Dienstag, 29. Mai 2012

3 - 14 Broome

Nachtrag: Die Fahrt nach Broome / Beim Glaser / Vernissage mit Schweizer Bezug / Sirnach near Ifwil / Kulturfragen / Gratwanderungen / Wenig Konvergenz /
Rollendes Altersheim – Ruhige Tage in Broome / Perlen / Die Zucht / Spezialisten / Auf dem Segelschiff / Fahrende Badewanne / Sonnenuntergang zum Abschied / Historisches schönes Broome

Nachtrag: Die Fahrt nach Broome

Die Fahrt nach Broome geht noch durch Ostpilbara, hunderte von Kilometern. Wetaustralien ist riesig, ein Drittel des Kontinents. Wir spüren das.


Von Karratha bis Broome, ist es vor allem flach, flach, flach. Und ganz schön windig. Es ist nicht langweilig, aber eintönig. Viele Raubvögel kreisen über der Ebene, Schwärme von Schwalben stieben über die Strasse.






Und dann landen plötzlich zwei grosse Raubvögel, wie ich meine, aber es sind Trappen, (Australian Bustards), über einen Meter gross stehen sie im Gras vor uns und fliegen nicht weg. Sie sind, laut meinem Vogelbuch, eher selten anzutreffen.

 Trappe

Die Luft flimmert über dem Land. Wenn es, immer mal wieder, Berge oder steile Hügel hat, die aus der Ebene aufstossen, so scheinen sie über dem Land zu schwimmen. Manchmal fahren wir durch Busch mit ganz wenigen Bäumen, manchmal ist es nur Gras. Die wenigen Homesteads, wie hier die Ansammlung von Wohnhaus und Nebengebäuden der riesigen Farmen heissen, kündigen sich mit grossen Antennenmasten an. Ich vermute, dass die Kühe, die frei herumlaufen, einen elektronischen Chip haben und mit diesen Antennen geortet werden. Cowboy ade, GPS ahoi. Aber sie machen es anders: Mit Helikoptern; die Masten dienen der Telekommunikation!

 Elo in arger Bedrängnis

Port Hedland ist neben Karratha/Dampier die andere Minenkopfstation Pilbaras (die Minen sind in Newman, Marble Bar usw.) Auch hier wird neben der Hafentätigkeit auch noch Salz gewonnen. Wir fahren in die Stadt, und diese ist dann wirklich nur Hafen und sonst praktisch nichts: ein Einkaufszentrum, ein Hotel, eine Bar (riesig), Werkstätten und Eisenwarenhandlungen.

Zum Leben muss das schauderhaft sein. Dementsprechend müssen auch die Arbeitskräfte geködert werden. Ein Fahrer eines Tanklastwagens, der Diesel in die Tankstelle des Roadhouses von Pardoo bringt, erzählt mir, dass seine Familie in Brisbane an der Ostküste ist, er aber hier arbeitet, da er den doppelten Lohn erhält. Und noch einen Zuschuss zum teuren Zimmer, das er mieten muss: 370$ - in der Woche, und das in Port Hedland, am Ende der Welt.


Das Pardoo Roadhouse war mir eine Lehre: Ich hätte nicht unbedingt Sprit gebraucht, aber ich dachte, besser ist besser. Und siehe da: die Dieselpumpen waren mit Vorhängeschlössern blockiert. Kein Diesel. Wenn nicht der freundliche Mann aus Brisbane gebracht hätte, hätte ich gezittert, ob das nächste Roadhouse gehabt hätte (es hatte!). Wir warteten eine halbe Stunde und hatten dann voll. Ein Mann erzählte, das sei ihm von Süden nach Norden im Zentrum drei Mal passiert. Also immer füllen, wenn es geht.

So kamen wir nach Broome, Zentrum der Perlenzucht und Eingangstor zur nördlichsten Ecke von Westaustralien: die Kimberleys.

Beim Glaser

Das erste, was wir in Broome machen mussten, war, die Frontscheibe reparieren zu lassen. Unterwegs machte es, als uns einer der grossen Dreierzüge entgegenkam, plötzlich „tagg“, und ich sah vor mir auf der Beifahrerseite (Elo war am Fahren), einen kleinen Stern im Glas. Ein Stein war nach vorne geschleudert worden, uns in die Scheibe. (Steinschäden entstehen fast immer von entgegen kommenden Vehikeln). Ein kleines Netz von Rissen breitet sich aus, aber nicht weit, vorderhand.

In einem kommerziellen Reiseführer hatte es Inserate von Firmen, die so was flicken. Nichts wie hin. Und siehe da, Chips, wie sie das hier nennen, werden geflickt, die Scheibe bleibt drin. Ein feines Loch wird in die Scheibe gebohrt und Harz eingefüllt, wodurch die Luft zwischen den zwei Schichten raus geht und es dann nicht weiter reisst. Dann wird mit Feuerzeug und Lampe gewärmt, das überflüssige Harz mit der Rasierklinge abgezogen. Und fertig ist die Reparatur. 20 Minuten, 99$, mal sehen, ob die Versicherung etwas gibt. Den Flick sieht man kaum. Die Leute haben Routine, es scheint hier gang und gäbe.
Vernissage mit Schweizer Bezug

Hier in Broome wollen wir einige Tage bleiben. Es ist eine schöne Stadt, viel Tourismus, aber auch einige Tradition. Die Stadt ist das Zentrum der Perlenzucht, das wollen wir ansehen. Aber sie ist auch Winterquartier für viele Rentner aus dem Süden, die regelmässig herkommen und mehrere Monate auf den Campingplätzen bleiben: Es ist wärmer als an den südlichen Küsten, aber weniger heiss als im Landesinneren oder in Darwin. Ich komme darauf zurück.


In der Stadt gehen wir in eine Galerie. Eine Frau, die Elos Mütze mit dem Schweizerkreuz erkennt, grüsst Elo mit einem makellosen „Grüezi“. Nein keine Schweizerin, Claire Beausein stammt von nach England ausgewanderten Hugenotten ab und ist eine australische Künstlerin, die aber Beziehungen in die Schweiz hat. Im Juni fährt sie für vier Monate nach Basel, - sie stellt Tiere dar, arbeitet mit Muscheln und Blättern -,  einen Aufenthalt am Naturhistorischen Museum hat. Sie hat eines von zwei möglichen australischen Stipendien gewonnen!

