Donnerstag, 19. Januar 2012

3-6 Südostküste

Neuer Rhythmus
Für die Strecke nach Melbourne, wo wir am 23. Januar die Fähre „Spirit of Tasmania“ nach Davenport nehmen werden – durch die Roaring Fourties“, die für die Stürme bekannte Meer um den 40. Breitengrad! –, haben wir den Reiserhythmus merklich runtergefahren. Wir buchen jeweils 4 Nächte in einem Campground und sind dann 3 Tage dort: Ulladulla, Batemans Bay, Bermagui, Mallacoota usw.  Wir fahren 60 Kilometer, 120, 200, aber nicht viel mehr. Ein Campnachbar meinte, auf die Weise hätten wir einige Jahre, wollten wir ganz Australien sehen.

Wir werden dann im Westen schon wieder grosse Strecken machen, aber jetzt soll es geruhsam sein. Das ist gar nicht so einfach, einfach rumzusitzen und nichts zu tun. Aber die Gegend erleichtert uns das. Es sind schöne kleine Strände, das Meer ist ruhig, wir baden jeden Tag. Allerdings ist das Wetter zur Zeit durchzogen, etwas wärmer zwar, aber eben immer mal wieder bedeckt und regnerisch. Da sind dann Spaziergänge angesagt, was ja auch gut tut.

Badeorte


Die Ortschaften sind entlang des Meers in den angrenzenden Hügeln, die immer wieder bis ans Meer kommen, dort bizarre Felsnasen bilden, zwischen denen dann die Strände, recht gut geschützt, oft ganz klein und intim liegen. Viele Häuser und Anlagen sind für Touristen. Zur Zeit hat es noch Leute, auch wenn die Weihnachtsferien rum sind und viele wieder zurück in der Stadt. Aber die Schulferien gehen noch bis Ende Monat, und da müssen dann die Grosseltern ran. Was sie mit Vergnügen tun.

Einkaufszentren liegen an der Hauptstrasse. Hier in Batehaven, einem Vorort der grösseren Stadt Batemans Bay, ist es so nah, dass wir zu Fuss gehen können, wenn wir Brot brauchen. Da gibt es dann einen Supermarkt, ein, zwei, drei Cafés, zwei Take Aways (mindestens einer Chinese oder Thai), einen Bäcker, einen Metzger, einen Coiffeur, eine Eisenwarenhandlung (Hardware Store) mit Fischereiartikeln, ein Tatoo-Studio, ein, zwei Beizen und was der Tourist und die Touristin halt sonst so brauchen.

Sonnenbrille geplättet

Gestern ist meine Lieblingssonnenbrille (Gestell aus Titan, Fern- und Nahsicht korrigiert) buchstäblich unter die Räder gekommen. Als wir nach dem Duschen (nach dem Bad im Meer) zum Jeb zurückkamen, lag sie auf unserem Campingtisch: ganz  flach, ein Glas kaputt. Ich konnte mir das nicht erklären, wurde dann aber vom Campground-Besitzer Rob ins Bild gesetzt: Ich hatte die Brille am Strand in den Schuh getan, zum Schutz! Wir gehen jeweils klatschnass direkt zum Bus, und da habe ich daran nicht mehr gedacht.

Ich habe die Schuhe bei Eintritt in den Park mit kräftigen Schlägen auf dem Boden vom Sand gereinigt, dabei ist die Brille rausgeflogen, unbemerkt. Das nachfolgende Auto hat sie schlicht überfahren, Rob hörte ein Knirschen. Es war wohl auch das – unbewusste – Knirschen meiner Seele, das er hörte, ich war auf jeden Fall sehr betrübt.

Zuerst wollte ich alles wegschmeissen, die Brille landete im Abfall. Aber dann überlegte ich, ob wenigstens das Gestell zu retten sei. Mit zwei Spitzzangen habe ich es wieder gerichtet, und es müsste gehen. Wirklich gutes Material, das ich 2004 in Hanoi gekauft hatte. Jetzt wollen wir sehen ob der australische Fielmann („Specsaver“ oder ähnlich) dann Gläser zu vertretbaren Preisen hat.



Bermagui

Der nächste Ort ist Bermagui. Auf dem Weg dahin kommen wir etwas innerhalb der Küste durch alte Siedlungen wie Bodalla mit einer Schaukäserei und Tilda Central (es gibt auch noch Tilda Tilda!), die wie Boutiquen rausgeputzt sind. Wir halten jeweils an, trinken einen Kaffee, gehen zum Lookout, wo wir ein Bild mit Selbstauslöser machen (immer gut!) und erholen uns von der Fahrt. Die Strassen sind sehr schön, dem Meer entlang rauf und runter, mit vielen Kurven. Die schnelleren Highways nehmen wir nur ausnahmsweise.

