Freitag, 22. Juli 2011

VI Russland 1

18.7.
Vorwort
Elo und ich haben uns heue über das Reisen unterhalten. Für uns ist es eine Bewegung im Raum, ganz nach den alten Daoisten, nach Lao Zi: „Der Weg ist das Ziel“. Dieser Satz erschliesst sich uns immer besser. Wir kommen an Orte, von denen wir keine Ahnung hatten, dass es sie gibt. Wir finden sie schrecklich, wir reiben uns an ihnen, sie gefallen uns (wie heute Anapa am Schwarzen Meer). Aber wir wären, hätten wir statt der Reise Destinationen gesucht, niemals dahin gekommen. Und das ist das Schöne am Reisen, das ist es, was den Horizont erweitert, das ist es, was die Mühen (s.u.) erträglich macht.

Fast eine Busse
Nach 115 km Fahrt durch die fast flache Hallbinsel Krech an die Meerenge zum Aaowschen Meer,sind wir wieder an einem Zoll, an der Fähre nach Russland. Zuvor hat mich in Kerch noch ein freundlicher Polizist darauf aufmerksam gemacht, dass das Zeichen „Kein Vortritt“ bei einem Kreisverkehr quasi ein Stoppgebot ist. Ich konnte ihn, in seinem Polizeiauto, in das er mich höflich gebeten hatte, überzeugen, dass das bei uns nicht so sei und ich doch niemanden behindert hatte, er stand ja daneben. Oder dann war ihm das Riesen-Bussenformular doch zu mühsam. Wir verabschiedeten uns als Freunde.

Beispiel eines Grenzübertritts
Dieses Mal führe ich für ein Mal exemplarisch Detailtagebuch am Zoll, ich habe, vor allem auf der ukrainischen Seite, Zeit dazu:

1040 Ankunft, vor uns in der Schlange ca.40 Autos, meist Russen. Erste Auskunft: das dauert 4 – 5 Stunden, die Fährleute und Zöllner, die unendlich lange Schicht arbeiten, sind schlafen gegangen. Dann war ganz vorn im Häuschen plötzlich ein Uniformierter. Ich fragte ihn: wie lange. Er begriff und malte für die Autos hinten, wo wir standen, 1400.
1110 Die Schlange bewegt sich, die vorderen Autos dürfen in den Zollbereich, wir rücken nach, ca. 15 -20 Autos vor uns.

1200 Ein Mann bringt ein Plastikkärtchen, ich kann in Begleitung eines jungen Mannes – sehr nett –an die Kasse, um das Billet für das Auto und zwei Personen zu kaufen: 453 UAH (wie eine solche Zahl zustande kommt, ist schleierhaft). Fahrzeugausweis und visanummer Russland wurden notiert.

1245 Wir dürfen durch die Schranke, erhalten Ausreisepapierchen und stehen in der Schlange vor dem Zoll und bewundern die Feuerbekämpfungsmittel

1300 (alle Zeiten rund genommen) Ein Zöllener verlangt relativ barsch Pass und Pass von Auto. die Schlange rückt langsam vor, vorne wird die  Fähre entladen und wohl auch beladen. Ob wir draufkommen?

1315 Pässe kommen ohne Kommentar zurück, das Ausreisepapier ist abgestempelt, der Pass noch nicht.
1340 Wir werden auf die Mittelspur gewinkt. gut oder schlecht?

1345 Zöllner will Passport und „Passport Maschin“.
1350 Dokumente kommen, wir fahren nach vorn
1352 Wir geben das Ausreisepapier ab
1353 Wir zeigen das Fährbillet (wo habe ich es nur? Elo! Da wo du es hingesteckt hast! Und da ist es).

1355 Wir sind auf der Fähre, rechts aussen weit vorn. Halbvoll. Abfahrt?

1425 Die Motorräder einer auf ersten Blick eher problematischen russischen Version der Hells Angels und die letzten Fussgänger sind drauf, die Fähre legt ab, unter martialischer Heldenmusik und nach längerer Ansprache an die Passagiere in klarem Ton

1445 Die Fähre legt in Russland an, wir fahren runter und werden in die Kolonne ganz vorn gewinkt

1450 Ein netter Offizier – es waren hüben und drüben alle sehr nett, aber wenn die Erfinder des Papierkriegs alle Kriege gewinnen würden, diese Armee von Bürokraten wäre unschlagbar! – ein netter Offizier also, der uns über den ganzen Zoll hilft und alles beschleunigt, verlangt Passport und Autodokument und verschwindet damit.

1455 Er kommt mit zwei Formularen zum Ausfüllen für das Auto. Allerhand Sachen von Baujahr, Hubraum, Wohnort des Besitzers, Herkommen und Hingehen usw. Er hilft, denn all die kyrillischen Sachen kann ich mir trotz Uebersetzung seinerseits nicht merken und muss nachfragen. Mehrfach, und er ist auch kulant wenn das Richtige am falschen Ort steht.
1500 Wir dürfen zur Passabfertigung, der Mann muss aber noch zwei englisch geschriebene Formulare besorgen, die wir im Doppel ausfüllen, sozusagen der ganze Pass incl. Visum. Auch hier ist der Fahrzeugausweis wichtig. Alles wird gescannt. Der Mann studiert alles ausführlich, offensichtlich kommt nicht alle Tage wenn überhaupt alle Jahre ein Schweizer Paar mit Auto und erst noch Visum für Mehrfacheintritt – das buchstabiert er mehrfach von vorne nach hinten und von hinten nach vorn – unter die Augen des guten Mannes. Endlich ist der Stempel in meinem Pass, und ich kann
1525 mit dem Auto vorfahren zur Zollkontrolle, die wieder von meinem Freund vereinfacht und beschleunigt wird. Keine Waffen, keine Drogen, eine angebrochene Weinflasche (es dürften pro Person drei sein, sagt er), unser Wasser. Alles will der Gehilfe sehen. Als er dann auch noch vorne unter der Windschutzscheibe den Motor sucht (er ist unter dem Beifahrersitz), wird es auch dem Chef zu bunt. Er winkt uns durch. Durch, denken wir. Denkste!
1535 Der freundliche Mann winkt uns zum nächsten Schalter („Pass, Auto Dokument, Grüne Karte, alles mitnehmen gibt er zu verstehen). Ich komme in einen kleinen Raum mit verhängtem Schalter, wo mein Freund anklopft, länger, bis seine gähnende Untergebene kommt. Und sich an die Arbeit macht. Was für eine! Sie beginnt Pässe (beide), Fahrzeugausweis und anderes zu scannen, und mir dämmert, was mir der freundliche Mann nicht beibringen konnte: Auch wenn ich – trotz des durchgestrichenen RUS versicherte, die grüne Karte sei gültig für Russland, war ich am Schluss des Prozederes Besitzer einer russichen Haftpflichtversicherung. Auch hier wurde das Gescannte sicherheitshalber nochmals abgeschrieben, dann bezahlte ich die gut 50 Franken mit dem Rest ukrainischen Geldes, die Restsumme wurde in 24$ umgerechnet. Und dann noch zum letzten Schalter, wo alles nochmals abgeschrieben und eingescannt wurde, zusammengebosticht, gestempelt – und mir übergeben.
1605 Wir werden einfach durch das Tor gewinkt, keiner will ein Papier. Wir sind perplex und in Russland. Es hat nur fünfeinhalb Stunden gedauert.

Aanapa
Jetzt sind wir 100 km weiter in Anapa, einem bekannten russischen Seebad, im Hotel Plaza. Elo macht wäsche. und dann gehen wir Essen (am Zoll gab es Menue 1: Schüttelbrot, Trockenfrüchte, Früchtebrot von Ruth und Wasser; zum Glück habe ich am Morgen Haferbrei gegessen – Elo hat sich geschüttelt – aber das gab Boden für den nationalen Zirkus beiderseits der Meerenge!). Mal sehen, was der russische Badetourismus ist.

Der Ort ist sehr schön. Es hat zwar viele Touristen, aber er ist nicht überfüllt. Wir sind die Promenade – nicht am Meer, sondern mitten in der Stadt – hochgegangen, und dann den anschliessenden Stadtpark sehr lange weiter. Es war einfach schön. Wir haben gut gegessen und getrunken.
Hier noch eine Anmerkung zu den Russen: Sie sind freundlich – auch an der Grenze! – und sie sind überhaupt nicht lärmig und rüpelhaft. Sie haben Freude am Leben, die Kinder (viele) brauchen ihren Raum und melden sich. Aber sie sind rücksichtsvoll, spontan und zuvorkommend.

Die Strassen und der Ort hier machen den Eindruck, das Russland reicher ist als die Ukraine. Auch in der Stadt zeigt sich das: Die Troittoirs haben keine Löcher, die Strassen sind in Ordnung, die Häuser haben Fassaden, die nicht herunterfallen. Ein guter Eindruck.

19.7.
Wer da meint, er sei da, der irrt, zumindest wenn damit Russland gemeint ist. Du hast das Gefühl, jetzt seist Du im Land. Aber oha! Nix da! Wer eingereist ist, muss sich noch registrieren lassen, mehrfach, in jedem Hotel, so scheint es. Und das ist, je nach Ort, nicht einfach. Eine nette Dame im Hotel Plaza in Anapa macht das für uns, sie geht zum Amt und so mit unseren Pässen. Aber das dauert, und so kommen wir erst um 11h weg, mit knapp 500 km vor uns.

Vor dem Frühstück haben wir noch im Meer gebadet. Es ist schön, der Strand ist flach, am Anfang hat es grüne Algen, dann wird das Wasser klar. Der Strand ist schon um 9 voll, aber es ist ganz angenehm.
Strenge Fahrt
Die Fahrt nach Rostov am Don ist streng. Es ist heiss. Die Strasse ist am Anfang schmal, viele Lastwagen. Dann wird es besser, es ist meist dreispurig mit abwechselnden Ueberholspuren. Aber es rumpelt immer, und es wird immer heisser am Nachmittag. Vor Rostov, als wir auf die Strasse vom Kaukasus nach Moskau einbiegen, wird diese besser, teilweise Autobahn. In Rostov dann, wie in allen grossen Städten dieser Region, Stau.

