18.7.
Vorwort
Elo und ich haben uns heue über das Reisen unterhalten. Für uns ist es eine Bewegung im Raum, ganz nach den alten Daoisten, nach Lao Zi: „Der Weg ist das Ziel“. Dieser Satz erschliesst sich uns immer besser. Wir kommen an Orte, von denen wir keine Ahnung hatten, dass es sie gibt. Wir finden sie schrecklich, wir reiben uns an ihnen, sie gefallen uns (wie heute Anapa am Schwarzen Meer). Aber wir wären, hätten wir statt der Reise Destinationen gesucht, niemals dahin gekommen. Und das ist das Schöne am Reisen, das ist es, was den Horizont erweitert, das ist es, was die Mühen (s.u.) erträglich macht.
1445 Die Fähre legt in Russland an, wir fahren runter und werden in die Kolonne ganz vorn gewinkt
1455 Er kommt mit zwei Formularen zum Ausfüllen für das Auto. Allerhand Sachen von Baujahr, Hubraum, Wohnort des Besitzers, Herkommen und Hingehen usw. Er hilft, denn all die kyrillischen Sachen kann ich mir trotz Uebersetzung seinerseits nicht merken und muss nachfragen. Mehrfach, und er ist auch kulant wenn das Richtige am falschen Ort steht.
1500 Wir dürfen zur Passabfertigung, der Mann muss aber noch zwei englisch geschriebene Formulare besorgen, die wir im Doppel ausfüllen, sozusagen der ganze Pass incl. Visum. Auch hier ist der Fahrzeugausweis wichtig. Alles wird gescannt. Der Mann studiert alles ausführlich, offensichtlich kommt nicht alle Tage wenn überhaupt alle Jahre ein Schweizer Paar mit Auto und erst noch Visum für Mehrfacheintritt – das buchstabiert er mehrfach von vorne nach hinten und von hinten nach vorn – unter die Augen des guten Mannes. Endlich ist der Stempel in meinem Pass, und ich kann
1605 Wir werden einfach durch das Tor gewinkt, keiner will ein Papier. Wir sind perplex und in Russland. Es hat nur fünfeinhalb Stunden gedauert.
Aanapa
Jetzt sind wir 100 km weiter in Anapa, einem bekannten russischen Seebad, im Hotel Plaza. Elo macht wäsche. und dann gehen wir Essen (am Zoll gab es Menue 1: Schüttelbrot, Trockenfrüchte, Früchtebrot von Ruth und Wasser; zum Glück habe ich am Morgen Haferbrei gegessen – Elo hat sich geschüttelt – aber das gab Boden für den nationalen Zirkus beiderseits der Meerenge!). Mal sehen, was der russische Badetourismus ist.
Die Fahrt nach Rostov am Don ist streng. Es ist heiss. Die Strasse ist am Anfang schmal, viele Lastwagen. Dann wird es besser, es ist meist dreispurig mit abwechselnden Ueberholspuren. Aber es rumpelt immer, und es wird immer heisser am Nachmittag. Vor Rostov, als wir auf die Strasse vom Kaukasus nach Moskau einbiegen, wird diese besser, teilweise Autobahn. In Rostov dann, wie in allen grossen Städten dieser Region, Stau.
Das Hotel Rostov im Zentrum ist gut, wenn auch die Leute etwas kompliziert sind. Das Einchecken hat seine Zeit gebraucht
Der Don kommt hier ganz nahe an die Wolga. Er ist verbunden durch einen Kanal mit einer Riesenschleuse, so haben wir gelesen, die wir auf dem Weg nach Astrakhan sehen werden.
Unterwegs haben wir noch allerhand Geräte aufgeladen und Musik gehört. Hier hat das Büssli durchaus einen High-Tech-Touch
Intourist Volgograd
Trotzdem waren wir froh, als wir in Volgograd waren und das Intourist-Hotel, eine gut gepflegte Ikone aus dem sozialistischen Reisezeitalter, ein Zimmer hatte. Ein gutes. Gegessen haben wir georgisch, und zwar so gut, dass wir morgen nochmals hingehen.
