Montag, 26. September 2011

2-III Tokyo

Reiseorganisation im Shikansen-Tempo Wir sind gut gelandet, und jetzt im Hotel. Dazwischen haben wir den ganzen Japanaufenthalt organisiert, in gut 2 Stunden: Geld wechseln bzw. am Automaten rauslassen, Telifönli mieten, Hotelzimmer buchen, Zugsbillete kaufen, in den Zug in die Stadt einsteigen. Das alles konnten wir am Flughafen machen, wo es ein ausgezeichnetes offizielles Reisebüro gibt, das kostenlos alles nach Wunsch arrangiert.

Wir hatten ja nur das Hotel in der Stadt per Internet gebucht, angenehm, nicht zu teuer, gut gelegen an der U-Bahn nahe dem Zentrum. Und den Abflug von Fukuoka („Fukoka“ sprechen sie das aus, und sie haben immer auf den Stockzähnen (wohl ganzen!) gelacht, wenn der Baumberger „Fukuoka“ gesagt hat, also von „Fukoka“ aus nach Peking am 4.10., den haben wir auch schon in der Tasche. Aber dazwischen? Nach Kyoto wollten wir und in einem Ryokan, einem traditionellen japanischen Hotel, übernachten, wenn wir uns das leisten konnten.

Denn, was wir im Internet fanden, war abschreckend teuer: über 500 Franken pro Nacht, nach oben offen in den vierstelligen Bereich.

Also haben wir uns an die Damen gewandt. Diese meinten, da sei schon was zu machen. Zuerst legten wir fest, dass wir 5 Nächte in Kyoto bleiben wollten, von wo aus wir dann die alte Hauptstadt Nara (also noch eine Hauptstadt, nach Kyoto und eben heute Tokyo) und Osaka in Tagesausflügen besuchen wollen.

Garden-View
Die Damen suchten nach einem Ryokan und wurden fündig: für knapp 200 Franken für 2 Personen im zahlbaren Bereich. Es ist ein Haus mit langer Tradition: seit 1884 beherbergen sie Gäste, als sie einen Mönch unter ihr Dach aufnahmen. Wir haben zugeschlagen, und wir freuen uns darauf, hat uns doch gerade auch ein Kenner Japans, gell Hans Uli, nochmals den Ryokan ans Herz gelegt, da man sonst nicht richtig in Japan gewesen sei. Ihr könnt’s Euch ansehen: www.matsubayainn.com, dann unten auf „English“, dann auf Room-Types&Charges und unter B-Type findet Ihr, was uns erwartet. Wir haben noch „Garden-View“, also Aussicht in den Garten,  und als Besitzer eines durch die japanische Gartenkunst beeinflussten Gartens freuen wir uns darauf.

Shinkansen
Reisen tun wir mit dem Zug, und zwar dem Schnellzug, dem Shinkansen, dem Vorbild aller Hochgeschwindigkeitszüge. Von Tokyo nach Kyoto sind es Luftlinie 365 Kilometer, dafür braucht er zweieinhalb Stunden, von Kyoto nach Fukuoka Luftlinie 520 Kilometer, da sind es zweidreiviertel Stunden. Kosten tut das Ganze 300 Franken pro Person. Das kam mir sehr teurer vor, aber Elo meinte, das sei im Verhältnis zum Kilometerpreis in der Schweiz noch günstig.

Die Billets haben wir einen Stock tiefer gekauft. Da war eine nette Dame, die die Ausländer beriet und schaute, dass sie auch die günstigste Lösung bekamen: Ein Direktbillet statt zwei Teilbillets. Dabei, und das erklärte sie mir ausführlich, ist es wichtig, dass wir in Kyoto die Karten nicht durch die Entwertungsmaschine lassen, sondern zum Personal gehen und erklären, wir würden unterbrechen.

Ausserordentlich freundlich und hilfsbereit
Ganz allgemein haben wir am ersten Tag die Japanerinnen und Japaner sehr freundlich, hilfsbereit und effizient erlebt. Sie sind humorvoll gewesen und haben positiv auf meine flotten Sprüche reagiert – vielleicht gehört das einfach zur Gastfreundschaft. Aber – so meine ich – witzig sind die Sprüche ja allemal. (Diese meine Ansicht ist nicht durch meine verehrten Gattin abgesichert, steht also etwas ungeschützt im gedanklichen Raum!)

