Sonntag, 27. November 2011

3-2 Von West nach Ost

(((Politische Korrektheit in Unehren
Zunächst eine Korrektur: Elo hat mich darauf aufmerksam gemacht, dass ich die politisch unkorrekte Benennung des Grass Trees (Grasbaum) falsch habe: Black Man statt richtig Black Boy. Black Man ist also doppelt falsch, Black Boy nur einfach, nur politisch unkorrekt. Um das zu berichtigen, habe ich hier die unkorrekte Bezeichnung nochmals verwenden müssen. Ich will es aber ganz gewiss nicht wieder tun, wie Buschs (Wilhelm!) Fromme Helene sagen würde.

Beim Vorbeiziehen der Landschaft im Zug kommen einem so Gedanken. So hierzu: Ich werde mich ganz allgemein bessern. Ich werde nicht mehr im Restaurant Mohren einkehren. Ich werde keine Mohrenköpfe (Negerküsse, wie sie in Deutschland heissen) mehr essen. Schrecklich wäre das Verspeisen unter Verwendung des politisch korrekten Namens: „Afrikanerköpfe“. Kannibalismus?

Und weiter: Wir mögen ja in einer Ecke unserer schwarzen Herzen die Afrikaner immer noch leicht oder stärker verachten; wir mögen das Sonntagsschulbild  vom Negerli auf dem Kässeli im Kopf haben, das dankend nickt, wenn wir ein Zwanzgerli für die Mission einwerfen; wir mögen die Schätze ihrer Länder ausplündern und durch ungleiche Handelbeziehungen ihre Wirtschaften darnieder halten; wir mögen ihnen Waffen verkaufen auf dass sie sich umbringen. Aber, liberal, gebildet und gesittet, wie wir nun mal sind, wollen wir sie wenigsten politisch korrekt benennen. Das wird sie freuen.

Spass beiseite: Auch mir gehen Menschen verachtende Begriffe wider den Strich. Aber es hat alles seine Grenzen, auch der sprachliche Unsinn.)))

Elos Geburi


Zur Feier von Elos offiziellem Eintritt ins AHV-Alter sind wir mit Marianne fein essen gegangen. Das Restaurant Mathilda’s Bay ist ausgezeichnet, und den zweistündigen Rückweg zu Fuss konnten wir gut gebrauchen. Es war aber heiss, und vor allem die Sonne, die brennt hier in einer Art und Weise, die wir nicht gewohnt sind. Das Ozon-Loch ist spürbar. Elo hat per Telefon und Mail viele Glückwünsche erhalten, die uns gut tun.



Indian Pacific


Heute haben wir den Indian Pacific-Zug bestiegen, der Perth über die Null-Arbor-Ebene (Null Arbor Plain, Ebene ohne Bäume) mit Sidney verbindet, über 4000 Kilometer. Indian Pacific heisst er, weil er diese beiden Ozeane, den Indischen und den Pazifischen miteinander verbindet. Wir werden ihn nach etwa Zwei Dritteln verlassen, in Adelaide, da wir dort einen Zwischenhalt einlegen und in den Süden, nach Melbourne, abbiegen wollen.


Der Zug fährt fast direkt West-Ost. Er hat die längste gerade Strecke aller Züge der Welt: 478 Kilometer ohne Rank! Wir sind gut 40 Stunden im Zug, dann fährt er noch 27 Stunden weiter. Unser Zug nach Melbourne, den wir drei Tage später nehmen, hat dann 14 Stunden. Aber das ist dann kein Schlafwagen mehr.

Gemächliche Fahrt



Die Strecke ist einspurig, nicht elektrifiziert. Es ist ein Rüttelzug, Geleise und Fahrwerk sind nicht das, was wir uns gewohnt sind. Es schaukelt und wird uns in den Schlaf wiegen. Immer mal wieder steht er still, um Vorsprünge auf den Fahrplan auszugleichen oder entgegenkommende lange Güterzüge abzuwarten; und selten fährt er mehr als 60, 70 Kilometer. Bis jetzt, wo es noch leichte Kurven hat. Die Kabine, die wir genommen haben, ist einfach, klein, aber praktisch: Zwei Sessel, die dann in zwei Kajütenbetten umgewandelt werden, ein Lavabo, Dusche und WC auf dem Gang.

Die Kabinen sind auf beiden Seiten des Gangs, seitlich versetzt, und jeweils beim Lavabo breiter als auf der Seite des schmalen Längsschranks. Dadurch erhält der Gang eine Schlangenlinie, weil er immer der dicken Stelle der Kabine ausweichen muss und dafür die dünne Stelle der gegenüberliegenden benutzt.







Das hat zur Folge, dass wir nur eine Seite der Strecke sehen. Daher sind wir tagsüber im benachbarten Salonwagen, wo es bequeme Tische hat. Der Zug ist fast leer, wir haben Platz.





Durch die Berge ins Weizenland

Nördlich von Perth durchschneidet die Linie die Darling Range, den landeinwärts gelegenen nord-südlich verlaufenden Höhenzug. Dazu benutzt der das Flusstal des Swan Rivers, der an seinem Oberlauf Avon heisst. Ob er sich daran gewöhnt hat, dass er mittendrin umgetauft wird? Hinter dem  felsigen Einschnitt kommen wir zuerst in gewelltes Bauernland mit Heuwirtschaft und Ackerbau. Wo die Bahn bei Hügeln den Boden aufschneidet zeigt sich eine sehr dünne Ackerkrume magerster Art und dann sofort Sandststein, Kalkstein, Gneis, gipsartig weisser Stein.

Dann fahren wir in den Central Wheat Belt, den Zentralen Weizengürtel. Und hier sind die Felder noch grösser als die, die wir im Norden gesehen haben. Schier unendlich, ohne Zaun und Abschnitt ausser gegen die Bahnlinie.





Abgesehen von Merredin, dem Hauptverladeort mit den grössten Inlandsilos des Westens, bestehen die Ortschaften im wesentlichen aus Verladesilos, die wir jeweils schon viele Kilometer weit über die Felder und Bäume weiss emporragen sehen. Dann vielleicht noch eine Bahnüberführung und meist gar nichts weiter, es sei denn einige Läden. Wohnhäuser fast gar nicht.



Tiere gibt es wenig. In den abgeernteten Feldern weiden (auch grosse) Schafherden. Einen Dingo, den australischen Wildhund, sehe ich. Er sieht aus wie ein aufgestengelter Fuchs, ähnlicher Kopf, etwas dünnerer Schwanz und vor allem viel zu lange Beine. Aber das muss wohl bei diesem Tier so sein. Vögel hat es mehr, Papageien, Bussarde, Krähen und Elstern.



Am östlichen Ende des Weizens liegen grosse  versalzte Flüsse und Seen („Salzpfannen“, Salt Pans), die nur selten Wasser erhalten. Auf ihnen wird gesegelt! Land Yachting nennen sie das, und es soll bis 160 Kilometer schnell gehen.