Wir diskutieren über Hitlers Verblendung („Verblödung“ ist sprachlich ganz nah), die Stalin in die Hand gespielt hat, zum Glück. Aber mit welchen Opfern gerade auch für die Russen. Die russischen Denkmäler werden verständlicher, wenn auch nicht schöner.
21.7.
Denkmäler haben wir heute ausführlich gesehen, insbesondere die gigantische Mutter Russland, die auf dem Mamayev Kurgan, einer Erhebung von über hundert Metern, 72 Meter (ohne das 11 Meter lange Schwert) die Völker der Sowjetunion zum Kampf aufruft. Irritiert hat mich, dass sie gegen Osten gewendet ist, wo doch die Deutschen von Westen kamen. Aber alles kann auch die nationale Heroik nicht haben: Eindrücklicher Platz, guter theatralischer Aufbau und dann noch historische Akkuratesse.
Das Mausoleum für die 7200 auf diesem umkämpften Hügel – aus der Rückschau machen umkämpfte Plätze oft wenig Sinn für einen Füsilierkorporal – gefallenen Sowjetbürger ist zwar auch pathetisch aber in Ordnung, weniger überzeugend ist die Wachtablösung mit gut 10 Minuten knallendem Stechschritt. Ueberholt.
Wir sind heute nicht Auto gefahren, sondern mit der Metro. Es hat eine Linie, Nord-Süd, und sie ist tadellos, auch wenn die Wagen von Stadler Rail etwas moderner sind.
Orden und anderes
Sie hat uns dann auch zum Museum mit Panorama am Wolgaufer geführt. Dieses war eher etwas enttäuschend. In der Didaktik veraltet, und fast immer eine Ansammlung von Passfotos und Texten dazu. Dazwischen Waffen. Wenig von den Deutschen, was verständlich ist, aber uns doch auch interessiert hätte. Beeindruckend war die Leistungsfähigkeit russischer Generalsbrüste: Eine trug nicht weniger als 36 Orden, alle ausgestellt. Das gab mit Sicherheit einen Buckel des Trägers, oder hohles Kreuz. Ersteres vermutlich gegen Stalin, letzteres gegen die Soldaten unter seinem Befehl. Auf den 4 Bildern des Kampfpanoramas fiel mir zweierlei auf: 1. An der direkten Kampflinie war immer ein grosses Durcheinander, ist wohl so. 2. Sterben taten nur die Deutschen.
Das Warenhaus, das wir noch besichtigen, erinnert uns stark an das „Baihe Dalou“ im Peking der 70er Jahre.
Lebendige Nacht
Wir hatten eine lebendige Nacht. Ich hatte Einigen mitgeteilt, wir hätten nun eine russische Natelnummer, auf der wir angerufen werden könnten. Vorsichtshalber hatte ich im SMS noch auf die Zeitverschiebung hingewiesen. Dass wir früh zu Bett gehen, hatte ich weggelassen. Zuerst der Heiri um 11, ich war gerade 30 Minuten weggedämmert, dann Ruth um 1! Aber gefreut haben uns die Anrufe trotzdem, und es gab dann ja noch vier Stunden am Stück.
An der Grenze Asiens
Vorwort
Elo und ich haben uns heue über das Reisen unterhalten. Für uns ist es eine Bewegung im Raum, ganz nach den alten Daoisten, nach Lao Zi: „Der Weg ist das Ziel“. Dieser Satz erschliesst sich uns immer besser. Wir kommen an Orte, von denen wir keine Ahnung hatten, dass es sie gibt. Wir finden sie schrecklich, wir reiben uns an ihnen, sie gefallen uns (wie heute Anapa am Schwarzen Meer). Aber wir wären, hätten wir statt der Reise Destinationen gesucht, niemals dahin gekommen. Und das ist das Schöne am Reisen, das ist es, was den Horizont erweitert, das ist es, was die Mühen (s.u.) erträglich macht.
