hat es auf dieser Fahrt nur geschüttet. Mal sehen. Aber wir sollten uns nicht wundern. Im Fjordland gibt es Gegenden, die mit 7500 mm pro Jahr fünfmal mehr Regen haben als der Hinterthurgau, der ja auch nicht trocken ist.

Regen hin oder her – die Nord- und die Westküste sind eindrücklich.

Sonniger Abschluss

Zum Schluss zeigt sich Petrus gnädig. Am letzten Morgen am Fuss der Gletscher und grossen Berge ist strahlendes Wetter. Wir sehen die Gipfel und den Gletscher im Sonnenlicht. Es ist schon eindrücklich, wenn sich knapp 4000 Meter hohe Berge praktisch von der Meeresküste in den Himmel recken. Frischer Schnee von gestern (haha!) verzuckert das Panorama.

 
 
 
Weiter geht es nun nach Süden, nach Haast, wo die Strasse entlang dem Haast River über den Haast Pass nach Osten abbiegt. Unten kommt dann das Fjordland, das wir von der anderen Seite besichtigen wollen. Wir überqueren grosse Flüsse mit breiten Schuttfächern, durch die sich das stahlblaue Wasser schlängelt, das den Sand liegengelassen hat.

Bis unten im Süden ist jeder Spaziergang ein Ausflug ins Märchenland des Regenwaldes. Alles grünt, die Farne, die zum Teil sehr hohen Bäume, die Schlingpflanzen. Die schön angelegten Spazierwege zu Aussichtspunkten wie Wasserfälle oder Panoramasichten führen gewunden an der Pflanzenvielfalt vorbei, unter ihr durch, manchmal über sie hinweg. Es ist immer sehr schön (auch dann, wenn es regnet, was heute nicht der Fall ist).

 

 
 
 
 
 
 
Kulinarisches

Wir kaufen am Strand bei einem Fischer eine gekochte Languste, die wir als Mittagspicknick verspeisen. Ausnahmsweise genehmigen wir uns zwei kleine Gläser Weissen; sonst wird erst getrunken, wenn das Fahren beendet ist.

Der Fischer hätte auch die lokale, saisonale Spezialität Whitebait anzubieten: kleine (3-4cm lange), glasige Fische, die zur Zeit die Flüsse hochsteigen und dabei den grösseren als Nahrung dienen. Gefangen werden sie in grossen feinen Netzen ähnlich wie Schmetterlingsnetze, wobei die Fischer im Fluss stehen und die Whitebait in die Netze schwimmen lassen. Die Fische  werden frittiert oder wie Kartoffelpuffer in einem Teig gebraten. Sehr gut. Uebermorgen ist Schluss mit lustig, die Schonzeit beginnt.

Auf dem Haastpass, der nach einer Schlucht, durch den sich der Fluss durchzwängt und nach einigen steileren Stücken auf gut 400 Metern Höhe kaum bemerkbar ist, verlassen wir zunächst einmal die Westküste und ihre immer wieder an die Tropen erinnernde Vegetation. Wir kommen wieder.

  
 
 
 
 
 
 
 
 



Und noch ein Bild, das mir gefällt (Golden Bay):

 
12.11.2012 / JB.