Geheizter Hintern
Das Hotel ist, wie gesagt, in Ordnung, gut, mit dienstbereiten Leuten am Empfang usw. Aber eines ist speziell. Wir sind ja schon weit herumgekommen, aber einen geheizten WC-Sitz hatten wir bis heute noch nie! Komisches Gefühl. Ueberhaupt haben es die fernöstlichen Toiletten mit den eingebauten Waschanlagen in sich. Bei der Familie Lee in Seoul hat Elo den Lichtschalter gesucht und dabei die Sprinkelanlage für den Hinterteil in Betrieb gesetzt. Die Uebeschwemmung hielt sich in Grenzen! Und das Licht hat sie dann auch noch gefunden: im Gang vor dem Bad.

Weiter im Text
Damit nicht genug der fernöstlichen Ueberraschungen.

Heute Sonntag waren wir im Stadtteil Shibuya.

Wir besuchten dann den Schrein zum Gedenken des Meiji-Kaisers, der von 1868 bis 1912 regierte und den Uebergang Japan in die Neuzeit durchsetzte. Er verlegte die Hauptstadt von Kyoto nach Yedo, das er in Tokyo (östliche Hauptstadt) umbenannte. Der Schrein, in einem schönen grossen Park gelegen, ist ein nationales Heiligtum, und an einem Sonntag wie heute, wird er stark besucht. Dass der Meiji - Kaiser auch der Begründer des aggressiven japanischen Imperialismus war, der China und ganz Südostasien unterjochen wollte und Pearl Harbour in Hawaii bombardierte, liess sich in unserem Bewusstsein aber nie ganz verdrängen.

Wir assen im Snack-Restaurant eine Schüssel ausgezeichnete Nudelsuppe. Dann habe ich mir zum Dessert ein Erdbeerglacé gegönnt. Allerdings hatte ich schon besseres, aber gekauft ist auch gegessen. Als wir dann durch einen Markt mit biologischen Produkten gingen und dort einen Becher Sauvignon Blanc aus Frankreich kauften, meinte Elo, der sei doch wohl besser als das eben von mir verspiesene TOMATEN-Glacé!

Ich hatte einfach auf das rote Bild getippt, ohne zu lesen, und da ich sicher war, dass das Erdbeer sein musste, war es auch Erdbeer. Punktum, Streusand. Des Menschen Wille ist sein Himmelreich, meinte mein Schwiegervater in solchen Situationen. Und Elo, die kein Eis wollte und schon gar kein Tomateneis, dachte sich, solange er es isst, ist es ja gut.

Der Wein und die Brissago dazu haben dann das alles wieder ausgebügelt.

Sonntagsvergnügen
Wir sind auf dem Weg in den Schrein durch einen benachbarten Park gewandert, der voll von Leuten war, die joggten (auch Blinde mit jeweils einem Führer), Velo fuhren (gross und klein), picknickten, spazierten, ausruhten.

Vor dem Park war ein Markt „Incredible India“, mit Ständen und Beizen und Informationspunkten über Indien. Auf der Open-Air-Bühne sahen wir eine japanische Trommel-Gruppe, in der auch Kinder mitwirkten. Der Rhythmus war mitreissend.




Im Schrein sahen wir zwei hochvornehme Hochzeiten, Braut und Bräuterich in traditionellen Kleidern, die Gesellschaft piekfein angezogen, mit Shinto-Priestern und aufgebaut für das Erinnerungsbild.





Zurück in der Stadt waren die Strassen voll von flanierenden Paaren, Familien, Einzelgängern. Wir haben eingekauft, denn die eine Reisetasche, die wir in Vladivostok auf dem Markt günstig gekauft hatten, war einfach nur billig. Sie ist uns gestern Nachmittag vor dem Hotel quasi zusammengebrochen. Jetzt haben wir Ersatz.



Voller Erfolg
Das mit dem Senden der japanischen Telefonnummer an alle Blogbezieher war ein voller Erfolg. Wir haben Anrufe aus 5 Ländern und 3 Kontinenten bekommen. Dazu noch SMSs. Alle diese Kontakte freuen uns sehr, denn die Stimmen mündlich und schriftlich tun gut. Die SMS können wir allerdings mit diesem Dampftelefönli nicht beantworten, aber auch sie sind liebe Zeichen von guten Freunden!

Die Japaner sind übrigens weniger Natel-verrückt als die Koreaner. Von 6 uns in der Metro gegenüber sitzenden Japanerinnen und Japanern haben es nur 2-3 in der Hand. Dabei sind durchaus auch noch alte Modelle zu sehen. Und es werden sogar Bücher gelesen beim stundenlangen zugfahren.