 
Wir haben einen wunderbaren Sonnenuntergang durch einen Akazienwald. Die filigranen Bäume, die oft an Broccoli erinnern, strecken ihre feinen Aeste in den Abendhimmel, beschirmt von ihren Blätterdächern. Ueber ihnen kommen langsam die ersten Sterne hervor.




Unvergessliche Führung zum vergessen
Klagoorlie ist das das grösste Goldfeld sicher von Westaustralien, vermutlich von Australien und vielleicht der Welt. Jährlich wird Gold von mehreren hundert Millionen Franken gefördert, untertags, aber vor allem im Tagebau. Hier befindet sich die grösste offene Goldmine der Welt, über 3 Kilometer lang und gegen 500 Meter tief. Der Goldrausch begann in den 90er-Jahren des 19. Jahrhunderts, hielt an, flaute ab, hielt an, flaute ab, hält an. Der Weltgoldpreis steuert das, und der ist zur Zeit hoch genug.

Wir kommen nachts an und buchen eine Gruppenführung in die Stadt und zur Super Pit Gold Mine.  Sie ist eindrücklich. Es ist ein Riesenloch mit einer Bergstrasse entlang der Flanken. Unten werden die grossen Laster von noch viel grösseren Baggern beladen bevor sie dann jedes Mal  eine eigentliche Passfahrt zur Ausladestation hoch und dann wieder ins Goldloch runter machen. Wenn der Goldgehalt über 2,5 Gramm pro Tonne Aushub liegt, lohnt sich der Abbau. Die Abraumhalden sind gegen 50 Meter hohe lange Hügelzüge.

Diese Aussicht aber müssen wir uns sauer verdienen. Sehr sauer. Kalgoorlie ist eine Stadt mit 30'000 Einwohnern, vielen Geschäften und Beizen und viel gut erhaltener alter Bausubstanz von über hundert Jahren. Aber nach 10 Uhr ist die Stadt tot. Des ungeachtet fuhr der Cicerone (Fahrer, Fremdenführer, schrecklicher Alleinunterhalter) im Schritttempo durch die dunklen Strassen und erläuterte jedes mehr oder meist weniger sichtbare Gebäude. Das tat er in monotonem Singsang mit bandwurmartigen Anekdoten, für die ihn Mark Twain summarisch und exemplarisch erschlagen hätte, im sicheren Bewusstsein, vor Gericht freigesprochen zu werden als Wohltäter an der internationalen Touristengemeinde.

Ein Rhinozeros höhere Ordnung – der Führer. Aber das waren auch schon andere – Führer.
Den Höhepunkt setzte der Kerl, als er uns, die wir alle nur noch sehnlichst den Zug erwarteten, in Sichtweite des Bahnhofs links abbog – ins Rotlichtviertel mit vier mickrigen Bordellen in Fertigbaracken, deren Innenausstattung  er en Détail schilderte. Im Schritttempo. Jetzt wissen auch wir, dass es Ende Jahr nur noch zwei Puffs geben wird, da zwei schliessen, mangels Kund- und damit Barschaft. Die heutige Führung wird das auch nicht ändern können.

Summa summarum: Eine Führung zum vergessen. Ergo: unvergesslich.

Nullarbor

Heute fahren wir nun durch die Nullarbor Ebene. Flach. Ganz ohne Bäume ist sie nicht, aber je weiter wir hineinkommen, desto  weniger werden es. Jetzt wo ich im Salonwagen sitze und schreibe gibt es keine, gar keine zu sehen. Doch, jetzt sieben um ein Wasserloch. Sie fallen sehr auf. Jetzt wieder nichts, links, rechts, vorne, hinten. Nichts.

Hier wurde mal Vieh eingeladen...


Und hierher haben sie im Weltkrieg 150 internierte Italiener deportiert und in ein Lager gesteckt. Sie mussten die Bahn unterhalten, die Australier waren ja in Europa und haben gegen Mussolini & Cie. gekämpft. Den Internierten hat das sicher eingeleuchtet.


Rawlinna, die grösste Strassenkreuzung im westlichen Teil, hat an der Haltestelle noch ein Post Office, bei dem gerade der Briefkasten geleert wird, als wir kommen. Dann noch eine Verladestelle für in der Nähe abgebaute Erze. Und ein Haus. Hier spielt ein Krimi von Arthur W. Upfields Inspector Napoleon Bonaparte, den ich sehr schätze.

Eindrücklich

Frühmorgens es verschiedene Vögel: Papageien, Schwalben Raubvögel. Gegen Mittag werden sie weniger. Und drei Kängurus wippen weg.

Wir passieren einen Güterzug mit Containern. Die sind zweistöckig aufgeschichtet. . Brücken, die zu unterqueren sind, gibt es zwischen Kalgoorlie und Port Arthur in Südaustralien keine, wird mir bewusst. Es ist mir gar nicht aufgefallen. An den Kreuzungspunkten stehen meist einige Bäume. Hier dürften die Vermesser vor rund hundert Jahren Wasser gefunden haben, das von den Aboriginies oft schon seit Urgedenken genutzt wurde.

Weiterhin nur gelbes Gras, grüne kniehohe Büsche, vor allem Saltbush, auf steinigem Grund. Auf einer alten niedrigen, nicht mehr benutzten Telefonstange mit herunterhängenden Drähten Vogelnester zwischen den Isolatorenglöggli. In kleinen Senken ausgetrocknete Wassertümpel; hier ein kleiner Baum, es wird Grundwasser haben. Eine Strassenkreuzung im Nowhereland, woher und wohin? Ein Unterhaltsfahrzeug der Bahn weitab von allem; wo sie wohnen? Dann wieder lange Gras, Büsche, Steine, sonst nichts. Topfeben. Plötzlich ein Anlage mit Solarzellen. Wofür?

Jetzt gehen auch die Büsche aus. Wir sind am Südrand der Grossen Victoria Wüste (Great Victoria Desert). Falken steigen aus der flimmernden Ebene auf. Aufgescheucht vom Zug oder auf der Jagd? Nach was?

Als ich Elo weismachen will, dass ich, während sie auf dem WC war, einen Emu, drei Kängurus und einen Berner Sennenhund gesehen hätte, nahm sie mir Känguru und Sennenhund ab, nicht aber den Emu. Den hält sie für ein Fabeltier, erfunden vom Fremdenverkehrsamt. Mal sehen.

Die Grenze zwischen Western und South Australia bezeichnen zwei Tafeln, die in jeder Richtung die Reisenden begrüssen.




 
So geht es Stunde um Stunde. Eindrücklich.

Ich genehmige mir einen Gin Tonic!

One of the most isolated places in the world


Der Zug hält in Cook, mitten in der Wüste. Er wird als „einer der isoliertesten Orte der Welt“ bezeichnet, und das dürfe stimmen. Hier können wir aussteigen. Es wird Wasser nachgefüllt (woher kommt es?), es werden die Lokführer ausgewechselt (woher kommen sie?).