Bermagui ist sehr schön gelegen. Der Ort selbst ist eher nichtssagend, mit Läden usw. (s.o.). Aber die Lage. Wir sind auf dem Zane Gray Campground, benannt nach dem irischen Western-Schriftsteller, der hier gefischt hat. Ich erinnere mich an seine Bastei-Schundromane, die ich als Bub verschlugen habe.




Auf dem Zeltplatz müssen wir zuerst zügeln, da der uns gegebene Platz (von der Aussicht der schönste) voll im Wind liegt. Und der bläst an dieser Küste kräftig. Wir sind etwas in den Windschutz gegangen, da war es besser, und die Aussicht immer noch prächtig. In drei Minuten sind wir am Strand, und in drei auch zurück, denn das Wasser ist nicht sehr warm, der Wind kühl, und an der Sonne sitzen können wir vor Jeb.



Aber wir baden, wir wandern am Strand – und da wie aus dem Nichts über uns herfallende Gewitter sitzen wir im lokalen Informationsbüro aus.









Camptechnische Enttäuschung

Von Bermagui geht es über die Staatsgrenze wieder nach Victoria und dort nach Mallacoota, das von allen sehr gerühmt wird, auch von den Fremdenführern. Es liegt ausserordentlich schön an der Mündung des Genoa Rivers, der vor dem Meer noch grosse Seen mit Gezeitenwechsel und Mischwasser süss-salzig bildet. Vor dem Ort sind grosse Strände mit starkem Surf, überall kann man fischen.

Der Campingplatz passt uns überhaupt nicht: Riesig, wenig Einrichtungen (3 Grillpätze für sicher 200 Stellplätze, wenig WCs und für australische Verhältnisse nicht gepflegt), viele Hunde (2 pro Stellplatz erlaubt)…… Die können sich das anscheinend erlauben, die touristischen Attraktionen sind gut, die Melbourner kommen wie blöd. Baden können wir im vor dem Campingplatz gelegnen See leider nicht, es hat Parasiten von den Pelikanen. Statt wie geplant vier Nächte bleiben wir nur drei.

Aber den Australiern gefällt es hier, und das ist ja wohl die Hauptsache. Wir sind da, mit Recht, weniger gefragt.

Wanderung




Und die Gegend ist sehr schön. Bei durchzogenem Wetter machen wir eine fast 5-stündige Wanderung entlang des Sees, durch die Hügel und zurück auf der Hauptstrasse – mit zu wenig Wasser und ohne Proviant. Wir sind ganz schön durch danach. Aber es hat sich gelohnt. Das Seeufer, die Bäche, die Regenwälder.



Als wir durch den Wald hoch zur Strasse gehen, kommen wir an einem grossen Tierbau unter einem Baum vorbei. Was das wohl für ein Tier war, reinkriechen wollte ich da nicht. Elo: „Wenn dann da der Bär rauskommt!“ Jürg: „Dann stelle ich mich ganz fest hinter Dich.“ Elo: „Und ich, mit der Mütze mit dem Schweizer Kreuz auf dem Kopf, berufe mich auf unsere immerwährende Neutralität!“
























[[[Exkurs zum allfälligen Uebersprigen:

Schweizerisch

Als mir später Elos Witz wieder durch den Kopf ging,  ist mir auch die Schwachsinnigkeit des Begriffs „immerwährend“ einmal mehr aufgestossen. Gilt das nur für die Zukunft, oder sollte das immer so gewesen sein? Oder erst, nachdem wir Eroberer in Marigniano 1515 kräftig eins auf die Mütze bekommen haben? Neutral sind wir völkerrechtlich ja sowieso erst seit dem Westfälischen Frieden von 1648, mit dem wir uns vom Deutschen Reich losgelöst haben, also gut 300 Jahre. Immewährend!

Ein chinesisches Geschichtsbuch, das ich damals in der Bibliothek der Peking Universität gefunden habe, datierte die Gründung der Schweiz übrigens auf 1648. Historisch wohl nicht falsch, aber auch mir haben da gut 350 Jahre, haben das Rütli und der Tell gefehlt. Ich habe es moniert. Und diplomatisch, wie die Chinesen sind, ist das heute sicher korrigiert.

Weiter: Immerwährend auch in der Zukunft? Auch wenn es vielleicht keinen Sinn mehr machen würde. Immerwährend, weil es scheinbar(!) schon immer so war? Und wir damit damals gut gefahren sind? Fahren wir auch in Zukunft gut damit?

