12.7.
Als ich eben – um 2359h – meinte, ich wollte nun noch schreiben, rief Elo: „oh Gott!“, und es ging mir wie de Gaulle, der, als Ihn seine Frau im Bade überraschte aufschrie „Mon Dieu“, meinte „vous pouvez m’adresser Monsieur“.Grenzübergangissimo
Sei es wie es soll, heute war der Tag der Grenzübergänge. Wir wissen nicht mehr genau, ob es drei oder vier waren. Aber der Reihe nach:Wir sind von Tulcea nach Galati gefahren, wo wir noch einmal mit der Fähre über die Donau setzten, die jetzt wirklich gross ist. Wir haben sie ja von Donaueschingen bis Budapest mit dem Velo begleitet, aus kleinen Anfängen in einer Steinfassung bis zur Elisabethenbrücke (Beth!), und jetzt bis ins Delta, durch vier Hauptstädte Europas und sechs Länder (ohne den Freistaat Bayern extra zu zählen). Es ist schon eindrücklich.
Zuerst sind wir aus Rumnänien ausgereist, dann in Moldavien eingereist, für einen Kilometer!, dann in die Ukraine, dann wieder raus nach Moldavien und noch einmal in die Ukraine. Die Grenzübergänge waren problemlos, wenn auch kompliziert. Zuerst die Ausreise aus Rumänien mit Passkontrolle und Zoll. Dann Moldavien Einreise: Die Grenzerin holte die Pässe ab, auch den Fahrzeugausweis, der sich als ungeheuer wichtiges Dokument herausstellen sollte, wollte die Chassisnummer sehen, und marschierte ab. Nach einiger Zeit merkte ich, das ich mich nach vorn an die Schalter begeben musste, und wirklich, der – sehr nette – Mann hinter der Scheibe schickte mich zu einem weiteren Schalter, wo ich eine Oekologieabgabe für 25 Lei zu lösen hatte. Ich hatte aber nur noch 19, und die Dame meinte, das mache nichts – und gab mir ausser der Quittung über 25 noch zwei Lei Retourgeld!
Dann ging es an den nächsten Schalter, wo ein Beamter äusserst interessiert unseren Fahrzeugausweis erneut auswendig zu lernen schien. Er drehte ihn um und um, und er erinnerte mich buchstäblich an das Kalb, das das neue Scheunentor anstaunt. Es dauerte und dauerte – und war plötzlich gut. Unerforschlich ist Gottes Ratschluss.
Als ich dann alles an einem dritten Schalter abgab, verabschiedete mich der nette Mann mit einem freundlichen „Tschüss!“. Aber das war mit Moldavien noch nicht alles getan. Als wir nach einem Kilometer Moldavien an die Ukrainische Grenze kamen, mussten wir erneut durch mehrere Schalter. Ausreisen, klar. Und dann an der ukrainischen Barriere zunächst nochmals an einen moldavischen Schalter – exterritorial? – wo wieder ein Billet ausgestellt, ein Stempel gemacht wurde. Dann war der ukrainische Uebergang eigentlich problemlos: Pass, Fahrzeugausweis und grüne Karte abgeben, warten, Dokumente zurück erhalten, zum Zoll, etwas warten, Auto zeigen und bestätigen, dass in den Kanistern auf dem Dach „no Petrol (Diesel) ist, und ein Papier mit Stempel mitnehmen, das wir dann nach 100 Metern bei der letzten Barriere abgeben konnten.
Ausserordentlich nützlich war die Uebersetzung des Fahrzeugausweises ins Russische, die uns Romans Schwiegertochter gemacht hat, versehen mit dem Prägestempel der Gemeinde Sirnach von Peter. Das hat soviel Eindruck gemacht, dass sie das Dokument am Ukrainischen Zoll behalten wollten. Aber nix da, ich habe es wieder!
Und wir waren zunächst einmal in der Ukraine! Es hatte nur eineinhalb Stunden gedauert, und wir hoffen, dass es überall nicht länger geht!