Ich gebe ihr die Koordinaten von Schwester Gret und vom Naturmuseum Frauenfeld, das eben für die Auswahl als bestes Museum Europas nominiert worden ist.

Claire (s. auch www.clairebeausein.com.au)  wiederum lädt uns zur Vernissage ihrer Ausstellung von heute Abend ein. Nichts wie hin!

Sirnach near Ifwil
Wie lokal der Schweizer Bezug dann sein würde, hatten wir allerdings nicht gedacht. Claire stellte uns ihren Partner Richard (Nachnamen werden hier nie genannt) vor. Der sah sich meine Visitenkarte an, auf der ich Grets Koordinaten notiert hatte, und meinte, in breitem Australisch: „O, Sirnach, I know, that’s near Ifwil.“ Da war selbst der Baumberger einen Moment sprachlos, ist doch Ifwil – für nicht Eingeweihte – ein Weiler an der Strasse zwischen Eschlikon und Aadorf, keine fünf Kilometer Luftlinie von Sirnach.  

Es stellte sich heraus, dass Richard als Schweizer in Australien geboren wurde, dann in Wetzikon aufgewachsen ist (sein Züritütsch ist breit, aber etwas englisch eingefärbt und wir bleiben beim Englischen). Er kam dann wieder hierher, wo er seine Ausbildung vervollständigte, und er ist heute Spezialist für Projekte des Schutzes von Land und Meer (Land and Sea Protection), die in enger Zusammenarbeit mit Ureinwohnern durchgeführt werden.

 Ah ja, vor ich’s vergesse: Ifwil: Seine Schwester lebt dort. Sie bäckt auch Brot, das man in einem Kasten an der Strasse kaufen kann. Wir werden es dann probieren. Das Brot, das Richard am nächsten Tag für uns gebacken hat, war ausgezeichnet.

Kulturfragen

Am andern Tag waren wir bei Claire und Richard zum Tee/Bier eingeladen. Wir sitzen in einem schönen Garten eines Hauses im traditionellen Outback-Stil. Der Garten wird dominiert durch einen riesigen Baobab, der über 200 Jahre alt ist, also aus der Zeit stammt, in der noch sehr lange keine Weissen hier siedelten.

Richard erzählte uns von seinen Projekten, durch die die Ureinwohner dieser Region ihre Zukunft vermehrt in die eigenen Hände bekommen sollen. Er kennt ihre Kultur gut, spricht ihre Sprachen. Hier in der Nordecke von Westaustralien machen die Ureinwohner immer noch die Mehrheit der Bevölkerung aus.

Gratwanderungen
Aber die Verbindung der beiden Kulturen ist eine Langfristaufgabe und, so scheint es uns auch vor dem Hintergrund unserer Erfahrungen mit ähnlichen Fragen in anderen Kontinenten, es ist eine Gratwanderung zwischen Vertrauen gewinnen und Belehren, zwischen Erhaltung der Tradition und Einführung von Elementen unserer technisierten Welt.

Ausserdem steht die Region unter dem Druck der internationalen Konzerne, die die Bodenschätze ausbeuten wollen, kurzfristig ohne Langzeitperspektive, mit höchster Profitabilität, komme nachher, was wolle. Fragile natürliche und soziale Systeme kommen leicht unter die Räder. Und die Regierungen in Perth und Canberra haben im Zweifelsfall auch lieber den Spatz in der Hand (sprich: Steuersubstrat von heute) als die Taube auf dem Dach (sprich: nachhaltige Entwicklung mit weniger Tagesertrag). Zur Zeit versuchen die Multis, ein Gasprojekt vor der Küste durchzudrücken. Es geht um 30 Milliarden $ Investitionen. Kommen sie durch, sind die beschaulichen Tage von Broome, die beschaulichen Tage von Kimberley gezählt.

Richard aber arbeitet mit viel Enthusiasmus, Engagement und hohen moralischen Werten, die er überzeugend und realitätsbezogen vertritt. Durch und durch und breit gebildet lässt er sich ein auf die Kultur des alten Australiens und die Landschaft, die ihn hier umgibt. Beide sind fordernd, das spüren wir. Aber der Respekt vor und die Zurückhaltung gegenüber dieser alten Kultur, diesem alten Land sind beeindruckend.

Langsam sich mischenden Flüsse
Wie schwierig es ist, die beiden Kulturen zu mischen und so etwas wirklich Neues zu entwickeln, zeigt das Gebiet von Claire, die visuelle Kunst. Es gibt wenig bis gar keine Konvergenz zwischen der Kunst der Ureinwohner und der der Weissen. Laut Claire haben die heute als Modeströmung sehr erfolgreichen (auch wirtschaftlich!) Künstler der Ureinwohner keinen Grund, ihren Stil zu ändern, zu entwickeln und sich von der weissen Kunst beeinflussen zu lassen.

Andererseits sind die weissen Künstler zurückhaltend, Elemente der Kunst der Ureinwohner aufzunehmen, zu sehr könnte dies auch als Anbiederung angesehen werden. Trotzdem vermeinen wir, soweit wir das überhaupt beurteilen können, in Claires Werk Einflüsse zu finden, die ihre Wurzeln in dieser Region haben: die Arbeit mit Elementen der Natur Kimberleys. Und auch die Künstler der Ureinwohner malen wohl kaum mehr, wie das ihre Vorfahren getan haben.

Das ruft in mir das Bild hervor von riesigen Strömen wie dem Solimoes und dem Rio Negro, die in Manaus in Brasilien den Amazonas bilden, und die nach dem Zusammenfluss hundert Kilometer braun und schwarz nebeneinander her fliessen, bevor sie sich wirklich vermischen.

Rollendes Altersheim – Ruhige Tage in Broome


Wir geniessen einige ruhige Tage in Broome, in einem Campingplatz direkt am Meer und in Fussdistanz vom Zentrum. Es ist zwar immer etwas windig (manchmal sehr!), aber geruhsam. Elo sitzt an der Sonne. Ich sitze vor Jeb (Stromanschluss!) und schreibe, vor mir das Meer, über mir kreist ein kleiner braun-weisser Bussard (der meiner Linse entgeht), vor mir pickt ein Ibis (den ich erwische), was für ihn auf der sandigen Wiese zu finden ist, und schliesslich kann ich einen braune Gabelweihe (Kite, unserem Milan verwandt) fotografieren..



