Rohfischorgie Wir haben vertilgt: 3 Fische, 3 Seeigel, 1grosse Muschelschnecke – alles roh! Die Finger riechen immer noch etwas danach. (Jetzt nicht mehr: gewaschen.)
Aber der Reihe nach:
Nach einem Tag im Zimmer, auch wenn es schön ist, bekommst Du etwas wie Klaustrophobie. Also gehen wir um 17 Uhr, als der Regen etwas nachlässt, raus, mit dem Ziel, in der Nähe des Hafens etwas zum Essen zu finden. Nachdem wir als Versicherung gegen den Regen zwei kleine Schirme gekauft haben – es hat genützt – und an der in der Nähe des Hafens gelegenen Busstation das Bus-Ticket für morgen um 9h, gehen wir los in Richtung Hafen.
Die am Wege liegenden Beizen mit den vielen frischen, in Vivarien schwimmenden Fischen ignorieren wir. Ich habe noch im Kopf, dass die Frau von der Touristeninformation gesagt hatte, Sokcho sei in Korea der berühmteste Ort für rohen Fisch.
Wir laufen also bis ans Ende des Hafens, und es lohnt sich. Dort kommen wir an ein grosses Gebäude, das an einen Hafenzoll erinnert: knapp 100 Meter breit, zweistöckig und hell beleuchtet. Wir sind nicht die einzigen, die da hin gehen, wohl aber die einzigen, die zu Fuss kommen.
Vor dem Gebäude sind über die ganze Breite flache Vivarien aufgereiht, versorgt mit Frischwasser, drei bis vier Reihen tief, voll von Fischen und Meeresfrüchten. Hinter jeder Reihe ist etwas wie ein Laden. Wir sehen, dass die Leute Fische und anderes kaufen, die dann in einen Korb kommen, wo sie oft zappelen, so sie denn dazu ausgerüstet sind (die Seeigel z.B. nicht).
Saschemi? Saschemi!
Eine Fischhändlerin kommt auf uns zu und fragt uns: „Sashemi?“, also: rohen Fisch? Wir bejahen, sie zeigt uns 3 10’000er-Noten, ich nicke. Sie beginnt auszusuchen, was wir ihr überlassen. Es sind eben die drei Fische mittlerer Grösse, 3 Seeigel und 1 grosse Schneckenmuschel. Mit den Fischen im flachen Korb winkt sie uns in den Laden. Dort sind weitere Fischbehälter zu sehen. Dahinter ist dann eine Art Arbeitsraum, in dem 3 Frauen sitzen. Diese nehmen unsere „Beute“, töten sie, nehmen sie aus, und zerlegen sie in kleine Stücke. Frischer kann Fisch nicht sein.
Dann fragt uns die Frau noch, ob wir Wasabi, die scharfe grüne Meerrettichpaste, rote Sauce mit Soja und Salat- und Gemüseblätter zum Einwickeln des Fisches und dann so essen wollen. Das ist inbegriffen, und vom Wasabi gibt es eine ganze Tube, die uns zuhause für ein Jahr reicht!
Alles durchorganisiert
Dann werden wir von der Fischhändlerin in den ersten Stock geführt und an einen Tisch platziert. Die beiden Körbe mit dem Fisch etc. und den Beilagen kommen zwischen uns, es gibt einen Becher für Wasser oder (für mich) Bier, das ich kaufe, Stäbchen, eine Flasche Sojasauce und ein zweigeteiltesTellerchen aus Styropor, in das wir Sojasauce und Wasabi tun. Neben jedem Sitzplatz ist auch noch ein einflammiger Gaskocher, auf dem wir uns eine Suppe hätten zubereiten können, hätten wir die entsprechenden Zutaten wie Fischköpfe und Krebse besorgt gehabt. Die Pfannen würden geliefert.
Wir lassen es uns schmecken.
(Die Bilder stammen aus Busan, ich bin ohne Kamera ausgerückt!)