 

Es gibt Wohnhäuser, standardisiert, mit Wassertanks. Es gibt eine Post und einen Souvenirladen am Bahnhof. Es gibt Anlagen für die Bahn. Und es gibt Sandstrassen, Wüste und nochmals Wüste. Hier zu leben muss der puren Notwendigkeit entspringen oder muss dir gegeben sein. Wahrscheinlich beides. Was machst du, wenn der Zug vorbei ist? Auf den nächsten warten. Das Lied von Mani Matter über d’Bahnhöf fällt mir ein, „wo de Zug gäng scho abgfahre isch oder nodig isch cho“.








Der nächtliche Sternenhimmel muss einmalig sein. Aber in wen sich hier verlieben?


Hier kann ich auch den Zug mal schön fotografieren. Ich kaufe das erste Souvenir der Reise: zwei australische Dosenkalthalter aus Schaumgummi, auf dem die Null Arbor-Ebene mit ihren Symbolen drauf ist. Leider kein Zug. Ich habe es benutzt, ohne Elo im Shop zu sein. Ihre Begeisterung hält sich in Grenzen.



Zuerst geht es ein paar Stunden weiter wie bisher. Ein Baum ist fast eine Sensation. Dann wechselt es fast schlagartig in eine gewellte Landschaft mit vielen Bäumen. Der Boden ist dunkles Rostrot, viel Eisen muss da drin sein. Wolken ziehen auf, es gibt eine schöne Dämmerung, ein schönes Abendrot.




Morgen früh um halb acht sind wir in Adelaide.

Dreizimmer-Wohnung
In Adelaideregnet es. Das erste Mal seit Malayisia. Es ist frisch, wir brauchen die wärmeren Kleider. Im Hotel wohnen wir in einer Dreizimmerwohnung, voll ausgerüstet: Ein Entrée, zwei Schlafzimmer mit Doppelbetten und Wandschränken, ein Bad mit Toilette, ein Wohnzimmer mit Polstergruppe, Esstisch, Schreibtisch Flachbildschirm und Stereoanlage, eine Küche mit 4-Platten-Herd, Dampfabzug, Toaster, Mikrowelle, Kühlschrank, kleiner Gefriertruhe, Geschirr und Pfannen, eine Waschmaschine mit Trockner, ein Bügelbrett, zwei Balkone, davon einer mit Tisch und Stühlen. Das Ding ist über 60 m2 gross. Elo meint, das sei so viel wie unsere Studentenwohnung in Münster, in der wir über Jahre gelebt haben.

Wir hatten ein etwas kleineres Zimmer gebucht und bezahlt, aber als wir um acht Uhr früh das Hotel bezogen, gab uns die nette Dame einen sogenannten „complementary upgrade“, eine kostenlosen Klassenwechsel sozusagen. Es ist Wochenende, und da wird wenig los sein. Aber immerhin!

Das mit der Waschmaschine hat ihre Tücken. Sie hat nicht getrocknet, und, vor allem, sie hat bei 40° Einstellung gekocht! Und wie. Was weiss war, ist graublau und gefleckt: T-Shirts, Unterhosen, Unterhemden. Wir haben neue gekauft. Und reklamiert. Mal sehen, was wird, heute ist Sonntag, und morgen gehen wir um halb sieben in der Früh weg. Aber sie haben versprochen, anzurufen.

In der Nacht auf Sonntag war im Appartement über uns der Teufel los. Schreien, rumrennen, stampfen, an das metallene Gitter des Balkons schlagen – so das etwa, was die Dam- und Herrschaften unter einer Party verstanden. Bis fünf Uhr früh. Um halb eins habe ich beim Empfang gebeten, sie sollten doch die dröhnende Disco-Musik abstellen lassen. Das hat etwas gewirkt. Die müssen stockblau gewesen sein.

Am Meer und doch nicht

Aehnlich wie Perth liegt Adelaide mit gut einer Million Einwohnern am Meer und doch nicht. Es wurde rund 5 Kilometer Luftlinie landeinwärts der grossen St. Vicent Bucht (Gulf St.Vincent) an einem kleinen Fluss, dem Torrens, gegründet. Der Hafen Port Adelaide liegt rund 10 Kilometer nord-nordwestlich an einer kleinen Bucht, die vermutlich früher zum verzweigten Mündungsgebiet des Torrens gehörte, das heutzutage aber drainiert, trockengelegt und überbaut ist. Der Torrens mündet nach kurvenreichem Verlauf direkt westlich der Stadt. In dieser hat er einen See, der zum Grüngürtel gehört. Dieser Park umrundet die beiden Teile der ursprünglichen Stadt, die beide von einem Geometer rechtwinklig angelegt wurden. Adelaide und Adelaide North schwimmen wie zwei grosse Inseln in einem grünen See.

Elstern









 
Adelaide macht mir einen etwas urbaneren Eindruck als Perth. Nichts gegen dieses, es ist schön. Aber hier ist etwas mehr los, mehr Bars und Restaurants, nicht unbedingt mehr Einkaufsmöglichkeiten. Perth ist ein grösseres Völkergemisch, Adelaide ist stärker englisch geprägt. Es gibt, gemischt mit neuen Häusern, viele über 100 Jahre alte Bauten.



Das Museum of South Australia hat eine enorme Sammlung an Materialien über die Aborigines. Und es sind grosse Meteoriten ausgestellt. Schon eindrücklich, grosse Brocken aus Sternenstaub anfassen zu können, die durch das Weltall gesegelt sind und dann mit einem Riesenknall immense Löcher in die Erdoberfläche gemacht haben.

Weihnachten im Sommer

Ueberall Weihnachtsdekorationen. Dieses Wochenende erster Advent. Das mutet schon etwas komisch an. Die Nikolause müssen sehr schwitzen, die Marktschreierinnen, die in kurzärmligen Chlauskostümen auf der Strasse per Mikrophon die Kunden in ihre Geschäfte locken wollen, ebenso.




Der Samichlaus auf dem grossen Töff trägt Turnschuhe.

Und auch das unvermeidliche Renntier Felix ist auch präsent, dessen ebenso  unvermeidlicher Song schon den ewigen Umgang hat.



Die Restaurants sind mit Lichterketten und Lametta in allen Farben geschmückt. An den Strassenlaternen hängen Weihnachtsdekorationen, die den hässlichsten bei uns in Europa in nichts nachstehen. Ueberdimensionierte Samichläuse grüssen von den Hausfassaden. Und die Wettervorhersage kündet 30 Grad an. Das ist ungewohnt. Aber Christus ist ja, wie Marianne bemerkt, auch nicht in einem kalten Land geboren worden, er wäre sonst erfroren im Stall. Und so freut es uns, dass sie es freut. Merry Christmas.





Velo und Weinmuseum

Heute sind wir auch hier mit dem Velo dem unterwegs gewesen, entlang des Torrens. Wunderschön. Die Velos kann man kostenlos an verschiedenen Stellen gegen hinterlegen des Passes oder des Fahrausweises den ganzen Tag benutzen. Es sind etwas schwere Göppel mit drei Uebersetzungen. Der Weg geht entlang des Flusses, immer mal hoch und runter, wenn die Strassen oder die Buslinie zu überqueren sind.


Die Busse (sie heissen „O-Bus“, wie in  Deutschland) fahren im Flusstal auf eigenen Trassees, wie eine Eisenbahn. Die Fahrspur ist vorgegeben, es hat Schwellen wie bei der Bahn. Sie fahren somit kreuzungsfrei mit rund 100 KmH.