Die Gezeiten sind hier sehr hoch, bis 10 Meter Tidehub. Das kommt daher, dass der Kontinentalschelf, der der Küste vorgelagerte relativ flache Meeresboden hier sehr weit hinausgeht. Dadurch wird das Wasser bei Flut gleichsam aufgestaut. Das Meer direkt vor uns, aber Baden können wir nicht. Man hat uns vor Krokodilen und Haien gewarnt.

Wir sind von Langzeitcampern umgeben. Seit einiger Zeit treffen wir nur noch Rentner auf der Landstrasse. Die meisten fahren nach Norden, um dem Winter im Süden zu entgehen. Broome ist, wie gesagt, eine sehr beliebte Destination, wo sie mehrere Monate bleiben (3 bis 5!), immer am gleichen Ort. Sie erhalten keinen Rabatt für Langzeitkunden, sondern sie zahlen tagtäglich den gleichen Tarif wie wir: 38$.

Die Männer fischen, die Frauen, wenn sie nicht fischen, machen Kurse in der Stadt: Stricken, Makrame und so. Es gefällt ihnen. Sie kennen sich oft schon seit Langem und treffen sich dann hier. Sie suchen immer Kontakt, sind sehr freundlich. Bob, unser Nachbar, hat uns eben eine Kokosnuss gebracht und sie mit seinem Beil auch noch geöffnet.



Ich habe früher geschrieben, dass diese Leute „Grey Nomads“, graue Nomaden genannt werden. Mich erinnert es eher an ein rollendes Altersheim.

Perlen

Am Morgen vor dem Tee mit Claire und Richard machen wir einen – geführten – Ausflug auf eine der Perlenfarmen der Region: Willies Creek, nördlich von hier. Hier in Broome werden die schönsten Salzwasserperlen gezüchtet, weisse und goldene, die schwarzen kommen aus Tahiti. Auf der Farm werden wir in die Geheimnisse der von Mikimoto vor bald 100 Jahren entwickelten Perlenzucht eingeführt.

Früher wurden die die Perlen ausschliesslich getaucht. Das war sehr gefährlich; vor allem Japaner und auch versklavte Ureinwohner waren die Taucher. Ausserdem ist nur in jeder 5000. Perlmuschel (Pearl Oyster) eine Perle zu finden. Damals war die Hauptindustrie das Perlmutt. Der grösste Teil der Perlmuttknöpfe (vor der Plastikzeit!) kam aus Broome. Diese Industrie besteht praktisch nicht mehr (in der Plastikzeit).

Die Zucht

Heute werden nur noch die Muscheln getaucht, die dann für die Zucht auf Schiffen von Spezialisten mit einem Perlkern versehen werden und für zwei Jahre im Meer bleiben. Sie werden in Körben aufgehängt, die bei der sehr starken Gezeitenströmung mal landeinwärts, mal landauswärts hängen. Dadurch werden die Perlen rund. Wenn die Muschel immer gleich liegt, gibt es irgendeine Form. Die Muscheln werden jede Woche gereinigt und alle zwei Monate durchleuchtet, und die 15% der Muscheln, die keine Perle machen, werden aussortiert.

Die Muscheln können bis zu vier Mal bestückt werden, und jedes Mal wird die Perle grösser und damit wertvoller. Dabei sinkt aber die Rate der Muscheln, die Perlen machen, dramatisch ab, was den Wert der grossen Perlen weiter steigert. Hier in Broome werden nur 7% der Salzwasser-Zuchtperlen gewonnen, sie sind aber so gut, dass sie 70% des weltweiten Ertrags an diesen Perlen einbringen.











Spezialisten

Die Techniker, die die Perlen mit Kernen bestücken und dann auch weiterhin beobachten, sind ausgesprochene Spezialisten. Sie müssen heute Meeresbiologie studiert haben, dann eine vierjährige Anlernzeit mit einem Meister machen, und erst dann können sie selbständig arbeiten. Sie tun das in der Saison 3 Monate Tag für Tag und verdienen in dieser Zeit über 100'000 $. Ist die Saison hier rum, gehen sie noch für eine Saison nach Tahiti.

Wir lernen auch noch, wie man eine richtige Perle erkennt: Wichtig ist, dass sie nicht ganz perfekt sein kann. Sie ist nicht ganz rund, und sie hat immer eine Textur von kleinen Rillen. Ausserdem kann man sie über die Zähne fahren, dann muss sie leicht kratzen. Auch der Glanz muss schillernd sein. Wir lernen das, aber Elo will keine Perle kaufen. Sie hat, so sagt sie, Schmuck genug.

Auf dem Segelschiff

Heute machen wir einen Ausflug mit einem der alten Perlboote (Lugger), von denen aus die Perlen früher getaucht wurden. Die Ingombi (Südafrikanisch für Junge Frau) wurde 1903 als Perlboot für die Perlmuttindustrie gebaut und diente in den Jahrzehnten seither den verschiedensten Zwecken. Seit einigen Jahren haben junge Leute sie zu einem Ausflugsboot umfunktioniert.
 

Wir werden am Campingplatz abgeholt und an den berühmten Cable Beach gefahren (von hier ging früher das Uebersee-Telegrafiekabel nach Westen). Der Strand ist lang und breit und wird von Autos befahren und von Kamelen begangen. Letztere sind eine Touristenattraktion Broomes. Drei Gruppen von gut einem Dutzend Kamelen, Nachfolger früherer Lastkamele vor allem aus Pakistan, schreiten gravitätisch zwei- bis dreimal am Tag den Strand hoch und runter. Dafür sind wir aber nicht nach Australien gekommen.

Wir, eine Gruppe von knapp 20 Touristen, werden am flachen Strand von einem kleinen Motorboot abgeholt und auf das weiter aussen liegende eher kleine Segelschiff getendert. Es wird uns ein Stück die Küste hochsegeln, und bei Sonnenuntergang wieder runter. Wir werden gut verpflegt, die alkoholischen Getränke wie Gin Tonic müssen wir kaufen.

Fahrende Badewanne

Wir können auch schwimmen gehen. Das geschieht folgendermassen. Am Ende des Schiffs wird ein Netz aus dicken Stricken nachgezogen. Die Schwimmer (ich bin der erste) steigen seitlich ins Wasser und hangeln sich an einer Leine entlang nach hinten, d.h. sie passen auf, dass ihnen das Schiff nicht davonfährt. Dann setzen wir uns ins Netz. Nahe am Schiff bist du halb draussen, weiter weg, bist du mehr im Wasser.

