Gutes Essen, schöne Stadt /
Ureinwohner – der Unterschied zu Australien / Ein Gründungsvertrag /
Kulturspuren / Nach Norden / Schottische Odyssee / Im ältesten Hotel, in der
ältesten Beiz / Nordend / Von der Flut eingeschlossen / 5 Stunden Warten / Ende
gut, alles gut / Freimaurer-Hotel / Sing Out und Poolbillard / Baumriesen
Ureinwohner – der Unterschied zu Australien
Das Museum of Auckland ist das ehemalige Militärmuseum, was nachwirkt. Im obersten Stock ist es sehr patriotisch, interessant ist allerdings ein Raum über die Kriege, die die Ureinwohner Neuseelands, die Maoris, gegen die Weissen Mitte des 19. Jahrhunderts führten. Das war kein Zuckerschlecken, für beide Seiten.
Am Nachmittag fuhren wir mit einer Fähre auf die Insel Waiheke, auf der
ausgezeichneter Wein gemacht wird. Wir wanderten auf das Weingut Cable Bay, das
einen sensationellen Blick auf das ferne Auckland hat. In der leicht nebligen
Stimmung des gemischt regnerisch-sonnigen Tages kamen Lichtstimmungen auf, die
an Turner-Bilder erinnerten. Die Trauben für den Pinot Noir und den Semillon
Blanc kommen von der Südinsel (das Klima hier ist dafür nicht geeiget), der
Wein wird, wie der von den hier wachsenden Pinot Gris und Shiraz, hier
gekeltert.
Maori-Abteilung
Eine richtige Auswanderungswelle brachte in drei Jahrzehnten 80'000 Schotten nach dem heutigen Kanada. Mitte des 19. Jahrhunderts führten Missernten unter anderem durch die Kartoffelfäule zu Not. Ein charismatischer Pfarrer führte eine ganze Glaubensgemeinschaft mit fünf (selbstgebauten) Schiffen nach 1851 zunächst nach Adelaide (kein Land), Melbourne (kein Geld, nur Goldrausch) und schliesslich über Auckland nach Waipu, wo sie endgültig siedelte. Bis 1907 wurde der Gottesdienst in Gälisch gehalten, und auch heute noch sind die Nachkommen stolz auf ihre Geschichte und Kultur. Schafe züchten auch sie.
Und wir wohnen hier, denn die Uebernachtungspreise sind tragbar (110
Franken mit Frühstück). Das Haus am Hafen hat viel Atmosphäre. Ich sitze auf
der durch Plastikvorhänge vor dem kalten Wind geschützten Terrasse, trinke ein
Bier und schreibe. Und ich freue mich auf das Abendessen im stilvollen Lokal
und dem Absacker in der klassischen Bar. Elo hat sich hingelegt und versucht,
ihre starke Erkältung etwas zu kurieren.
An einer Stelle, die zwischen steiler Düne und starker Brandung recht eng war, fragte ich mich, ob das mit der Zeitangabe für die Flut auch stimmte (wir sollten noch rund drei Stunden haben). Aber dann wurde es wieder weiter, wir genossen es – bis wir plötzlich nach etwa 20 Kilometern vor einem Felsriff standen, an dem es kein Beikommen mehr gab, zu hoch war schon das Wasser! Hier in der Nähe wäre eine Ausfahrt zur Hauptstrasse gewesen, die wir nehmen wollten.
Eine gute Seite hatte die Sache: Als ich im Auto zur Ablenkung etwas lesen wollte, merkte ich, dass ich mein elektronisches Buch und meine Lesebrille in der Unterkunft vergessen hatte. Weil wir ja zurückfuhren, konnte ich die Sachen gleich wieder abholen.
Das Frühstück nahmen wir auf der Terrasse eines Cafés unten am Hafen ein. Der Wirt hatte gemeint, ihm sei das zu früh, die Frauen da unten würden das sehr gut machen. Was stimmte.