Die Landschaft, in der, so meine gegenwärtige Lektüre, sehr viel Indogermaisch-zentralasiatisch-ostwestverbindendes meist kriegerisch ablaufendes passiert ist, ist eher flach, leicht gewellt und gross.

Rostov ist eine schöne Stadt, der Don (Solochow: Der stille Don; sozialistischer Schriftsteller: Die Ernte am Don) ein grosser Fluss, der ins Asovsche Meer mündet.

Das Hotel Rostov im Zentrum ist gut, wenn auch die Leute etwas kompliziert sind. Das Einchecken hat seine Zeit gebraucht



20.7.
Die Lehre aus dem gestrigen Nachmittag ziehend, haben wir das Frühstück nicht gebucht und sind um sechs Uhr losgefahren. Das hat sich gelohnt. Wir sind gut aus der Stadt rausgekommen, haben mehr als die Hälfte der Strecke (die ab der Abzweigung nach Volgograd zwar viel weniger befahren, dafür aber nur noch zweispurig war (viel überholen!), in angenehmen Temperaturen gemacht und konnten von 1130 bis 14 Uhr eine schöne Mittagspause im Schatten eines grossen Baumes machen. Das Büssli ist genial. Ich habe mehr als eine Stunde geschlafen, ungestört von der Bahnlinie mit Riesengüterzügen und der Strasse. Elo hat gelesen und, nach dem leichten Schnarchen zu beurteilen, auch geschlafen.
Bahnübergänge
Danach haben wir noch Bahnübergänge kennengelernt, die nicht nur eine Schranke, sondern sozusagen noch ein Tanksperre haben: Gegen die Fahrtrichtung öffnen sich auf beiden (!) Fahrbahnen schräggestellte Schachtdeckel. Und das kann dann dauern. Eine Viertelstunde ist gar nichts. Alle stellen den Motor ab, öffnen die Türen und haben mehr oder weniger Geduld. Wenige3r?: Ausscheren, umdrehen und 10 Minuten weiter hinten einen Uebergang ohne Rangierverkehr suchen!

Der Don kommt hier ganz nahe an die Wolga. Er ist verbunden durch einen Kanal mit einer Riesenschleuse, so haben wir gelesen, die wir auf dem Weg nach Astrakhan sehen werden.

Unterwegs haben wir noch allerhand Geräte aufgeladen und Musik gehört. Hier hat das Büssli durchaus einen High-Tech-Touch




Intourist Volgograd
Trotzdem waren wir froh, als wir in Volgograd waren und das Intourist-Hotel, eine gut gepflegte Ikone aus dem sozialistischen Reisezeitalter, ein Zimmer hatte. Ein gutes. Gegessen haben wir georgisch, und zwar so gut, dass wir morgen nochmals hingehen.

Denn wir werden einen Tag hier einschalten, an dem wir die Denkmäler und Museen der Schlacht von Stalingrad ansehen wollen. Es ist ja doch ein Teil auch unserer Geschichte. Es war ein zwiespältiges Gefühl, durch die Landschaft zu fahren, in der die 6. Armee von Paulus eingekesselt und mehr oder weniger vernichtet wurde. Es war ein zwiespältiges Gefühl, zur Wolga, einem imposanten Strom, runterzugehen, der die Grenze für Hitlers Expansion wurde. Es war ein zwiespältiges Gefühl, in einem Gartenrestaurant (richtiger: Strassencafé) zu sitzen und fein zu essen und zu trinken inmitten von Häusern, von denen jedes Etage um Etage, Raum um Raum umkämpft war.

Wir diskutieren über Hitlers Verblendung („Verblödung“ ist sprachlich ganz nah), die Stalin in die Hand gespielt hat, zum Glück. Aber mit welchen Opfern gerade auch für die Russen. Die russischen Denkmäler werden verständlicher, wenn auch nicht schöner.

21.7.
Denkmäler haben wir heute ausführlich gesehen, insbesondere die gigantische Mutter Russland, die auf dem Mamayev Kurgan, einer Erhebung von über hundert Metern, 72 Meter (ohne das 11 Meter lange Schwert) die Völker der Sowjetunion zum Kampf aufruft. Irritiert hat mich, dass sie gegen Osten gewendet ist, wo doch die Deutschen von Westen kamen. Aber alles kann auch die nationale Heroik nicht haben: Eindrücklicher Platz, guter theatralischer Aufbau und dann noch historische Akkuratesse.





Das Mausoleum für die 7200 auf diesem umkämpften Hügel – aus der Rückschau machen umkämpfte Plätze oft wenig Sinn für einen Füsilierkorporal – gefallenen Sowjetbürger ist zwar auch pathetisch aber in Ordnung, weniger überzeugend ist die Wachtablösung mit gut 10 Minuten knallendem Stechschritt. Ueberholt.



Wir sind heute nicht Auto gefahren, sondern mit der Metro. Es hat eine Linie, Nord-Süd, und sie ist tadellos, auch wenn die Wagen von Stadler Rail etwas moderner sind.

Orden und anderes
Sie hat uns dann auch zum Museum mit Panorama am Wolgaufer geführt. Dieses war eher etwas enttäuschend. In der Didaktik veraltet, und fast immer eine Ansammlung von Passfotos und Texten dazu. Dazwischen Waffen. Wenig von den Deutschen, was verständlich ist, aber uns doch auch interessiert hätte. Beeindruckend war die Leistungsfähigkeit russischer Generalsbrüste: Eine trug nicht weniger als 36 Orden, alle ausgestellt. Das gab mit Sicherheit einen Buckel des Trägers, oder hohles Kreuz. Ersteres vermutlich gegen Stalin, letzteres gegen die Soldaten unter seinem Befehl. Auf den 4 Bildern des Kampfpanoramas fiel mir zweierlei auf: 1. An der direkten Kampflinie war immer ein grosses Durcheinander, ist wohl so. 2. Sterben taten nur die Deutschen.

Dann sind wir zum Hotel zurückgelaufen und haben geschwitzt. Offensichtlich mit Grund, denn der sehr gut Deutsch sprechende Hotelportier – er hat mit Deutschen und Schweizern zusammengearbeitet, spricht mit wenig Akzent und fast ohne Fehler – hat uns gesagt, es sei 42 Grad und morgen sollen noch einige dazu kommen. Na dann Prost, es geht nach Süden.

Das Warenhaus, das wir noch besichtigen, erinnert uns stark an das „Baihe Dalou“ im Peking der 70er Jahre.

22.7.
An der Seidenstrasse
Jetzt sind wir in Astrachan, an der Wolgamündung ins Kaspische Meer. Es waren 450 km, die aber recht gut zu fahren waren. Die Strasse war durchgehend gut, leicht schaukelnd, aber gut. Der Verkehr war wenig, die Strassen weitgehend gerade, überholen einfach, wenn auch wegen des Windes leicht kitzlig. Nur in den Ortschaften ist Obacht! angesagt. So hat eine Minibus, den ich gerade überholen wollte (er hat das lange gesehen oder eben nicht), ansatzlos auf die Bremse getreten, den Blinker links gestellt und ist abgebogen. Alles gleichzeitig. Ich konnte knapp bremsen, leicht ausweichen, es ging gut. „Reflexe in Ordnung!“, sagte der Arzt, als der Patient beim Lesen der Honorarnote in Ohnmacht fiel.

Kalmückensteppe
Die Fahrt ging durch die Kalmückische Steppe entlang der Wolga. Alles flaches, fast leeres Grasland. so wird das jetzt sein für eine Woche.






Als wir kurz durch das Gebiet der Kalmückischen Republik fuhren, sahen wir einen Kalmücken. Der hatte so schmale Schlitze statt Augen, dass wir das Gefühl hatten, er sehe überhaupt nicht raus. Aber der Verschluss der Augen muss wohl so dicht sein angesichts des stürmischen Windes, der immer wieder Sand – insbesondere von unbefestigten Strassen – aufwirbelte, über die Fahrbahn wehte und ganz allgemein einen Grauschleier über die Landschaft legte. Das war beim Fahren störend, ich musste das Steuerrad immer mit beiden Händen halten, um zu korrigieren, insbesondere, wenn ein Laster entgegenkam und kurzzeitig den Wind abblockte.

Lebendige Nacht
Wir hatten eine lebendige Nacht. Ich hatte Einigen mitgeteilt, wir hätten nun eine russische Natelnummer, auf der wir angerufen werden könnten. Vorsichtshalber hatte ich im SMS noch auf die Zeitverschiebung hingewiesen. Dass wir früh zu Bett gehen, hatte ich weggelassen. Zuerst der Heiri um 11, ich war gerade 30 Minuten weggedämmert, dann Ruth um 1! Aber  gefreut haben uns die Anrufe trotzdem, und es gab dann ja noch vier Stunden am Stück.
Wir sind um 5h aufgestanden, 0520h abgefahren und waren vor 12 in der Stadt und hatten um 1230 das Hotel (nach einer Stadtrundfahrt zur Hotelsuche). All das ging schnell, ausser dem Registrieren. Sie belästigen uns damit nicht, sind aber nach einer Stunde immer noch dran. Wir haben das Zimmer bezogen, werden schreiben, lesen und schlafen und gehen dann in die Stadt. Sie registrieren.

An der Grenze Asiens
Die Stadt, wie die ganze Gegend, durch die wir gestern und vor allem heute fuhren, war seit Jahrtausenden Schnittpunkt der Völker, ihres Handels, ihres Wandels, ihrer Kriege und Bündnisse. Die Skythen, die Hunnen mit Attila, die Mongolen mit Tschingis Kanhs Sohn Möngke, Timur Lan (Tamerlan), dann die Völker der Völkerwanderung, die Vikinger und die alten Russen, die Kalmücken, die Hunnen, und zuletzt die Nazi-Armeen – alle waren sie hier zu Gange. Astrachan liegt am Schnittpunkt der Handelsrouten von Ost nach West und Nord nach Süd. Deutsche Händler trafen hier auf Iraner, Araber auf Chinesen. Gegründet wurde die Stadt in der heutigen Form 1588 von Ivan dem Schrecklichen, nachdem er ein tatarisches Kanat besiegt hatte. Sie war davor auch Hauptstadt der Goldenen Horde.

Wir werden sehen, ob wir von dieser Vielfalt noch was finden, den Kremel, der sich in unmittelbarer Nähe unseres am Wolgaufer liegenden Hotels befindet werden wir auf alle Fälle besuchen.