Damit war die Grenzerei aber noch nicht fertig. Wir fuhren heute bis Odessa, und wenn man einen Umweg über fragliche Strassen ersparen will, muss man nochmals kurz über moldavisches Gebiet. 3 km. Wir riskierten es, und es war problemlos. Beim Austritt aus der Ukraine erhielten wir ein Billet von der Grösse eines Bratwurstbons am Waldfest, mit einem Stempel (vorfabriziert) und unserer Autonummer TG 164 143 von Hand notiert. Dann fuhren wir durch Moldavien und am nächsten ukrainischen Grenzpfahl vorbei und dachten, das sei das gewesen. Denkste, nach zwei Kilometern die nächste Kontrolle. Der Grenzer, der nicht aufgepasst hatte, als er unseren Grenzbon entgegennahm, muss vom Akzent meines noch ungeübten „spasiva“ geweckt worden sei, hat dem Grenzer, der den Gegenverkehr kontrollierte, gefunkt, der hat in das Büssli geschaut, zurückgemeldet, dass da wirklich nur zwei Reisende unterwegs seien –, und endlich waren wir in der Ukraine.
Schlaglöcher und Picknick
Die Strassen in diesem Land sind etwas speziell. Unabhängig der Klassifizierung sind Schlaglöcher an der Ordnung. Nach der Grenze war es quasi kriminell. Vor lauter Ausweichen bist Du in andere reingesaust. Zweimal hat es grob gerumst, einmal so schwer, dass – ich war völlig von der Rolle –, der Scheibenwischer automatisch gelaufen ist: der Hebel ist nach unten gesaust. Einmal bin ich in ein Wasserloch gefahren: Ich habe es übersehen, als ich aus der grossen Eptingerflasche getrunken habe. Ich trinke bei Fahren viel, das ist gut für die Konzentration, die es beim Kurven um die Löcher mit 90 (sonst kommen wir ja nirgends hin) braucht. Auch überholen muss ich, denn die Leistungsfähigkeit der Autos ist völlig unterschiedlich. Entweder Top-Boliden oder lahme Enten. Pferdewagen hat es im Unterschied zu Rumänien keine.
Wir sind von Tulcea nach Ismaila rund 200 km quasi für die Katz gefahren, da – so denken wir – mit der Aufnahme Rumäniens in die EU und damit der Verschiebung der Aussengrenze, der grenzübertretende Fährverkehr eingestellt wurde.
Mittags haben wir neben der Donau in einer Nebenstrasse ein Picknick gemacht. Wir wollten den Tisch ausprobieren und den Kocher. Beides hat blenden funktioniert, und uns hat das Menue 1 mit Schüttelbrot, Trockenfrüchten, Früchtebrot von Ruth und Wasser&Kaffee blendend geschmeckt. Alles hat funktioniert.
Odessa
Heute Abend waren wir in Odessa in der Stadt. Sie gefällt uns sehr gut, viele Bäume, Boulevards, mediterranes Flair mit Strassencafés und flanierenden Leuten. Sie macht für die Ukraine, deren Dörfer oft sehr armselig erscheinen trotz der riesigen Felder rund darum, einen reichen Eindruck. Sie soll von der Mafia geprägt sein, und wirklich, es ist nicht zu übersehen, wie viel teure Boliden da rumsteuern. Auf den Strassen herrscht das Faustrecht, das Recht des Stärkeren, und ich muss aufpassen, wie ein Häftlimacher. Aber schön ist es trotzem, und auch in Palermo und Neapel hat es uns gefallen. Die Tramschienen, wie auch ausserorts generell die Bahnübergänge, sind nur im Schritttempo be- und überfahrbar.