In den Parks wird heute Samstag viel geheiratet, mit Rolls Royces und Picknicks. Seit wir unterwegs sind, wird immer und überall geheiratet, in allen Ländern. Immer in weiss, immer mit Fotografen. Aber das Picknick ist neu. Diese finden auch im schönen botanischen Garten statt, durch den wir die Velos schieben müssen.


Den Abschluss der Velotour bildet der Besuch im Weinmuseum, in dem wir uns über die vielen Anbaugebiete Australiens informieren, die praktisch alle im Süden des Kontinents liegen, und eine kleine Degustation machen.



Kulinarisches

Es war (ist) gut.....

Dann sind wir noch ganz schön in der Stadt rumgelaufen und auf der Suche nach einem Restaurant auf ein argentinisches Steakhouse gestossen. Die „Buenos Aires Brasserie“ rühmt sich, das beste Steakhouse Australiens zu sein, der Schöpfer der authentischen argentinischen Küche in Australien (The Creator of Authentic Argentinen Cuisine in Australia). Solch unbescheidener Selbstruhm mutet uns fremd an, ist aber hier durchaus gängige Währung. Und das T-Bone Steak war auch ausgezeichnet.

Einmalig gut aber war die Vorspeise: saure Lammnieren! „Vaut bien un détour“ stünde da im Guide Michelin. Und die südaustralische Sépage Shiraz Merlot dazu war auch nicht von schlechten Eltern.

Elo meinte, das sei schon ein Ausdruck von Globalisierung: Ein helvetisch-germanisches Paar in einer argentinischen Beiz im Süden Australiens. Wir waren nicht sicher ob für uns Schweizer-Deutsches oder Deutsch-Schweizer Paar richtig ist, daher haben wir uns auf die obige Charakterisierung geeinigt.

Wenn wir schon beim Kulinarischen sind: Auf dem Pissoir der Bar, in dem wir den Apéro genehmigten (Pinot Gris für Elo, Riesling für mich), habe ich vor mir eine Saft-Reklame gesehen, eine Werbung für Cidre, Apfelwein, vom Zapfhahn: ein schönes Glas Saft – mit Eiswürfeln. Ich muss das dann mal probieren, aber ohne das Eis, versteht sich.

Glenelg

Heute sind wir mit dem Tram aus der Stadt bis ans Meer, nach Glenelg, gefahren. Das ist ein schöner Ort, mit Pier (Jetty auf australisch), Strand, (Ferien)wohnungen über der Strandpromenade und vielen guten Restaurants.
Es ist ein schöner Frühsommertag, wir sitzen im Fenster einer gepflegten Bar und strecken, nach einem ausgedehnten Spaziergang, die Beine. Dann gibt es Salat auf einer Terrasse, mit Lammfilet für Elo, mit gebratenem Tintenfisch für mich. Ein gemütlicher Tag.






Auf dem Spaziergang kommen wir mit zwei Ureinwohnern ins Gespräch. Der mit der Gitarre singt ein Lied im Folk-Stil extra für uns. Er singt sehr schön. Am öffentlichen Grill erklärt uns ein Mann, warum er Backofebn-Papier drauf legt: Hygiene. Es brate genau so gut, meint er.




Melbourne und das Wohnmobil warten

Am Montag fahren wir mit dem Overlander nach Melbourne zu Cousin Peter. Dort wollen wir uns das Wohnmobil organisieren, das uns rund um den Kontinent fahren soll. Wir freuen uns darauf. Es soll uns so etwas wie eine mobile feste Bleibe sein. Nicht dass wir vom Reisen genug hätten, im Gegenteil. Wir fühlen uns wohl und frei. Aber Hotels, auch mit Suiten von über 60 m2, sind halt immer nur vorläufig. Mal sehen, was da zu machen ist.

27.11.2011 / JB.

Montag, 21. November 2011

3-1 Perth und Western Australia 1

Wir sind also am ersten Ziel unserer Reise angekommen. Australien. Und der Kontinent überfordert mich. Nicht nur, dass der Indische Ozean in meinem Kopf auf der falschen Seite liegt (rechts, statt links, wenn du die Sonne am Mittag ansiehst – sie steht im Norden statt im Süden). Nein, es ist die schiere Grösse, die die Vorstellung schwierig macht, wie das alles „abzureisen“ sei. Aber wir haben Zeit, und wir lassen uns Zeit.
Statt, wie ursprünglich geplant, in Melbourne bei Cousin Peter, sind wir in Perth, am anderen Ende des Landes bei Marianne gelandet, einer Freundin, die wir vor der Ankunft nicht kannten. Peter muss warten; er wird’s überstehen.

Der Reihe nach:

Einreise
Die Einreisevorschriften sind in Australien sehr scharf. Der Kontinent will sich von Krankheiten für Mensch, Tier und Pflanzen schützen, verständlich. Deshalb ist der Import von Lebensmitteln in irgendeiner Art ebenso verboten, wie der von Flüssigkeiten. Im Flugzeug wurde uns ein ausführlicher Film gezeigt, der uns nachdrücklich auf die Folgen aufmerksam machte, die eine Falschdeklaration haben könnte. Das hat mich an den Rest usbekischer Rosinen in meinem Rucksack erinnert. Zur Sicherheit habe ich sie verspiesen – in dieser Form ist der Import erlaubt. Sie waren immer noch hervorragend.

Wir hatten einen guten Flug und haben uns bei der Ankunft im Duty Free Shop mit Alkoholika eingedeckt (Whisky), das geht hier. Vor der Passkontrolle gab es eine lange Schlange, dann aber ging es subito. Und die Dame, die wir fragten, wie wir unsere über das Internet gebuchte Visum von 3 Monaten verlängern könnten, druckte uns alle Immigrationsbüros des Kontinents aus und meinte, das sei dann kein Problem. Schon wieder eine Sorge weniger, denn wir hatten uns ausgemalt, dass dies schwierig sein könnte. Also erneut: keine Sorgen auf Vorrat, lasst das auf dich zukommen.

So auch mit dem Gepäck. Da wird alles genauestens durch die Durchleuchtungsmaschine geschickt, die Koffer und Taschen werden geöffnet und durchsucht. Nicht so bei Baumbergers – als wir uns bei der Riesenschlange anstellen wollten, kam ein freundlicher Herr des Zolls, auf den wir offensichtlich den blendenden Eindruck machten, der uns auszeichnet. Er winkte uns durch einen kleinen Durchgang zum Drogenhund, der uns und unser Gepäck freundlich beschnüffelte. Und das war’s dann auch schon. Und ich hatte mir allerlei Gedanken gemacht, was ich sagen sollte, wenn gefragt, warum die Blutdruckmittel nicht deklariert seien (Import von Medikamenten), was das mit dem Finnendolch sei (Waffen), den ich als finnisches Küchenmesser deklarieren wollte…..