Eine angenehme Stadt
Astrachan ist erneut eine Stadt, die uns angenehm überrascht hat (s. Einleitung zu diesem Post). Der Wind aus Richtung Südosten (Kaspisches Meer) kühlt und macht Elo am Abend fast frösteln, sie ist halt ein Gfrörlig.
 Der Kremel aus dem 17. und 18. Jahrhundert ist ein imposante Stadtfestung, die Innenstadt hat viel Substanz, die langsam immer besser gepflegt wird.










Und die Wolgapromenade ist schön, belebt und unterhaltsam.

Wir haben in einem Gartenlokal gegessen, das Elo in der Art an die "Ebbelwoi"-Kneipen Sachsenhausens erinnert hat. Die Völkervielfalt ist unübersehbar, auch wenn die schwarze Serviererin sich als Medizinstudentin aus Lissabon herausstellte. Es wird da ganz schön gebechert. Der Lachs war gut, das Glas Wein aus Moldavien ebenfalls.





Morgen um 5 geht es Richtung Kasachische Grenze. Wir haben vier Tage Vorsprung auf die Marschtabelle. Mal sehen, ob wir sie brauchen.

Buona Notte!

Jürg

Sonntag, 17. Juli 2011

V Ukraine (Krim)

12.7.
Als ich eben – um 2359h – meinte, ich wollte nun noch schreiben, rief Elo: „oh Gott!“, und es ging mir wie de Gaulle, der, als Ihn seine Frau im Bade überraschte aufschrie „Mon Dieu“, meinte „vous pouvez m’adresser Monsieur“.

Grenzübergangissimo
Sei es wie es soll, heute war der Tag der Grenzübergänge. Wir wissen nicht mehr genau, ob es drei oder vier waren. Aber der Reihe nach:

Wir sind von Tulcea nach Galati gefahren, wo wir noch einmal mit der Fähre über die Donau setzten, die jetzt wirklich gross ist. Wir haben sie ja von Donaueschingen bis Budapest mit dem Velo begleitet, aus kleinen Anfängen in einer Steinfassung bis zur Elisabethenbrücke (Beth!), und jetzt bis ins Delta, durch vier Hauptstädte Europas und sechs Länder (ohne den Freistaat Bayern extra zu zählen). Es ist schon eindrücklich.


Dann kam der Salat Rumänien, Moldavien, Ukraine.
Zuerst sind wir aus Rumnänien ausgereist, dann in Moldavien eingereist, für einen Kilometer!, dann in die Ukraine, dann wieder raus nach Moldavien und noch einmal in die Ukraine. Die Grenzübergänge waren problemlos, wenn auch kompliziert. Zuerst die Ausreise aus Rumänien mit Passkontrolle und Zoll. Dann Moldavien Einreise: Die Grenzerin holte die Pässe ab, auch den Fahrzeugausweis, der sich als ungeheuer wichtiges Dokument herausstellen sollte, wollte die Chassisnummer sehen, und marschierte ab. Nach einiger Zeit merkte ich, das ich mich nach vorn an die Schalter begeben musste, und wirklich, der – sehr nette – Mann hinter der Scheibe schickte mich zu einem weiteren Schalter, wo ich eine Oekologieabgabe für 25 Lei zu lösen hatte. Ich hatte aber nur noch 19, und die Dame meinte, das mache nichts – und gab mir ausser der Quittung über 25 noch zwei Lei Retourgeld!

 Probleme machte, dass im Pass „Johann Jürg Baumberger“ steht, im Fahrzeugausweis aber nur „Jürg Baumberger“. Der innovative moldavische Beamte gab mir da aber einen Tip, der auf der ganzen Reise gut sein wird. Als ich sagte, in der Schweiz hätten wir nur einen Namen, deutete er auf „Johann“ und meinte „Vater?“, was ich sofort bestätigte, und die Sache war geritzt. Das hat sich schon am nächsten Uebergang bewährt.

Dann ging es an den nächsten Schalter, wo ein Beamter äusserst interessiert unseren Fahrzeugausweis erneut auswendig zu lernen schien. Er drehte ihn um und um, und er erinnerte mich buchstäblich an das Kalb, das das neue Scheunentor anstaunt. Es dauerte und dauerte – und war plötzlich gut. Unerforschlich ist Gottes Ratschluss.
Als ich dann alles an einem dritten Schalter abgab, verabschiedete mich der nette Mann mit einem freundlichen „Tschüss!“. Aber das war mit Moldavien noch nicht alles getan. Als wir nach einem Kilometer Moldavien an die Ukrainische Grenze kamen, mussten wir erneut durch mehrere Schalter. Ausreisen, klar. Und dann an der ukrainischen Barriere zunächst nochmals an einen moldavischen Schalter – exterritorial? – wo wieder ein Billet ausgestellt, ein Stempel gemacht wurde. Dann war der ukrainische Uebergang eigentlich problemlos: Pass, Fahrzeugausweis und grüne Karte abgeben, warten, Dokumente zurück erhalten, zum Zoll, etwas warten, Auto zeigen und bestätigen, dass in den Kanistern auf dem Dach „no Petrol (Diesel) ist, und ein Papier mit Stempel mitnehmen, das wir dann nach 100 Metern bei der letzten Barriere abgeben konnten.

Ausserordentlich nützlich war die Uebersetzung des Fahrzeugausweises ins Russische, die uns Romans Schwiegertochter gemacht hat, versehen mit dem Prägestempel der Gemeinde Sirnach von Peter. Das hat soviel Eindruck gemacht, dass sie das Dokument am Ukrainischen Zoll behalten wollten. Aber nix da, ich habe es wieder!

Und wir waren zunächst einmal in der Ukraine! Es hatte nur eineinhalb Stunden gedauert, und wir hoffen, dass es überall nicht länger geht!

Damit war die Grenzerei aber noch nicht fertig. Wir fuhren heute bis Odessa, und wenn man einen Umweg über fragliche Strassen ersparen will, muss man nochmals kurz über moldavisches Gebiet. 3 km. Wir riskierten es, und es war problemlos. Beim Austritt aus der Ukraine erhielten wir ein Billet von der Grösse eines Bratwurstbons am Waldfest, mit einem Stempel (vorfabriziert) und unserer Autonummer TG 164 143 von Hand notiert. Dann fuhren wir durch Moldavien und am nächsten ukrainischen Grenzpfahl vorbei und dachten, das sei das gewesen. Denkste, nach zwei Kilometern die nächste Kontrolle. Der Grenzer, der nicht aufgepasst hatte, als er unseren Grenzbon entgegennahm, muss vom Akzent meines noch ungeübten „spasiva“ geweckt worden sei, hat dem Grenzer, der den Gegenverkehr kontrollierte, gefunkt, der hat in das Büssli geschaut, zurückgemeldet, dass da wirklich nur zwei Reisende unterwegs seien –, und endlich waren wir in der Ukraine.

Schlaglöcher und Picknick
Die Strassen in diesem Land sind etwas speziell. Unabhängig der Klassifizierung sind Schlaglöcher an der Ordnung. Nach der Grenze war es quasi kriminell. Vor lauter Ausweichen bist Du in andere reingesaust. Zweimal hat es grob gerumst, einmal so schwer, dass – ich war völlig von der Rolle –, der Scheibenwischer automatisch gelaufen ist: der Hebel ist nach unten gesaust. Einmal bin ich in ein Wasserloch gefahren: Ich habe es übersehen, als ich aus der grossen Eptingerflasche getrunken habe. Ich trinke bei Fahren viel, das ist gut für die Konzentration, die es beim Kurven um die Löcher mit 90 (sonst kommen wir ja nirgends hin) braucht. Auch überholen muss ich, denn die Leistungsfähigkeit der Autos ist völlig unterschiedlich. Entweder Top-Boliden oder lahme Enten. Pferdewagen hat es im Unterschied zu Rumänien keine.

Wir sind von Tulcea nach Ismaila rund 200 km  quasi für die Katz gefahren, da – so denken wir – mit der Aufnahme Rumäniens in die EU und damit der Verschiebung der Aussengrenze, der grenzübertretende Fährverkehr eingestellt wurde.
Mittags haben wir neben der Donau in einer Nebenstrasse ein Picknick gemacht. Wir wollten den Tisch ausprobieren und den Kocher. Beides hat blenden funktioniert, und uns hat das Menue 1 mit Schüttelbrot, Trockenfrüchten, Früchtebrot von Ruth und Wasser&Kaffee blendend geschmeckt. Alles hat funktioniert.



Odessa
Heute Abend waren wir in Odessa in der Stadt. Sie gefällt uns sehr gut, viele Bäume, Boulevards, mediterranes Flair mit Strassencafés und flanierenden Leuten. Sie macht für die Ukraine, deren Dörfer oft sehr armselig erscheinen trotz der riesigen Felder rund darum, einen reichen Eindruck. Sie soll von der Mafia geprägt sein, und wirklich, es ist nicht zu übersehen, wie viel teure Boliden da rumsteuern. Auf den Strassen herrscht das Faustrecht, das Recht des Stärkeren, und ich muss aufpassen, wie ein Häftlimacher. Aber schön ist es trotzem, und auch in Palermo und Neapel hat es uns gefallen. Die Tramschienen, wie auch ausserorts generell die Bahnübergänge, sind nur im Schritttempo be- und überfahrbar.

Wir haben in einem auf ukrainisches Essen und ukrainischen Wein ausgerichteten Lokal gegessen: Geräucherte Makrele mit eingelegten Zwiebeln und Kartoffeln an Sauerrahmsauce, Fisch mit gegrilltem Gemüse, Gebratenes Rindfleisch mit Kogank und Knoblauch. Einmal mehr excellent. Da hatten wir doch gedacht, je weiter nach Osten, desto tiefer der kulinarische Standard. Aber nix da, nur gut. Ich fühle mich erinnert an “Asterix au pay Auvergne“ sich auf einer Seite durch ganz Frankreich frisst, bevor dann die Leber, zu deren Erholung er eigentlich die Reise macht, den Geist aufgibt.

Morgen geht’s auf die Krim!