Sind die Schweizer, die nur auf ihren kleinkrämersichen Vorteil bedacht sind und alles abwehren, was auf sie zuzkommt, die Schweizer, die weltoffenen, auf die wir so stolz waren? Abgesehen vom Kurzzeittourismus, eben Heuschrecken ähnlich, sind wir doch eher zu Stubenhockern verkommen, die sich hinter dem Ofen verstecken und Angst vor dem grossen bösen Mann haben. Die Blocherianer als Vorbilder? Hermann Lei und Konsorten, bei denen Hutrand und Horizont in schöner Beschränktheit identisch sind? Schreckliche Vorstellung.

Wir müssen uns gewaltig anstrengen und auch verändern, wenn wir in Zukunft die herausragende Rolle spielen wollen, die wir uns heute eher einbilden als ausfüllen. Bornierte Selbstzufriedenheit ist da das Mittel mit Sicherheit nicht.

Ende Exkurs]]]

Australisches Camping

Das australische Camping ist hoch technisiert. Die meisten Touristen in Mallacoota leben in Zelten. Aber was für welche. Halbe Häuser, mit Vordach, Campingküche, Zusatzzelten. Fast jeder hat seinen eigenen Grill (nötig! s.o.). Dann alle mit grossen Wagen, Anhängern für die Zelte. Und viele Boote auf Anhängern, die sie dann zu den verschiedenen Landungsstellen transportieren.

Mallacoota ist ein richtiger Rummelplatz. Es geht rund. Die Kinder – viele – geniessen es in vollen Zügen, auf dem Spielplatz nebenan ist von morgens bis abends Hochbetrieb. Die Erwachsenen sitzen zusammen, bis spät in die Nacht, und lassen es sich gut gehen. Eigentlich erfreulich, aber als Grossveranstaltung geht es uns etwas nahe, zumal Zelt an Zelt steht, Wohnwagen an Wohnwagen, Wohnmobil an Wohnmobil.

Wir sind als Fussgänger Exoten. Wir stellen Jeb ab, dann geht es per pedes. Aber dadurch sind wir eingeschränkt, denn hier musst du fast alles im Auto machen. Die Australier fahren vom Campingplatz zum Einkaufen, zu den Stränden, zu den Attraktionen. Mit Kindern ist das auch nötig, da alles eher weitläufig ist. Aber die Kleinen lernen das halt dann von Kindsbeinen auf.

Fischen

In Bermagui und in Mallacoota habe ich gefischt. In Bermagui bin ich mit dem Nachbarn und seinen drei Buben auf eine Bootstour mit Riff-Fischen gefahren. Der Skipper hat Radar und sucht Fischschwärme, dann lässt du den Köder bis 50 Meter tief runter – und hoffst auf Petrus. Mir hat er einen mittelgrossen Leatherjacket (Lederjacke) gebracht, so benannt, weil er eine braune Haut hat. Diese wird ihm beim metzgen abgezogen. Er hat sehr gut geschmeckt. Die Buben haben mehr gefangen, aber die Familie ist auch grösser….


In Mallacoota habe ich mich mit gefrorenen Krabben eingedeckt und bin an den Bootssteg gegangen. Mit unterschiedlichem Erfolg. Am ersten Tag einen schönen Fisch (mir unbekannter Art, aber gut), und zwei kleine Flatheads (Flachköpfe, wie Welse), die ich war vom Mass hätte nehmen können, aber da war nichts dran, also wieder rein. Eindrücklich sind die Pelikane, nicht nur ihres Aussehens wegen. Wenn sie tief über dem Wasser anfliegen, sehen sie aus wie Wasserflugzeuge.


Am zweiten Tag einen Mikroflathead und einen Tintenfisch! Das war lustig. Er sass in einer alten Muschel, und zuerst dachte ich, ich hätte eine solche gefangen. Der Tintenfisch wäre sicher gut gewesen, da ich aber nicht wusste, wie ich ihn töten sollte, ohne ihn zu quälen, habe ich ihn losgemacht und wieder reingeworfen. Im Nachhinein hat es mich schon etwas gereut, vor allen, als ich hörte, dass ich die richtige Idee hatte: Messerstich oberhalb der Augen. Er wird froh gewesen sein.

Am dritten Abend: Kein Biss. Es war zu windig, und ich fische mit ganz feinem Zeug.