Marianne
Vom Flughafen ging es mit dem Taxi an die Wellingtonstrasse in West Perth, im Zentrum der Stadt, wo uns Marianne schon auf der Strasse erwartete. Sie hatte den Taxi auf der Strasse drehen gesehen. Marianne? Ach so:

In Hong Kong hatten wir durch Hans Ueli, wie im Hong Konger Blog beschrieben, Erich aus Amriswil kennen gelernt, der uns zusammen mit seiner Frau Katherine sehr freundliche und freundschaftlich empfangen hatte. Er meinte, wenn wir nach Perth kämen, wäre da noch eine weitere Amriswilerin, die zwar ursprünglich aus St.Gallen käme, die er vor zwei, drei Jahren kennen gelernt habe. Die sollten wir dann besuchen. Er gab uns die Mailadresse. Wir dachten: Warum eigentlich den Kontinent nicht im Westen betreten? Das liegt doch etwas näher. Gesagt, getan. Mit der Malaysian Air, die wir auch für die Badeferien in Kuantan buchten, konnten wir bequem nach Perth fliegen.

Marianne schrieben wir dann an, ob sie uns ein Hotel in Perth buchen könne. Sie antwortete, wenn uns das recht sei, könnten wir auch bei ihr wohnen. Uns war das recht. Und wir hatten Recht, und wie!

Mit offenen Armen
Marianne ist eine Dame mit riesengrosser Reiseerfahrung auf der ganzen Welt und insbesondere auch in Australien, die uns sehr nützlich ist. Sie ist mit ihrem verstorbenen Mann vor 16 Jahren nach Australien ausgewandert, besucht aber ihre Kinder und Enkel in der Schweiz regelmässig. Sie hat uns buchstäblich mit offenen Armen aufgenommen, und wir fühlen uns sehr wohl hier. Erneut haben wir ein Glück gehabt, das wir – zumindest ich – gar nicht so recht verdienen. Es wird an Elo liegen.

Im Gespräch sind wir dann auf den Thurgau und unsere Freunde gekommen, und ihr Neffe Alex, den wir seit vielen Jahren kennen, hat nicht schlecht gestaunt, als auf seinem Bildschirm unter Mariannes Skype-Nummer Elo und Moritz auftauchten. Klein ist die Welt.


Hier wohnen wir

 

Perth
Zunächst hat uns Marianne die Stadt gezeigt. Perth ist sehr schön. Der weitaus grösste Teil der Bevölkerung von West-Australien (fast die Hälfte des Kontinent) lebt hier: 1,7 von 2,5 Millionen. Der Rest des Staates ist dann sehr dünn besiedelt. Perth erstreckt sich mit seinen Vororten etwa 30 Kilometer süd-nördlich entlang des Indischen Ozeans, der nicht sehr warm ist, aber für ein mildes Klima sorgt. Zwei Sommermonate sind heiss.






Das Zentrum liegt am Swan River etwa 10 Kilometer Luftlinie ab vom Meer. Perth hat eine angenehme Innenstadt. Der Verkehr ist ruhig, auch wenn die Zubringer-Autobahnen morgens und abends verstopft sind. Im Zentrum sind die Busse gratis, einige Vororte sind mit S-Bahnen erschlossen. Die City hat einige Wolkenkratzer, in den angrenzenden Strassen werden Wohnblocks mit teuren Wohnungen gebaut. Der Rest sind Einfamilienhäuser wohin das Auge reicht. Land ist offensichtlich genug da, die langen Anfahrten zur City schrecken anscheinend nicht.


Die Stadt hat viele Parks. Einer ist der Kings-Park, der per Gesetz geschützt ist und in dem auf vielen Hektaren nicht nur eine grosse Vielfalt von Pflanzen und Bäumen wachsen sondern auch wilde Tiere leben. Immer wieder gibt es, wie auch am Meeresstrand Plätze, an denen Picknicks gemacht werden können, und im Picknick sind die Australier kaum zu überbieten. An vielen Orten sind feste Grills eingerichtet, auf denen mit Gas Metallplatten erhitzt werden zum grillen. Das ist gratis.







Velo auch hier
Am zweiten Tag machten wir eine Velotour am Südufer des gewundenen Swan-Rivers nach Fremantle, dem Seehafen Perth’. Es wurden etwa 40 Kilometer gegen den Wind auf mittelmässig bequemen Velos. Aber es war schön. Da standen Häuser in einer Vielfalt, die wir uns kaum vorstellen konnten. Grosse, kleine, schöne, hässliche; kleine waren schön, grosse hässlich – und umgekehrt. Es gibt darunter aber auch wirklich gute Architektur.


Dazwischen haben wir noch die Tickets nach Melbourne (s.u.) gekauft, und so wurde es nach drei, bis wir uns im Yachthafen in einem Restaurant niederlassen konnten. Dafür gab es dann: ½ Langustine, 1 Meerfisch (Barramundi), 1 Flasche Weisswein (Semillion Blanc). Und es war gut. Zurück nach Perth sind wir mit der Bahn gefahren.

 




Neue Pläne

Marianne hat uns vorgeschlagen, gemeinsam mit ihr in ihrem 11-jährigen grossen Chrysler Cherokee Jeep über einige Hundert Kilometer den Norden von Perth zu erkunden. Wir haben ja alle Zeit, und die nehmen wir uns. Die Gegend mit jemandem zu erkunden, der sie kennt und sie liebt, das ist ideal. Daher haben wir dann die Fahrt nach Melbourne, wo wir ein Wohnmobil erwerben oder mieten wollen, einfach 10 Tage nach hinten geschoben. Der Zug fährt erst am 23. November, 3 Tage werden wir in Adelaide sein, und am 28. in Melbourne ankommen. Bevor wir aber abfahren können, muss der Wagen noch in den Service, und so sind wir noch einige Tage in der Stadt.
Von Melbourne aus wollen wir dann vermutlich zwei bis drei Wochen nach Tasmanien, die Insel im Süden. Dort ist es auch im Sommer noch kühl, also muss das bald gemacht werden. Wir werden fliegen und ein Auto mieten. Der Wohnwagen kommt nach der Rückkehr nach Melbourne dran.

Neue Freunde
Der Jeep hat lange gestanden, die Batterie war nicht abgehängt, kein Wank beim Anlassen! Da musste John helfen, ein Freund von Marianne. Er musste am Abend nach unserer Velotour sowieso seine Frau Leslie und Marianne in die Oper fahren. Wir haben dann die Batterie zum Aufladen in sein Haus gebracht und uns den Abend in einem irischen Pub mit wunderschöner Musik um die Ohren geschlagen. Beim Abholen der Damen – hier sagen sie, ungeachtete des Jahrgangs,“ the girls“ – zeigte sich die Innenstadt um 10 Uhr schon etwas tot, alles geschlossen.
Am Montagabend (heute ist Samstag) sind wir bei John und Leslie zum Essen eingeladen.




John, Leslie und Marianne (v.l.n.r.)

Marianne (Mitte), Judy und Ian



Heute wurde Marianne von Ian und Judy zu einer Ausfahrt ans Meer eingeladen. Uns nahmen die beiden selbstverständlich mit. Sie kommen aus Albany an der Südküste, und wir werden sie besuchen, wenn wir da vorbeikommen, und das werden wir.