Es ist super! Das Wasser umfliesst dich und massiert dich vollautomatisch. Du liegst auf dem Rücken und lässt es vorbeiströmen. Die Rückkehr aufs Schiff ist dann etwas anstrengend, da du dich gegen die Strömung nach vorn ziehen musst. Aber es ist ein äusserst erfrischendes Bad.




Sonnenuntergang zum Abschied







Den Rest des Nachmittags sitzen wir auf dem Schiff, plaudern, essen, trinken und lassen uns völlig ruhig durch die leichte Dünung segeln. Den Abschluss bildet einmal mehr ein wunderbarer Sonnenuntergang. Die Farben werden verstärkt durch einen Schleier von Rauch, der von einem seit Tagen hinter der Küste brennenden Gebiet herübertreibt.





Historisches schönes Broome

Heute ist wieder Ruhetag, und wir gehen noch ins nahe gelegene lokale Museum. Ein Teil der Ausstellung ist der Permuschel-Fischerei gewidmet. Uns wird noch einmal klar, wie sehr hier die verschiedenen Völker gemischt wurden. Die Taucher waren Aboriginies (meist unfreiwillig), Japaner und Malayen.

Vor dem ersten Weltkrieg wurde in einem eher tragi-komisch anmutenden Anfall von „all white“ (ausschliesslich weiss) versucht, die asiatischen Taucher durch Engländer zu ersetzen. Das misslang gründlich. Die jungen Männer starben wie die Fliegen bei der ohnehin schon gefährlichen Arbeit. Und so konnte die Wirtschaft weiterhin erleichterte Einreisebedingungen für Asiaten durchsetzen.

Aber auch Chinesen trieben Geschäfte. Der Friedhof auf der Klippe und der Abfallhaufen von Grabsteinen im Museumsgelände zeugen von dieser Mischung. Dominiert haben aber bis weit in die 70er Jahre die Engländer und deren Nachkommen. Und sie dominieren eigentlich immer noch.







Einen grossen Teil des Museums nimmt – wie immer – der Anteil der Stadt am Krieg ein. Und Broome hat es auch schwer erwischt. Am 3. März 1942 wurden hier vor allem holländische und amerikanische Truppentransporter voll von Soldaten von einem Japanischen Kommando zusammengehauen. Es gab viele Tote, auch aus der Bevölkerung. Aber uns ist das alles ein Bisschen zu viel Kriegsgedröhn.

Summa Summarum: Broome ist wirklich eine schöne Stadt.

29.5.2012 / JB. (mit Korrekturen, Verbesserungen, Präzisierungen von Elo)

Dienstag, 22. Mai 2012

3 - 13 Pilbara - die finanzielle Kraftwerkzentrale Australiens

Das Powerhouse Australiens / Ins Innere / Camping am ausgetrockneten Bachbett / Durch die Berge ins Bergbaugebiet / Bergbaumania / Viel flüssiges Geld / Berge versetzen / Eigene Eisenbahn / Die Minenstadt / Wir sehen rot / Schluchten im Outback / Torten und Sandwichs / Mit Pauken und Trompeten / Zurück an die Küste / Exkurs: Etwas Politisch Oekonomie oder Ueberlegungen zur Theorie von Karl Marx / Boomtown Karratha / Bonanza hoch zwei / Alle holen ab / 30'000 Jahre / Pneu / Geisterstadt / Australischer Charakter

Das Powerhouse Australiens


Verladestation in Point Samson

Nach Exmouth biegt die Küste in Richtung Nordwesten ab. Hinter der Küste liegt die Region Pilbara mit den grossen Bergwerken. In den Küstenstädten wird das Erz, das auf eigens gebauten Bahnlinien transportiert wird, auf Schiffe verladen und kommt dann meist nach Uebersee, oft nach China. Aber es wird auch nach Malaysia verschifft, wo es in australischen(!) Werken weiterverarbeitet wird: Lohn und Steuern tiefer, Subventionen höher. Oestlich Richtung Darwin schliesst sich die Kimberly-Region an, aber davon später.

Die Region boomt wie wild. Selbstbewusst nennt sie sich das „Financial Powerhouse“, die finanzielle Kraftwerkzentrale, Australiens. Erz ist weltweit gefragt, die Lager sind gross, es wird Geld gemacht und ausgegeben wie wild. Vermögen werden gemacht, Vermögen versickern.  „Jetzt geht es uns gut, jetzt geniessen wir es“, ist das Motto. Was war ist unwichtig (auch wenn 20-jährige Gebäude als „Historic“ bezeichnet werden), was kommt, ist ungewiss (viel ist buchstäblich auf Sand gebaut), was ist, allein das ist wichtig. Und den Leuten hier, den meisten, geht es gut, vor allem aber den Spekulanten, dem internationalen Kapital, den Geschäftsleuten.
Ins Innere
Wir fahren also (etwas) ins Landesinnere. Zuerst müssen wir jedoch gut 80 Kilometer zurück nach Süden, da der Exmouth Gulf den Weg versperrt. Dann geht es Richtung Osten. Alles ist flach, trocken, eintönig. Einige Schafe und Kühe, die der Strasse entlang weiden, sorgen für Abwechslung. Die Erde wird zunehmend rot, Eisen in der Erde. Manchmal leuchtet es fuchsrot, manchmal mehr ins Violett wechselnd. Wo vor einiger Zeit ein Feuer gewütet hat, ist die Erde offen, sonst von kurzem Gras überwachsen.
Und dann kommen Erdwellen, längs oder quer zur Strasse. Es sind Erhebungen von einigen Dutzend Metern Höhe, steinig, nahe beieinander liegend, wie Wellen im Gelände. Oft sind sie kahl, oft von Gras überwachsen, dass es aus der Ferne aussieht wie eine Erika-Bepflanzung, und oft sind sie sehr steinig. Dazwischen gibt es Hügel und Berge, manchmal gerundet, manchmal mit Deckeln von nicht verwitterten harten Gesteinsschichten. Alles ist grosszügig, weit, eindrücklich, so wie wir uns Australien aus den Bildern eigentlich vorgestellt hatten.
Camping am ausgetrockneten Bachbett
Die Flussläufe sind meist ausgetrocknet, lassen aber erahnen, was da bei starken Regenfällen abgeht. Nur einige haben noch Wasserreste. Wir übernachten an einem Bachbett, das sich rund einen Meter tief eingeschnitten hat, und an dem viele Bäume auf das unterliegende Grundwasser schliessen lassen.