Viva Italia
Auf dem Heimweg laufen wir noch durch die Stadt, die auf den zweiten Blick einen viel besseren Eindruck macht, als im Regen. Wie halt in der Nacht alle Katzen grau sind, sind Städte im Regen nichts Amächeliges! In einem der vielen Cafés, die es in Korea gibt, kehren wir noch ein. Ich esse ein sehr gutes Glacé, beide trinken einen Espresso. In Südkorea gibt es wesentlich mehr Cafés all’Italiana als Starbucks-Schuppen mit „Kaffee“ im Karton. Daher:
Italien und die italienischen Kaffeemaschinen-Bauer haben mit der Verbreitung italienischer Kaffee-Kultur ein unbestreitbares kulturelles Verdienst.
Wechselgeld
Bewegt haben wir uns in der Stadt mit öffentlichen Bussen. Das ist ganz einfach: Du steigst ein und wirfst, egal wie weit du mit der Linie fährst, pro Person 1000 Won (75 Rappen) in einen Plastikkasten neben dem Chauffeur. Das hat immer gut geklappt, ausser einmal. Als ich gestern einmal einwarf, hat es unter dem Plastikkasten plötzlich langsam aber stetig zu scheppern begonnen: Klack, klack, klack… und nicht mehr aufgehört. Die 1000er und die 10000er haben fast die gleiche Farbe, und ich habe statt 2000 11'000 eingeworfen. Der Chauffeur gibt das Retourgeld, indem er auf eine Taste drückt. Er kann nur Münzen rausgeben, und die grösste ist 500. Also musste er 18 Mal drücken, und ich musste 18 500er einstecken. Der ganze Bus hat gelacht, und ich bin etwas schief gegangen, bis ich die Last wieder los war.
Heimweh
Heute Abend stand uns der Sinn nach etwas Luxus, oder wie Jürg meinte, nach einem „decent meal“. Wir liefen etwa eine halbe Stunde bis zum Hotel „Hilton“. Meine Sorge, in Jeans und Turnschuhen würden wir in dem noblen Schuppen abgewiesen, erwies sich als unbegründet. Als wir nach dem Restaurant fragten, meinte der Portier nur: „Welches?“ Japanisch und chinesisch werden wir demnächst im Original haben, italienisch geniessen wir lieber in Italien oder in der Schweiz. Also Buffet-Dinner! Wir wussten ja nicht, dass sie hier gerade Oktoberfest feiern, mit deutschem Bier und deutschem Essen. Allerdings war ausser dem Schweinebauch und den Rippchen nichts Deutsches auszumachen. Das Buffet bot alles von Sushi, über Roastbeef und koreanischem Essen bis zu Früchten und Desserts. Wir legten auch einen Gang Spaghetti Bolognese ein. Dazu tranken wir einen chilenischen Chardonnay.
Wir liessen es uns gut gehen, liessen Vergangenes passieren, planten für die zukünftigen Ziele. Dabei waren wir uns einig, dass auch nach fast drei Monaten auf Reisen sein, wir keinen einzigen Augenblick Heimweh hatten.
Aber als wir das Restaurant verliessen, übermannte es mich dann doch schier ,das Heimweh. Neben Werbung für deutsches Bier und deutschen Wein lag in russisch und koreanisch ein Prospekt „Frankfurt welcomes you“. Die schönen Bilder! Auf dem Stadtplan der Innenstadt war zwar die Deutschordenstrasse knapp nicht mehr drauf, dafür auf dem Verkehrsplan die Haltestelle „Frauenhofstrasse“. Und wo wir zur Schule gegangen sind (Brigitte, Ulla) war auch leicht zu finden. So hat mich denn die Nostalgie doch wieder eingeholt! (eb)
Schlemmen
Wie Elo beschreibt, heute wäre ein Abend zum Besaufen gewesen. Aber ich hielt an mich und bestellte zum Espresso in der Hotlellobby keinen zweiten Single Malt (Glenlivet) mehr.
Aussicht aus dem Hotelzimmer
Wir hatten einen schönen Tag und besuchten in der alten Königsstadt Gyeongju (300 – 900 n.Chr.) Hügelgräber, einen Eiskeller, einen uralten Wald, einen Sommerpalast mit künstlichem See, das Nationalmuseum, Tempel usw.
Wir latschten uns die Füsse wund, es war windig, aber trocken bis schön. Da hatten wir doch ein gutes Essen verdient.