Fast eine Busse
Nach 115 km Fahrt durch die fast flache Hallbinsel Krech an die Meerenge zum Aaowschen Meer,sind wir wieder an einem Zoll, an der Fähre nach Russland. Zuvor hat mich in Kerch noch ein freundlicher Polizist darauf aufmerksam gemacht, dass das Zeichen „Kein Vortritt“ bei einem Kreisverkehr quasi ein Stoppgebot ist. Ich konnte ihn, in seinem Polizeiauto, in das er mich höflich gebeten hatte, überzeugen, dass das bei uns nicht so sei und ich doch niemanden behindert hatte, er stand ja daneben. Oder dann war ihm das Riesen-Bussenformular doch zu mühsam. Wir verabschiedeten uns als Freunde.Beispiel eines Grenzübertritts
Dieses Mal führe ich für ein Mal exemplarisch Detailtagebuch am Zoll, ich habe, vor allem auf der ukrainischen Seite, Zeit dazu:
1040 Ankunft, vor uns in der Schlange ca.40 Autos, meist Russen. Erste Auskunft: das dauert 4 – 5 Stunden, die Fährleute und Zöllner, die unendlich lange Schicht arbeiten, sind schlafen gegangen. Dann war ganz vorn im Häuschen plötzlich ein Uniformierter. Ich fragte ihn: wie lange. Er begriff und malte für die Autos hinten, wo wir standen, 1400.
1110 Die Schlange bewegt sich, die vorderen Autos dürfen in den Zollbereich, wir rücken nach, ca. 15 -20 Autos vor uns.1200 Ein Mann bringt ein Plastikkärtchen, ich kann in Begleitung eines jungen Mannes – sehr nett –an die Kasse, um das Billet für das Auto und zwei Personen zu kaufen: 453 UAH (wie eine solche Zahl zustande kommt, ist schleierhaft). Fahrzeugausweis und visanummer Russland wurden notiert.
1245 Wir dürfen durch die Schranke, erhalten Ausreisepapierchen und stehen in der Schlange vor dem Zoll und bewundern die Feuerbekämpfungsmittel
1300 (alle Zeiten rund genommen) Ein Zöllener verlangt relativ barsch Pass und Pass von Auto. die Schlange rückt langsam vor, vorne wird die Fähre entladen und wohl auch beladen. Ob wir draufkommen?
1315 Pässe kommen ohne Kommentar zurück, das Ausreisepapier ist abgestempelt, der Pass noch nicht.
1340 Wir werden auf die Mittelspur gewinkt. gut oder schlecht?1345 Zöllner will Passport und „Passport Maschin“.
1350 Dokumente kommen, wir fahren nach vorn1352 Wir geben das Ausreisepapier ab
1353 Wir zeigen das Fährbillet (wo habe ich es nur? Elo! Da wo du es hingesteckt hast! Und da ist es).
1355 Wir sind auf der Fähre, rechts aussen weit vorn. Halbvoll. Abfahrt?
1425 Die Motorräder einer auf ersten Blick eher problematischen russischen Version der Hells Angels und die letzten Fussgänger sind drauf, die Fähre legt ab, unter martialischer Heldenmusik und nach längerer Ansprache an die Passagiere in klarem Ton
1445 Die Fähre legt in Russland an, wir fahren runter und werden in die Kolonne ganz vorn gewinkt
1450 Ein netter Offizier – es waren hüben und drüben alle sehr nett, aber wenn die Erfinder des Papierkriegs alle Kriege gewinnen würden, diese Armee von Bürokraten wäre unschlagbar! – ein netter Offizier also, der uns über den ganzen Zoll hilft und alles beschleunigt, verlangt Passport und Autodokument und verschwindet damit.