Meiji und Modernisierung

Der Kaiser Meiji, dessen Schrein wir heute besucht haben, hat mich im Zusammenhang mit der Modernisierung Chinas (Thema meiner Doktorarbeit) immer wieder beschäftigt. Deshalb sei hier ein kleiner historischer Exkurs erlaubt.
Das gesamte 19. Jahrhundert (zum Teil schon zuvor) waren China und Japan mit einer westlichen Herausforderung konfrontiert. Die in sich geschlossenen, der (konfuzianischen) Tradition verhafteten Gesellschaften sahen sich modernen industrialisierten und militarisierten Gesellschaften wie England, Frankreich, Deutschland, Amerika, Holland gegenüber, die mit allen Mitteln den freien Welthandel erzwingen wollten. Sowohl Japan als auch China wehrten sich zunächst dagegen, ihre Häfen den ausländischen Teufeln zu öffnen. Beide Länder aber erkannten, dass sie den Westen nur mit seinen eigenen Mitteln schlagen konnten, nach dem Motto: die eigene Tradition ist Grundlage, aber aus dem Westen übernehmen, was gut und notwendig erscheint.

Der japanische Kaiser Meiji führte ab Mitte des 19. Jahrhunderts in diesem Sinne Reformen durch. Da vom Kaiser selbst als richtig und notwendig erachtet, wurden die Reformen auch umgesetzt. Zudem gab Meiji selbst ein Vorbild: Er und seine Gemahlin kleideten sich im westlichen Stil und assen auch westliche Gerichte. (Das scheint unwesentlich zu sein, ist aber entscheidend für Denken und Verhalten). Die Reformen waren erfolgreich.

Die Folge der Meiji-Reformen war eine rasche Modernisierung und Industrialisierung. In Verbindung mit Japans militärischer Tradition (Shogunat/Samurai) entwickelte sich daraus eine unheilige Allianz zwischen Militär und Industrie, die zu einem aggressiven Imperialismus führte. Das äusserte sich in den 30er und 40er Jahren des letzten Jahrhunderts.

Vermutlich spielt diese Tradition heute noch in den grossen Firmen. Die unheilige Verbindung zwischen Wirtschaft und Politik zeigte sich ja auch in der Bewältigung der Krise von Fukushima.

Spätes Erwachen Chinas
In China gab es ab Mitte des 19. Jahrhunderts ähnliche Reformanstrengungen wie in Japan. Die „Selbsterstarkungsbewegung“ und die Reformbewegung von 1898 scheiterten aber kläglich. Das lag an der Schwäche der letzten Dynastie und an den inneren Unruhen in China (Taiping und Boxer).

So wurden Reformen wie die Erneuerung und Professionalisierung des Beamtenapparates, des Erziehungswesens und der Wirtschaft nicht durchgesetzt, nur ansatzweise oder zu spät angegangen. Das Ergebnis war, dass westliche Mächte die Öffnung von Chinas Häfen erzwangen, England Hongkong annektierte und das auf dem Festland gegenüber gelegen Kowloon für 99 Jahre pachtete, Shanghai in ausländische Konzessionen aufgeteilt wurde etc. 1911 wurde dann die letzte Dynastie gestürzt, gefolgt von der Herrschaft der Kriegsherren, von Bürgerkriegen und dem Krieg gegen Japan.

Beruhigung und „Modernisierung“ gab es erst ab 1949 (zu einer Zeit als Japan seine Niederlage im Zweiten Weltkrieg schon bewältigt hatte und mit dem Wiederaufbau begann). Mit den „vier Modernisierungen“ und den Reformen Deng Xiaopings hat China ab 1978 enorm aufgeholt. Der Abstand zwischen Japan und China wird immer geringer – er scheint mir noch vorhanden. (eb)

Stadtleben
Heute Montag waren wir in der Stadt. Wir sind viel Metro gefahren, die praktisch, zuverlässig und gross ist. Wir können auch schon umsteigen, wobei in den Stationen mit mehreren Linien viel Weg zu laufen ist. Aber wir haben uns nicht verfahren.

Zuerst fuhren wir in den Stadteil Asakusa im Nordosten.

Hier gibt es eine Einkaufsstrasse im Stil der alten Hauptstadt Edo. Auch viele Läden stammen aus dieser Zeit. Auffallend ist die grosse Zahl der Zuckerbäcker, die ihre Produkte von Hand oder maschinell direkt im Laden herstellen. Sonst überwiegen die Souvenir-Shops. Ich erhielt ein Vanille-Erdbeer-Glacé, damit ich den Flop des Vortags vergesse. Essen musste ich es vor dem Geschäft zusammen mit anderen Leidensgenossen, denn flanierend darf so was nicht geschehen. Es ist ja auch etwas wie ein Open-Air-Museum, und da muss Ordnung sein!