Auf der Rückfahrt von der Stadt und den Sehenswürdigkeiten nehmen wir den Bus. Der aber fährt in eine ganz andere Richtung, als ich denke. Es ist schön, passieren kann nichts, ausser wir müssen das wieder zurück, und für einen Franken kannst du nichts sagen. Aber dann merken wir, dass es ein Rundkurs ist, der uns mit einem grossen Umweg zum Ziel bringt. Sightseeing kostenlos, ausser einigen Momenten der Unsicherrheit.
Mit über 300 km/h
Hierher sind wir mit der Koreanischen Schnellbahn KTX gekommen. Durch fast ganz Südkorea in 2 Stunden. Diese Bahn heisst hier KTX und fährt mit über 300 Kilometern pro Stunde. Die Geleise sind meist neu gebaut, und wir merken nichts von der Geschwindigkeit.
Familienanschluss In Seoul waren wir zu Gast bei der Familie von Kang Woo Lee. Die Frau heisst Seung Ja Kim, und sie ist die Schwester eines verstorbenen Studienfreundes aus Deutschland, Chon Yul Kim. Wir hatten sie an seiner Beerdigung in Lünen kennengelernt und sie lud uns für einen Tag zu sich ein. Das Ehepaar, die Söhne sind ausgeflogen, bewohnt eine schöne grosse Wohnung in einem Vorort von Seoul, in einem dieser eng beieinander stehenden Wolkenkratzer. Wenn man in der Wohnung ist, fühlt man sich nicht so beengt, da zwischen den Häusern in der Regel ein relativ grosser freier Raum liegt. Aber dicht besiedelt ist das Ganze schon.
Und um dahin und dann am nächsten Tag wieder zum Bahnhof zu kommen, wohin uns Kang Wo, ein emeritierter Professor für Werbewissenschaft (Advertisment) brachte, fährt man durch ein veritables Gewirr von Autobahnen.
Seoul ist, wie Hansjörg am Telefon sagt, ein veritabler Moloch, ein Gewirr von Stadt, Städten und Vorstädten, die sich für uns gleichen, wie ein Ei dem anderen, von 4-, 6-, 8-, 10-spurigen Autobahnen mit höchst komplizierten Verzweigungen und Kreuzen, ein wahres Labyrint. Wie man sich da zurecht findet, habe ich nicht heraus bekommen. Und auch die Nichte Yoo Mi Lee (Yümi), die uns am ersten Tag zusammen mit ihrem Neffen, dem Studenten Seok Wo Lee (Sogu,) herumführte, verfuhr sich und musste, als wir ein Restaurant „auf dem Land“, d.h. in den Hügeln, suchten, mehrfach nachfragen.
Elo, Song Ja, Yumi, Sogu
Für uns übersetze ich das so:
Wir haben die Schweiz verlassen, und wir können die Länder, die wir bereisen, wieder verlassen, haben schon viele wieder verlassen, und es werden noch einige sein, bis wir wieder in der Schweiz sind. That’s why travelling is so exciting!
Aussicht von der Grotte
(Ist gar nicht schlimm, vielleicht, weil wir am Schluss noch am See etwa zwei Kilometer flach gelaufen sind, um einen Sundowner, einen Apéro an der Sonne, mit Brissago, zu geniessen. Die Getränke waren bescheiden: Eistee und Bier, aber die Stimmung um so besser.)
Alles in allem ist Gyeong sehr schön, ein lohnendes Ziel, wenn man in Korea ist. Morgen fahren wir mit dem Bus in die Hafenstadt Busan.
ÖV perfekt und billig
Wo ist der Chauffeur?
Der ÖV ist wirklich sehr gut organisiert, pünktlich, bequem, freundlich und günstig. Die Bahnfahrt im Hochgeschwindigkeitszug hat nur 35 Franken pro Person gekostet, die Qualität des Zugs war 1A, fast wie vom SVP-Nationalrat aus Bussnang.
Busan? Busan!
Elo ist in den Sinn gekommen, wie wir uns mal auf dem Flughafen in Peking gefragt haben, was für eine internationale Destination „Busan“ denn wohl sei. Unsere Unwissenheit sei entschuldigt, die Stadt hat ja auch nur 2,5 Millionen Einwohner! Und es ist eine schöne und sehr lebhafte Metropole am Südzipfel der koreanischen Halbinsel
Auch wenn ich uns mittlerweile nicht mehr als Touristen bezeichnen würde, sondern als Reisende (nicht: Handlungsreisende!), machen wir doch immer wieder Tourismus. Unser Hotel liegt 300 Meter vom Sandstrand des Stadtteils Hyundae entfernt. Im Sommer muss es kriminell sein, wir haben ein Bild im Tourismusbüro gesehen, wo wir uns schlau gemacht haben: Ich glaube, die liegen dann auch im Wasser noch mehrstöckig übereinander.