Wir campieren an einem ausgetrockneten Bachbett. Der Staub ist fein wie Puder, rot. Endlich können wir wieder mal ein Feuer machen, das erste Mal seit dem Murray in Südaustralien. Wir geniessen es. Das Holz brennt gut, die Sterne schimmern durch die Bäume, ein Kauz ruft, eine einsame Kuh muht, eine Fledermaus flattert vorbei – die Königscrevetten, die Melone, der Käse und der Wein schmecken. Friedlich.




Durch die Berge ins Bergbaugebiet

Die Fahrt wird immer abwechslungsreicher. Wir kommen in Hügelzüge, nicht hoch, aber richtig bergig. Es sind, das sehen wir gut, alte, sehr alte Verwitterungsschichten, die unterschiedlich erodieren. Mal sieht es aus wie Schiefer, dann scheinen Riesen Murmel gespielt zu haben und dann wiederum sind sanft gewellte Hügel mit spärlichem Gras überwachsen, das goldgelb aus grünen Stöcken rausragt und im sanften Wind weht. Es ist warm bis heiss. Greifvögel segeln durch die Luft, einer so nah vor uns tief über die Strasse, dass ihn Elo beinahe überfähr
Wir fahren zwischen den Hügeln durch in Richtung Tom Price, einer Bergbaustadt, die in den 60er-Jahren gegründet wurde, als beschlossen wurde, die Erzlager zu nutzen. Wenn dann alles abgebaut ist, wird die Stadt wieder eingehen. Elo meint, darin hätten die Australier ja Erfahrung. Die Goldstädte des 19. Jahrhunderts im Osten waren gross, hatten alle damals bekannte Infrastruktur. Und heute sind es bestenfalls noch Touristenattraktionen. Das Gold wird jetzt hier im Westen abgebaut.
Bergbaumania
Bereits vor Tom Price sehen wir in Paraburoo die erste grosse Mine. Da wird ein Berg einfach von oben nach unten abgetragen. Es sieht aus wie in einem gigantischen Sandkasten: die Bergflanken sind von Abbauterrassen gezackt wie der Stufengiebel des Bezirksgebäudes in Münchwilen (oder des Römer in Frankfurt). Die Stadt hat 2000 Einwohner. Tagsüber sehen wir keine, da alle in der Mine sind.



Auf dem Zeltplatz in Exmouth haben wir einen Minenarbeiter kennengelernt. Er wohnt in Geraldton an der Westküste, arbeitet in Newman, 200 Kilometer südöstlich von hier, also etwa 800 Kilometer von Geraldton. Er arbeitet jeweils 2 Wochen am Strich, 12 Stunden pro Tag. Dann hat er eine Woche frei, geht nach Hause, zur Familie. Aber nicht mit dem Auto: Er wird nach Perth geflogen, übernachtet einmal im Hotel, dann fliegt er nach Geraldton. All das ist gratis, ebenso wie die Unterkunft in der Mine (1-Zimmer-Wohnung) und die Verpflegung (ausser Alkohol). Die Kantine koche nach Wusch.
Viel flüssiges Geld
Und die Löhne sind hoch. Das Internet sagt, die Durchschnittslöhne lägen bei rund 150’000$ pro Jahr, auch für unqualifizierte Arbeitskräfte. Das ist wirklich das Dreifache des Lohns in der Landwirtschaft, der die Leute en Masse abgeworben werden, auch wenn sie nicht viel taugen. Unser Bekannter, der eine untere Kaderstellung hat, meint, auf einem normalen Arbeitsmarkt würde er die meisten Leute schon von der Papierform her nicht einstellen, geschweige denn von der Arbeitseinstellung. Aber es hat zu wenige. Uebrigens arbeiten auch viele Frauen da, vor allem als Fahrerinnen für die Riesenfahrzeuge sind sie gefragt: Sie tragen mehr Sorge zum Gerat und gehen weniger Risiken ein. (Ueber ihre allgemeine Qualität als Arbeitskräfte hat sich der Bekannte nicht ausgelassen!)
Die hohen Löhne sind der Grund für die hohen Preise hier: Die Leute können alles bezahlen und wissen oft nicht, was die Sachen eigentlich wert sind (wären). Und da kommt wohl auch das Geld her für die vielen grossen Autos, die wir sehen. Jeder zweite fährt einen schweren Geländewagen, meist recht neu. Unser Eindruck ist, dass das Geld ohne grosse Umwege über ein Sparkonto in den Konsum geht. Reservehaltung ist wenig gefragt.
 Berge versetzen


In Pilbara versetzt nicht der Glaube die Berge, sondern allenfalls der Glaube an das Geld. Wir machen eine Führung in eine der Minen, und auf dem Aussichtspunkt sagt der Führer, hier seien ursprünglich 150 Meter Berg über uns gewesen. Das Loch vor uns ist knapp 300 Meter Tief, was eine Höhendifferenz von der noch stehenden Bergkuppe zum Minenboden von 440 Metern macht (oder etwa von unserer Haustüre in Sirnach zum höchsten Punkt des Kantons). Auf der Länge von ein bis zwei Kilometern ist der Berg weg, und es wird weiter gegraben.

Die von uns besichtigte Mine ist eine von über einem Dutzend auf hundert bis 200 Quadratkilometern. Und Tom Price ist nur eine von verschiedenen Minenstädten, und bei weitem nicht die Grösste. Die Mine gehört dem Konzern Rio Tinto, London basiert und mit der Königin als grösster Privataktionärin, aber der grösste Aktionär ist ein chinesisches Konglomerat. Sie sichern sich die Rohstoffe und schonen ihre eigenen.

Eigene Eisenbahn

Eine Mine umfasst den Abbau, die Zerkleinerung des Gesteins je nach Gehalt an Eisen, den Verlad auf die Bahn. Die Gesellschaft besitzt eine Eisenbahn ans Meer nach Dampier  von einigen hundert Kilometern. Dort wird das Erz verschifft nach eben China, aber auch in den Mittleren Osten und nach Südostasien. In Malaysia bauen australische Konzerne Anlagen zur weiteren Verarbeitung: billigere Löhne, Subventionen – und wenn sie genutzt und nicht mehr gebraucht werden, liegen sie halt still….