Wir haben in einem auf ukrainisches Essen und ukrainischen Wein ausgerichteten Lokal gegessen: Geräucherte Makrele mit eingelegten Zwiebeln und Kartoffeln an Sauerrahmsauce, Fisch mit gegrilltem Gemüse, Gebratenes Rindfleisch mit Kogank und Knoblauch. Einmal mehr excellent. Da hatten wir doch gedacht, je weiter nach Osten, desto tiefer der kulinarische Standard. Aber nix da, nur gut. Ich fühle mich erinnert an “Asterix au pay Auvergne“ sich auf einer Seite durch ganz Frankreich frisst, bevor dann die Leber, zu deren Erholung er eigentlich die Reise macht, den Geist aufgibt.
Morgen geht’s auf die Krim!
13.7.
Gestern (ich schreibe am 14. im Büssli am schwarzen Meer!) fuhren wir von Odessa auf die Krim. Es wurden mehr Kilometer als gedacht, fast 500. Wir machen, wie gedacht, etwas mehr Distanz, als geplant. Bis zum 13. waren es 3841 km, die Planung war für mit der ganzen Krim, deren Rest ja noch mit rund 500 ansteht, 3576. Aber der Zeitplan stimmt hervorragend.Die Hauptstrasse war weitgehend misslich, kaputt, voller Löscher, Flicke, Dellen und Sprunghügeln. Dazu Seitenwind und Wirbel bei kreuzenden Lastern. Oft schwammen wir mehr, als wir fuhren, denn eine gewisse Geschwindigkeit (60 – 80) muss man haben, wenn man nicht das ganze Leben in diesem Land verbringen will. Ausserdem muss man, also auch ich, immer wieder überholen, da die Leistungsfähigkeit der Fahrzeuge ausserordentlich unterschiedlich ist. Pferdefuhrwerke, in Rumänien gängige Währung, gibt es hier nicht. Fahren unter diesen Bedingungen erfordert viel Konzentration.
Schön war, noch vor der Krim die Stadt Mikolaiv an der Bug-Mündung, mit einer grossen Fussgängerzone, die mit dem anliegenden Park abends sicher sehr belebt ist, und mit einem sehr schönen Café, mit einer Weinkarte von hier bis dorthin. Das WC war sensationell! Kherson am Dnjepr und die weiteren Städte haben – vorsichtig gesagt – weniger beeindruckt. Mittagessen gab’s in einem Café an der Strasse, gut, einfach, günstig.
Werkstatt und GPS
Das GPS von Janos ist wirklich eine Hilfe. Allerdings musste ich es austricksen, denn mit lateinischen Buchstaben findet es hier die Orte nicht. Daher schreibe ich jetzt bei der suche kyrillisch (russisch) und meistens hilft das, auch wenn Ukrainisch einige Buchstaben mehr hat.
Ans Meer
Besser wurde die Strasse erst, als wir nach Westen auf die Halbinsel nördlich von Sevastopol abbogen, da wir an’s Meer wollten. Dafür waren dann aber wir etwas durch den Wind, auch wenn ich nun 100 und etwas mehr fahren konnte. Das mit dem Meer war gar nicht so einfach, Campingplätze fanden wir nicht, und einer, den wir fragten nahm unser Schweizerkreuz offensichtlich zum Rotkreuzwert und meinte, „Clinca“ gebe es hier nicht. Nach über 100 km aber fanden wir dann einen sehr schönen Platz oberhalb einer Klippe, direkt am Meer. Den Campingplatz, den wir mit Hilfe des wirklich sehr praktischen Langenscheidt 500 Begriffe ohne Worte (gezeichnet) gewiesen bekommen hatten, suchten wir nicht mehr.
Hier haben wir dann gekocht, gegessen und sehr gut und lang geschlafen. Eingestimmt wurden wir von einem der schönsten Sonnenuntergänge, die wir je hatten. Kitschig ist der Vorname.
Beim Einrichten zum Schlafen half uns Gerds Lampe in mehrerer Hinsicht: Nicht nur als Lichtquelle, sondern sie zog auch den einzigen Moskito, der sich hineine verirrt hatte, an, und „quetsch!“ wurde er waidgerecht in die ewigen Jagdgründe befördert. Zum Glück, denn die Stiche, die wir draussen erhalten hatten, beissen tagelang.