13.7.
Gestern (ich schreibe am 14. im Büssli am schwarzen Meer!) fuhren wir von Odessa auf die Krim. Es wurden mehr Kilometer als gedacht, fast 500. Wir machen, wie gedacht, etwas mehr Distanz, als geplant. Bis zum 13. waren es 3841 km, die Planung war für mit der ganzen Krim, deren Rest ja noch mit rund 500 ansteht, 3576. Aber der Zeitplan stimmt hervorragend.

Die Hauptstrasse war weitgehend misslich, kaputt, voller Löscher, Flicke, Dellen und Sprunghügeln. Dazu Seitenwind und Wirbel bei kreuzenden Lastern. Oft schwammen wir mehr, als wir fuhren, denn eine gewisse Geschwindigkeit (60 – 80) muss man haben, wenn man nicht das ganze Leben in diesem Land verbringen will. Ausserdem muss man, also auch ich, immer wieder überholen, da die Leistungsfähigkeit der Fahrzeuge ausserordentlich unterschiedlich ist. Pferdefuhrwerke, in Rumänien gängige Währung, gibt es hier nicht. Fahren unter diesen Bedingungen erfordert viel Konzentration.

Schön war, noch vor der Krim die Stadt Mikolaiv an der Bug-Mündung, mit einer grossen Fussgängerzone, die mit dem anliegenden Park abends sicher sehr belebt ist, und mit einem sehr schönen Café, mit einer Weinkarte von hier bis dorthin. Das WC war sensationell! Kherson am Dnjepr und die weiteren Städte haben – vorsichtig gesagt – weniger beeindruckt. Mittagessen gab’s in einem Café an der Strasse, gut, einfach, günstig.


Werkstatt und GPS
Es ist schon interessant, wie man ein Verhältnis zu dem Vehikel entwickelt, das einem so weit tragen und begleiten soll. Jedes ungewohnte Geräusch irritiert, und wenn dann noch die beste aller Ehefrauen (s.o.) meint: „Hörst Du das auch?“, ist der Seelenfrieden, der sich eben noch über die Rüttelpiste einzuschaukeln begann, futsch. Ich hörte es auch, es war eindeutig die Blattfeder vorne rechts, die zu quietschen begann wie eine ganze Voliere von Kanarienvögeln. Das musste behoben sein, denn ersten störte es die Harmonie der Schläge in den Schlaglöchern und zweitens heisst quietschen nicht geschmiert und nicht geschmiert Reibung und Reibung Abnutzung und…  Elo sah eine Werkstatt, ich erklärte dem Chef mit Andeutung Blattfeder in Bewegung (Bogen vor der Brust von Mitte unten seitlich nach oben und das schaukelnd) und quietschte entsprechend. Auf der Grube, auf die er mich dirigierte, hingen sich zwei dran, schaukelten, hörten hin und schmierten die Stelle mit dem Allesschmiermittel 4DW oder so. Und weg war das Quietschen, für 50 UAH oder einen Fünfliber.

Das GPS von Janos ist wirklich eine Hilfe. Allerdings musste ich es austricksen, denn mit lateinischen Buchstaben findet es hier die Orte nicht. Daher schreibe ich jetzt bei der suche kyrillisch (russisch) und meistens hilft das, auch wenn Ukrainisch einige Buchstaben mehr hat.

Ans Meer
Besser wurde die Strasse erst, als wir nach Westen auf die Halbinsel nördlich von Sevastopol abbogen, da wir an’s Meer wollten. Dafür waren dann aber wir etwas durch den Wind, auch wenn ich nun 100 und etwas mehr fahren konnte. Das mit dem Meer war gar nicht so einfach, Campingplätze fanden wir nicht, und einer, den wir fragten nahm unser Schweizerkreuz offensichtlich zum Rotkreuzwert und meinte, „Clinca“ gebe es hier nicht. Nach über 100 km aber fanden wir dann einen sehr schönen Platz oberhalb einer Klippe, direkt am Meer. Den Campingplatz, den wir mit Hilfe des wirklich sehr praktischen Langenscheidt 500 Begriffe ohne Worte (gezeichnet) gewiesen bekommen hatten, suchten wir nicht mehr.

Hier haben wir dann gekocht, gegessen und sehr gut und lang geschlafen. Eingestimmt wurden wir von einem der schönsten Sonnenuntergänge, die wir je hatten. Kitschig ist der Vorname.
Beim Einrichten zum Schlafen half uns Gerds Lampe in mehrerer Hinsicht: Nicht nur als Lichtquelle, sondern sie zog auch den einzigen Moskito, der sich hineine verirrt hatte, an, und  „quetsch!“ wurde er waidgerecht in die ewigen Jagdgründe befördert. Zum Glück, denn die Stiche, die wir draussen erhalten hatten, beissen tagelang.

14.7.

Heute morgen nahmen wir zuerst ein Bad im Meer, über eine halsbrecherische verrostete  ging es in eine kleine Felsbucht. Das Wasser war kalt, aber erfrischend. Dann mit unserer Superdusche (die Eptingerflasche mit dem Verschluss mit den Löchern) geduscht, Tee gekocht und gefrühstückt


Und dann ging's ab in die Badeorte Mizhvodne, Chornomors’ke und Olenivka. MannoMann, sind das Veranstaltungen. Im Dorf ein Rummel mit Verkausfmärkten à la Luino  vor 50 Jahren plus Gemüse und Obst minus Qualität, dann die Gäste an der Sommerfrische in Badehosen, Bikinis und weiss nicht was. An den Stränden Zelt an Wagen an Wagen, Wäschleinen und und und. Uns ging es wie Buschs Tobias Knopp: „Schnell verlässt er diesen Ort, und begibt sich weiter fort.

Badebucht auf Felsklippe
Durch die eintönige, leicht gewellte, oft brachliegende Landschaft ohne Bäume fuhren wir an einen naheliegenden Küstenabschnitt und wurden zwischen Marine und Okiunivka – vorläufig – fündig. Ueber einen kleinen Einschnitt sind wir auf eine Felsplatte gefahren, wo wir den Tag verbringen.


Schatten ist, ausser im Büssli, wo ich schreibe, wenig, Für Hugos Sonnenschirm der Stein zu hart. Die wenigen Badenden und die Taucher sind angenehm, das Wasser hier angenehm warm. Wir essen dann noch die Melone, die ich erstanden habe, und nehmen einige Trockenfrüchte, die uns als Geschenk mitgegeben wurden. Dazu viel Wasser.

So, jetzt (14h) wird mal geschlafen, wir sehen dann, was heute noch folgt.

Yevpatroija
Inzwischen ist es Zehn vor Elf. Wir sind, da sich nichts für eine Büssliübernachtung angeboten hat, bis in die nächste grössere Stadt gefahren, nach Yevpatorija, einer alten Bäderstadt, die sich zu einem der grossen Badezentren der Ukraine gemausert hat. Wir konnten, trotz der Nummern im Reiseführer nicht telefonieren, da ich nicht – wie jetzt nach der Erklärung eines netten Einheimischen – wusste, dass vom Natel die Nummer zehnstellig sein muss und daher immer, wenn bei den generell 6stelligen Nummern wie hier die Vorwahl einstellig ist, eine 065 vorgewählt werden muss. Wir sehen dann morgen, ob das haut.

Daher haben wir dann die alte Methode des Rumfahrens gewählt, und Elo hat einen schönen, grossen Swimmingpool gesehen, dann das dazugehörende Hotel Ukraine Palace, und ein Zimmer hatten sie auch, trotz Hochsaison.

Dann sind wir in die gegenüberliegende Parkpromenade eingetaucht, wir brauchten noch was zum Essen. Da war was los! Schiessbuden, Verkaufsstände, Beizen, Imbissstände, Rummelplatz mit Karussell und Achterbahn, Strassenhändler, Bettlerinnen, Weinstände mit 20 Fässli zum Rauslassen, Schaschlikbratereien. Dazwischen all die vielen Touristen mit Kind und Kegeln, ausgelassen, aber sehr manierlich, auch wenn der Geschmack der Anlegung nicht immer unseren Vorstellungen entsprach, und alles unter Bäumen bei herrlichen Temperaturen. Unten an der Meerespromenade hätten wir uns noch mit einem Kapitän, einem Seemann oder einem Offizier fotografieren lassen können.

Speisekarten 
Mit dem Essen war es problematischer. Beizen gab es mehr als genug, aber die Speisekarten – sehr ausführlich – waren alle einsprachig, ukrainisch. Wir haben alle abgeklapper, und auf einen Schaschlik (Fleisspiess) hatten wir nicht schon wieder Lust, zumal dessen hohe Zeit in den vor uns liegenden Ländern noch kommen wird! Also haben wir es dann in einer Beiz gewagt, in der die obligate Musik nicht nur laut sondern einigermassen ansprechend war und die uns auch sonst gefiel.

Wir haben das Menue ausführlich studiert, denn lesen können wir unterdessen, auch wenn wir nicht wissen, was es heisst. Identifiziert haben wir Pizza, Pasta Bolognese, aber auf beides waren wir ebenso wenig scharf wie auf Schaschlik. Elo fand dann unter den „Salati“ den Salat Omega, der sich als Tomatensalat herausstellte und passte. Ich habe unter den von mir identifizierten Hauptspeisen ein Kotlett ausgemacht und gewählt. Das war dann zwar nicht vom Schwein oder Kalb sondern vom Wels, also Fisch einmal mehr. Hat aber auch gepasst, war gut. Und wir waren froh, um halb Zehn was zwischen die Zähne bekommen zu haben.

Ab morgen ist das kleine Russischwörterbuch nicht mehr nur im Auto sondern im Rucksack, den wir immer dabei haben.

15.7.
Zunächst das Wichtigste für alle Peter unter unseren Bloglesern. Elo hat ausgemacht, dass auf russisch „nie pit“ „nicht trinken“ heisst. Merkt’s Euch!

Das mit dem Wörterbuch war eine gute Idee, aber als wir heute in Sevastopol in der Beiz waren, hatten wir es wieder vergessen. Diesmal waren die Kotletts zwar aus Schweinefleisch, aber es waren Frikadellen, wie man in Frankfurt sagt, oder auf gut Deutsch: Hackfleischbällchen. Aber gut, nur haben wir viel mehr bestellt, als wir wollten. Statt des geplanten Abendessens mit einer Zwischenmahlzeit am Mittag wurde es ein Mittagessen, und mal sehen, was noch kommt.