Die Maschinen sind riesig. Die Räder zwei Stockwerke hoch, die Mulden der Transporter fassen viele Tonnen. Die Züge haben 200 und mehr Wagen, sie werden laufend unter den Förderanlagen beladen (Schrittempo, aber immerhin) und dann in Dampier in wenigen Minuten entladen durch seitliches Kippen der Waggons. Ein Zug transportiert 30'000 Tonnen Gestein, es fahren viele Züge pro Tag.



Die Minenstadt

In Tom Price leben 5000 Menschen. Feste Wohnung haben die Chefs, die Arbeiter und Arbeiterinnen leben nach dem Prinzip „Fly in fly out“, werden also regelmässig ein- und ausgeflogen. Sie haben hier einen anderen Rhythmus als der oben geschilderte: Sie arbeiten 3 Tage à 12 Stunden Tagschicht, haben einen Tag frei, dann drei Nachtschichten und dann 6 Tage frei usw. usf.

Die Stadt hat eine sehr gute Infrastruktur: Schulen bis zum Gymnasium, Clubs und vor allem Sportanlagen bis zum Motocross. Der Supermarkt, in dem wir einkaufen, ist der beste, den wir bisher in einer ländlichen Stadt gesehen haben. Aber ein Lehrer, den wir später trafen, sagte, nach drei Jahren Unterricht hier sei es ihm zuviel geworden: Kultur ist hier, eben abgesehen vom Sport und gelegentlichen Country-Konzerten, wenig.

Und dass die einfachen Arbeiter locker bis dreimal so viel verdienen, wie ein Lehrer, mag die Motivation auf die Dauer auch nicht gefördert haben: Einfache Arbeiter beginnen bei einem Jahressalär von 100'000 und haben einen Schnitt von 150'000, ein Lokführer kommt auch mal auf 250'000.

Wir sehen rot

Die ganze Mine, die ganze Gegend ist rot vom Eisenstaub, vom Eisenerz, vom Metall der Anlagen. In der Mine selbst hat sich der Staub auf allem abgesetzt, auch die Reifen und anderen Ersatzteile haben eine rote Patina. Die Fahrzeuge, die Förderbänder, die Gesteinsmühlen, die Reparaturwerkstätten, alles rot. Auf dem Campingplatz der Boden und bald auch der Boden unseres Campers: rot.



Aber es ist nicht das Rot von Lenin und Mao, es ist das rot des Kapitals, denn hier wird ausgebeutet, vor allem die Landschaft. Aber auch auf die Menschen wird wenig Rücksicht genommen. Wenn die Nachfrage nach Erz zurückgeht, wird stillgelegt, gekündigt. Um dann wieder aufzumachen, wenn es auf dem Weltmarkt anzieht.




  







Schluchten im Outback

Die Berge hier in der Gegend – auch auf der Weiterfahrt –, haben alle rote Gesteinsschichten, die auf Eisen schliessen lassen. Sie sind oft sehr gut zu erkennen, und auf der Weiterfahrt in den Karijini-Nationalpark, in dem wir einige Tage über meinen Geburtstag sein wollen, staunen wir immer wieder.

Der Karijini-Park ist für seine Schluchten berühmt. An der Dales Gorge liegt ein Campingplatz, der auch für uns erreichbar ist, denn auf ungeteerten Strassen fahren wir nicht grössere Strecken, wenn irgend möglich. Dazu ist Jeb nicht geeignet.





Hier bildet der Fluss in der Schlucht drei Pools, in denen wir baden können. Einer, (Fern Pool (Farn Weiher),  ist abseits gelegen und ruhig, einer unter einem Wasserfall (Fortescue Falls) und einer (Circular Pool) am Ende der Schlucht ganz im Schatten. Von den Fortescue Falls zum Circular Pool führt ein Weg durch die Schlucht: Und wie! Ueber Stock und Stein, Felsen und Steinabbrüche, Tümpel und den Fluss. Und am Schluss über einen – gepflegten – Ziegenweg in der Falllinie hoch zum Rand der Schlucht. Wir baden in allen drei Pools und sind am Abend ganz schön erschöpft.





Torten und Sandwichs

Auch diese Schlucht ist entstanden, als sich die Kontinentalplatte angehoben und der Fluss sich langsam eingefressen hat. Bei Regen hat er viel Wasser, davon zeugt das Schwemmholz. Es sind deutlich zwei Gesteinsarten zu unterscheiden: Unten ungefaltete, fein gegliederte Ablagerungen in verschiedenen Farbtönen, darüber grobes körniges Felsmaterial. Die Farbenspiele der dünnen Schichten sind faszinierend. Mal wie angeschnittene Tortenstücke, mal australische Sandwichs: oben und unten dünnes Schlabberbrot, dazwischen ein mächtiges Stück Fleisch.



Wir bleiben vier Nächte im Park, müssen dabei aber unser Wasser gut einteilen, denn hier gibt es keines, und abbauen und ein Stück fahren, um Wasser zu holen und dann alles wieder aufbauen, das stinkt uns. Wir haben 20 Liter Reserve gekauft, das wir aber bisher noch nicht gebraucht haben.


Mit Pauken und Trompeten

Heute habe ich Geburtstag.

Das 66. Altersjahr hat sich an seinem letzten Tag eindrücklich verabschiedet, mit Pauken und Trompeten sozusagen. Wie angeworfen hatte ich das, was mein Grossvater „Schiiser und chalt Ohre“ bezeichnete, meine Grossmutter etwas feiner als „Türlipfiife“, noch vornehmer Darmgrippe. Die Bezeichnung des Grossvaters war korrekt, denn gefroren habe ich auch noch. Ich war schwach wie ein altes Blatt Papier, das Trinken eines Bechers Tee war eine grosse Anstrengung. Ich habe fast nur gelegen.

Tagsüber habe ich zwei Bananen gegessen, am Abend ein Rührei. Und am Abend ein Aspirin genommen, zweimal leicht geschwitzt – und der Kopf war wieder frei und ich auf den Beinen. Ich habe in diesen 36 Stunden sicher 30 geschlafen!

Aber jetzt ist es vorbei, oder fast: Der Magen zwickt noch etwas, wenn er das ausgiebige Frühstück verdauen muss. Es rumpelt noch etwas in den Gedärmen. Und ich werde mich dann nach dem Schreiben wieder etwas hinlegen. Aber der Einstieg ins 67. ist gut, ich freue mich darauf. Und dann gehen wir schwimmen.