1455 Er kommt mit zwei Formularen zum Ausfüllen für das Auto. Allerhand Sachen von Baujahr, Hubraum, Wohnort des Besitzers, Herkommen und Hingehen usw. Er hilft, denn all die kyrillischen Sachen kann ich mir trotz Uebersetzung seinerseits nicht merken und muss nachfragen. Mehrfach, und er ist auch kulant wenn das Richtige am falschen Ort steht.
1500 Wir dürfen zur Passabfertigung, der Mann muss aber noch zwei englisch geschriebene Formulare besorgen, die wir im Doppel ausfüllen, sozusagen der ganze Pass incl. Visum. Auch hier ist der Fahrzeugausweis wichtig. Alles wird gescannt. Der Mann studiert alles ausführlich, offensichtlich kommt nicht alle Tage wenn überhaupt alle Jahre ein Schweizer Paar mit Auto und erst noch Visum für Mehrfacheintritt – das buchstabiert er mehrfach von vorne nach hinten und von hinten nach vorn – unter die Augen des guten Mannes. Endlich ist der Stempel in meinem Pass, und ich kann
1525 mit dem Auto vorfahren zur Zollkontrolle, die wieder von meinem Freund vereinfacht und beschleunigt wird. Keine Waffen, keine Drogen, eine angebrochene Weinflasche (es dürften pro Person drei sein, sagt er), unser Wasser. Alles will der Gehilfe sehen. Als er dann auch noch vorne unter der Windschutzscheibe den Motor sucht (er ist unter dem Beifahrersitz), wird es auch dem Chef zu bunt. Er winkt uns durch. Durch, denken wir. Denkste!
1535 Der freundliche Mann winkt uns zum nächsten Schalter („Pass, Auto Dokument, Grüne Karte, alles mitnehmen gibt er zu verstehen). Ich komme in einen kleinen Raum mit verhängtem Schalter, wo mein Freund anklopft, länger, bis seine gähnende Untergebene kommt. Und sich an die Arbeit macht. Was für eine! Sie beginnt Pässe (beide), Fahrzeugausweis und anderes zu scannen, und mir dämmert, was mir der freundliche Mann nicht beibringen konnte: Auch wenn ich – trotz des durchgestrichenen RUS versicherte, die grüne Karte sei gültig für Russland, war ich am Schluss des Prozederes Besitzer einer russichen Haftpflichtversicherung. Auch hier wurde das Gescannte sicherheitshalber nochmals abgeschrieben, dann bezahlte ich die gut 50 Franken mit dem Rest ukrainischen Geldes, die Restsumme wurde in 24$ umgerechnet. Und dann noch zum letzten Schalter, wo alles nochmals abgeschrieben und eingescannt wurde, zusammengebosticht, gestempelt – und mir übergeben.1605 Wir werden einfach durch das Tor gewinkt, keiner will ein Papier. Wir sind perplex und in Russland. Es hat nur fünfeinhalb Stunden gedauert.
Aanapa
Jetzt sind wir 100 km weiter in Anapa, einem bekannten russischen Seebad, im Hotel Plaza. Elo macht wäsche. und dann gehen wir Essen (am Zoll gab es Menue 1: Schüttelbrot, Trockenfrüchte, Früchtebrot von Ruth und Wasser; zum Glück habe ich am Morgen Haferbrei gegessen – Elo hat sich geschüttelt – aber das gab Boden für den nationalen Zirkus beiderseits der Meerenge!). Mal sehen, was der russische Badetourismus ist.
Der Ort ist sehr schön. Es hat zwar viele Touristen, aber er ist nicht überfüllt. Wir sind die Promenade – nicht am Meer, sondern mitten in der Stadt – hochgegangen, und dann den anschliessenden Stadtpark sehr lange weiter. Es war einfach schön. Wir haben gut gegessen und getrunken.