Wir sind also im Kriegshafen Sevastopol eingetroffen, nach nur gut 100 km am Mittag schon. Die Stadt ist schön, auch wenn Elo immer alles sieht, was noch zu flicken ist – eine ganze Menge, zugegebenermassen! – und mir halt, so sind unsere Temperamenter,  die schöne Athmosphäre einer grossen Stadt mit Flair in einer atemberaubenden Landschaft. Buchten, Hügel, Häfen.
Unser Hotel und Blick aus dem Zimmer







Hart umkämpft
Sevastopol war schon immer als Zugang Russlands zum Schwarzen Meer umkämpft, zuletzt im II Weltkrieg. Die Deutschen belagerten die Stadt 8 Monate, dann die Russen zur Rückeroberung bis zum 12. Mai 44 weitere 36 Tage. Die Zahl der Kriegerdenkmäler – meist Scheusslichkeiten, wie Kriegerdenkmäler halt mal sind – ist dementsprechend gross: mehr als Kirchen würde ich sagen.

Heute hat Russland hier vertragsmässig noch bis 2017 einen Flottenstützpunkt, mit einer Option auf 5 Jahre Verlängerung. Sie haben auch Territorien in der Stadt, die auf der Karte nur grau eingefärbt sind. Einige haben wir gesehen, und durch die Löcher der sie umgebenden Blechwände sahen wir das Innere: Nichts als ein Schuttplatz, kein Abfall zwar, aber nur Kies und Mauerreste. Mitten in der Stadt!
In der Stadt fanden wir auf den Hügeln zwischen den Häfen Kirchen, Lenin und Sowjetscheusslichkeiten munter vereint. Irgendwie stehen sie zu ihrer Geschichte, was auch nicht ganz falsch ist. In den Kirchen wurde gesungen, sehr schön. In der einen probte ein Chor, in der anderen weihte ein Priester diverse Plastikflaschen mit Wasser und auch Esswaren. Das tat er eher geschäftsmässig, aber der Wechselgesang mit den sich immer wieder bekreuzigenden Besitzerinnen der Weiheobjekte war sehr eindrücklich.HHH




Wäsche
Wir sind kräftig in der Stadt rumgelaufen, denn wir waren schon am Mittag hier und haben auf gut Glück ein gutes Hotel angesteuert und haben im „Sevastopol“ eines an sehr guter Lage gefunden. Im Markt wollten wir eigentlich ein T-Shirt für mich kaufen, denn Elo meint, diejenigen, die ich für das Fahren anziehe, sähen verboten dreckig aus. Für mich wären sie schon noch gegangen. Auf dem Markt dann fand aber Elo die Preise, die verlangt wurden, im Verhältnis zu den Preisen in den Restaurants usw. so unverschämt hoch, dass wir nicht kauften, zumal sie auch nicht handeln liessen, was mich dann wieder störte. So bleibt es
vorläufig beim Schmuddel-Jürg. Aber dann hat Elo die Shorts eingeweicht und gewaschen. Das war nötig, denn sie standen beinahe von selbst, vor Dreck!
Statt Abendessen (wir waren noch satt) begaben wir uns auf die Strandpromenade hinter dem Hotel. Das war schön. Die Stadt hat wirklich Charme, auch wenn er noch etwas heruntergekommen ist. Nicht an der Promenade, auf der wir einen weiteren Sonnenuntergang durch die Hafeneinfahrt hatte, auf der die Einwohner flanierten, auf der Rollerblader wahre Kunsttücke zwischen kleinen Plastikhütchen vollführten und auf der es uns einfach wohl war.
16.7
Die Anfahrt an die Südküste der Krim ist atemberaubend. Zuerst durch die Berge, und dann ist, Hunderte von Metern unter uns das Meer da, wie im Schutz der über 1500 Meter hohen Berge. Buchten, Ortschaften, Häfen, Kieferwälder, sich windende Strassen. Die Ortschaften, die vorläufig immer tief unter der guten Hauptstrasse liegen, sind leider in aller Regel bauversaut durch hässliche Blocks in allen eines Blocklebens zwischen angefangen, Bauruine, neu fertig gestellt,  etwas schäbig und schon wieder zerfallen.
Hauch der Geschichte
Kurz vor Yalta besichtigten wir den Lidvadia Palast, den ursprünglich der polnische Magnat Potocki an sehr schöner Lage auf halber Höhe Mitte des 19. Jahrhunderts baute und der dann in den Besitz der Zarenfamilie geriet, die das ursprüngliche Haus in einen ihrem Rang entsprechend Palast mit 58 Gemächern unterschiedlicher Schönheit und Wohnlichkeit umgestalten liess.

Eindrücklicher als die an sich schon eindrückliche Lage und die Grösse der Anlage (es gibt an der Küste hier wesentlich grössere, so der des Grafen Woronzow mit 150 Zimmern), ist aber, dass der Palast der Tagungsort der Konferenz von Yalta vom Februar 1945 war. Hier haben Roosevlet, Stalin und Churchill Beschlüsse gefasst, die nicht nur die Geschichte Europas im 20. Jahrhundert massgeblich bestimmten sondern auch die Weltgeschichte bis heute.
Wir fühlten förmlich den Hauch der Geschichte in den Räumen, in denen zwar Deutschland geteilt und verkleinert, aber durch die bilaterale Ueberzeugungsarbeit Roosevlets Stalin davon überzeugt werden konnte, Deutschland nicht gänzlich zu zerschlagen und unter andere Länder (welche???) aufzuteilen. Hier wurde dann auch die Idee der Vereinten Nationen, ein Vorschlag Roosevelts, akzeptiert, und hier konnte Stalin überzeugt werden, 100 Tage nach der Kapitulation Deutschlands den Krieg gegen Japan aufzunehmen. „Die Atomomben von Hiroshima und Nagasaki, die dann Truman abwerfen liess, wären gar nicht mehr nötig gewesen“, meinte die Führerin trocken. Alles war mit Bildern – viele uns bekannt aus Geschichtsbüchern – untermalt, ebenso wie aus lange unter Verschluss gehaltenen Filmen. Der Tisch, an der das abschliessende Bankett und die anschliessende Unterzeichnung (oder war es umgekehrt?) stattfand, steht noch in einem eher kleinen, intimen Zimmer. So einig waren sich die Gegner Hitlers nie mehr.
Ausspannen
Wir sind nicht mehr ganz nach Yalta reingefahren. Das Tschechow-Museum wird für morgen aufgespart. Wir sind zu einem etwas abseits gelegenen Familienhotel mit Swimmingpool gefahren, wo wir nun grasse matinée machen: Baden, schreiben, lesen, ein Bier trinken. Im Polyanka Skazok, benannt nach einem Kindervergnügungs-Rummel „Märchenwiese“. Es ist zwar auch ein Camping, aber die Wirtin meinte, wir sollten doch für den Preis von 375 UAH oder 37 Franken lieber ein Zimmer mit Toilette etc. nehmen. Ueberzeugt!
Linguistik
Sie ist sowieso ein Original. Als sie zwei, drei und einige mehr Worte Deutsch sprach, fragte ich sie selbstverständlich: „Sprechen sie Deutsch?“. Das verneinte sie, ebenso wie sie „Englisch?“ und Français?“. Als ich dann auch noch „Italiano“ rausholte, meinte sie – für mich klar und verständlich –, ich würde ja auch nicht ukrainisch oder russisch reden, was hier die gängige Währung ist. Wir verstehen uns prächtig, und statt der von ihr offerierten Frühstückszeit von 9 Uhr (Ferienparadies!) habe ich 8 Uhr rausgeholt. Wir wollen ja noch wohin.
Heute gab es einmal Krim-Sekt. Der half uns dann, mit den Wörterbüchern der Speisekarte zuleibe zu rücken.








Am Abend wurden wir noch von einer sehr gut Deutsch sprechenden Russin angesprochen, die eigentlich a) Englischlehrerin und b) Kleinkindererzieherin ist. sie und ihr Mann stammen ursprünglich aus Bischkek in Kirgistan, sind aber nach Westen gezogen. die Vorfahren des Mannes stammten aus Astrachan am Schwarzen mehr, wo wir auch noch durchkommen, ihre Vorfahren irgendwie aus Sibirien. Das alte Russland und die Sowjetunion waren eine ganz schöne Völker-Mischtrommel, und dabei waren die Elemente, die da gemischt wurden, nicht immer freiwillig am Prozess beteiligt. Die Frau betreute eine Gruppe von Kindern auf dem Ausflug ans Schwarze Meer. Wir schenkten den Kindern Schokolade, wir erhielten selbst bemalte Andenkensteine aus dem von uns besuchten Palast und der von uns ausgelassenen Märchenwiese.
17.7.
Umwerfende Badeorte
Heute haben wir Yalta angesehen und sind den Rest der Südküste abgefahren. Yalta ist etwas Spezielles in der Arena der es umgebenden Felswände. Es hat viele Elmente mit Cachet, so das Tschechow-Haus, die Strandpromenade mit Park, gut gemachte Strandrestaurants, viele schöne alte Häuser, die leider meist auch noch den Charme der Dekadenz ausstrahlen, um es höflich zu bezeichnen. Yalta ist überflutet von Touristen, darunter viele Russen, zwar nicht unangenehm, aber halt viele.

Und dann der Strand! Das war ein Ding. Er ist klein, steinig – und so was von rappelvoll. Tuch an Tuch, Bauch an Bauch, Hintern an Hintern usw. usf. Die Leute stehen auch im Wasser noch dicht an dicht. Ferien in Yalta? Sicher nicht im Sommer. Und sonst? Es macht einfach nicht an.
Der Rest der Orte an der Südküste ist in den negativen Aspekten Yalta gleichzusetzen, aber es fehlt ihnen dann noch an den positiven. Eher schrecklich, sich einen Urlaub vorzustellen in Dörfern und Städten voller Autos, halbnackter Mamis, Papis und Gofen, Gemüseständen und Souveniershops, mit steinigen, schmalen Stränden, zwar nicht so voll mit Menschen, dafür dann mit Autos und Zelten. Vielleicht haben wir die richtigen Orte nicht gefunden, aber es hat uns auch nur mittelmässig angemacht, zu suchen.

Tschechows Haus besuchten wir, eine schöne kleine Villa. Die Büste davor muss von einem Skulpteur gemacht worden sein, der sonst auf Lenin spezialisiert war, denn die Aehnlichkeit ist frappant.