Die Kauri wurden im 19. und 20. Jahrhundert abgeholzt, das Holz ging nach Australien. Das von uns besuchte Rawene erlebte zu dieser Zeit seinen Boom, denn hier wurde das Holz verschifft.
Aber es gibt noch einen anderen Ast der Kauri-Geschichte. Weiter im Norden, in der Gegend von Houhora, fielen vor 50'000 und mehr Jahren mehrer Kauriwälder Naturkatastrophen nicht genau definierter Art zum Opfer. Die Bäume fielen um und sie wurden von Wasser und Sumpf überspült. Der Cocktail von Sumpfpflanzen konservierte sie ausgezeichnet. Das Harz versteinerte teilweise und bildete Bernstein, oder es blieb in einer Form erhalten, die es als Grundstoff für die verschiedensten Produkte von Feueranzünder und Kaugummi der Ureinwohner bis hin zum Lack der Engländer wertvoll werden liess.
Nordland, das ist der Norden Neuseelands, der ja klimatisch eigentlich
der Süden ist (respektive sein sollte), da auch hier verkehrte Welt herrscht.
Dahin gehen wir zuerst, denn wir hoffen auf einen milden Frühling. Ist aber
nichts, es ist oft Sauwetter und ein miserabel kalter Wind bekämpft die
wärmende Sonne erfolgreich. Sei’s drum, wir hatten ja bisher 16 Monate Sommer.
Gutes Essen, schöne Stadt
Das Essen ist gut in Neuseeland. Wir haben am ersten Abend einen
Tintenfisch gegessen, wie wir ihn lange nicht – wenn überhaupt je hatten: zart,
ausgezeichnet gewürzt. Und am zweiten Abend einen Thunfisch vom feinsten. Auch
der Wein schmeckt uns ausgezeichnet. Das Frühstück, das hier wie fast überall
auf der Welt nicht im Hotelpreis inbegriffen ist und sauteuer verkauft wird,
nehmen wir in einer Sandwichbar oder als Sushi in einem japanischen
Schnellimbiss. Der Kaffee ist auch in Neuseeland sehr gut. Es leben – einmal
mehr – die italienischen Kaffeemaschinen!
Auckland ist eine schöne Stadt. Wir wohnen am Hafen, im 11. Stock mit
Blick auf das aufgewühlte Meer, das seine Farbe in Minutenschnelle ändert, denn
das Wetter ist, sturmgetrieben sehr wechselhaft. Sonne, Wolken, Regen, Sonne –
wie es Petrus grad gefällt. Grad vor der Türe sind die Touristeninformation,
der Terminal der Fähren und viele Bars und Restaurants. Die
Haupteinkaufsstrasse, Queen Street, ist um die Ecke. Erste Lage also.
Das Auto lassen wir in der Garage, wir gehen zu Fuss. Es ist Sonntag,
die Geschäfte öffnen meist erst nach 10 Uhr. Der Kauf eines Internetmodems muss
warten, wird aber am Nachmittag nachgeholt. Zuerst gehen wir ins Auckland
Museum (Hinweg Bus, Rückweg Fuss). Auf dem Weg dahin kommen wir am Sky Tower
vorbei, und wir lassen uns die Aussicht aus über 200 Metern nicht entgehen. Auf
der Plattform können wir über Glasplatten gehen, die uns einen Blick direkt
nach unten ermöglichen. Zwar steht geschrieben, das Glas sei dick und sicher.
Aber es ist doch ein mulmiges Gefühl.
Ureinwohner – der Unterschied zu Australien
Das Museum of Auckland ist das ehemalige Militärmuseum, was nachwirkt. Im obersten Stock ist es sehr patriotisch, interessant ist allerdings ein Raum über die Kriege, die die Ureinwohner Neuseelands, die Maoris, gegen die Weissen Mitte des 19. Jahrhunderts führten. Das war kein Zuckerschlecken, für beide Seiten.
Im Zentrum des Museums ist eine grosse Sammlung von Maori-Gegenständen.