Hier noch eine Anmerkung zu den Russen: Sie sind freundlich – auch an der Grenze! – und sie sind überhaupt nicht lärmig und rüpelhaft. Sie haben Freude am Leben, die Kinder (viele) brauchen ihren Raum und melden sich. Aber sie sind rücksichtsvoll, spontan und zuvorkommend.
Die Strassen und der Ort hier machen den Eindruck, das Russland reicher ist als die Ukraine. Auch in der Stadt zeigt sich das: Die Troittoirs haben keine Löcher, die Strassen sind in Ordnung, die Häuser haben Fassaden, die nicht herunterfallen. Ein guter Eindruck.
19.7.
Wer da meint, er sei da, der irrt, zumindest wenn damit Russland gemeint ist. Du hast das Gefühl, jetzt seist Du im Land. Aber oha! Nix da! Wer eingereist ist, muss sich noch registrieren lassen, mehrfach, in jedem Hotel, so scheint es. Und das ist, je nach Ort, nicht einfach. Eine nette Dame im Hotel Plaza in Anapa macht das für uns, sie geht zum Amt und so mit unseren Pässen. Aber das dauert, und so kommen wir erst um 11h weg, mit knapp 500 km vor uns.
Vor dem Frühstück haben wir noch im Meer gebadet. Es ist schön, der Strand ist flach, am Anfang hat es grüne Algen, dann wird das Wasser klar. Der Strand ist schon um 9 voll, aber es ist ganz angenehm.
Strenge FahrtDie Fahrt nach Rostov am Don ist streng. Es ist heiss. Die Strasse ist am Anfang schmal, viele Lastwagen. Dann wird es besser, es ist meist dreispurig mit abwechselnden Ueberholspuren. Aber es rumpelt immer, und es wird immer heisser am Nachmittag. Vor Rostov, als wir auf die Strasse vom Kaukasus nach Moskau einbiegen, wird diese besser, teilweise Autobahn. In Rostov dann, wie in allen grossen Städten dieser Region, Stau.
Die Landschaft, in der, so meine gegenwärtige Lektüre, sehr viel Indogermaisch-zentralasiatisch-ostwestverbindendes meist kriegerisch ablaufendes passiert ist, ist eher flach, leicht gewellt und gross.
Rostov ist eine schöne Stadt, der Don (Solochow: Der stille Don; sozialistischer Schriftsteller: Die Ernte am Don) ein grosser Fluss, der ins Asovsche Meer mündet.
Rostov ist eine schöne Stadt, der Don (Solochow: Der stille Don; sozialistischer Schriftsteller: Die Ernte am Don) ein grosser Fluss, der ins Asovsche Meer mündet.
Das Hotel Rostov im Zentrum ist gut, wenn auch die Leute etwas kompliziert sind. Das Einchecken hat seine Zeit gebraucht
20.7.
Die Lehre aus dem gestrigen Nachmittag ziehend, haben wir das Frühstück nicht gebucht und sind um sechs Uhr losgefahren. Das hat sich gelohnt. Wir sind gut aus der Stadt rausgekommen, haben mehr als die Hälfte der Strecke (die ab der Abzweigung nach Volgograd zwar viel weniger befahren, dafür aber nur noch zweispurig war (viel überholen!), in angenehmen Temperaturen gemacht und konnten von 1130 bis 14 Uhr eine schöne Mittagspause im Schatten eines grossen Baumes machen. Das Büssli ist genial. Ich habe mehr als eine Stunde geschlafen, ungestört von der Bahnlinie mit Riesengüterzügen und der Strasse. Elo hat gelesen und, nach dem leichten Schnarchen zu beurteilen, auch geschlafen.