Zurück an die Küste

Vom Karijini Park fahren wir nach Norden, Richtung Port Hedland, dann machen wir einen Abstecher nach Westen, nach Dampier, den wir dann wieder zurück müssen. Nach wenigen Kilometern (ca. 100) kommen wir aus den Bergen an die grossen Flüsse, die nach Norden in den Ozean münden – alle leer, bis auf wenige Billabongs, wie die Tümpel in den teilweise ausgetrockneten Flüssen heissen.



 
Wir fahren auf dem Great Northern Highway, der bis Darwin geht. Auch hier ist alles Minengebiet. Wir sehen Arbeitsplätze, auf denen offensichtlich neue Bergwerke erschlossen werden. Es hat viel Verkehr. Vor allen grosse Lastwagen mit bis zu 4 Anhängern, aber auch viele 4x4-Geländewagen, die eine kleine Fahne oben haben und damit offensichtlich anzeigen, dass sie im Dienst sind.



Dann kommen auch Ueberbreiten entgegen, „Oversize“-Vehikel, die riesige Maschinen transportieren, auch ganze Häuser, und wenn es gut geht noch einen Minibus draufgeladen haben, das kommt ja nicht mehr drauf an. Wenn sie uns überholen, ist das nicht immer gemütlich.




Jetzt wird es flach, bis auf wenige Hügel, die von Steinwülsten aus dem Boden heraus gebildet werden. Die Schichten zersetzen sich oft einzeln, sodass auf einer glatten Oberfläche riesige Steinblöcke über- und aufeinander liegen. Entlang der Strasse sehen wir zum ersten Mal überfahrene Kühe, das aber dann gleich in grösserer Zahl. Bisher waren es Kängurus, Wallabies, Füchse usw. Die toten Tiere sind teilweise aufgedunsen oder auch schon fast zerfallen und gefressen. In der Luft sind viele Greifvögel, aber auch Raben, Elstern.

((Exkurs:
Etwas Politisch Oekonomie oder Ueberlegungen zur Theorie von Karl Marx

Wenn ich sehe, wie hier in Westaustralien das internationale Geld (Kapital) die Natur ausbeutet und auch auf die Menschen wenig Rücksicht nimmt, so kann ich es mir nicht verkneifen, an die oekonomische Theorie von Karl Marx zu denken. „Das Kapital“ und die „Grundbegriffe der politischen Oekonomie“ (zusammen mit Engels) beschreiben die aktuelle Entwicklung akkurat. Das Geld (Kapital) fliesst nach Marx dahin, wo die Profite etwas grösser sind, als im jeweiligen gesellschaftlichen Durchschnitt. Fällt der Profit unter den Durchschnitt, zieht das Kapital weiter, es ist volatil, beweglich. Verantwortung trägt es ja in diesem Land keine.

Zurück lässt es die unbeweglicheren Teil der Wirtschaft, die Umwelt, die Menschen, wobei letztere seit Generationen gewohnt sind, mit den Verdienstmöglichkeiten mitzuziehen. Das war schon in den verschiedenen Goldräuschen des 19. und 20. Jahrhunderts so. Städte entstanden, blühten für zwei bis drei Jahrzehnte, verfielen.

Minen, die heute grosses Geld abwerfen, wurden vor 40 Jahren gegründet, dann vor 20 Jahren für einen Dollar verkauft und sind jetzt wieder Milliarden wert. Das Geld kommt aus der ganzen Welt, und es geht in die ganze Welt. Die hohen Löhne hier sind lediglich regionale Gestehungskosten. Die Folgen dieser Ausbeutung vor allem der Natur trägt diese, trägt das Land.

Wir kennen ja Analoges, nur werden bei uns nicht die Bodenschätze sondern die Wirtschaftsschätze ausgeplündert. Was Generationen von verantwortungsbewussten Unternehmern und Arbeitern aufgebaut haben, wird im Quartalsrhythmus abgebaut. Ob es die Firma in fünf Jahren noch gibt, ist egal. Hauptsache, das Quartalsergebnis, die Managerlöhne und die Bankerprovisionen stimmen. Waren früher Renditen von 10% gut, müssen es heute 25% sein, sonst werden die Aktien verkloppt und das Geld (Kapital) zieht weiter, auch hier, geht sonst wohin, in die ganze Welt.

Wenn die Beute erlegt ist, werden neue Jagdgründe gesucht. „Raubtierkapitalismus“ nennt das Jean Ziegler, und einmal mehr hat Jean den Begriff gut geprägt. Wir können uns hier vorstellen, wie das z.B. in Afrika abläuft, wo statt eines in Australien immerhin vorhandenen gesetzlichen Rahmens die bare Korruption die Grundlage des wirtschaftlichen Spektakels ist.
Ende des Exkurses))

Boomtown Karratha

Ein Exempel des im Exkurs Gesagten ist Karratha, eine der Städte am Meer, die als wirtschaftliche Brennpunkte des Hinterlandes aktiv sind. Hier kommen die grossen Züge an, von hier aus werden regional die Minen in Tom Price und Paraburoo geführt (die Hauptquartiere, die Headquarters, sind anderswo: Perth für den Westen, Melbourne, London, irgendwo auf der Welt. Ein analoge Funktion für Newman hat die weiter östlich gelegene Stadt Port Hedland, die wir noch besuchen werden.

Karratha hatte in den 80er Jahren 5000 Einwohner, schon damals nicht wenig, als Folge des Booms in den 70ern. Aber es lief wenig, die Immobilienpreise waren am Boden, niemand wollte herkommen. Heute sind es 12'000, und 2040 sollen es 50’000 und mehr sein. 

Bonanza hoch zwei

Ein Immobilienpropekt in der Zeitung verspricht für die nächsten 10 Jahre in der Region 190 Milliarden A$ Investitionen der Minenkonzerne und 53'000 zusätzliche Arbeitsplätze. Die Baukosten sind 1,8 mal so hoch wie in Perth. Es fehlen aktuell in Karratha 1500 Häuser, bis 2015 sollen 4380 gebaut werden (Mehrfamilienhäuser kennt man hier nicht). Die Immoblienpreise stiegen in den letzten 10 Jahren in Perth im Schnitt um 10%, hier um 14%, die Kaspitalrendite in Immobilien war in Perth 2011 4,7%, hier 11%. Hotelpreise (gute, aber nicht Luxuskästen, die es hier nicht gibt) liegen im Schnitt bei 376 $ pro Nacht und Zimmer.