Umwerfende Landschaft
So sind wir durchgefahren nach Feodosia, am östlichen Ende der Bergkette, die die Künste auf der ganzen Länge nach Norden abschliesst – und durch was für eine Landschaft! Einfach umwerfend! Bis Alushta geht die Strasse meist einige hundert Meter über der Küste und ist sehr gut, dann wird sie eine (mindestens!) Klasse schlechter und geht in vielen Kurven rauf in die Berge, runter ans Meer, rauf in die Berge, runter ans Meer, rauf….. Es waren über 3000 Höhenmeter (s. Logbuch).

Das Büssli meistert die vielen Haarnadelkurven und Tremola spielend, und wir fahren langsam, damit der Fahrer auch was sieht. So schaukeln wir uns durch eine der schönsten Strecken, die ich je gefahren bin. Sie erinnert am den Cabot Trail in Nouva Scotia/Canada oder die Costa d’Amalfi südlich von Neapel.
Feodosia
Jetzt sind wir in Feodosia, das einen etwas besseren Eindruck macht (wir werden es  uns richtig ansehen, wenn die Mittagshitze vorbei ist). Wir wohnen im Hotel Lydia. Heute abend haben wir noch einen ausführlichen Spaziergang gemacht. Zuerst durch die Hinterstrassen, die ruhig und mit vielen Bäumen auch angenehm sind, auch die Strassencafés in ihnen.

Dann sahen wir uns die Ruinen der genuesischen Festung an. Genua hat lange diese Region beherrscht, und es hat grosse Festungen – so auch im benachbarten Koktebel – gebaut. Feodosia war damals fast so gross wie heute (90'000 Einwohner). Die Stadt macht, im Rahmen des hier möglichen, einen guten Eindruck. Aber auch hier hat wohl die Weltwirtschaft in Krise zugeschlagen.

An der sehr belebten Promenade wollten wir etwas Essen, aber das war ein Flop: Es nützt gar nichts, wenn der freundliche Kellner Englisch spricht, aber die Bestellung aufzugeben vergisst! Wir haben dann darauf verzichtet, nochmals eine halbe Stunde auf den Schaschlik zu warten, denn es war halb neun, und sind mit einer geteilten Portion Pommes ins Hotel zurück. Gut für meine Linie, Elo hätte das nicht nötig. Der Strand von Feodosia ist ebenso tief, wie überall hier: wenige Meter.

Ich schliesse aber diesen Teil des Blogs einmal ab, da ich hier im Hotel „Free WiFi“ haben (spricht sich hier überall „Friiwifi“) und ich nicht weiss, wann ich wieder Zeit, Musse und Möglichkeit habe, denn in 115 km kommt am Ende der Halbinsel Kerch die Fähre über die Meerenge zum Asowschen Meer und dann Russland. Wir haben festgestellt, dass auf der Russlandkarte die Distanzen viel weniger Zentimeter brauchen, die Kilometer schnell grössere Zahlen erreichen. Wenn wir morgen über die Grenze kommen, sind wir dem Zeitplan vier Tage voraus, und Reserve zu haben, ist immer gut.
Badeferien auf der Krim haben wir nicht gemacht, da war zu viel von zu viel (Leute) und zu wenig von zu wenig (Strandfläche). Für russische Familien und vor allem für die Kinder ist es aber sicher ein Traum hier zu sein. Es läuft was, das Klima ist, vor allem an den Abenden, sehr schön (tagsüber heiss), und für die Kinder ist sehr viel los. Wir gönnen es ihnen von Herzen.
17.7.
Jürg, der sich beim Schreiben so sieht:

Montag, 11. Juli 2011

IV Helvécia bis Donaumündung, (6.-11.7.)

(Einige weitere Fotos unter Bilder 2; Technische Daten unter Logbuch)

6.7.
Nachdem wir am letzten Abend in Ungarn noch in Kecskemet am Weinfest uns önologisch nochmals richtig verkostet hatten (oder Klartext: durch alle Weingebiete Ungarns getrunken hatten), hiess es Abschied nehmen von unseren kongenialen Gastgebern Bea und Janos.

Mit der Abreise aus Helvécia verliessen wir unseren letzten Fixpunkt in Europa. Von nun an geht’s nur noch in Terrae Incognitae bis an die chinesische Grenze bei Vladivostok. Unser Tagesziel ist der Donaudurchbruch zwischen Serbien und Südrumänien. Eine grosse Etappe würde es werden und wurde es.

Serbien
Zunächst auf der Autobahn nach Szeged und rein nach Serbien. Der Grenzübergang war etwas mühsam, da die Ungarn glaubten, kontrollieren zu müssen bis zum geht nicht mehr. Nicht uns zwar, aber die vor uns. Die Serben waren dann viel flotter, und wir wechselten 50€ in 5000 Dinar. Patensohn Beni hatte gemeint, Belgrad lohne sich, aber was wir von Belgrad hatten, waren Baustellen und Staus. Das nahm uns den Mumm einer ausführlichen Stadtbesichtigung, wir fuhren quer durch die Stadt, zweimal über die Donau und raus Richtung Vrcas („Vrschatsch“).
In einem Vorort gab es dann in einer sehr gemütlichen Gartenbeiz, von denen es viele gibt in Serbien, eine Pizza, Mineral und Espresso.

Dann Richtung rumänischer Grenze durch Bauerndörfer, die etwas ärmer scheinen als in Ungarn, aber ähnlich austauschbar. (In Ungarn waren die Vorgärten entlang der Strassen kleiner, aber die Häuser grösser: 10x10m, das Dach auf alle vier Seiten abgeschrägt, das Grundstück etwa 20x60m, das ist ein oft gesehenes Muster; in Serbien sind es oft Reihenhäuser.)
Gegen Osten kamen wir dann aus dem eintönigen Schwemmland von Donau und Theiss wieder in gewellte Landwirtschaftgegend, immer noch mit riesigen Feldern von Sonnenblumen und Mais oder Mais und Sonnenblumen, aber eben abwechslungsreicher. Pferdefuhrwerke, Traktoren, Strohfuder, und wenig Verkehr. Die serbischen Autofahrer sind mutig, aber leider oft wenig erfahren; ich musste aufpassen. (In Kroatien war es schlimmer. Dort wird, so der Eindruck, Autofahren als Kampfsportart gelehrt.) An der Grenze tauschte ich die restlichen Dinar gegen Benzin, bezahlte die Differenz mit Karte, was den guten Mann fast überforderte.

Der Grenzübergang nach Rumänien in Kalufelrovo bei Bela Crkva im serbischen Teil des Banats war problemlos, schnell und auf beiden Seiten äusserst freundlich. Die Strasse über einen kleinen Pass an die Donau liess mich dann ahnen, was wir noch alles vor uns haben würden: Schlaglöcher, Reparaturstellen unrepariert, guter Ausbau im unmittelbaren Wechsel mit Rumpelpisten.

Donaudurchbruch am Eisernen Tor
Aber dafür die Landschaft: Als wir über eine Kuppe kommen, bleibt uns der Atem weg.
Die Donau gross, breit, im Nachmittagslicht glänzend vor dem Durchbruch gegen das Schwarze Meer. Unbeschreiblich für literarische Laien! Da zwängt sie sich hinein in die Berge, macht Bogen und Kurven, begleitet von Kalksteinfelsen, sanfteren Abhängen mit Feldern, auf denen alte (?) Frauen in Kopftüchern und unförmigen Kleiderhaufen eine oder zwei Kühe hüten, und kleinen Dörfern, in denen dunkelhäutige, oft etwas mollige Männer – da fühlt sich der Baumberger wohl! – vor den Häusern oder ihren alten Autos einen Schwatz halten. Fischerboote stehen auf den Wassern, die Strasse windet sich mehr als 50 Kilometer immer entlang des Ufers.

Geärgert hat uns unser Reiseführer Du Mont, der zwar alle Kirchen Siebenbürgens im Detail beschreibt, aber über dieses Naturwunder ebenso wenig ein Wort verliert wie uns darüber informiert, was ungefähr der Wechselkurs von Lei in Schweizer Franken sein könnten. Letzteres haben wir dann via Preisankündigungen vor dem Lidl und Dieselpreise gar nicht schlecht geschätzt, als wir am Bancomat Geld gezogen haben.
Uebernachten tun wir in Dubova kurz vor Orsova. Das Hotel ist sensationell gelegen, direkt gegenüber dem Eisernen Tor. Die Strasse ist oben drüber, das Restaurant unten am Wasser, die Tische auf kleinen Plattformen über dem Wasser, die Stimmung wunderbar, Wein (Riesling), Essen (Wels) und Kaffee (Lavazza) sehr gut.
Summa summarum: Wer diese Strecke nicht gesehen hat in Rumänien, hat etwas (viel!) verpasst, und wir sind uns einig: Das ist ein landschaftlicher Höhepunkt unserer Reise, was immer noch kommen mag.

7.7.
Nach einem guten Abendessen (sehr feine Fleischsuppe, Spareribs mit Pommes, Merlot, kubanischer Rum, doppelter Expresso à l’italienne – was geht es uns gut) schreibt sich leicht. Wir sind in Petrosani, inmitten der Südkarpaten, einer Universitätsstadt, die trotz abbröckelnder Plattenbauten einen ganz eigenen Charme hat. Mit dem für rumänische Städte obligaten schönen Park, Fussgängerbereichen, Eltern, die die Kinder am Abend kaum von den Spielplätzen bringen, flanierenden Einwohnern jeden Alters, abendlichen Fallwinden, die dann schnell wieder abflauen und Strassencafés, die sehr gut frequentiert sind.