Danach haben wir noch Bahnübergänge kennengelernt, die nicht nur eine Schranke, sondern sozusagen noch ein Tanksperre haben: Gegen die Fahrtrichtung öffnen sich auf beiden (!) Fahrbahnen schräggestellte Schachtdeckel. Und das kann dann dauern. Eine Viertelstunde ist gar nichts. Alle stellen den Motor ab, öffnen die Türen und haben mehr oder weniger Geduld. Wenige3r?: Ausscheren, umdrehen und 10 Minuten weiter hinten einen Uebergang ohne Rangierverkehr suchen!Der Don kommt hier ganz nahe an die Wolga. Er ist verbunden durch einen Kanal mit einer Riesenschleuse, so haben wir gelesen, die wir auf dem Weg nach Astrakhan sehen werden.
Unterwegs haben wir noch allerhand Geräte aufgeladen und Musik gehört. Hier hat das Büssli durchaus einen High-Tech-Touch
Intourist Volgograd
Trotzdem waren wir froh, als wir in Volgograd waren und das Intourist-Hotel, eine gut gepflegte Ikone aus dem sozialistischen Reisezeitalter, ein Zimmer hatte. Ein gutes. Gegessen haben wir georgisch, und zwar so gut, dass wir morgen nochmals hingehen.
Denn wir werden einen Tag hier einschalten, an dem wir die Denkmäler und Museen der Schlacht von Stalingrad ansehen wollen. Es ist ja doch ein Teil auch unserer Geschichte. Es war ein zwiespältiges Gefühl, durch die Landschaft zu fahren, in der die 6. Armee von Paulus eingekesselt und mehr oder weniger vernichtet wurde. Es war ein zwiespältiges Gefühl, zur Wolga, einem imposanten Strom, runterzugehen, der die Grenze für Hitlers Expansion wurde. Es war ein zwiespältiges Gefühl, in einem Gartenrestaurant (richtiger: Strassencafé) zu sitzen und fein zu essen und zu trinken inmitten von Häusern, von denen jedes Etage um Etage, Raum um Raum umkämpft war.
Wir diskutieren über Hitlers Verblendung („Verblödung“ ist sprachlich ganz nah), die Stalin in die Hand gespielt hat, zum Glück. Aber mit welchen Opfern gerade auch für die Russen. Die russischen Denkmäler werden verständlicher, wenn auch nicht schöner.
21.7.
Denkmäler haben wir heute ausführlich gesehen, insbesondere die gigantische Mutter Russland, die auf dem Mamayev Kurgan, einer Erhebung von über hundert Metern, 72 Meter (ohne das 11 Meter lange Schwert) die Völker der Sowjetunion zum Kampf aufruft. Irritiert hat mich, dass sie gegen Osten gewendet ist, wo doch die Deutschen von Westen kamen. Aber alles kann auch die nationale Heroik nicht haben: Eindrücklicher Platz, guter theatralischer Aufbau und dann noch historische Akkuratesse.
Das Mausoleum für die 7200 auf diesem umkämpften Hügel – aus der Rückschau machen umkämpfte Plätze oft wenig Sinn für einen Füsilierkorporal – gefallenen Sowjetbürger ist zwar auch pathetisch aber in Ordnung, weniger überzeugend ist die Wachtablösung mit gut 10 Minuten knallendem Stechschritt. Ueberholt.
Wir sind heute nicht Auto gefahren, sondern mit der Metro. Es hat eine Linie, Nord-Süd, und sie ist tadellos, auch wenn die Wagen von Stadler Rail etwas moderner sind.
Orden und anderes
Sie hat uns dann auch zum Museum mit Panorama am Wolgaufer geführt. Dieses war eher etwas enttäuschend. In der Didaktik veraltet, und fast immer eine Ansammlung von Passfotos und Texten dazu. Dazwischen Waffen. Wenig von den Deutschen, was verständlich ist, aber uns doch auch interessiert hätte. Beeindruckend war die Leistungsfähigkeit russischer Generalsbrüste: Eine trug nicht weniger als 36 Orden, alle ausgestellt. Das gab mit Sicherheit einen Buckel des Trägers, oder hohles Kreuz. Ersteres vermutlich gegen Stalin, letzteres gegen die Soldaten unter seinem Befehl. Auf den 4 Bildern des Kampfpanoramas fiel mir zweierlei auf: 1. An der direkten Kampflinie war immer ein grosses Durcheinander, ist wohl so. 2. Sterben taten nur die Deutschen.