Die Investitionen der Konzerne sind auf 55 Jahre angelegt, so lange sollen die Erzvorräte noch halten; die Gasvorräte reichen noch 40 Jahre.

Die Häuserpreise liegen in der Gegend um knapp eine Million (einfachere auch ab 650'000), nach oben offen. Arbeiter müssen entweder Häuser mieten oder kaufen oder in Barackensiedlungen, Wohnwagen usw. leben. Die Mieten sind exorbitant. Wochenpreise (Monatsmieten werden nicht ausgeschrieben) beginnen bei 1200 $ (wenige), die meisten liegen zwischen 1500 und 2000$, aber auch Angebote von 5000 $ sind da. Stadt Zürich lässt grüssen.

Alle holen ab

Alle Preise hier sind hoch, in den Geschäften, in Werkstätten, in Restaurants. Das Geld sitzt eben locker, „Reservebildung“ kann nicht in die Sprache eines Landes übersetzt werden, in dem fast alles irgendwie im Ueberfluss da ist, angefangen vom Land (in Karratha nicht Bauland!) über die Ressourcen. Der Lebensstil ist, begünstigt durch das warme Klima, locker, auf Freizeit ausgerichtet, sprich Wassersport und Bar. Jeder kann sich ein schönes Auto leisten, ein Boot für das Fischen.

Eben fährt so ein Geländewagen mit grossem angehängtem Boot neben uns auf den Campingplatz. Am Steuer ein junger, kräftiger Mann, ärmelloses Unterhemd, grosse Tätowierung auf dem muskulösen Oberarm. Der Kumpel, der ihn einweist hat eine Bierbüchse in der Hand, ohne geht es nicht. Sie stellen ihr Zelt auf. Sie haben wohl einige Tage frei und gehen hier in Point Samson fischen. Beim Zeltplatz hat es ein Restaurant mit einer schönen Bar, die werden sie dann heute Abend besuchen. Pilbara wie es leibt und lebt.

30'000 Jahre

Bei Dampier gibt es eine berühmte Stätte von Petroglyphen der Ureinwohner. Das sind keine Felsmalereien sondern Einritzungen oder Abschabungen auf Felsen. Wir wandern zuerst über eine Wiese, inmitten von Hügeln aus vielen eckigen Felsbrocken. Von Weitem sehen sie aus wie grosse Schotterlager der SBB. Wir müssen wieder mal über Stock und Stein. Denn die Ureinwohner wollen keine „autobahnmässige“, leicht zugängliche Erschliessung, und das ist gut so, es gibt weniger Wandalismus auf diese Art.

Es geht ein Bachbett hoch, und wir sehen nichts. Nicht weil nichts da wäre, sondern weil wir etwas anderes erwartet haben. Es heisst zwar „Deep Gorge“, tiefe Schlucht. Aber es hat keine steilen Wände auf denen dann Bilder zu sehen wären. sondern es ist mehr ein Töbeli, ein Bachbett eben, an dessen Rand die vielen Steine liegen wie die Verwitterung sie hinterlassen hat. Und auf diesen erkennen wir plötzlich die Zeichnungen. Viele, immer wieder andere.


 



 Unsere Informationen sagen, dass die Bilder seit 30'000 bis 20'000 Jahren entstanden sind, immer wieder, bis die Ankunft der Europäer vor 400 Jahren dem ein Ende gemacht haben. Es ist schon eindrücklich, durch eine Bildergalerie dieses Alters zu stolpern (gehen ist mühsam hier). Im Internet lese ich, dass die wirtschaftliche Entwicklung das Gebiet bedroht. Das Erdgaslager ist keinen Kilometer Luftlinie weit weg.

Pneu
In Karratha haben wir das erste Mal seit der Abreise aus der Schweiz ein Pneu-Problem: Auf dem Parkplatz sehe ich plötzlich am Vorderrad links direkt über der Felge einen Geschwulst von knapp Faustgrösse. Also nichts wie hin zum Reifenhändler. Der sagt, da sei die Wand des Reifens verletzt, ich sei wohl irgendwo angestossen. Ich kann mich nicht erinnern, aber ausgetauscht werden muss der Reifen doch. Er wird in Perth bestellt, kommt in einem Tag per Lastwagenfuhre, und wir können ihn zwei Tage später abholen. Gemacht. Und da das Reserverad brandneu ist, haben wir zwei neue Vorderpneus!

Geisterstadt

Auf dem Weg ans Meer in Point Samson, wo wir die Wartezeit am Meer verbringen, besuchen wir eine der vielen Geisterstädte: Cossack. Cossack war Perlenstation und Hafen nördlich von Roeburne, dem Verwaltungszentrum der Gegend im 19. Jahrhundert (heute neben Karratha unbedeutend, starke Ureinwohner-Bevölkerung). Cossack wurde auf einer Halbinsel im Mangrovenland gegründet, weil in der Nähe Perlen entdeckt wurden.

Es hatte eine kurze Blüte, bis ein grosser Zyklon 1898 die Stadt von 400 Einwohnern mehr oder weniger flach legte. Heute sind nur noch wenige Steinhäuser zu besichtigen, denn nachdem der Hafen, der hier ungünstig war, nach Norden, nach Point Samson, verlegt wurde, zerfiel alles, die letzten Einwohner sind vor 60 Jahren ausgezogen.



In der Perlenfischerei waren viele Japaner als Unternehmer und Taucher tätig. Es gibt einen japanischen Friedhof neben dem australischen. Und auf den Perlfischern wurden auch Ureinwohner gefangen gehalten und zum Tauchen gezwungen. Die Perlfischer und auch die Farmer haben sie gejagt wie Wild, gefangen und versklavt. Die Spannungen spüren wir heute noch. Die Ureinwohner sind geprägt von Traurigkeit und latenter Aggression.

Australischer Charakter

Hier in Pilbara haben wir eine weitere Facette des australischen Charakters kennen gelernt: Die Anpassungsfähigkeit, das Achselzucken gegenüber möglichen zukünftigen Problemen. Wenn es uns heute gut geht, werden wir das auch morgen packen. Wurzeln sind wenig da, die Beweglichkeit ist gross. Heute hier, morgen dort, es wird schon schief gehen.

Das scheint mir eine der Stärken dieser Nation zu sein, die Stärke einer Einwanderergesellschaft, in der der Einwanderer nicht gefragt wird: Was warst du? sondern Was bist du? Er muss sich durchsetzen, musste sich immer durchsetzen, egal woher er kam.


22.5.12 / JB.