Aber jetzt war es einfach schön: Das Wasser etwa 23 – 25 Grad, schöne Sonne, angenehmer Sand. Wir sind auf jeden Fall rein, nachdem wir uns mit Hilfe eines kleinen Agfa-Handtuchs nicht ganz jugendfrei umgezogen hatten. Ein schönes Schwimmen.
Dann sind wir mit dem Bus 1003 für 1.50 eine Stunde ins Quartier des Hafens gefahren. Da haben wir auf einem grossen Markt zwei Sachen ersetzt: Elos Handtasche und meine Turnschuhe.
Einmal Rohfisch reicht
Schliesslich sind wir noch auf den Fischmarkt, wo ich doch noch Bilder von der Rohfischsache (s.o.) schiessen konnte. Essen werden wir zwar Fisch, aber in einem bekannten Restaurant hier in der Umgebung. „Einmal Rohfisch reicht!“, meinte Elo, als die Damen im Tourist Office uns diese Gaumenfreude ans Herz legen wollten.
Also ganz generell: „En Guete!“
Morgen geht es weiter nach Tokyo.
PS. Tempores mutantur et nos mutamur in illis – oder vom allgemeinen Zerfall alles Materiellen und damit auch des Schreibenden
Fast hätt’ ich’s vergessen:
Der Mensch ist vergänglich, wir wissen’s hinlänglich.
Dass er dabei im Alter sozusagen „verbrösmelet“ (zerbröselt, für die Leser nördlich des Hochrheins), ist eine eher unangenehme Erfahrung, die ich eben allhier wieder gemacht habe. Das Amazonaserlebnis von letztem November wiederholte sich. Während ich damals einem Glacé unterstellte, eine Nussschale eingebaut gehabt zu haben, war es diesmal Trockenfisch. Der Irrtum war derselbe. Nicht das Nahrungsmittel war unzulänglich, sondern mein Beisswerkzeug. Ich habe erneut ein Stück Backenzahn abgebrochen. Nur dass ich es diesmal nicht in den Amazonas geschmissen habe, sondern es jetzt mit mir rumschleppe. Nützen wird das eh nichts.
Aber es ist weniger schlimm, als das letzte Mal, denn die Plombe hält und schmerzen tut es auch diesmal nicht. Mal sehen, ob ich einen Ersatz fürSandro Pelletieri aus Sirnach finde, der mir den Schaden beheben kann. Im schlimmsten Fall, muss der Kerl halt raus, irgendwann – der Zahn, nicht der Zahnarzt!
23.9. ejb
Aber der Reihe nach:
Nach einem Tag im Zimmer, auch wenn es schön ist, bekommst Du etwas wie Klaustrophobie. Also gehen wir um 17 Uhr, als der Regen etwas nachlässt, raus, mit dem Ziel, in der Nähe des Hafens etwas zum Essen zu finden. Nachdem wir als Versicherung gegen den Regen zwei kleine Schirme gekauft haben – es hat genützt – und an der in der Nähe des Hafens gelegenen Busstation das Bus-Ticket für morgen um 9h, gehen wir los in Richtung Hafen.
Die am Wege liegenden Beizen mit den vielen frischen, in Vivarien schwimmenden Fischen ignorieren wir. Ich habe noch im Kopf, dass die Frau von der Touristeninformation gesagt hatte, Sokcho sei in Korea der berühmteste Ort für rohen Fisch.
Wir laufen also bis ans Ende des Hafens, und es lohnt sich. Dort kommen wir an ein grosses Gebäude, das an einen Hafenzoll erinnert: knapp 100 Meter breit, zweistöckig und hell beleuchtet. Wir sind nicht die einzigen, die da hin gehen, wohl aber die einzigen, die zu Fuss kommen.