Dann sind wir zum Hotel zurückgelaufen und haben geschwitzt. Offensichtlich mit Grund, denn der sehr gut Deutsch sprechende Hotelportier – er hat mit Deutschen und Schweizern zusammengearbeitet, spricht mit wenig Akzent und fast ohne Fehler – hat uns gesagt, es sei 42 Grad und morgen sollen noch einige dazu kommen. Na dann Prost, es geht nach Süden.
Das Warenhaus, das wir noch besichtigen, erinnert uns stark an das „Baihe Dalou“ im Peking der 70er Jahre.
22.7.
An der Seidenstrasse
An der Seidenstrasse
Jetzt sind wir in Astrachan, an der Wolgamündung ins Kaspische Meer. Es waren 450 km, die aber recht gut zu fahren waren. Die Strasse war durchgehend gut, leicht schaukelnd, aber gut. Der Verkehr war wenig, die Strassen weitgehend gerade, überholen einfach, wenn auch wegen des Windes leicht kitzlig. Nur in den Ortschaften ist Obacht! angesagt. So hat eine Minibus, den ich gerade überholen wollte (er hat das lange gesehen oder eben nicht), ansatzlos auf die Bremse getreten, den Blinker links gestellt und ist abgebogen. Alles gleichzeitig. Ich konnte knapp bremsen, leicht ausweichen, es ging gut. „Reflexe in Ordnung!“, sagte der Arzt, als der Patient beim Lesen der Honorarnote in Ohnmacht fiel.
Kalmückensteppe
Die Fahrt ging durch die Kalmückische Steppe entlang der Wolga. Alles flaches, fast leeres Grasland. so wird das jetzt sein für eine Woche.
Als wir kurz durch das Gebiet der Kalmückischen Republik fuhren, sahen wir einen Kalmücken. Der hatte so schmale Schlitze statt Augen, dass wir das Gefühl hatten, er sehe überhaupt nicht raus. Aber der Verschluss der Augen muss wohl so dicht sein angesichts des stürmischen Windes, der immer wieder Sand – insbesondere von unbefestigten Strassen – aufwirbelte, über die Fahrbahn wehte und ganz allgemein einen Grauschleier über die Landschaft legte. Das war beim Fahren störend, ich musste das Steuerrad immer mit beiden Händen halten, um zu korrigieren, insbesondere, wenn ein Laster entgegenkam und kurzzeitig den Wind abblockte.
Die Fahrt ging durch die Kalmückische Steppe entlang der Wolga. Alles flaches, fast leeres Grasland. so wird das jetzt sein für eine Woche.
Als wir kurz durch das Gebiet der Kalmückischen Republik fuhren, sahen wir einen Kalmücken. Der hatte so schmale Schlitze statt Augen, dass wir das Gefühl hatten, er sehe überhaupt nicht raus. Aber der Verschluss der Augen muss wohl so dicht sein angesichts des stürmischen Windes, der immer wieder Sand – insbesondere von unbefestigten Strassen – aufwirbelte, über die Fahrbahn wehte und ganz allgemein einen Grauschleier über die Landschaft legte. Das war beim Fahren störend, ich musste das Steuerrad immer mit beiden Händen halten, um zu korrigieren, insbesondere, wenn ein Laster entgegenkam und kurzzeitig den Wind abblockte.