Sehr eindrücklich, wenn auch, wie wir bei einer „Kundenbefragung“ am Ausgang in
einem längeren Gespräch mit einer Angestellten deutlich machen, eher wie ein
Lager des Museums als wie eine moderne Ausstellung. Aber es hat (zu) viele
schöne Stücke.
Uns wird deutlich, wie unterschiedlich in jeder Beziehung die Ureinwohner
dieses Landes im Vergleich zu denen Australiens sind. Da ist einmal die
materielle Kultur. Zwar gibt es auch hier keine Metallgegenstände, aber die
Steinbearbeitung war wesentlich weiter. Wir würden Jungsteinzeit sagen. Feine
Steinklingen und sehr gut gearbeitete Steinbeile mit schöner Politur. Raffinierte
Schmuckstücke und eine hoch entwickelte Tradition der Holzbearbeitung, sei das
in der Skulptur, der Schnitzerei oder der Waffenherstellung.
Die Maori waren eine sehr kriegerische Kultur, untereinander und dann
gegen die Weissen. Die in mehreren Wellen vor über 700 Jahren aus dem Pazifik eingewanderten
Stämme verspeisten durchaus ihre gefangenen Feinde. Die Stärke der Ureinwohner
hatte auch eine andere Staatsgründung zur Folge.
Ein Gründungsvertrag
Während das moderne Australien seinen Ursprung auf die Landnahme der
Weissen 1770 zurückführt, ist es hier ein Vertrag zwischen den Weissen und den
Maori, der Vertrag von Waitangi vom 6. Februar 1840. Der Vertrag etablierte
einerseits einen Gouverneur auf Neuseeland, andererseits anerkannte er
Landrechte der Maori und gab ihnen von Anfang an die britische
Staatsbürgerschaft.
Zwar war die Auslegung des Vertrags (zwei sprachliche Versionen) von
Anfang an umstritten – was u.a. zu den erwähnten Kriegen führte –, aber die
Stellung der Maori als Staatsbürger war gegeben. Und das wirkt nach bis heute.
Die rund 15% der neuseeländischen Einwohner mit Maori-Wurzeln sind
selbstbewusst, die Kultur ist anerkannt. Widersprüche und Missverständnisse
gibt es bis heute. Im Theaterstück, das wir in Melbourne gesehen haben, (s.
Blogspot IV-1) sagt der Held des Stückes, seine englische Mutter sei
ausserordentlich beeindruckt gewesen über die Grösse des Landes, das ihr
Maori-Gatte sein Eigentum nannte, bis sie merkte, dass noch weitere 1500
Eigentümer des gleichen Landstückes existierten.
Wir werden der Maori-Linie weiter folgen.
Kulturspuren
Am nächsten Tag hatten wir weiter Kultur. Zuerst die berühmte Art
Gallery, in der neuseeländische Kunst des 19., 20. und 21. Jahrhunderts gezeigt
wird. Die Entwicklung ist eindrücklich, und auch hier wieder zeigte sich, dass
die Kultur der Uhreinwohner selbstbewusst ist. Seit Mitte des 20. Jahrhunderts
gibt es starke Einflüsse in der modernen Kunst, die sich stärker von der europäischen
abhebt als in Australien.
Wie vornehm der Ort ist, merke ich erst auf der Toilette! Keine
falschen Vorstellungen bitte! Es ist nur so, dass dort Zeitungsartikel hängen
und ich lerne, dass vor einem Jahr hier ein Treffen von 7 europäischen
Staatschefs mit gleichviel asiatischen stattgefunden hat, an dem auch
Uno-Generalsekretär Ban Ki Moon teilnahm.
Ob die wohl ahnten, dass auch wir dahin kommen würden……?
Anschliessend assen wir in einem Restaurant eines kroatischen Ehepaars,
das vor den Kriegswirren geflohen ist. Ausgezeichnet (assen wir).
Wo ist Elo?