Hotelmuseum
Wir wohnen im Hotel Petrosani, das bei uns unter Denkmalschutz gestellt würde: sozialistischer Tourismus in Reinkultur (in China, so Elo, würden nicht mal mehr überregionale, geschweige denn internationale Touristen in so einem Kasten untergebracht).
Staubige Teppiche in den Treppenhäusern; eine Lobby zum einschlafen; lackierte Holztäfer auf Gängen und in den Zimmern; entzückende Lampen auf den Fluren, einige brennen, andere nicht; ein Kleiderrechen, so unendlich schief fest montiert, dass mir das als Sohn eines Möblehändlers mit jahrelanger Liefer- und Umzugserfahrung immer schleierhaft bleiben wird, wie so was hinzukriegen ist; ein Hocker vor dem Schreibtisch, an dem ich schreibe, der beim sich Niederlassen die Luft mit einem längeren „Pfschschschsch“ aus dem Lederpolster(!) entlässt; verzogene Holzeinfassungen der Badezimmertüren, die sich von den umgebenden Platten losreissen und das mehrmals, was auch mit kräftigem Nachfugen nicht hinzukriegen ist; rostige Eisenrohre quer durchs Bad, in alle Richtungen windschief montiert und dort, wo sie in die untere Etage verschwinden, kleine Seen produzierend; eine Neonleuchte ebenfalls im Bad, die zwar brennt, aber mit 15-sekündiger Verzögerung; ein Zahbnglashalter, der nach links abstürzt, wenn wir das rechte Glas rausnehmen; Steckdosen (alle!), die mitkommen, wenn ich den Stecker ziehe usw. usf. Elo sagt in solchen Momenten: „Da fällt mir Hanni ein“, denn Hanni hatte uns im Chinaverein die gröbsten Geschichten aus osteuropäischen Hotels erzählt. Aber wichtig ist: Toilette und Dusche funktionieren, das Essen war sehr gut – Herz, was begehrst Du mehr, zumal die Preise stimmen (Zi/Frühst 50 Franken, Essen&Trinken 30: für zwei!).

Petrosani liegt hinter den sieben Bergen, die Anfahrt von der letzten Stadt ging durch ein 50 Kilometer langes sehr enges Tal des Flusses Jiu, romantisch durch Bäume auf beiden Strassenseiten, und immer neben dem Fluss mit einer Kurve nach der anderen, leicht ansteigend, so etwas zwischen Schlucht und Tobel, nur grösser und länger. Wir sind hier auf rund 600 Metern, und Petrosani ist Ausgangspunkt für Bergstrassen in die Südkarpaten mit ihren über 2000 Metern hohen Bergen, über Pässe von 1700 und mehr mit Berg- und Gletscherseen. Das kommt morgen.

Nochmals Eisernes Tor
Heute haben wir eine ruhigere Etappe gemacht, als gestern, knapp 300 statt über 500 km.
Zunächst haben wir nochmals die unvergleichliche Landschaft des Eisernen Tors genossen.  Da zwängt sich die Donau, die hier ein sehr grosser Strom ist, durch eine Spalte von 80 Metern und wird dadurch weit über 100 Meter tief, der tiefste Strom der Welt.

Dann gibt sie an einem grossen Staudamm mit dem gleichen Namen: Portile de Fier, die Energie für ein Kraftwerk und zieht dann in riesigen Schleifen ihrem Ziel zu, dem Schwarzen Meer. Wenn wir dann, was wir uns überlegt haben, das Donaudelta besucht haben, sind wir dem Strom von Quelle bis Mündung gefolgt: Von Donaueschingen bis Budapest mit dem Velo, dann mit dieser Reise.

Die Landschaft zwischen der Donau und der Tobelschlucht vor Petrosani war etwas eintönig. Zuerst ein langes Flusstal Richtung Craiova, Bukarest, dann entlang des Jiu durch ein Bergbaugebiet (auch rund um Petrosani hat es Bergbau). Ein Dorf am anderen, Strasse, links und rechts durch Zäune geschützte Häuserzeilen, oft zusammengebaut, dazwischen ein Entwässerungsgraben, der vor jedem Haus mit einer formelhaft vorfabrizierten Zufahrtsbrücke (3m lang, 2,50m breit, unten runder Bogen für das Wasser, oben links und rechts ein 40cm hohes, 20cm dickes an den Ecken abgerundetes Seitengeländer) geschmückt ist. Dann und wann eine Kneipe. Wenig Kirchen, keine öffentlichen Bauten.

Unter dem Nussbaum zwischen Disteln und Rossbollen
Wir wollten picknicken, aber das war gar nicht so einfach. Kein Baum, kein Abstellplatz, Haus an Haus. In unserer Verzweiflung habe ich dann einfach die erste sie bietende Möglichkeit ergriffen und die Abzweigung nach Piscuri genommen. Supersteil gings in Kurven den Berg hoch, bei mir brauchte es den zweiten, die Rumänen mussten im ersten Gang hoch. Dann ein unendlich langes Dorf, wieder nichts.
Bis wir schliesslich aus lauter Verzweiflung an einem Holzverbrennungplatz unter einem Nussbaum zwischen Disteln und Rossbollen die Campingstühle aufbauten, eine unserer Kisten als Tisch benutzten und unter den neugierigen Blicken von Kindern der Nachbarschaft das frugale Mahl einnahmen: Schüttelbrot, Dörrobst, verlaufende Schoggiguetzli und Hahnenwasser. Es hat gut geschmeckt und gut getan! Das Bier (JB) und der Weisswein (EB) bei der Ankunft in Petrosani hat uns entschädigt.

Uebrigens:
Das ist die Ausrüstung des Touristen des 21. Jahrhunderts. Kabel und Stecker für all den elektronischen Krempel von Fotoapparat übers Handy, die Filmkamera bis hin zum Mini-PC auf dem ich eben tippe. Das ist jeweils ein Salat!




8.7.
Heute erlebte das Büssli eine erste Feuertaufe. Als ich an der Tankstelle in Petrosani fragte, wo der Weg über die Berge nach Brezoi abzweige, verwarf der Junge Mann die Hände und gab mir zu verstehen, dass diese Strasse unmöglich sei. Als er dann in seiner rumänischen Tirade das Wort„Jeep“ einflocht, war mein Stolz geweckt. Das Büssli könne mehr als ein Jeep, und auch seine Kollegen waren der Ansicht – so schloss ich aus ihren Gesten –, dass wir das schaffen würden. Also los, ab in die Berge.

Feuertaufe I
Die ersten 20 Kilometer waren phänomenal, sowohl was die Landschaft als auch was die Strasse betraf. Es ging, diesmal durch eine echte, Schlucht hoch, mit Wasserfällen auf der Seite, Felsen und viel dichter Wald. Ich konnte mich der Natur nur wenig widmen, denn es war vor allem das Navigieren auf der Piste gefragt: Oft waren es mehr Schlaglöcher unterschiedlichster Tiefe, denn übrig gebliebener Belag. Es schlug, rüttelte, bockte, schlingerte, klapperte, und Elo wurde, da sie sich nicht am Steuerrad halten konnte, herumgeworfen, dass es eine Art hatte. Aber der Rahmen des Büsslis und die Blattfedern bewährten sich bestens. Manchmal konnte ich sogar 30 fahren!

Oben auf dem Pass wurden wir mit einer spektakulären Aussicht belohnt, und die Strasse wurde besser. Sie wird ausgebaut, manchmal 500m, manchmal mehr, aber in Etappen. Und das Ausgebaute wird dann sofort für Wasserdurchlässe wieder aufgerissen. Von Brezoi ging es zum Etappenort Sibiu/Hermannstadt in Siebenbürgen. Die Ortschaften sind meist zweisprachig, manchmal dreisprachig (ungarisch!).


Welten treffen sich
Auf den Dörfern sehen wir alt und neu in buntem Gemisch: Da kommen vier Frauen, zwei alte in traditionelle  Bäuerinnenkleidung, dunkel, verhüllend, und gleich dahinter zwei junge Frauen, farbig, wenig Textil, viel Haut. Oder Leiterwagen, hochbeladen mit Heu, mit Bäumen runtergebunden und von ein bis zwei manchmal klapprigen, manchmal strammen Pferden gezogen, oft mit einem Füllen, das eingewöhnt wird, und die von Lastern oder modernsten Limousinen überholt werden. Die Häuser sind oft in gutem Zustand, aber ebenso oft schitter bis bewölkt. Die im gemächlichen Trott lebenden Alten – man sieht das – werden sich über die neue Zeit wundern, es wird sie, ähnlich dem Ichtiosaurus in Scheffels Lied, der Zeiten Verderbnis jammern, aber diese machen nicht halt.

Hermannstadt hat einen gut erhaltenen historischen Kern, recht gross, mit vielen Beizen und Cafés.
Wir wohnen im Hotel „S.C. Imperatul Romanilor S.R.L“, was immer das auch heissen will. Es liegt mitten in der Altstadt, hat sehr viel klassisches Cachet, durchaus empfehlenswert. Das Abendessen nehmen wir an einem der beiden grossen Plätze, dem schöneren, im “Delis“ an der P-ta Micul. Und es ist wirklich deliziös. Nur der letzte (3.!) Schnaps nach dem guten Shiraz, der wäre nicht nötig gewesen, er deckte mich zu. Meiguanshi sagen die Chinesen, magenotti die Italiener, was soll’s die Deutschen – ich bin ja in Pension!

(Dieser Teil wurde am 9.7. verfasst. s.o. Ich habe zwar pflichtbewusst nachts noch angefangen. Ich fand aber am Morgen nur drei lesbare Worte, dann ich bin beim Schreiben sofort eingeschlafen, und zwar mit dem Finger auf der 9, denn es folgten viele Zeilen 999999999999999…!)

9.7.
Scharosch an der Kokel
Heute haben wir Siebenbürgen besichtig. Zuerst Medias/Mediasch, mit eine sehr schönen Zentralplatz, der heute Park ist und einer Kirchenburg der evanglischen Konfession:


Die reformierten Deutschen verteidigten sich im Gebiet, das von den Türken auf dem Weg nach Wien als Durchgangsstrecke benutzt wurde, indem sie die Kirchen als Burgen ausbauten, in die sie sich zurückziehen konnten. Eine der besterhaltenen ist Biertan, das wir über Scharosch an der Kokel (wirklich, so heisst das Kaff Saros Petarnave auf Deutsch) erreichten, von wo wir auf einer Rumpelstrasse in Richtung Sigisoara/Schässburg fuhren.


Die Kuhtränke von Roandola lohnte den Abstecher. Die siebenbürger Dörfer sind anders als die rein rumänischen: die Höfe haben runde grosse Tore, wie in Deutschland.


Es ist warm geworden, heiss sogar. Es sollen 35 Grad sein. Die Sonne sticht ganz schön. Wir haben noch eine Tafel Schokolade, aber die können wir nicht essen, denn wenn wir die Verpackung öffnen würden, müssten wir sie trinken.