Am Lake Wellington, einem ganz flachen See, fing ich auch wieder nichts. Beim Einnachten kamen zwar viele Fische, ich sah ihre Bewegungen sehr gut. Aber der Köder, die immer wieder eingefrorenen und aufgetauten Crevetten, war wohl doch zu vergammelt. Wieder kein Biss, aber ein wunderschöner, stiller, warmer Abend. Als die Fische still wurden, wurden die Moskitos laut, und ich verliess fluchtartig das Ufer. Sie stachen mich durch das Hemd, aber ich liess sie machen. Und wie mein Cousin Hansheier in Kanada mir das beigebracht hatte: Wenn du sie nicht nur stechen sondern auch abschliessen lässt, juckt es hinterher nicht, denn sie lassen was rein, was das Blutgefäss wieder schliesst. Hat geklappt!

Jebs Mucken
Jeb ist eine Occasion, also kein heuriger Hase mehr. Das merken wir manchmal. Den Absturz des Fernsehers habe ich beschrieben. Dann hat der Spiegelschrank endgültig gemuckt. Die Ein- und Ausrastvorrichtung ging schon länger nicht gut, und ich habe jeweils mit List&Tücke die beiden Seiten verschlossen und wieder geöffnet, teilweise mit Hilfe von Werkzeug. In Mallacoota hat die rechte Verriegelung endgültig den Geist aufgegeben. Sie war mit aller Liebe und Drohung nicht zu bewegen, ihren Inhalt freizugeben. Ich habe es zwei Tage lang immer wider versucht, mit allen mir zur Verfügung stehenden Ueberredungkünsten und Hilfsmitteln.

Dann hatte ich genug. Mit meinem Multi-Werkzeug von Victorinox habe ich von der Seite her die an die Spiegeltür angeklebte Arretierung aus Plastik, die den Schliessmechanismus hält, abgesägt! Die Verriegelung ist wirklich kaputt, das müssen wir ersetzen. Dito die Halterung, die die Fliegentüre beim seitlichen Eingang an der Tür hält. Diese ist angebrochen, als es uns die  Fliegentüre bei starkem Wind aus der Hand geschlagen hat und sie auf die Arretierung geschlagen hat.

Wo repariert man in Australien ein Wohnmobil?

Es ist schon interessant, wie solche Sachen einen reisenden Pensionisten beschäftigen können. Sorgen haben die Leute…

Dimensionen
An die Länge des Gefährts, 7 Meter, habe ich mich inzwischen gewöhnt. An die Höhe noch nicht ganz,  und so habe ich heute die Reklametafel eines Physiotherapie-Instituts in Yarram – Kaff! –abgeändert. Ich habe über die Trottoirkante schön eingeparkt, und dabei das unter dem traditionellen Vordach hängende Schild etwas abgebogen. Es ging so fein, dass wir es gar nicht merkten. Als wir vom „Stadtbummel“ zurückkamen, sprach uns die Besitzerin an, und wir sahen, dass wir uns oben an der Kante einen blauen Strich eingehandelt hatten. Das Schild ist leicht zurückzubiegen, und mit 20 Dollar waren wir aus der Sache.

Landeinwärts

Wir suchen den Sommer immer noch. Gestern war es einmal heiss, 35 Grad, schön. Wir hingen in einem schönen, fast leeren Campingplatz am Lake Wellignton in den Hängematten unter Bäumen und lasen. Zuvor haben wir den in den Führern aufgeführten Campground abgelehnt: Es war schrecklich. Oede wie in Kasachstan, sandig, keine Bäume, unaufgeräumt: unmöglich.

Stacheliger Geselle

Gast am Frühstückstisch  (Eastern Rosella)      

Als es dann heute Morgen nicht nur leicht regnete, sondern auch abkühlte und sehr stark windete, beschlossen wir, die Küste zu verlassen und landeinwärts zu fahren. So sind wir in der netten Kleinstadt Foster gelandet, in Hügeln, etwas geschützt. Das Wetter hat aufgeklart, aber der Wind ist sehr frisch. Wir werden die Schlafsäcke wieder schliessen müssen, es reicht nicht, sie als Decke zu benutzen.

Camptechnische Ueberraschung

Heute sind wir in Kuramburra gelandet, einer kleineren bis mittleren Stadt in den South Gippslands. Sie sitzt auf einer Krete inmitten von sanften bis steileren Hügeln, auf denen Viehzucht getrieben wird, mit heuen,  Viehherden, Milchtransportern und was es so Brauch ist.

Der Campingplatz liegt in einer Landschaftsfalte  in einem kleinen botanischen Garten. Er wird von einem Bach durchflossen. Es gibt neben den australischen Bäumen – riesige Eukalyptus – auch europäische Gehölze: Eichen und Rottannen kann ich ausmachen.