Nach Norden
Heute sind wir nach Norden gefahren. Es wurde nicht wärmer, was es
eigentlich sollte, und es wurde nicht trockener (was man von Neuseeland einfach
nicht erwarten kann). Aber es ist schön.
Grün, gewellt bis ruppig, Aussichten auf die Küste zum Verlieben, Kühe und
Schafe, blühende Bäume und Wiesen, kleine Orte mit Ruhe, Strand, seltenen
Vögeln, kleinen Restaurants und schönen Unterkünften. Die Landschaft und die
Naturstrassen sind oft wie im Hinterthurgau, nur dass hinter der Krete direkt
das Meer ist.
Wir wohnen in einem kleinen Häuschen mit einer „sidigen“
Schlummermutter, haben den Strand zum Spazieren in der Nähe und das Restaurant
mit guter Hammelkeule und feinem Tintenfisch (schon wieder) über die Strasse.
Im Restaurant setzt sich die Wirtin mit ihrem Abendessen zu uns, und wir
unterhalten uns bestens.
Am Nachmittag, vor unserem ersten Picknick in Neuseeland, waren wir
noch im Thermalbad, mit Becken von 32, 36, 40 und 48 Grad. Das 48grädige Wasser
allerdings liess ich mir nur über die Schultern laufen.
Schottische Odyssee
Heute sind wir der Küste entlang weiter nach Norden gefahren. In
Whangarai haben wir die Haare schneiden lassen (der Friseuse aus Südafrika
musste ich dreimal „kürzer“ sagen, bis sie mir glaubte – jetzt ist es kurz!).
Die Preise sind fast wieder wie zuhause: zusammen 70 Franken, etwas mehr als
die aus Australien gewohnten 30 bis 40. Dann habe ich ein Kabel erstanden und
kann nun all unsere Musik vom iPod direkt auf das Radio spielen. Und das Auto
ist ja nun wirklich nach dem Büssli und Jeb, die ganz schön rumpelten, viel
leiser. Jetzt ist auch Klassik wieder möglich.
Auf dem Weg nach Whangarei kamen wir durch Waipu. Der grosse Friedhof
reizte mich, und er war dann auch erstaunlich: alles Schotten, bis heute, die
alten teilweise geboren in Nova Scotia in Kanada! Das Ortsmuseum klärte mich
dann auf (Elo waren die 8$ Eintritt, ein Fünfliber, zu viel, aber es hat sich
gelohnt): Ende de 18. Jahrhunderts haben die Engländer Schottland endgültig
erobert. Sie unterdrückten Kultur (Kilt und Pipes (Dudelsack)) und Religion
(Presbyterianismus), und die Clanchefs rissen sich das Land der Stämme unter
den Nagel, was die Kleinbauern pauperisierte.
Schottische Abteilung
Schottische Abteilung
Maori-Abteilung
Eine richtige Auswanderungswelle brachte in drei Jahrzehnten 80'000 Schotten nach dem heutigen Kanada. Mitte des 19. Jahrhunderts führten Missernten unter anderem durch die Kartoffelfäule zu Not. Ein charismatischer Pfarrer führte eine ganze Glaubensgemeinschaft mit fünf (selbstgebauten) Schiffen nach 1851 zunächst nach Adelaide (kein Land), Melbourne (kein Geld, nur Goldrausch) und schliesslich über Auckland nach Waipu, wo sie endgültig siedelte. Bis 1907 wurde der Gottesdienst in Gälisch gehalten, und auch heute noch sind die Nachkommen stolz auf ihre Geschichte und Kultur. Schafe züchten auch sie.
Im ältesten Hotel, in der ältesten Beiz
Wir sind in Russell gelandet, einer Kleinstadt an der Bay of Islands.