Rumänisches Rüdesheim
In Schässburg, das die am besten erhalten mittelalterliche Anlagen Siebenbürgens ist, wollten wir übernachten. Aber die Stadt ist etwas wie ein rumänisches Rüdesheim, Rummel im Quadrat. Wir haben im Wagner zwar ausgezeichnet gegessen (Elo: Kohlrouladen, ich: Kuttelsuppe à la Roumaine), aber für länger war das nichts. Wir fuhren weiter nach Brasov/Kronstadt, eine der grossen siebenbürger Altstädte. Von dort machten wir dann durch die Berge noch einen Teil der Strecke in Richtung Donaudelta.





Das Salz in der Suppe des Lebens
Beim Fahren durch die vielen Kurven sind mir zwei Eigenheiten der rumänischen Autofahrer aufgefallen: 1. Ueberholen – und es wird viel überholt – macht nur Spass, wenn zuerst getrödelt wird, dann aber kurz vor der nächsten Kurve um so entschlossener raus. Es wird schon keiner kommen. 2. Beim Einbiegen in die Strasse nach hinten zu schauen, wird als unsportlich empfunden, von Lastern, PKWs oder Pferdekutschern. Es würde ja das Risiko mindern, und eben dieses ist das Salz in der Suppe des Lebens – s. 1.!

Wir hatten vor, in den Bergen Richtung Buzau im Büssli zu übernachten, aber es war nicht möglich, einen geeigneten Platz mit der nötigen Privatheit abseits der Strasse zu finden. So sind wir in Nehoiu im Hotel gleichen Namens gelandet. Einfach, sauber, saulaut! Es findet eine Hochzeit statt, und wir sitzen nach guten Hackfleischröllchen bei einer Flasche Sauvignon Blanc auf der Terrasse, wo ohrenbetäubender TV-Schrott (seit einer Stunde Bericht über irgendeinen gewesenen Boxmatch) und das Gebrüll der Gäste, die sich verständlich machen müssen, das Gehör strapaziert. Der Kellner ist sehr nett, die Temperatur immer noch warm, es geht uns gut.

Wollt Ihr einen Beweis? Den Glücklichen schlägt keine Stunde: Wir brauchten zwei geschlagene Tage, bis wir merkten, dass wir die Uhr eine Stunde vorstellen mussten in Rumänien. Es ging ganz gut mit einer Stunde Verspätung!
                                                                                                                              
Wie wir schlafen werden, müssen wir sehen, denn die Musik der Hochzeit wird im Ballsaal kaum lauter sein, als bei uns im Zimmer.

Feuertaufe II
Das habe ich vor dem Schlafen gehen geschrieben. Die – böse – Ueberraschung kam auf dem Zimmer: Kein warmes Wasser zu Duschen, und wir waren verschwitzt! Elo war so sauer, dass sie beschloss, keine 90 Lei (ca. 35 Franken) für ein Zimmer ohne warmes Wasser auszugeben. Und was macht der Ehemann, wenn die beste aller Ehefrauen, wie Kishon das bezeichnet, wütend und entschlossen ist: Er ist es auch, hilft zusammenräumen. Elo gibt dem verdutzten Kellner den Schlüssel ab, und das Büssli macht seiner Aufgabe alle Ehre:
Wenn kein Hotel oder wenn das Hotel schlechter, dann schlafen im Bus! Und das haben wir auf dem Hotelparkplatz mitten im Tohuwabohu von Hochzeit und Boxmatch (oft soll das wenig Unterschied sein) gemacht. Elo war sofort eingeschlafen, bei mir dauerte es etwas, und ich habe auch noch gemerkt, dass die Musik um 4 Schluss machte: Das muss eine glückliche Ehe geben, denn bei uns war es 1972 auch so!



10.7.
Geschlafen haben wir bis nach 7! Die Feuertaufe II hat das Gefährt also bestens bestanden. Dann haben wir einen mehr oder weniger abgeschirmten Pinkelplatz gesucht und sind auf den Markt einkaufen gegangen: Eine Honigmelone und zwei so kleine Stücke Frischkäse und Wurst, dass der gutmütige Bauer uns diese beiden Sachen geschenkt hat. Das Picknick war einmal mehr perfekt: als Getränk Wasser (noch von zuhause!), zum Dessert Guetzli. Eingenommen auf unseren praktischen Stühlen, mit Hilfe von Lattmanns Besteck; als Tisch dient ein Stein.

Dann sind wir heute vorab gefahren: über Buzau und Braila nach Tulcea am Eingang des Deltas. In Braila mussten wir mit der Fähre über den nun mächtigen Strom, es sind grosse Dinger für viele PKW, Laster, Busse,  Velos und Fussgänger, die am Sonntag auf die andere Seite in die Donauauen gehen. So sahen wir uns:

Flach und hügelig
Vor Braila war das Land flach, die Strassen Kilometerlang schnurgerade und ich habe das Büssli etwas ausgewunden. Immer 100 (da rinnt der Sprit etwas schneller), aber es scheint ihm zu gefallen, nach der wohl gemächlichen Gangart als Gemeindefahrzeug in Trin-Moulin zeigen zu können, was in ihm steckt. Und es läuft immer runder und auch besser, und ich habe das Gefühl, der Verbrauch sei etwas gesunken, was aber auch an meiner doch meist gemächlichen Fahrweise liegen kann

Wer nun denkt, dass ennet der Donau das flache Land sich fortsetzt und die Weite des Deltas beginnt, der irrt gründlich. Der Strom bildet ja im Süden lange die Grenze zu Bulgarien. Aber statt dann einfach ins Schwarze Meer zu tauchen, muss er nochmals einen Umweg machen, nach Norden, wo er dann Grenzfluss zur Ukraine wird. Schuld ist ein uraltes, aber doch noch mehrere hundert Meter hohes Gebirgsmassiv, das mit dieser links-rechts-Kurve umgangen wird. Und ins Delta fliesst das Wasser entlang der alten Felsen, auf denen alle Dörfer und Städte liegen, zum Teil auf hohen. Klippen am Wasserrand. Die Strasse geht rauf und runter, alles Kurven. Die Radfahrer tun uns leid.

In Tulcea, einer Stadt mit Schwerindustrie und Güterhafen neben dem Tourismushafen, haben wir ein schönes Hotel direkt am Hafen genommen (Esplanade), und die nette junge Dame am Empfang hat uns ein Bombenzimmer gegeben, riesig, bequem, schön. Jetzt sind wir geduscht (für 2 Tage), ruhen aus und gehen dann flanieren, wenn es etwas abgekühlt hat. Es ist doch gar zu heiss.

(Bemerkung des Schreibers: Ich komme vor lauter schreiben, das ich sehr geniesse, kaum zum Lesen! Nicht einmal einen Band Karl May (Durch die Wüste) habe ich bisher geschafft, geschweige denn das China-Buch von Kissinger, das Elo so rühmt, den Verne in 80 Tagen auf Franz, oder das Reisebuch Zu Fuss durch China (vor 100 Jahren). Aber eben, ich darf ja jetzt machen, was ich will, und Ihr müsst lesen!)

PS. Jetzt haben wir auch noch den Nachmittagsspaziergang gemacht (um 18h war es immer noch sehr heiss an der Sonne), den Apéro auf einer Bar am Fluss (auf einem fest vertäuten Schiff) genommen und die Stimmung genossen.

Dann haben wir auf der Terrasse des Hotels zu Abend gegessen. Der Wels war sehr gut, ebenso wie die gebratene Hühnerleber an einer super Sauce und die überbackenen Auberginen. Dazu ein Riesling aus dem OstNordosten Rumäniens und ein Espresso. Letzteren können sie, denn sie haben nicht nur eine Kaffee-Tradition sondern auch das Glück, dass statt Starbucks Lavazzo, Illy & Cie. das Kaffeegeschäft machen. Unter uns war die Promenade voll am Laufen; Sonntagabend für Kind, Kegel, Oma, Opa und was sonst noch kreucht und fleucht.

Es geht uns also weiter sehr gut.

11.7.
Heute waren wir im Donaudelta, ausführlich, 8 Stunden. Wir haben eine Tour mit einem kleinen Schiff gebucht, auf dem neben uns noch ein Schweizer Ehepaar (mit dem Velo von Wien hierher in 18 Tagen, 120 km im Schnitt pro Tag, aber trotzdem sehr nett!), ein Wiener Paar und ein Gruppe von 2 jungen Rumänen und den französischen Freund des Mädchens waren. Mit ihnen sprachen wir Franz und Englisch.
 Zuerst ging es auf dem Mittelarm, dann in einen Seitenkanal zum Mittagessen – wie es sich hier gehört um Punkt 12 – und dann durch kleine und grössere Kanäle und Seitenarme zurück. Wir sahen viele Vögel (allerlei Reiher, Schwäne, Ibise, Möven, einen riesigen Schwarm Pelikane, Kormorane, Taucher, dann kleine und grössere Arten, die wir nicht kannten, Störche in Nestern vor dem Ausfliegen und am Ufer auf Futtersuche für erstere); dann zwei Frösche, aber zu deren Leidwesen beide in Schnäbeln von Reihern; dann an den Dörfern Kühe, Hunde, Schweine; und dann überall Fischer und – für das Mittagessen sorgende – Fischerinnen, die zu Fuss, mit Motorgondeln, Schnell- und Hausboten an die Angelplätze gelangt sind. Die Schnellboote und die Motorbootprotze sind in engen Kanälen oft ein Aergernis. Auf den Hauptarmen gibt es auch Tragflügelboote für den regionalen Personentransport, Kreuzfahrschiffe und Frachter.

Die Donau ist riesig, und so ist auch das Delta. Wir haben nur einen kleinen Teil gemacht, trotzdem wurde es manchmal fast monoton. Ein Reiher am anderen, schon wieder ein Kormoran und viel Baum, Schilf, Himmel und Wasser. Aber wir haben den Tag genossen, es war angenehm warm während der Fahrt, das Delta eindrücklich.

Morgen nehmen wir Abschied vom Delta und von Rumänien. Es geht in die Ukraine in Richtung Odessa ans Schwarze Meer, das wir heute noch nicht gesehen haben.

Jürg
11.7.2011