Es ist sehr schön hier, ruhig, und das Abendessen an der Sonne ein Genuss.











In die Bibliothek

Wir wandern am Nachmittag den steilen Hügel hoch, wollen zur Bibliothek, in der es gratis Internet gibt. Diese ist allerdings erst in einer Stunde offen. Da machen wir einen „Stadt“bummel, kaufen ein Stück Seil, das ich brauche, und trinken in der Bar (auf der gedeckten Raucher-Lounge) einen Saft (Cider; Elo) und ein Bier (Jürg).






Die Bibliothek ist grosszügig, mit kostenfreier Ausleihe, nicht wie bei uns. Aber, Carmen&Cie aufgepasst: die Ueberschreitung der Leifrist kostet Busse, wie bei uns, und die Bussen gehen in eine kleine Reptilienkasse für aussergewöhnliche Ausgaben, auch wie bei uns. Eine gute Regelung meint die Betreuerin, und ich bin aus Erfahrung einverstanden.

So kommt man zur Identität

Zur Zeit (einen Tag später) sind wir auf der Halbinsel Morrington, die die Port Philipp’ Bay südlich von Melbourne gegen Osten abschliesst. Es ist da touristisch ordentlich was los. Ich sitze – einmal mehr –  in einer öffentlichen Bibliothek. Gross, modern, schön. Ich musste mich, um eine Gastmitgliedschaft als Grundlage für das Internet zu erhalten, mit einem australischen Ausweis identifizieren. Die Fisch-Lizenz für Victoria, die ich in einem Warenhaus gekauft hatte, genügte!


Morgen geht es nach Werribee/Melbourne zurück, bevor wir dann zwei Tage später nach Tasmanien fahren.

Dank
Zum Schluss noch einen ganz grossen Dank. Ich hatte gebeten, die Mercers auf ihrer Reise in Europa zu unterstützen. Und erhielt postwendend das Angebot von Verena und Räto Conzett aus dem Alpina in Klosters, unserem Winterferienhotel. Sie laden die Mercer-Gang für „einige Tage“ in ihr Hotel ein (www.alpina-klosters.ch: unter „Team“ sind die beiden rechts aussen zu bewundern)! Das soll doch noch einer sagen, es gebe keine grosszügigen Menschen mehr!

20.1.2012 / JB.

Mittwoch, 4. Januar 2012

3-5 Sydney

Elvis frisst Rasenmäher 
Nach den Festivitäten an Weihnachten ruhten wir zwei Tage aus. Neben einem Bad mit Barbeque („Brötlete“) an einem der schönsten Strände der Central Coast von New South Wales in Terrigal gehörte dazu auch der Besuch im nahen Australian Reptile Park. Der Park ist unter anderem darauf spezialisiert, Schlangengift für die Herstellung von Serum zu gewinnen, das bei Schlangenbissen gespritzt werden kann.
Daneben gibt es aber auch viele andere Tiere zu sehen. Nicht nur Reptilien wie Schlangen, Krokodile, Alligatoren, Echsen usw. Auch Koalas, die sehr putzig sind, dann Emus und andere Vögel, Dingos, die aussehen wie Hunde, aber keine sind, Tasmanian Devils (Tasmanische Teufel), niedlich als kleine, sehr hässlich als grosse Teufel, und Kängurus und Wallabys (die kleinere Form des Känguru).


Eine Attraktion ist ein riesiges Krokodil: Elvis. 20 Jahre alt, 5 Meter lang, 500 Kilo schwer. Elvis ist hier, weil er Menschen angegriffen hat und daher hätte getötet werden müssen. Und Elvis ist bösartig. Am Tag, an dem wir da waren, vermutlich entweder zur gleichen Zeit oder wenig danach, denn wir blieben bis kurz vor Schluss, stellte Elvis diese Bösartigkeit unter Beweis und  wurde so zum Weltstar!



Foto: Thurgauer Zeitung / NZZ

Als ich abends um 11 im Internet noch die Thurgauer Zeitung aufmache – was kommt mir da entgegen? Die erste Schlagzeile lautet (auch in der Zürizitig und im Tagi, hier etwas weiter unten, dafür mit Film): „Krokodil erbeutet Rasenmäher, Unter Aufopferung eines Rasenmähers ist ein Zoowärter in einem australischen Reptilienpark dem Angriff eines riesigen Krokodils entkommen.“ Im Tagi war der Film unter http://www.tagesanzeiger.ch/panorama/vermischtes/Enttaeuschung-fuer-Elvis-Rasenmaeher-statt-Zoowaerter/story/12273389. Ob er noch da ist, weiss ich nicht, Ihr könnt’s ja mal probieren
Weitere Planung
Ein weiterer Programmpunkt ist, mit den Kindern den Zitronenbaum einzupflanzen, den wir mitgebracht haben. Es wird ein richtiges Happening, alle machen mit!