Sie liegt unweit vom heute unwichtigen Okiato, 1840/41 die erste Hauptstadt
Neuseelands (vor Auckland und heute Wellington an der Cook Strait zwischen den
beiden Inseln). Und das gemächliche, mit viel Charme geschützt am Meer liegende
Russell selbst hat auch viel Geschichte: Hier ist das älteste Hotel
Neuseelands, der Duke of Marlborough, das seit 1827 besteht und dessen Bar auch
noch die älteste Alkohollizenz des Landes hat. Sie wurde kurz nach dem Vertrag
von Waitangi erteilt und wird seither durchgehend genutzt. Das wäre auch bei
uns ein stattliches Alter.
Zuvor sind wir zum Fahnenenmast hochgelaufen. Dem ersten Australiens,
der dann von den Maoris in den 40er-Jahren des 19. Jahrhunderts hintereinander
drei- oder viermal umgelegt wurde, bis sich die beiden Völker etwas besser
fanden. Der Blick auf die Bay ist atemberaubend.
Nordend
Wir sind ganz hochgefahren an die Nordspitze des Insellandes. Cape
Reinga heisst der Punkt, wo der grosse Pazifik und die Tasmanische See
(eigentlich auch ein Teil des Pazifiks) zusammenkommen und Winde und Strömungen
die Szene beherrschen. Captain Cook hatte hier 1769 die grösste Mühe auf seiner
Erkundung der Inseln. Auch wir spürten die Gewalt der Elemente, es hat uns fast
umgeweht. Aber die Natur des Kaps, dessen weniger berühmter Nachbar eigentlich
noch ein wenig weiter nördlich liegt, ist eindrücklich.
Schon die Anfahrt. Da geht es rauf und runter, vorbei an einsamen
Farmhäusern, durch Wiesen und Weiden mit Kühen und Schafen, die das intensive
Grün Neuseelands mit schwarzen und weissen Punkten versehen. Am Kap ragen vulkanische
Riffe hoch über die See, die Brandung nagt unerbittlich am Felsen, Blüten
grosser Agavenarten erfreuen das Auge, und grosse und kleine Vögel zeigen ihre
Künste.
Von der Flut eingeschlossen
Am nächsten Tag schlagen uns die Betreiber der einfachen Unterkunft in Waitiki
Landing vor, wir sollten doch über den Ninety Mile Beach (Neunzig Meilen
Strand, der aber etwas kürzer ist) nach Süden fahren. Das sei ein reines
Vergnügen, mit gegen 100 Sachen über den glatten Sand, zwischen den Dünen und
der starken Brandung. Ich bin etwas skeptisch und frage nach der Zeit der Flut.
Kein Problem, wir hätten massig Zeit, und mit einem Vierradantrieb könnte
nichts passieren Letzteres stimmte dann ungefähr, wir haben es überstanden!
Aber der Reihe nach: Zuerst mussten wir nach einer Naturstrasse noch
einige Kilometer zwischen hohen Sanddünen durch ein Flussbett fahren. Der Fluss
führte wenig Wasser, kein Problem.
Dann waren wir am Strand, und es war
wirklich ein eindrückliches Erlebnis und ein schönes Fahren. Brandung ist
riesig. Kilometer um Kilometer rollen seitlich starke Wellen auf dich zu.
An einer Stelle, die zwischen steiler Düne und starker Brandung recht eng war, fragte ich mich, ob das mit der Zeitangabe für die Flut auch stimmte (wir sollten noch rund drei Stunden haben). Aber dann wurde es wieder weiter, wir genossen es – bis wir plötzlich nach etwa 20 Kilometern vor einem Felsriff standen, an dem es kein Beikommen mehr gab, zu hoch war schon das Wasser! Hier in der Nähe wäre eine Ausfahrt zur Hauptstrasse gewesen, die wir nehmen wollten.
Eine Sandauffahrt, eine Art Weg, versuchte ich, blieb aber oben stecken
und konnte mich dank Vierradantrieb und Differentialsperre mit Hin- und
Herschaukeln wider nach unten bewegen. Also zurück. Aber da war die Enge, und
ich hatte Angst, dort wieder nicht durchzukommen und dann plötzlich hinten und
vorne blockiert zu sein, und das Wasser kommt höher und höher, du bist drin und
wirst überspült. Die Vorstellung war sehr ungemütlich! Ich ging das Risiko
nicht ein.