Haifische

Wir fuhren also an den Strand, wo es hohe Wellen gibt, gut zum Surfen. Das Meer ist eher kühl, der Strom kommt aus der Antarktis. Aber wir werden sicher baden gehen. Zur Zeit haben die Menschen viel Angst vor Haifischen, die in der letzten Zeit drei Menschen gefressen haben. Helikopter überwachen die Küste.

In Hillarys haben wir ein Aquarium besichtigt. Sehr schön waren die Korallen, die kleinen und grossen farbigen Fische, viele auch giftige. Und dann konnten wir durch einen langen Tunnel im Wasser wandern, in dem uns die Haie, Schildkröten, Mantas und anders Fischvolk buchstäblich um den Kopf geschwommen ist. In Hillarys haben wir auch zu Mittag gegessen. Die Portionen sind unheimlich gross. Ein Steaksandwich ist einige hundert Gramm Fleisch, dazu eine grosse Portion Pommes Frites und Salat. Wir teilen uns die Sachen jeweils.
Langusten
Im Yachthafen von Mindale etwas weiter nördlich sprachen wir mit einem Langusten-Fischer. Er besitzt eine Lizenz für 500 Langustenfallen. Das sind Kästen von ca. 80x120cm Grundfläche und nach oben leicht konisch ca. 50-60cm, in denen es Futter als Köder hat. Sie haben einen reusenartigen Eingang, und sind die Langusten mal drin, sind sie drin. Nur die kleinen, die untermassigen, können wieder raus, die Stäbe der Fallen erlauben das durch ihren Abstand.

Der Fischer meinte, es sei ein Gerücht, dass die Langusten zurück gingen. Im Gegenteil, es geben zu viele grosse, die auf dem Markt weniger gefragt seien. In einer Nacht fängt er in einem Korb 20 bis 30 Stück, es gehen aber bis 100 rein. Das ist dann ein Gedränge! Und gibt bei 500 Fallen ganz schön Geld.

Nach Norden
Heute (15.11.) fahren wir nach Norden, entlang der Küste des Indischen Ozeans. In Mariannes Jeep, 4 Liter, Riesenmaschine. Aus der Stadt raus ist noch viel Verkehr, es geht 40 Kilometer durch Vororte, die sich gleichen, wie ein Ei dem andern: breite Strassen, ein- bis zweistöckige eher grössere Häuser, alles in den Sanddünen, die weit in das Land reingehen. Dann wird es einsam. Die Vegetation ist mager, eher kleine Büsche mit etwas Blumen. Tiere sehen wir wenig, einige Kängurus weiter oben. Marianne sieht zwei Emus, aber wir sagen, das sei eine touristische Behauptung.



In Lancelin gehen wir ans Meer, es ist sehr windig. Draussen ist, wie vor allen Häfen und Stränden, ein Riff, an dem sich grosse Wellen brechen. Dort tummeln sich Surfer an einer Art Fallschirmen, sehr sportlich, sehr geübt. Wir essen in einer Bar, in der auch Pferdewetten an Bildschirmen laufen. Die Aussicht ist herrlich: Meer, Schiffe, Surfer, Inseln, Sandstrand. Aber zum Baden ist es zu kalt.



Stromatolithen und Pinnacles
Wir beziehen – zu dritt – ein Motelzimmer in Cervantes, einem Kaff am Meer, das von Spaniern gegründet wurde und in dem die Strassen „Sevilla“, „Madrid“ und ähnlich heissen. Der Ort ist berühmt für die sogenannten Pinnacles. Das sind urtümliche Steinformationen, 350 Millionen Jahre alt. Es sind versteinerte Sandschichten. Wo später Sträucher wuchsen, so die heutige Theorie, sind Salze entlang der Wurzelkanäle runtergelaufen, die die Umgebung härter machten.  Bei der späteren Auswaschung blieben diese Bereiche als Pfeiler stehen, Pinnacles eben.

Zuerst besichtigen wir die Stromatolithen, kleine pilzförmige Lebewesen, unscheinbar. Sie geben im Bereich der Gezeiten Sauerstoff ab. Ihre Vorgänger waren vor 350 Millionen Jahren frühe Fossilien der Erde. Es waren photosynthetische Bakterien, die ihre Energie von der Sonne erhielten und in stark mineralisierten Gewässern lebten. Im Prozess des Aufbaus ihrer „Wohnungen“ haben sie Sauerstoff abgegeben, und sie haben mit ihrem Sauerstoff wesentlich zur Bildung der Erdatmosphäre beigetragen. Das war die erste bilologische Energiequelle. Sie bildete die Grundlage dafür, dass sich weiteres Leben bilden und entwickeln konnte. Ohne diese kleinen Dinger wären wir also nicht hier zu Besuch!




Die Landschaft ist eindrücklich, insbesondere im Abendlicht, wenn die Schatten die Konturen betonen.






Elo mit australischem Gruss

Wir fuhren die Strecke mit dem Jeep ab, machten unsere Fotos und suchten eine Platz am Windschatten, denn es blies stark von der See. Hinter einem Hügel fanden wir einen geschützten Platz an der Abendsonne und hatten einen richtigen australischen „Sundowner“: Weisswein  für Elo und mich, Rotwein für Marianne, Brissago für mich, Sonnenschein für die Damen. Wir sassen auf den Millionen Jahre alten Steinen und da störte es nicht, dass ich Tisch und Stühle, die wir gerichtet hatten, in der Garage stehen liess, statt sie einzuladen. Ich Mostkopf.

Morgen sehen wir die Pinnacles im Morgenlicht.






Sand, Sand, Sand

Die Küste, der wir heute 280 Kilometer lang nachfahren, besteht mehr oder weniger aus reinem Sand. Direkt am Meer sind es Dünen, meist bewachsen mit niedrigem Busch oder Sträuchern, dann kommen auf langen Strecken landeinwärts leicht modulierende Flächen aus Sand mit der gleichen Vegetation. Es gibt wenig Tiere. Wir haben heute 3 Kängurus gesehen, lebendige. Totgefahrene waren es mehr. Auf den Emu warten wir immer noch. Dann war da noch ein einsames Kaninchen. Und in den Pinnacles Papageien, graue mit roter Brust, Galah genannt, und ein kleiner Falke. Auch verschiedene kleine und grössere Singvögel. Am Meer sind grosse Möven und auch dort dann und wann ein Falke. Und überall Krähen.

Abseits der Hauptstrasse

Känguru-Füsse



Es ist Frühling, alles blüht. Wunderbare Bougainvillas in kräftigstem Rot, dann Wüstenblumen, verschiedenfarbige Känguru-Füsse, blühende Gras-Bäume (Black Man darf man ihnen aus politischen Gründen nicht mehr sagen) mit einer riesenlangen Blüte auf dem Wuschelkopf, usw.