An diesen Tagen habe ich auch einen Platz am Meer für Jeb nach Neujahr gesucht. Gar nicht so einfach, denn jetzt ist wirklich die Hauptreisezeit, nur 14 Tage, aber eben: alles voll. Ich telefonierte die Plätze ab Sydney Richtung Süden ab, bis ich fündig wurde: In (Ullas aller Länder aufgemerkt, hier kommt Ihr zweimal vor:) Ulladulla, so heisst der Badeort.
Als ich das auf der Reihe hatte, war unser Kopf frei für Sydney und Neujahr, denn wir hatten uns schon etwas Gedanken gemacht, wie lange wir den Mercers noch vor der Türe stehen konnten.

Mit Hannah nach Sydney - oder: Reisender kommst du nach Tuggerah
Für die ersten zwei Tage hatten wir in Sydney eine Reiseführerin, eine ausgezeichnete: Hannah, die zwölfjährige Tochter von Pip und Kirk. Sie machte ein ausgezeichnetes Programm, von dem wir am ersten Tag nicht ganz alles schafften, wofür ich verantwortlich zeichne. Ich hatte mir offensichtlich in den Kopf gesetzt, den wunderbaren Lokalbahnhof von Tuggerah in aller Ruhe ansehen zu können: ein Billetschalter, zwei Perrons, ein Kiosk, eine Personenüberführung, mehrere Sitzbänke, viel Zaun rund rum, gute Sicht auf Parkplätze – und das war’s dann.
Dazu mussten wir aber statt des Zugs nach Süden den nach Norden nehmen. Dass er ausnahmsweise auf dem falschen Perron fuhr (Verspätungen), war mir in meinen Bestrebungen behilflich. Alle Warnungen der beiden mich begleitenden Damen in den Wind, respektive den Zug schlagend, stürmte ich in die einfahrende Komposition, sie mussten folgen. Als auch ich dann das Gefühl hatte, da stimme was nicht, fragte ich einen netten Herrn, wohin er führe. „Oh, Newcastle“, war die Antwort, und das war definitiv verkehrt. Die erste Station, an der wir den Zug verlassen konnten, war nach 15 Minuten eben Tuggerah, dessen beschriebene Sehenswürdigkeiten wir eine geschlagene halbe Stunde besichtigen durften. Und nach insgesamt einer Stunde waren wir dann wieder in Gosford, wo wir eingestiegen waren.
Hannah, ob des gewählten Reisewegs etwas vewirrt, trug es mit Fassung. Eine bemerkenswerte junge Dame. Auch sonst.

Harbour Bridge, Circular Quai, Sydney Opera House, Fähre nach Manly


In Sydney spazieren wir zuerst 50 Meter über dem Wasser über die Harbour Bridge, etwa einen Kilometer von Norden in Richtung Zentrum. So sehen wir den Hafen, Circular Quai (Runde Hafenmole) und das prominent in dieses Ensemble eingefügte Sydney Opera House. Die Brücke war 1932 die grösste Ihrer Art, und sie ist auch heute noch das Wahrzeichen der Stadt.


Neben dem vom Dänen Jörn Utzon entworfenen Opernhaus versteht sich, dessen Pläne – und noch mehr die aus dem Ruder gelaufenen Kosten für die Dachkonstruktion – in den sechziger und siebziger Jahren einen Sturm der Entrüstung hervorriefen. Heute sind die Sydneysider (so heissen sie) stolz darauf.


Am Mittag nehmen wir die Fähre nach Manly, einem der Strände und Strandstadtteile Sydneys. Es gibt viele davon, und wir nahmen die Manlyfähre, weil die Fahrt eine halbe Stunde dauert und dies die billigste Hafenrundfahrt ist. Unser Billet für 20 Dollar (1:1 zum Franken) gilt für den ganzen Tag auf allen öffentlichen Transportmitteln, Fähren inclusive! Auch für Tuggerah! Manly hat einen schönen Strand mit starkem Surf (hohe Wellen für die Wellenreiter) und viele Restaurants. Wir essen Fish&Chips (das Schnipo der Australier).
 