In der Haupothalle des Sensoji-Tempels

Anschliessen an die Strasse liegt der Sensoji-Tempel. Es ist der „älteste“ in Tokyo, begründet im Jahr 628. Aber nach verschiedenen früheren Beschädigungen und Zerstörungen wurde er 1945 im Weltkrieg endgültig zusammengehauen. 1968 wurde er wieder aufgebaut, in Eisenbeton, wie die Hinweistafel anscheinend mit Stolz bezeugt.



Bad Joss

Aber das Gelände ist schön, mit kleinen Sakralbauten und Gräbern, und die Japanerinnen und Japaner beten, spenden Weihrauch und lassen sich mit Stäbliorakeln die Zukunft deuten. Du nimmst, nachdem du den Obolus von 100 Yen (einem Euro) abgeliefert hast, eine grosse Büchse mit einem oben seitlich angebrachtem Loch, ähnlich einem modernen Zahnstocherbehälter in der Beiz, schüttelst ihn und drehst ihn. Dann kommt ein Stäbli raus mit einer japanisch geschriebenen Zahl drauf. (Die ist wie Chinesisch, wir können sie lesen). Du öffnest das Schublädli mit der entsprechenden Zahl und entnimmst die Weissagung (englische Uebersetzung steht drauf.

 
Auch ich habe mir die Zukunft deuten lassen, mit einem Resultat, das mich in ebendieser (Zukunft) davon abhalten wird, das nochmals zu tun. „Bad joss“, schlechtes Glück, war das Erste, was mir in die Augen sprang. Dann kam es knüppeldick: Mir würden die Diener davonlaufen, ich würde krank und einsam, und – das Grösste! – ich dürfte keinerlei Reisen unternehmen. Ich habe dann den Zettel einem der Arbeiter gegeben, die den Tempel sauber halten, und dabei (leise) gesagt, ich würde ihm auch mein Bad Joss mitgeben. Wird wohl helfen.

Tokyos Bahnhofsstrasse

Das Ginza-Quartier im Zentrum Tokyos ist, was die Bahnhofsstrasse in Zürich. Nur grösser und vielleicht auch im Durchschnitt qualitativ hochstehender. Wir sind in ein alteingesessenes Warenhaus mitten in Ginza, das Mitsukoshi. Da finden sich auf 3 Stockwerken unter und 9 über dem Boden alles, was an luxuriöser Lebenshaltung zu finden ist. Lebensmittel, Kleider für Frauen, Kinder und Männer, Schuhe, Möbel und Teppiche, Geschirr, Küchenartikel usw. usf. Darüber auf drei Stockwerke Kulinarik. Zuerst eine Terasse mit einem guten Angebot an schnellen Snacks. Dann auf zwei Stockwerken Restaurants mit allen Varianten der japanischen Küche.

Sogar die Löschanschlüsse für die Feuerwehr sind edel


Wir haben in einem Restaurant, das ähnlich den südchinesischen Dim Sum-Gaststätten gekochten und gedämpfte Kleinigkeiten anbietet, zu Mittag gegessen. Es gab nicht die ganze Karte, sondern über Mittag nur zwei Menues zur Auswahl. Wir haben uns eines geteilt, und die 5 Gänge haben völlig ausgereicht. Der Hauptgang Scharfe Nudelsuppe mit Sesam war so gross und gut, dass wir auch schon das Abendessen eingenommen hatten. Nicht aber die Abendgetränke, denn da reichen zwei kleine Bier und ein grüner Tee denn doch nicht!

Nieselregenprogramm
Es regnete jetzt leicht. Wir suchten also Dach über dem Kopf. Im Sony-Haus liessen wir uns  in die neuesten Neuigkeiten der japanischen Elektronik einführen, aber das war so ganz neu nicht.

Jetzt war genug geshoppt, aber noch nicht genug gesehen. Wir fuhren mit der U-Bahn zum nahe des Hafens gelegenen World-Trade-Centre (heisst so!) mit seinem auf 152 Metern gelegenen „Observatory“, das hier keine Sternwarte sondern eine Art Plattform ist, von der aus wir die ganze Stadt sehen konnten: Gedeckt, verglast, klimatisiert und mit rundrum Fenstern. Phantastisch!



 
Anschliessend gingen wir einen Stock runter in den 39. und tranken ein Glas Weisswein und beobachteten, wie die Stadt sich quasi schlafen legte, auch wenn sie natürlich nie schläft.






Heute geht’s mit dem Shinkansen nach Kyoto.
27.9. ejb

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