14.7.
Heute morgen nahmen wir zuerst ein Bad im Meer, über eine halsbrecherische verrostete ging es in eine kleine Felsbucht. Das Wasser war kalt, aber erfrischend. Dann mit unserer Superdusche (die Eptingerflasche mit dem Verschluss mit den Löchern) geduscht, Tee gekocht und gefrühstückt
Und dann ging's ab in die Badeorte Mizhvodne, Chornomors’ke und Olenivka. MannoMann, sind das Veranstaltungen. Im Dorf ein Rummel mit Verkausfmärkten à la Luino vor 50 Jahren plus Gemüse und Obst minus Qualität, dann die Gäste an der Sommerfrische in Badehosen, Bikinis und weiss nicht was. An den Stränden Zelt an Wagen an Wagen, Wäschleinen und und und. Uns ging es wie Buschs Tobias Knopp: „Schnell verlässt er diesen Ort, und begibt sich weiter fort.
Badebucht auf Felsklippe
Durch die eintönige, leicht gewellte, oft brachliegende Landschaft ohne Bäume fuhren wir an einen naheliegenden Küstenabschnitt und wurden zwischen Marine und Okiunivka – vorläufig – fündig. Ueber einen kleinen Einschnitt sind wir auf eine Felsplatte gefahren, wo wir den Tag verbringen.
So, jetzt (14h) wird mal geschlafen, wir sehen dann, was heute noch folgt.
Yevpatroija
Inzwischen ist es Zehn vor Elf. Wir sind, da sich nichts für eine Büssliübernachtung angeboten hat, bis in die nächste grössere Stadt gefahren, nach Yevpatorija, einer alten Bäderstadt, die sich zu einem der grossen Badezentren der Ukraine gemausert hat. Wir konnten, trotz der Nummern im Reiseführer nicht telefonieren, da ich nicht – wie jetzt nach der Erklärung eines netten Einheimischen – wusste, dass vom Natel die Nummer zehnstellig sein muss und daher immer, wenn bei den generell 6stelligen Nummern wie hier die Vorwahl einstellig ist, eine 065 vorgewählt werden muss. Wir sehen dann morgen, ob das haut.Daher haben wir dann die alte Methode des Rumfahrens gewählt, und Elo hat einen schönen, grossen Swimmingpool gesehen, dann das dazugehörende Hotel Ukraine Palace, und ein Zimmer hatten sie auch, trotz Hochsaison.
Dann sind wir in die gegenüberliegende Parkpromenade eingetaucht, wir brauchten noch was zum Essen. Da war was los! Schiessbuden, Verkaufsstände, Beizen, Imbissstände, Rummelplatz mit Karussell und Achterbahn, Strassenhändler, Bettlerinnen, Weinstände mit 20 Fässli zum Rauslassen, Schaschlikbratereien. Dazwischen all die vielen Touristen mit Kind und Kegeln, ausgelassen, aber sehr manierlich, auch wenn der Geschmack der Anlegung nicht immer unseren Vorstellungen entsprach, und alles unter Bäumen bei herrlichen Temperaturen. Unten an der Meerespromenade hätten wir uns noch mit einem Kapitän, einem Seemann oder einem Offizier fotografieren lassen können.
Speisekarten
Mit dem Essen war es problematischer. Beizen gab es mehr als genug, aber die Speisekarten – sehr ausführlich – waren alle einsprachig, ukrainisch. Wir haben alle abgeklapper, und auf einen Schaschlik (Fleisspiess) hatten wir nicht schon wieder Lust, zumal dessen hohe Zeit in den vor uns liegenden Ländern noch kommen wird! Also haben wir es dann in einer Beiz gewagt, in der die obligate Musik nicht nur laut sondern einigermassen ansprechend war und die uns auch sonst gefiel.