Vor dem Gebäude sind über die ganze Breite flache Vivarien aufgereiht, versorgt mit Frischwasser, drei bis vier Reihen tief, voll von Fischen und Meeresfrüchten. Hinter jeder Reihe ist etwas wie ein Laden. Wir sehen, dass die Leute Fische und anderes kaufen, die dann in einen Korb kommen, wo sie oft zappelen, so sie denn dazu ausgerüstet sind (die Seeigel z.B. nicht).
Saschemi? Saschemi!
Eine Fischhändlerin kommt auf uns zu und fragt uns: „Sashemi?“, also: rohen Fisch? Wir bejahen, sie zeigt uns 3 10’000er-Noten, ich nicke. Sie beginnt auszusuchen, was wir ihr überlassen. Es sind eben die drei Fische mittlerer Grösse, 3 Seeigel und 1 grosse Schneckenmuschel. Mit den Fischen im flachen Korb winkt sie uns in den Laden. Dort sind weitere Fischbehälter zu sehen. Dahinter ist dann eine Art Arbeitsraum, in dem 3 Frauen sitzen. Diese nehmen unsere „Beute“, töten sie, nehmen sie aus, und zerlegen sie in kleine Stücke. Frischer kann Fisch nicht sein.
Dann fragt uns die Frau noch, ob wir Wasabi, die scharfe grüne Meerrettichpaste, rote Sauce mit Soja und Salat- und Gemüseblätter zum Einwickeln des Fisches und dann so essen wollen. Das ist inbegriffen, und vom Wasabi gibt es eine ganze Tube, die uns zuhause für ein Jahr reicht!
Alles durchorganisiert
Dann werden wir von der Fischhändlerin in den ersten Stock geführt und an einen Tisch platziert. Die beiden Körbe mit dem Fisch etc. und den Beilagen kommen zwischen uns, es gibt einen Becher für Wasser oder (für mich) Bier, das ich kaufe, Stäbchen, eine Flasche Sojasauce und ein zweigeteiltesTellerchen aus Styropor, in das wir Sojasauce und Wasabi tun. Neben jedem Sitzplatz ist auch noch ein einflammiger Gaskocher, auf dem wir uns eine Suppe hätten zubereiten können, hätten wir die entsprechenden Zutaten wie Fischköpfe und Krebse besorgt gehabt. Die Pfannen würden geliefert.
Wir lassen es uns schmecken.
(Die Bilder stammen aus Busan, ich bin ohne Kamera ausgerückt!)
Viva Italia
Auf dem Heimweg laufen wir noch durch die Stadt, die auf den zweiten Blick einen viel besseren Eindruck macht, als im Regen. Wie halt in der Nacht alle Katzen grau sind, sind Städte im Regen nichts Amächeliges! In einem der vielen Cafés, die es in Korea gibt, kehren wir noch ein. Ich esse ein sehr gutes Glacé, beide trinken einen Espresso. In Südkorea gibt es wesentlich mehr Cafés all’Italiana als Starbucks-Schuppen mit „Kaffee“ im Karton. Daher:
Italien und die italienischen Kaffeemaschinen-Bauer haben mit der Verbreitung italienischer Kaffee-Kultur ein unbestreitbares kulturelles Verdienst.
Wechselgeld
Bewegt haben wir uns in der Stadt mit öffentlichen Bussen. Das ist ganz einfach: Du steigst ein und wirfst, egal wie weit du mit der Linie fährst, pro Person 1000 Won (75 Rappen) in einen Plastikkasten neben dem Chauffeur. Das hat immer gut geklappt, ausser einmal. Als ich gestern einmal einwarf, hat es unter dem Plastikkasten plötzlich langsam aber stetig zu scheppern begonnen: Klack, klack, klack… und nicht mehr aufgehört. Die 1000er und die 10000er haben fast die gleiche Farbe, und ich habe statt 2000 11'000 eingeworfen. Der Chauffeur gibt das Retourgeld, indem er auf eine Taste drückt. Er kann nur Münzen rausgeben, und die grösste ist 500. Also musste er 18 Mal drücken, und ich musste 18 500er einstecken. Der ganze Bus hat gelacht, und ich bin etwas schief gegangen, bis ich die Last wieder los war.