Das reicht für heute, und es hätte auch ohne Nordumweg gereicht. Also nehmen wir a) einen Apéro am Circular Quai und b) von dort aus den Zug nach hause.
Powerhouse Museum, Darling Harbour, Fähre
Für den nächsten Tag haben wir uns das Powerhouse Museum vorgenommen, ein Museum in der alten Stromzentrale des früheren Sydney Trams, von dem nur noch eine oder zwei Linien übrig sind. Es ist ein technisches Museum mit Möglichkeiten zum Experimentieren, aber auch mit schönen Exponaten wie einer grossen Dampfmaschine von Boulten & Watt, die in einer Brauerei bis Ende des 18. Jahrhunderts gelaufen ist. Daneben ist es auch ein Museum für Design. Eine grosse Ausstellung war Spitzen gewidmet; es wurden neben Kleidern auch Kunstwerke gezeigt, für die Spitzen verwendet wurden.

Die laufende Ausstellung zu Harry Potter, für die die Familien anstanden wie blöd, interessierte uns alle nicht, auch nicht Hannah, die Literatur studieren will und in der Schule erste Preise für ihr Schreiben gewinnt.

Anschliessend schlendern wir in den Darling Harbour, einen riesigen Rummelplatz am Wasser. Circular Quai gefällt uns besser. Zurück zu diesem Hafen nehmen wir wieder die Fähre, die uns neue und schöne Blicke in den Hafen und auf die Harbour Bridge gewährt.


Neben mir fahren die beiden Punker Danny-Ellen und Brannon, die sich gerne von mir fotografieren lassen.

Twenty20
Dann müssen wir auf den Zug, denn wir haben eine Verabredung mit den Mercers. Als ich mich für das Cricket interessierte – Kirk war Captain einer regionalen Mannschaft – organisierten sie den Besuch einen Spiels (Sydney – Melbourne) im Olympiastadion. Es ist eine Liga mit einer Cricket-Form, deren Spiele 3 Stunden dauern (20 overs oder 120 Bälle für jede Mannschaft), und die spannender ist, als ein 5-Tage-Trial-Match, die höchste Form des Cricket. Elo muss nicht mitkommen, denn Pip fährt das Auto zurück und wir (Kirk – mit Elos Billet -, Hannah, Joshua und die 4-jährige Lucy und ich) nehmen dann den Zug (es wurde ein Uhr früh!).
Das Ganze hat mir sehr gut gefallen. Es ist eine Art Fest, die Zuschauer beschäftigen sich mit sich selbst, Familien sind die Regel, es ist richtig fröhlich. Da wird ein Wasserball aufgeblasen, der herumgeboxt wird, aber nicht in den Innenraum darf, denn dort wird er von den Sicherheitsleuten weggeräumt. Der unglückliche Zuschauer mit dem Fehlschlag und der nicht viel glücklichere Sicherheitsmann – beide werden kräftig ausgebuht!

Wir sind rechtschaffen müde, als wir zuhause sind, auch wenn die Kleinen sich sehr gut halten. Ach ja – das Spiel haben wir leider verloren, verschenkt, sagt Kirk, und er ist ja Fachmann.
Sylvester
Sylvester gehen Elo und ich nochmals nach Sydney. Das Neue Jahr wollen wir dort beginnen. Die Feuerwerke sind für 21 Uhr und Mitternacht angekündigt. Wir fahren am Nachmittag.
Die Frage ist, wie wir die Zeit verbringen, und wo wir das Feuerwerk ansehen wollen. Die Plätze rund um Circular Quai sind bewirtschaftet: Alkohol mitzubringen ist verboten; es kostet nichts, reinzugehen, aber wenn sie voll sind, sind sie zu für den Rest des Tages und der Nacht. Wir fahren auf gut Glück hin, und siehe da, einer, fast an der Oper ist offen.
 
 
Und hier gibt es am Wasser ein schönes Restaurant, in dem wir eine luxuriöse Platte Meeresfrüchte (mit Austern, Krebs und so) essen, dazu eine Flasche guten Weisswein (Pinot Grigio), dann Express und so. Statt wie angekündigt um 5 werfen sie uns erst um 6 raus, sie müssen für das Abendmenue decken. Die Menuepreise rund um den Hafen sind gesponnen: 400 bis 500 Dollar. Pro Person.


Durchmogeln

Wir gehen weiter nach vorn, mogeln uns, gegen alle Proteste der Leute, die hier schon seit 10 Uhr morgens sitzen, bis zu einem exzellenten Platz, wo wir uns auf zwei noch nicht von Wolldecken belegten Plätzchen von je ½ m2 niederlassen. Elo sitzt einfach ab, und damit hat es sich. Wir sind dabei. In den nächsten drei Stunden freunden wir uns mit den Nachbarn an, Zeit haben wir ja. Sie liegen auf Wolldecken, haben Spielkarten und Sonnenschirme, Zeichenmaterial für die Kinder usw.