Wir haben das Menue ausführlich studiert, denn lesen können wir unterdessen, auch wenn wir nicht wissen, was es heisst. Identifiziert haben wir Pizza, Pasta Bolognese, aber auf beides waren wir ebenso wenig scharf wie auf Schaschlik. Elo fand dann unter den „Salati“ den Salat Omega, der sich als Tomatensalat herausstellte und passte. Ich habe unter den von mir identifizierten Hauptspeisen ein Kotlett ausgemacht und gewählt. Das war dann zwar nicht vom Schwein oder Kalb sondern vom Wels, also Fisch einmal mehr. Hat aber auch gepasst, war gut. Und wir waren froh, um halb Zehn was zwischen die Zähne bekommen zu haben.
Ab morgen ist das kleine Russischwörterbuch nicht mehr nur im Auto sondern im Rucksack, den wir immer dabei haben.
15.7.
Zunächst das Wichtigste für alle Peter unter unseren Bloglesern. Elo hat ausgemacht, dass auf russisch „nie pit“ „nicht trinken“ heisst. Merkt’s Euch!
Das mit dem Wörterbuch war eine gute Idee, aber als wir heute in Sevastopol in der Beiz waren, hatten wir es wieder vergessen. Diesmal waren die Kotletts zwar aus Schweinefleisch, aber es waren Frikadellen, wie man in Frankfurt sagt, oder auf gut Deutsch: Hackfleischbällchen. Aber gut, nur haben wir viel mehr bestellt, als wir wollten. Statt des geplanten Abendessens mit einer Zwischenmahlzeit am Mittag wurde es ein Mittagessen, und mal sehen, was noch kommt.
Wir sind also im Kriegshafen Sevastopol eingetroffen, nach nur gut 100 km am Mittag schon. Die Stadt ist schön, auch wenn Elo immer alles sieht, was noch zu flicken ist – eine ganze Menge, zugegebenermassen! – und mir halt, so sind unsere Temperamenter, die schöne Athmosphäre einer grossen Stadt mit Flair in einer atemberaubenden Landschaft. Buchten, Hügel, Häfen.
Hart umkämpft
Sevastopol war schon immer als Zugang Russlands zum Schwarzen Meer umkämpft, zuletzt im II Weltkrieg. Die Deutschen belagerten die Stadt 8 Monate, dann die Russen zur Rückeroberung bis zum 12. Mai 44 weitere 36 Tage. Die Zahl der Kriegerdenkmäler – meist Scheusslichkeiten, wie Kriegerdenkmäler halt mal sind – ist dementsprechend gross: mehr als Kirchen würde ich sagen.
Heute hat Russland hier vertragsmässig noch bis 2017 einen Flottenstützpunkt, mit einer Option auf 5 Jahre Verlängerung. Sie haben auch Territorien in der Stadt, die auf der Karte nur grau eingefärbt sind. Einige haben wir gesehen, und durch die Löcher der sie umgebenden Blechwände sahen wir das Innere: Nichts als ein Schuttplatz, kein Abfall zwar, aber nur Kies und Mauerreste. Mitten in der Stadt!
In der Stadt fanden wir auf den Hügeln zwischen den Häfen Kirchen, Lenin und Sowjetscheusslichkeiten munter vereint. Irgendwie stehen sie zu ihrer Geschichte, was auch nicht ganz falsch ist. In den Kirchen wurde gesungen, sehr schön. In der einen probte ein Chor, in der anderen weihte ein Priester diverse Plastikflaschen mit Wasser und auch Esswaren. Das tat er eher geschäftsmässig, aber der Wechselgesang mit den sich immer wieder bekreuzigenden Besitzerinnen der Weiheobjekte war sehr eindrücklich.