5 Stunden Warten
Ich beschloss, einen Punkt zu suchen, der sicher über der höchsten Flut
lag. Das war bei der Mündung eines grösseren Bachs möglich, wir fuhren ihm
entlang landeinwärts und dort auf eine Düne, von der aus wir die Brandung sehen
konnten. Ich wendete – mit einiger Mühe und einigem Ruckeln – und dann sassen
wir da. Der einzige Trost: auf die Flut folgt die Ebbe.
Elo schlief fast zwei Stunden, was ihrer Erkältung gut tat, und sie
ging auch zweimal an den Strand spazieren, durchlüften war nur der Vorname. Ich
habe das Auto nicht verlassen und mit dem Feldstecher das Steigen der Flut, den
Höhepunkt und das langsame Absinken beobachtet. Nach knapp vier Stunden war ich
der Ansicht, es sei nun gut, und wir fuhren los. Aber oha.
Nach rund einem Kilometer stellte ich fest, dass der Sand oben am Rand
noch zu weich war, und unten die Wellen noch zu weit rein kamen. Ich hielt halbschräg
am oberen Rand der Dünung an, die Wellen donnerten und rauschten auf uns zu,
und manchmal umspülten sie auch noch die unteren Räder.
Da hingen wir drin
Wir warteten nochmals eine Stunde, eine Zeit, die viel Disziplin von mir erforderte, denn zu frühes Abfahren hätte verheerende Folgen haben können: Einmal eingesunken, bist du erledigt!
Da hingen wir drin
Wir warteten nochmals eine Stunde, eine Zeit, die viel Disziplin von mir erforderte, denn zu frühes Abfahren hätte verheerende Folgen haben können: Einmal eingesunken, bist du erledigt!
Ende gut, alles gut
Aber es ging dann gut. Ich stellte fest, dass es dort am besten ist, wo
das Wasser gerade noch hinkommt. Wir kamen zum Fluss, dessen Bett hoch – und
endlich wieder auf eine Strasse. Ich fragte Elo., ob sie gehört habe, wie mir
der Stein vom Herzen geplumpst ist, als wir im sicheren Bachbett waren.Eine gute Seite hatte die Sache: Als ich im Auto zur Ablenkung etwas lesen wollte, merkte ich, dass ich mein elektronisches Buch und meine Lesebrille in der Unterkunft vergessen hatte. Weil wir ja zurückfuhren, konnte ich die Sachen gleich wieder abholen.
Freimaurer-Hotel
Der Tag hatte dann einen sehr schönen Abschluss. Wir fuhren noch bis
Rawene, das wir mit einer Fähre über den weit ins Landesinnere ausgreifenden
Meeresarm Hokianga Harbour erreichten. Rawene ist die drittälteste Siedlung in
Neuseeland, und es war zur Zeit des Kauribooms (s.u.) eine recht grosse Stadt.
Heute ist es ein etwas schläfriges Nest, mit sehr freundlichen Einwohnern und
einem romantischen Hotel. Es heisst Masonic Hotel (Freimaurer-Hotel). Das Haus
sollte zuerst eine Freimaurerloge werden, aber als die Freimaurer den Bau nicht
bezahlen konnten, wandelte es der Baumeister kurz entschlossen in ein Hotel um.
Und das ist es seit 1879 geblieben, und damit ist die Barlizenz auch hier eine
der ältesten des Landes. ¨
Wir scheinen das zu suchen, aber es ist Zufall, wir fragten auf der
Fähre einfach nach einem Hotel, und es war das einzige, und es war sieben Uhr,
und wir hatten Hunger, und wir waren müde – und das Masonic Hotel hat uns vom
ersten Moment, als wir es betreten haben, gefallen. Im Pub war etwas los. Da
wurde gesungen zu Gitarren- und Uklulele-Begleitung, da wurde Billiard
gespielt, da liefen Spielautomaten. Und alle waren sofort freundlich zu uns,
sagten, wo wir nach Zimmern fragen sollten usw.