Um 21 Uhr kommt dann das erste Feuerwerk – eine glatte Enttäuschung. Die Harbour Bridge, auf die wir uns konzentriert haben, wird praktisch gar nicht genutzt, das wird erst um Mitternacht der Fall sein. Aber dafür nochmals 3 Stunden sitzen und stehen, das wollen wir nicht, da sind wir uns einig. Wir gehen raus, was einfacher gesagt ist, als getan, denn mittlerweile stehen hinter uns die Leute 20, 30 Meter tief dicht an dicht: Ich muss all meine Künste des Schiliftdrängelns anwenden, bis wir schliesslich raus sind.

In die Rocks


Wir gehen in die Strassen rund um den Hafen, wo sich riesige Menschenmengen bewegen. Ausgelassen, aber friedlich, die einen in diese Richtung, die anderen in die andere, die meisten aber Richtung Hafen. Zuerst essen wir in einem von Chinesen betriebenen Imbiss ein Sandwich. Wir beschliessen, in die Rocks zu gehen, das alte Hafenviertel, das jetzt touristisch aufgemotzt ist. Das gibt es ein altes Pub („Sydney’s oldest“), in das ich mal will. Ueber eine Hintergasse kommen wir rein. Und im Pub hat es Platz.
Um Mitternacht sind wir auf der Strasse. Jetzt sehen wir das Feuerwerk auf der Brücke (gross), aber die umliegenden nicht, und so müssen wir halt die beiden Feuerwerke quasi zusammensetzen. Das geht ganz gut, und schön ist es allemal, in Sydney das Neue Jahr zu feiern, uns gegenseitig und allen Familienangehörigen, Freunden und Verwandten in der Ferne alles Liebe und Gute zu wünschen.
Das tun wir dann auch, und nach einem Frühtrunk im neuen 2012 im alten Pub nehmen wir müde aber zufrieden den Zug nach Gosford. Kirk holt uns um 3h30 am Bahnhof ab! Sagenhaft.
Abschied


Am Neujahr ruhen wir uns aus, abends an den Strand und Barbeque.







Am 2. nehmen wir Abschied von Familie Mercer. Es fällt uns nicht leicht.  Aber wenigsten bringe ich es fertig, einmal alle auf einem Bild zu haben!


Von links: Lucy (4), Kirk (?), Joshua (6), Elizabeth (2), Pip (??), Laura (10), Hannah (12)





Sie sind so lieb, so unkompliziert, so hilfsbereit. Was wir haben, ist für alle da, auch für Euch – dieses Gefühl ist wunderschön. Danke!



Die Mercers erobern Europa
Und wir können uns etwas revanchieren. Die Familie reist im Sommer nach Europa, oder wie ich es formulierte: „The Mercer Gang is conquering Europe!“ Das wird ein Ding. Die haben noch viel mehr Mut, als wir. Eltern, 5 Kinder zwischen 2 und 13, plus Grossmutter. Anlass sind die Olympischen Spiele in London, die Familie ist sportlich sehr aktiv und begeistert. Dann wollen sie noch nach Deutschland und in die Schweiz. Pip war Austauschschülerin an der Kanti Frauenfeld und hat noch viele Freunde.

Elo ganz spontan: Wir haben ja ein ungenutztes Haus, das könnt ihr in dieser Zeit haben. Dazu braucht Ihr dann noch ein Ferien-Generalabo der SBB (die Kinder sind da alle gratis), der Bahnhof ist nah. Sie haben schon ein paar Telefonnummern, aber Cousine Ulla, bei der Pip auch mal gewohnt hat, wird das organisieren. Sie werden zu Beginn, vor den Spielen in London, einige Tage und dann im Anschluss etwa zwei Wochen in Sirnach sein. So ihr Plan zu Zeit.

Unsere Bitte
Wenn Ihr den Mercers was zuliebe tun könnt, wenn Ihr ihnen helfen könnt, tut das bitte, auch für uns. Sie sind dankbar und sehr liebenwert.

Ulladulla
Jetzt sind wir also in Ulladulla auf einem schönen Campingplatz am Meer. Wir bleiben vier Nächte, und das ist so der angestrebte Rhythmus: Das gibt jeweils drei Tage ohne Fahren, die Seele kann sich strecken, die Hängematten werden aufgebaut, die Blogs geschrieben, wir baden in einer kleinen Bucht, am Abend braten wir uns Fleisch und Gemüse, dazwischen gehen wir in die nahe Stadt.


Ein Mitbewohner des Parks: ein Kookaburra


4.1.2012 / JB.