Wäsche
Wir sind kräftig in der Stadt rumgelaufen, denn wir waren schon am Mittag hier und haben auf gut Glück ein gutes Hotel angesteuert und haben im „Sevastopol“ eines an sehr guter Lage gefunden. Im Markt wollten wir eigentlich ein T-Shirt für mich kaufen, denn Elo meint, diejenigen, die ich für das Fahren anziehe, sähen verboten dreckig aus. Für mich wären sie schon noch gegangen. Auf dem Markt dann fand aber Elo die Preise, die verlangt wurden, im Verhältnis zu den Preisen in den Restaurants usw. so unverschämt hoch, dass wir nicht kauften, zumal sie auch nicht handeln liessen, was mich dann wieder störte. So bleibt es
vorläufig beim Schmuddel-Jürg. Aber dann hat Elo die Shorts eingeweicht und gewaschen. Das war nötig, denn sie standen beinahe von selbst, vor Dreck!
Statt Abendessen (wir waren noch satt) begaben wir uns auf die Strandpromenade hinter dem Hotel. Das war schön. Die Stadt hat wirklich Charme, auch wenn er noch etwas heruntergekommen ist. Nicht an der Promenade, auf der wir einen weiteren Sonnenuntergang durch die Hafeneinfahrt hatte, auf der die Einwohner flanierten, auf der Rollerblader wahre Kunsttücke zwischen kleinen Plastikhütchen vollführten und auf der es uns einfach wohl war.
16.7
Die Anfahrt an die Südküste der Krim ist atemberaubend. Zuerst durch die Berge, und dann ist, Hunderte von Metern unter uns das Meer da, wie im Schutz der über 1500 Meter hohen Berge. Buchten, Ortschaften, Häfen, Kieferwälder, sich windende Strassen. Die Ortschaften, die vorläufig immer tief unter der guten Hauptstrasse liegen, sind leider in aller Regel bauversaut durch hässliche Blocks in allen eines Blocklebens zwischen angefangen, Bauruine, neu fertig gestellt, etwas schäbig und schon wieder zerfallen.
Hauch der Geschichte
Kurz vor Yalta besichtigten wir den Lidvadia Palast, den ursprünglich der polnische Magnat Potocki an sehr schöner Lage auf halber Höhe Mitte des 19. Jahrhunderts baute und der dann in den Besitz der Zarenfamilie geriet, die das ursprüngliche Haus in einen ihrem Rang entsprechend Palast mit 58 Gemächern unterschiedlicher Schönheit und Wohnlichkeit umgestalten liess.
Eindrücklicher als die an sich schon eindrückliche Lage und die Grösse der Anlage (es gibt an der Küste hier wesentlich grössere, so der des Grafen Woronzow mit 150 Zimmern), ist aber, dass der Palast der Tagungsort der Konferenz von Yalta vom Februar 1945 war. Hier haben Roosevlet, Stalin und Churchill Beschlüsse gefasst, die nicht nur die Geschichte Europas im 20. Jahrhundert massgeblich bestimmten sondern auch die Weltgeschichte bis heute.
Wir fühlten förmlich den Hauch der Geschichte in den Räumen, in denen zwar Deutschland geteilt und verkleinert, aber durch die bilaterale Ueberzeugungsarbeit Roosevlets Stalin davon überzeugt werden konnte, Deutschland nicht gänzlich zu zerschlagen und unter andere Länder (welche???) aufzuteilen. Hier wurde dann auch die Idee der Vereinten Nationen, ein Vorschlag Roosevelts, akzeptiert, und hier konnte Stalin überzeugt werden, 100 Tage nach der Kapitulation Deutschlands den Krieg gegen Japan aufzunehmen. „Die Atomomben von Hiroshima und Nagasaki, die dann Truman abwerfen liess, wären gar nicht mehr nötig gewesen“, meinte die Führerin trocken. Alles war mit Bildern – viele uns bekannt aus Geschichtsbüchern – untermalt, ebenso wie aus lange unter Verschluss gehaltenen Filmen. Der Tisch, an der das abschliessende Bankett und die anschliessende Unterzeichnung (oder war es umgekehrt?) stattfand, steht noch in einem eher kleinen, intimen Zimmer. So einig waren sich die Gegner Hitlers nie mehr.