Heimweh
Heute Abend stand uns der Sinn nach etwas Luxus, oder wie Jürg meinte, nach einem „decent meal“. Wir liefen etwa eine halbe Stunde bis zum Hotel „Hilton“. Meine Sorge, in Jeans und Turnschuhen würden wir in dem noblen Schuppen abgewiesen, erwies sich als unbegründet. Als wir nach dem Restaurant fragten, meinte der Portier nur: „Welches?“ Japanisch und chinesisch werden wir demnächst im Original haben, italienisch geniessen wir lieber in Italien oder in der Schweiz. Also Buffet-Dinner! Wir wussten ja nicht, dass sie hier gerade Oktoberfest feiern, mit deutschem Bier und deutschem Essen. Allerdings war ausser dem Schweinebauch und den Rippchen nichts Deutsches auszumachen. Das Buffet bot alles von Sushi, über Roastbeef und koreanischem Essen bis zu Früchten und Desserts. Wir legten auch einen Gang Spaghetti Bolognese ein. Dazu tranken wir einen chilenischen Chardonnay.
Wir liessen es uns gut gehen, liessen Vergangenes passieren, planten für die zukünftigen Ziele. Dabei waren wir uns einig, dass auch nach fast drei Monaten auf Reisen sein, wir keinen einzigen Augenblick Heimweh hatten.
Aber als wir das Restaurant verliessen, übermannte es mich dann doch schier ,das Heimweh. Neben Werbung für deutsches Bier und deutschen Wein lag in russisch und koreanisch ein Prospekt „Frankfurt welcomes you“. Die schönen Bilder! Auf dem Stadtplan der Innenstadt war zwar die Deutschordenstrasse knapp nicht mehr drauf, dafür auf dem Verkehrsplan die Haltestelle „Frauenhofstrasse“. Und wo wir zur Schule gegangen sind (Brigitte, Ulla) war auch leicht zu finden. So hat mich denn die Nostalgie doch wieder eingeholt! (eb)
Schlemmen
Wie Elo beschreibt, heute wäre ein Abend zum Besaufen gewesen. Aber ich hielt an mich und bestellte zum Espresso in der Hotlellobby keinen zweiten Single Malt (Glenlivet) mehr.
Aussicht aus dem Hotelzimmer
Wir hatten einen schönen Tag und besuchten in der alten Königsstadt Gyeongju (300 – 900 n.Chr.) Hügelgräber, einen Eiskeller, einen uralten Wald, einen Sommerpalast mit künstlichem See, das Nationalmuseum, Tempel usw.
Wir latschten uns die Füsse wund, es war windig, aber trocken bis schön. Da hatten wir doch ein gutes Essen verdient.
Auf der Rückfahrt von der Stadt und den Sehenswürdigkeiten nehmen wir den Bus. Der aber fährt in eine ganz andere Richtung, als ich denke. Es ist schön, passieren kann nichts, ausser wir müssen das wieder zurück, und für einen Franken kannst du nichts sagen. Aber dann merken wir, dass es ein Rundkurs ist, der uns mit einem grossen Umweg zum Ziel bringt. Sightseeing kostenlos, ausser einigen Momenten der Unsicherrheit.
Mit über 300 km/h
Hierher sind wir mit der Koreanischen Schnellbahn KTX gekommen. Durch fast ganz Südkorea in 2 Stunden. Diese Bahn heisst hier KTX und fährt mit über 300 Kilometern pro Stunde. Die Geleise sind meist neu gebaut, und wir merken nichts von der Geschwindigkeit.
Seoul HB
Die Landschaft ist abwechslungsreich und fast immer eine Mischung von Stadt, Land, Industrie und Landwirtschaft. Jede Ecke wird genutzt, was nötig ist, da durch die vielen Berge das kultivier- und bewohnbare Land knapp ist.
Der Zug, der in der Form dem französischen TGV ähnelt, hält bis hierher nur 4 oder 5 Mal. Da wir viel sehen, kommt die Seele – gerade! – noch mit.
Familienanschluss
Und um dahin und dann am nächsten Tag wieder zum Bahnhof zu kommen, wohin uns Kang Wo, ein emeritierter Professor für Werbewissenschaft (Advertisment) brachte, fährt man durch ein veritables Gewirr von Autobahnen.