Lebendige Nacht
Wir hatten eine lebendige Nacht. Ich hatte Einigen mitgeteilt, wir hätten nun eine russische Natelnummer, auf der wir angerufen werden könnten. Vorsichtshalber hatte ich im SMS noch auf die Zeitverschiebung hingewiesen. Dass wir früh zu Bett gehen, hatte ich weggelassen. Zuerst der Heiri um 11, ich war gerade 30 Minuten weggedämmert, dann Ruth um 1! Aber gefreut haben uns die Anrufe trotzdem, und es gab dann ja noch vier Stunden am Stück.
Wir sind um 5h aufgestanden, 0520h abgefahren und waren vor 12 in der Stadt und hatten um 1230 das Hotel (nach einer Stadtrundfahrt zur Hotelsuche). All das ging schnell, ausser dem Registrieren. Sie belästigen uns damit nicht, sind aber nach einer Stunde immer noch dran. Wir haben das Zimmer bezogen, werden schreiben, lesen und schlafen und gehen dann in die Stadt. Sie registrieren.
An der Grenze Asiens
Die Stadt, wie die ganze Gegend, durch die wir gestern und vor allem heute fuhren, war seit Jahrtausenden Schnittpunkt der Völker, ihres Handels, ihres Wandels, ihrer Kriege und Bündnisse. Die Skythen, die Hunnen mit Attila, die Mongolen mit Tschingis Kanhs Sohn Möngke, Timur Lan (Tamerlan), dann die Völker der Völkerwanderung, die Vikinger und die alten Russen, die Kalmücken, die Hunnen, und zuletzt die Nazi-Armeen – alle waren sie hier zu Gange. Astrachan liegt am Schnittpunkt der Handelsrouten von Ost nach West und Nord nach Süd. Deutsche Händler trafen hier auf Iraner, Araber auf Chinesen. Gegründet wurde die Stadt in der heutigen Form 1588 von Ivan dem Schrecklichen, nachdem er ein tatarisches Kanat besiegt hatte. Sie war davor auch Hauptstadt der Goldenen Horde.
Wir werden sehen, ob wir von dieser Vielfalt noch was finden, den Kremel, der sich in unmittelbarer Nähe unseres am Wolgaufer liegenden Hotels befindet werden wir auf alle Fälle besuchen.
Eine angenehme Stadt
Astrachan ist erneut eine Stadt, die uns angenehm überrascht hat (s. Einleitung zu diesem Post). Der Wind aus Richtung Südosten (Kaspisches Meer) kühlt und macht Elo am Abend fast frösteln, sie ist halt ein Gfrörlig.
Der Kremel aus dem 17. und 18. Jahrhundert ist ein imposante Stadtfestung, die Innenstadt hat viel Substanz, die langsam immer besser gepflegt wird.
Morgen um 5 geht es Richtung Kasachische Grenze. Wir haben vier Tage Vorsprung auf die Marschtabelle. Mal sehen, ob wir sie brauchen.
Buona Notte!
Jürg
Eine angenehme Stadt
Astrachan ist erneut eine Stadt, die uns angenehm überrascht hat (s. Einleitung zu diesem Post). Der Wind aus Richtung Südosten (Kaspisches Meer) kühlt und macht Elo am Abend fast frösteln, sie ist halt ein Gfrörlig.
Der Kremel aus dem 17. und 18. Jahrhundert ist ein imposante Stadtfestung, die Innenstadt hat viel Substanz, die langsam immer besser gepflegt wird.
Wir haben in einem Gartenlokal gegessen, das Elo in der Art an die "Ebbelwoi"-Kneipen Sachsenhausens erinnert hat. Die Völkervielfalt ist unübersehbar, auch wenn die schwarze Serviererin sich als Medizinstudentin aus Lissabon herausstellte. Es wird da ganz schön gebechert. Der Lachs war gut, das Glas Wein aus Moldavien ebenfalls.
Morgen um 5 geht es Richtung Kasachische Grenze. Wir haben vier Tage Vorsprung auf die Marschtabelle. Mal sehen, ob wir sie brauchen.
Buona Notte!
Jürg