Ausspannen
Wir sind nicht mehr ganz nach Yalta reingefahren. Das Tschechow-Museum wird für morgen aufgespart. Wir sind zu einem etwas abseits gelegenen Familienhotel mit Swimmingpool gefahren, wo wir nun grasse matinée machen: Baden, schreiben, lesen, ein Bier trinken. Im Polyanka Skazok, benannt nach einem Kindervergnügungs-Rummel „Märchenwiese“. Es ist zwar auch ein Camping, aber die Wirtin meinte, wir sollten doch für den Preis von 375 UAH oder 37 Franken lieber ein Zimmer mit Toilette etc. nehmen. Ueberzeugt!
Linguistik
Sie ist sowieso ein Original. Als sie zwei, drei und einige mehr Worte Deutsch sprach, fragte ich sie selbstverständlich: „Sprechen sie Deutsch?“. Das verneinte sie, ebenso wie sie „Englisch?“ und Français?“. Als ich dann auch noch „Italiano“ rausholte, meinte sie – für mich klar und verständlich –, ich würde ja auch nicht ukrainisch oder russisch reden, was hier die gängige Währung ist. Wir verstehen uns prächtig, und statt der von ihr offerierten Frühstückszeit von 9 Uhr (Ferienparadies!) habe ich 8 Uhr rausgeholt. Wir wollen ja noch wohin.
Heute gab es einmal Krim-Sekt. Der half uns dann, mit den Wörterbüchern der Speisekarte zuleibe zu rücken.
Am Abend wurden wir noch von einer sehr gut Deutsch sprechenden Russin angesprochen, die eigentlich a) Englischlehrerin und b) Kleinkindererzieherin ist. sie und ihr Mann stammen ursprünglich aus Bischkek in Kirgistan, sind aber nach Westen gezogen. die Vorfahren des Mannes stammten aus Astrachan am Schwarzen mehr, wo wir auch noch durchkommen, ihre Vorfahren irgendwie aus Sibirien. Das alte Russland und die Sowjetunion waren eine ganz schöne Völker-Mischtrommel, und dabei waren die Elemente, die da gemischt wurden, nicht immer freiwillig am Prozess beteiligt. Die Frau betreute eine Gruppe von Kindern auf dem Ausflug ans Schwarze Meer. Wir schenkten den Kindern Schokolade, wir erhielten selbst bemalte Andenkensteine aus dem von uns besuchten Palast und der von uns ausgelassenen Märchenwiese.
17.7.
Umwerfende Badeorte
Heute haben wir Yalta angesehen und sind den Rest der Südküste abgefahren. Yalta ist etwas Spezielles in der Arena der es umgebenden Felswände. Es hat viele Elmente mit Cachet, so das Tschechow-Haus, die Strandpromenade mit Park, gut gemachte Strandrestaurants, viele schöne alte Häuser, die leider meist auch noch den Charme der Dekadenz ausstrahlen, um es höflich zu bezeichnen. Yalta ist überflutet von Touristen, darunter viele Russen, zwar nicht unangenehm, aber halt viele.
Und dann der Strand! Das war ein Ding. Er ist klein, steinig – und so was von rappelvoll. Tuch an Tuch, Bauch an Bauch, Hintern an Hintern usw. usf. Die Leute stehen auch im Wasser noch dicht an dicht. Ferien in Yalta? Sicher nicht im Sommer. Und sonst? Es macht einfach nicht an.
Der Rest der Orte an der Südküste ist in den negativen Aspekten Yalta gleichzusetzen, aber es fehlt ihnen dann noch an den positiven. Eher schrecklich, sich einen Urlaub vorzustellen in Dörfern und Städten voller Autos, halbnackter Mamis, Papis und Gofen, Gemüseständen und Souveniershops, mit steinigen, schmalen Stränden, zwar nicht so voll mit Menschen, dafür dann mit Autos und Zelten. Vielleicht haben wir die richtigen Orte nicht gefunden, aber es hat uns auch nur mittelmässig angemacht, zu suchen.