Seoul ist, wie Hansjörg am Telefon sagt, ein veritabler Moloch, ein Gewirr von Stadt, Städten und Vorstädten, die sich für uns gleichen, wie ein Ei dem anderen, von 4-, 6-, 8-, 10-spurigen Autobahnen mit höchst komplizierten Verzweigungen und Kreuzen, ein wahres Labyrint. Wie man sich da zurecht findet, habe ich nicht heraus bekommen. Und auch die Nichte Yoo Mi Lee (Yümi), die uns am ersten Tag zusammen mit ihrem Neffen, dem Studenten Seok Wo Lee (Sogu,) herumführte, verfuhr sich und musste, als wir ein Restaurant „auf dem Land“, d.h. in den Hügeln, suchten, mehrfach nachfragen.
Elo, Song Ja, Yumi, Sogu
Wir wurden jedenfalls einen ganzen Tag verwöhnt, haben immer gegessen und sahen einen zweiten „Ballenberg“ mit einer hochstehenden folkloristischen Aufführung und einen idyllischen buddhistischen Tempel. Der ganze Clan kümmerte sich um uns, nur Chong Yuls älterer Bruder konnte nicht kommen, da seine Frau eine Operation hatte. Sonst hätte er die 200 Kilometer unter die Räder genommen. Er rief mehrfach an, um sich zu entschuldigen!
Reisephilosophie auf den Punkt gebracht
Sogu hat, als wir über unsere Reiserei sprachen, die Sache auf den Punkt gebracht:
„That’s why travelling is so exciting: You can leave the country. »
Für uns übersetze ich das so:
Das ist das Schöne am Reisen: Du kannst das Land (wieder) verlassen.
Wir haben die Schweiz verlassen, und wir können die Länder, die wir bereisen, wieder verlassen, haben schon viele wieder verlassen, und es werden noch einige sein, bis wir wieder in der Schweiz sind. That’s why travelling is so exciting!
Elo am Berg
Heute sind wir zu einem Tempelberg gefahren. Am Fuss ist ein rekonstruierter Tempel aus dem Jahr 751, darüber ein Berg mit einer Grotte aus dem gleichen Jahr. Dazwischen liegt ein idyllischer, wenn auch sehr steiler Weg, der an einer Mineralquelle vorbeiführt. Den haben wir erklommen. Dann ging es, bevor wir noch die eindrückliche Grotte mit den dazu gehörenden Gebäuden besichtigten, zum Gipfel, insgesamt 600 Meter über dem Talboden.
Kurz vor dem Gipfel hat dann Elo ihre Definition von Freiheit entdeckt: „Wem muss ich beweisen, dass ich da hoch kann? Geh Du, ich warte an der Abzweigung zur Grotte.“ Die Aussicht ins Tal und zum Meer war spektakulär, aber das war sie weiter unten auch. Wir sind dann alles wieder runter gegangen (den Bus nahmen wir nicht), und wir werden morgen ganz schön Muskelkater haben.
Aussicht von der Grotte
(Ist gar nicht schlimm, vielleicht, weil wir am Schluss noch am See etwa zwei Kilometer flach gelaufen sind, um einen Sundowner, einen Apéro an der Sonne, mit Brissago, zu geniessen. Die Getränke waren bescheiden: Eistee und Bier, aber die Stimmung um so besser.)
Alles in allem ist Gyeong sehr schön, ein lohnendes Ziel, wenn man in Korea ist. Morgen fahren wir mit dem Bus in die Hafenstadt Busan.
ÖV perfekt und billig
Wo ist der Chauffeur?
Wir sind mit dem Expressbus nach Busan gekommen: 80 Kilometer, eine Stunde, knapp vier Franken pro Nase und ein sehr schöner Bus. In Busan ist die Enstation weit draussen. Da wir uns an die hiesigen Preisverhältnisse gewöhnt haben, fanden wir 18 Franken für das Taxi zu teuer, und wir haben den Bus auch für die Fahrt in die Stadt genommen: 3 Franken zusammen für knapp eine Stunde Stadtrundfahrt. Dann für den Rest das Taxi.
Der ÖV ist wirklich sehr gut organisiert, pünktlich, bequem, freundlich und günstig. Die Bahnfahrt im Hochgeschwindigkeitszug hat nur 35 Franken pro Person gekostet, die Qualität des Zugs war 1A, fast wie vom SVP-Nationalrat aus Bussnang.
Busan? Busan!