Weiter im Norden kommen wir in die Ausläufer des Getreide-Gürtels, mit riesigen Feldern von Horizont zu Horizont, auf denen riesige Erntemaschinen Getreide dreschen, das direkt in riesige Fahrsilos verladen wird, während auf dem Feld riesige Mengen von Strohballen zurückbleiben. Dann wird das Getreide in riesige „Road Trains“ verladen, Lastwagenzüge mit bis zu drei Anhängern und einer Länge von über 35 Metern. Diese bringen das Getreide in riesige Siloanlagen, wo es über Förderbänder in riesige geschlossene oder offene Silos gebracht wird, bevor es auf den Zug verladen wird und in riesige Hafensilos von bis zu einer Million Tonnen Fassungsvermögen gepumpt wird, bereit für die Verschiffung. In Australien ist alles gross, nur du selbst wirst etwas kleiner.








 









Dörfer und Städte

Die Dörfer sind sehr dünn gesät. Sie bestehen aus einstöckigen Häusern hinter den Dünen, einer Hauptstrasse, an der ein allgemeiner Gemischtwarenladen für Bedürfnisse aller Art, eine Post, eine Tankstelle, ein Wein- und Schnapsladen, ein Schnellimbiss und vielleicht ein Café und ein Restaurant stehen. Mal gibt es all dies, mal einen Teil davon.  Die Strassen sind breit, es hat viele Parkplätze und, wenn das Dorf schon älter ist, grosse schöne Bäume mit herrlichem Schatten im heissen Sommer. Die grössten sind eine Feigenbaumart, deren Früchte nicht einmal die Vögel essen, die aber eben schönen Schatten spenden.


100jähriges Schulhaus

Wir besichtigten das alte Dorf Greenough, das von 1860 bis 1920 blühte, dann aber einging, das die Getreidekrankheit Rost die Bauern ruinierte. Hier sind alte Gebäude restauriert worden. Das grösste ist das Gefängnis. Ich hatte den Eindruck, sie hätten hier das halbe Dorf einsperren können. Aber es war wohl eine Art Bezirkshauptort, denn das Road Board, der Vorläufer des heutigen Shire (Bezirk), hatte hier den Sitz. Für die Weissen gab es Einzelzellen, für die Aborigines eine Massenzelle, in der sie dann auch noch angekettet wurden. Sicher ist sicher.

Im nördlichen Wheat Belt, dem Getreidegürtel, sind die Ortschaften eher trostlos. Silos (s.o.), oft verlassene Läden, eine Bar oder ein heruntergekommenes Hotel mit Bar, einige Häuser, etwas Verwaltung und dann hat es sich. Der Reichtum ist wohl in den Farmen angesiedelt, denn der viele Weizen der kilometerlangen Felder muss ja Geld bringen.

 







Grössere Städte wie Geraldton mit 35000 Einwohnern, sind Häfen, in denen die Bodenschätze (Erze, seltene Erden, Gold usw.) und das Getreide des Hinterlandes verladen und in alle Welt verschifft werden. Hier finden sich neben den Docks und Piers sowie Getreidesilos auch  viele Restaurants für die Touristen und Arbeiter. Die Grünanlagen sind grosszügig, die Strände mit dem feinen weissen Sand umfliessen die Stadt von einem Ende zum anderen. Die ganze Küste ist eben Sand, und so ist die ganze Küste auch Strand.

Havarien vor der Küste
Vor der Küste zieht sich ein grosses Riff hin, an dem seit der Entdeckung Australiens immer wieder Schiffe gestrandet sind. Im Museum sind Ueberreste zu besichtigen. Das berühmteste Wrack ist die Batavia, die anfangs des 17. Jahrhunderts ein ganzes grosses Kirchenportal für die holländische Kolonialstadt Batavia in Indonesien an Bord hatte, das nun im Museum aufgebaut ist.

Die Holländer hatten herausgefunden, dass sie am schnellsten nach Indonesien kamen, wenn sie statt der direkten Fahrt den Umweg über Australien nahmen. Sie halbierten die Fahrzeit von Südafrika. Allerdings hatte sich die Batavia in der Distanz geirrt, war zu spät nach Norden abgebogen und buchstäblich in Australien reingedonnert.

Steife Brise, frisierte Bäume
Ab dem späten Vormittag bläst immer ein steifer und oft starker Südwestwind vom Meer her. Die von der Sonne, die hier stark brennt, aufgewärmte Landmasse zieht die Luft über die Küste. Das hat zum einen eine immer relativ starke Brandung zur Folge. Die Strände sind ideal für Surfer und Skiter.

Zum anderen frisiert der Wind auch die Bäume, die sehr oft nach Nordosten geneigt sind. Es gibt vor Gerlaldton sogar „Leaning Trees“ (lehnende Bäume), die bis zum Boden runtergedrückt sind, manchmal auch dort wieder anwachsen, wieder runtergedrückt werden usw.




Formationen und Fossilien

Im Kalbarri National Park erleben wir die Geologie Westaustraliens eins zu eins. Die Küste besteht aus hohen Klippen, an denen die Formationen offen zutage liegen. Wir wandern am Rand der Steilküste und sehen die ungefaltete horizontale Schichtung in rötlich-gelblicher Tönung offen vor uns. Die Gesteine sind uralt, bis zu 450 Millionen Jahren, überlagert von jüngeren Schichten von nur 10 Millionen.




Falke beim Abfliegen



In den Felsen nisten Schwalben und Falken, deren Flugkünste uns beeindrucken, als wir einige Kilometer entlang der Riffkante wandern. Wir sehen und hören, wie Wasser und Wind am Ufer nagen und zehren. Grosse Steinblöcke sind am abkippen, Klippenstücke sind unterspült und bilden Brücken.


Foto ML

Zu diesem geologischen Park – einer der vielen in Australien – gehört auch das Flusstal des Murchison Rivers, der bei Kalbarri in den Indischen Ozean mündet. Er ist 700 Kilometer lang und hat ein Einzugsgebiet von der doppelten Fläche der Schweiz. Der Fluss hat sich tief in die relativ ebene Oberfläche eingegraben, als sein Bett durch eine Anhebung der Erdplatte um mehrere Dutzend Meter in die Höhe gehoben wurde. Entlang von Rissen in dieser Platte bildete der Murchison Schluchten in einem gewundenen Lauf mit Schlingen (Loop) und zickzack-förmigen Biegungen (Bend). Diese legen die Schichten ebenso frei, wie die Kliffs am Meer. Bizarre Felsvorsprünge, Durchsichten und Einschnitte prägen die pittoreske Landschaft.

Im Flussbett finden sich die verschiedensten Gesteine direkt nebeneinander. Das zu dieser Jahreszeit friedliche kleine Gewässer kann in der Regenzeit gewaltig anschwellen und viele Meter hoch steigen.




An den Ufern des Flusses und auf den darüber liegenden gewellten Plateaus des alten Flussbettes sehen wir im australischen Frühling eine grosse Vielfalt von Blumen und blühenden Pflanzen, einer mehrheitlich ariden, halbwüst-trockenen Vegetation. Bäume gibt es, ausser im Flussbett, hier keine, nur Büsche und Sträucher. Tiere sehen wir wenige, einmal zwei Kängurus. Dafür viele Vögel wie die erwähnten Falken und Schwalben, aber auch viele Krähen und Elstern, dann Papageien: Galahs, Corellas, und andere Arten, weiss und farbig. Letzere heissen 28 (ja: 28, weiss der Geier warum).