Tschechows Haus besuchten wir, eine schöne kleine Villa. Die Büste davor muss von einem Skulpteur gemacht worden sein, der sonst auf Lenin spezialisiert war, denn die Aehnlichkeit ist frappant.
Umwerfende Landschaft
So sind wir durchgefahren nach Feodosia, am östlichen Ende der Bergkette, die die Künste auf der ganzen Länge nach Norden abschliesst – und durch was für eine Landschaft! Einfach umwerfend! Bis Alushta geht die Strasse meist einige hundert Meter über der Küste und ist sehr gut, dann wird sie eine (mindestens!) Klasse schlechter und geht in vielen Kurven rauf in die Berge, runter ans Meer, rauf in die Berge, runter ans Meer, rauf….. Es waren über 3000 Höhenmeter (s. Logbuch).
Das Büssli meistert die vielen Haarnadelkurven und Tremola spielend, und wir fahren langsam, damit der Fahrer auch was sieht. So schaukeln wir uns durch eine der schönsten Strecken, die ich je gefahren bin. Sie erinnert am den Cabot Trail in Nouva Scotia/Canada oder die Costa d’Amalfi südlich von Neapel.
Feodosia
Jetzt sind wir in Feodosia, das einen etwas besseren Eindruck macht (wir werden es uns richtig ansehen, wenn die Mittagshitze vorbei ist). Wir wohnen im Hotel Lydia. Heute abend haben wir noch einen ausführlichen Spaziergang gemacht. Zuerst durch die Hinterstrassen, die ruhig und mit vielen Bäumen auch angenehm sind, auch die Strassencafés in ihnen.
Dann sahen wir uns die Ruinen der genuesischen Festung an. Genua hat lange diese Region beherrscht, und es hat grosse Festungen – so auch im benachbarten Koktebel – gebaut. Feodosia war damals fast so gross wie heute (90'000 Einwohner). Die Stadt macht, im Rahmen des hier möglichen, einen guten Eindruck. Aber auch hier hat wohl die Weltwirtschaft in Krise zugeschlagen.
An der sehr belebten Promenade wollten wir etwas Essen, aber das war ein Flop: Es nützt gar nichts, wenn der freundliche Kellner Englisch spricht, aber die Bestellung aufzugeben vergisst! Wir haben dann darauf verzichtet, nochmals eine halbe Stunde auf den Schaschlik zu warten, denn es war halb neun, und sind mit einer geteilten Portion Pommes ins Hotel zurück. Gut für meine Linie, Elo hätte das nicht nötig. Der Strand von Feodosia ist ebenso tief, wie überall hier: wenige Meter.
Ich schliesse aber diesen Teil des Blogs einmal ab, da ich hier im Hotel „Free WiFi“ haben (spricht sich hier überall „Friiwifi“) und ich nicht weiss, wann ich wieder Zeit, Musse und Möglichkeit habe, denn in 115 km kommt am Ende der Halbinsel Kerch die Fähre über die Meerenge zum Asowschen Meer und dann Russland. Wir haben festgestellt, dass auf der Russlandkarte die Distanzen viel weniger Zentimeter brauchen, die Kilometer schnell grössere Zahlen erreichen. Wenn wir morgen über die Grenze kommen, sind wir dem Zeitplan vier Tage voraus, und Reserve zu haben, ist immer gut.
Badeferien auf der Krim haben wir nicht gemacht, da war zu viel von zu viel (Leute) und zu wenig von zu wenig (Strandfläche). Für russische Familien und vor allem für die Kinder ist es aber sicher ein Traum hier zu sein. Es läuft was, das Klima ist, vor allem an den Abenden, sehr schön (tagsüber heiss), und für die Kinder ist sehr viel los. Wir gönnen es ihnen von Herzen.
17.7.
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