Elo ist in den Sinn gekommen, wie wir uns mal auf dem Flughafen in Peking gefragt haben, was für eine internationale Destination „Busan“ denn wohl sei. Unsere Unwissenheit sei entschuldigt, die Stadt hat ja auch nur 2,5 Millionen Einwohner! Und es ist eine schöne und sehr lebhafte Metropole am Südzipfel der koreanischen Halbinsel
Auch wenn ich uns mittlerweile nicht mehr als Touristen bezeichnen würde, sondern als Reisende (nicht: Handlungsreisende!), machen wir doch immer wieder Tourismus. Unser Hotel liegt 300 Meter vom Sandstrand des Stadtteils Hyundae entfernt. Im Sommer muss es kriminell sein, wir haben ein Bild im Tourismusbüro gesehen, wo wir uns schlau gemacht haben: Ich glaube, die liegen dann auch im Wasser noch mehrstöckig übereinander.
Aber jetzt war es einfach schön: Das Wasser etwa 23 – 25 Grad, schöne Sonne, angenehmer Sand. Wir sind auf jeden Fall rein, nachdem wir uns mit Hilfe eines kleinen Agfa-Handtuchs nicht ganz jugendfrei umgezogen hatten. Ein schönes Schwimmen.
Dann sind wir mit dem Bus 1003 für 1.50 eine Stunde ins Quartier des Hafens gefahren. Da haben wir auf einem grossen Markt zwei Sachen ersetzt: Elos Handtasche und meine Turnschuhe.
Einmal Rohfisch reicht
Schliesslich sind wir noch auf den Fischmarkt, wo ich doch noch Bilder von der Rohfischsache (s.o.) schiessen konnte. Essen werden wir zwar Fisch, aber in einem bekannten Restaurant hier in der Umgebung. „Einmal Rohfisch reicht!“, meinte Elo, als die Damen im Tourist Office uns diese Gaumenfreude ans Herz legen wollten.
Also ganz generell: „En Guete!“
Morgen geht es weiter nach Tokyo.
PS. Tempores mutantur et nos mutamur in illis – oder vom allgemeinen Zerfall alles Materiellen und damit auch des Schreibenden
Fast hätt’ ich’s vergessen:
Der Mensch ist vergänglich, wir wissen’s hinlänglich.
Dass er dabei im Alter sozusagen „verbrösmelet“ (zerbröselt, für die Leser nördlich des Hochrheins), ist eine eher unangenehme Erfahrung, die ich eben allhier wieder gemacht habe. Das Amazonaserlebnis von letztem November wiederholte sich. Während ich damals einem Glacé unterstellte, eine Nussschale eingebaut gehabt zu haben, war es diesmal Trockenfisch. Der Irrtum war derselbe. Nicht das Nahrungsmittel war unzulänglich, sondern mein Beisswerkzeug. Ich habe erneut ein Stück Backenzahn abgebrochen. Nur dass ich es diesmal nicht in den Amazonas geschmissen habe, sondern es jetzt mit mir rumschleppe. Nützen wird das eh nichts.
Aber es ist weniger schlimm, als das letzte Mal, denn die Plombe hält und schmerzen tut es auch diesmal nicht. Mal sehen, ob ich einen Ersatz für
23.9. ejb
Oh Ihr Lieben, so sehr hab ich mich gefreut, die Fotos von Euch und meiner Familie zu sehen. Find ich schön, dass Ihr den Kontakt hergestellt habt. Und wie herzlich sie Freunde von Jong-Yul empfangen, weiß ich. (Neulich war es Mohamed.) Toll, dass Ihr in der kurzen Zeit so viel von seinem Land gesehen habt.
AntwortenLöschenDie Plätze, an denen Ihr wart, kennen wir auch. Bin ein bisschen neidisch..sooo lange waren wir nicht mehr dort.
Sog U, den Neffen, hätte ich nicht wieder erkannt. Yoo Mi schon - ich vermisse sie. Sie war es eigentlich, die vor langer langer Zeit an ihren Onkel geschrieben hatte und uns einlud - wir trafen sie dann in Australien, wo sie damals mit ihren Eltern wohnte. Trefft Ihr die auch demnächst in Sydney?
Alles Liebe und gute Wünsche für Eure Weiterreise,
Reinhild