 








In Kalbarri besuchen wir einen Papageienzoo, der über die grosse Vielfalt dieser Vögle in Australien informiert. Einig Arten sind gefährdet, andere wie die Corellas breiten sich aus wie ornithologisches Unkraut und gefährden weitere Spezies.

sssssss, sssssss, sssssss

Elo als Fliegenfänger

In Hong Kong fragte uns Mike, ob wir den australischen Gruss kennten. Der sei ein immerwährendes, wedelndes Winken vor dem Gesicht. Um die Fliegen abzuwehren. Wir kannten ihn nicht. Aber wir kennen ihn jetzt! Und wir sind bereits geübt darin: Fliegen, Fliegen, Fliegen. Es ist oft zum Auswachsen. Die Biester sind ausserhalb der Stadt überall und in einer für uns unvorstellbaren Zahl. Ein Schweizer Kuhstall ist ein Dreck dagegen. Und sie bevorzugen feuchte Stellen, die da sind Augen, Nasen, Mund und Ohren. Du bist dauernd am Wedeln.

 

Der einzige Trost ist, dass des weniger Fliegen hat, wenn der Wind stark ist, und dass der Wind fast immer stark ist. Für Elo, die starken Wind nicht mag, ist dieser Trost eher ein schwacher.



Entlang der Strassen sind auch kunstvolle Ameisenfallen zu bewundern: Der Ameisenlöwe baut einen schön regelmässigen Trichter. Wenn die Ameisen über den Rand gehen, rutschen sie rein und ins Loch. Dort werden sie wohl gefressen. Wie lange wird es dauern, bis die Evolution ähnliche Fliegenfallen bereitstellt?

Trockene Flüsse, farbige Seen
Das mittlere Westaustralien ist sehr trocken. Die Flüsse sind zwar auf der Karte, aber wenn wir durchfahren meist nicht als Wasserläufe zu sehen. Sie bilden aber leichte, erkennbare Senken, Bachbetten. Es ist kaum vorstellbar, dass die Pegelmasse an den „Flood Ways“, den Strassenüberflutungen, die bis zu zwei Metern anzeigen, jemals in Aktion treten können. Was sie aber im Herbst, im australischen, doch tun. Jetzt ist das alles trocken, oft mehrere hundert Meter breit. Und es glänzt und glitzert, denn wenn die Flüsse nach der Flut austrocknen, dann versalzen sie. Auch das Rinnsal des Murchison war sehr salzig.

Seen, die sich an den Flussläufen bilden, sind dementsprechend mineralreich. Dadurch wird das Wasser farbig. Bei Port Gregory fahren wir dem „Pink Lake“, dem rosaroten See entlang, in dessen Wasser auch die Wolken, die er spiegelt rosarot werden.




Frühling und Bäume

Australischer Weihnachtsbaum

Zur Zeit ist hier Frühling, genauer gesagt der Uebergang zum Sommer (es wird heute über 30 Grad). Das heisst, dass alles blüht. In den Pärken die Bougainvilleen, die Jacarandas, die wir auch in Brasilien gesehen haben vor einem Jahr, die Orchideen, die Akazien. An den Rändern der Wege Unkräuter von schönster Farbe. In den Sandvegetationen der Küstenzonen australische Weihnachtsbäume („Christmas Tree“) und Büsche aller nur erdenklichen Art.



Wunderschön sind auch die Bäume entlang der Strassen im Hinterland. Zwischen den unendlichen Weizenfeldern sind es vor allem die verschiedenen Eukalyptus-Arten, die zum Teil sehr hoch werden. Eine ist quasi mehrstöckig, sie hat oben drauf nochmals eine Etage, wie eine Aussichtsplattform für die Vögel. Wald gibt es hier nicht eigentlich, erst südlich von Perth. Im Norden ist es dazu wohl zu trocken.

Spanisches Kloster

New Norcia ist ein von spanischen Benediktinern gegründetes Kloster. Die Patres haben sich rund hundert Jahre der Erziehung – im christlichen Sinne, versteht sich – der Aborigines gewidmet. Die Kinder wurden in Internatsschulen aufgenommen und unterrichtet. Mitte der 70er-Jahre des letzten Jahrhunderts musste diese Praxis aufgegeben werden. Die Informationstafeln sprechen sybillinisch davon, dass die Kinder "heute  in ihren Familien bleiben können". In Australien gibt es das Problem der „verlorenen Generationen“, d.h. der ihren Familien entfremdeten Kindern ganz ähnlich wie bei uns mit den Fahrenden.























In New Norcia, das sich heute mit unserer Zeit entsprechenden Mitteln der Pflege der Kultur der Ureinwohner widmet, finden wir eine Wand mit sehr schönen Bildern von den Totems der Aborigines.







 


Der Benediktiner-Konvent scheint analoge Probleme zu haben wie unsere Klöster. Die neuesten Bilder zeugen von starker Ueberalterung. Die brauchen kein Altersheim, die sind eines. Der jüngere Mönch, den ich nach einem Café frage, antwortet mit einem Akzent, den er nur in England erworben haben kann. Er weist mich an ein Hotel im klassischen spanischen Kolonialstil, mit einer Veranda, in der es auch ohne die lästigen, auf Londoner Temperatur eingestellten Klimaanlagen schön kühl ist. Und keine Fliegen hat, obwohl draussen alle wedelnd herumgehen. Die Patres zu allererst.



Erste Rundreise


Picknick am Strassenrand

Die erste Rundreise haben wir also hinter uns. Eine kleine Ecke Südwestaustraliens, knapp 1700 Kilometer. Im Verhältnis zum ganzen Land/Kontinent etwa wie der Bezirk Münchwilen im Thurgau  im Verhältnis zur Schweiz. Da kommt noch was auf uns zu. Aber wir haben jetzt eine etwas bessere Vorstellung von dem, was die Karte zeigt.

Ausgleich am Abend
  
Nachdem wir die Küste hoch sind, ging es dann in zwei Tagesetappen durch die Weizenfelder wieder nach Süden. Korn soweit das Auge reicht. Wenig Verkehr, sehr wenig. Dafür dann und wann Schwertransporte, wirklich schwere („Over Size“), die die ganze Strasse brauchen. Voraus ein oder zwei Ankündigungsfahrzeuge mit Blinklicht, die dich von der Strasse winken, dann ein Polizeiwagen mit Blinklicht auf deiner Spur, dass du sicher weg bist. Und dann die Brummer, die beide Spuren voll brauchen. Es sind meist Einrichtungen für die Minen weiter im Norden und im Osten.


Direkt nördlich von Perth fahren wir noch durch unsere erste Weingegend, das Swan Valley, in dem schöne Weisse und Rote wachsen. Wir erstehen einige Flaschen für Marianne und eine für uns im Zug.

Morgen hat Elo Geburtstag. Da gehen wir gut essen.

Uebermorgen besteigen wir den Zug nach Osten.

21.11.2011 / JB.