Der Wirt entschuldigte sich, das Hotel sei wirklich sehr alt, und
vieles nicht mehr so ganz im Schuss, aber sauber sei alles (da hatte er recht),
und gemütlich auch (auch da hatte er recht). Das Zimmer war einfach, Bad und WC
auf dem Gang, aber als einzige Gäste störte uns das nicht, müssen wir doch auch
zuhause aus dem Schlafzimmer aufs WC und mussten wir doch in Australien ein
Jahr lang zuerst ins Freie. Und die Küche war gut, der Wein in Ordnung.
Sing Out und Poolbillard
Und dann die Bar. Wir genehmigten uns nach dem Essen noch etwas Wein am
Tresen neben dem Billardtisch. Und wir waren sofort Teil der Gemeinschaft.
Mitsingen konnten wir nicht, denn es wären englische Texte gefordert gewesen.
Ausserdem war die Qualität des Gesangs sehr gemischt. Laut war es immer, aber
manchmal war die Melodie nur der Spur nach zu ergründen, da ging zu viel
durcheinander. Gut waren die Instrumente, und als sie dann mal auf rockigen
Blues umstellten, war es ausgezeichnet. Aber nur vorübergehend.
Ein ehemaliger Holländer der hier hängen geblieben ist, erklärte uns,
Freitag Abend sei hier immer viel los, und das Sing Out gehöre zum festen
Programm. Der kleine Kapitän der Fähre wollte mich zum Billardspielen
überreden, und je länger der Abend umso mehr. Irgendwie muss der Alkohol, dem
sie nicht allzu bescheiden zusprachen, jeweils wieder eine Informationsschicht
überdeckt haben. Gegen zwölf fragten sie mich im Viertelstundenrhythmus nach
meinem Namen, meiner Herkunft und meinen Billardkenntnissen. Und wollten mich
selbstverständlich auf die Tafel mit den nächsten Spielgruppen aufschreiben.
Eindrücklich war, wir sie miteinander umgingen. Junge und Alte, Frauen
und Männer, Angehörige der verschiedensten Berufsstände. Sie neckten sich
liebevoll, wenn auch nicht immer zurückhaltend, freuten sich über den Gewinn
eines Spiels, egal ob es ihr Gewinn war oder der der Mitspieler (hier gab es
keine Gegner), sie waren laut bis sehr laut, aber immer friedlich. Wir nahmen
ihnen ab, dass sie gerne in Rawene lebten.
Das Frühstück nahmen wir auf der Terrasse eines Cafés unten am Hafen ein. Der Wirt hatte gemeint, ihm sei das zu früh, die Frauen da unten würden das sehr gut machen. Was stimmte.
Baumriesen
Auf der Fahrt nach Süden kamen wir nach immer wieder schönen
Küstenpassagen ins Land der Baumriesen, der Kauri. Die Kauri, von denen es
Arten auch in anderen Regionen gibt, (wir haben sie in Queensland und im Süden
Westaustraliens gesehen), stammen aus der geologischen Zeit des Jura (vor rund
150 bis 200 Millionen Jahren) und sind alte Formen von Kiefern (Früchte sind
Zapfen). Sie machen riesige Stämme mit über 15 Metern Durchmesser und bis zu
250 m3 Holz, und die ältesten, die heute noch stehen, sind über 1500 Jahre alt.
Wenn sie verletzt werden, produzieren sie grosse Mengen von Harz.
Die Kauri wurden im 19. und 20. Jahrhundert abgeholzt, das Holz ging nach Australien. Das von uns besuchte Rawene erlebte zu dieser Zeit seinen Boom, denn hier wurde das Holz verschifft.
Aber es gibt noch einen anderen Ast der Kauri-Geschichte. Weiter im Norden, in der Gegend von Houhora, fielen vor 50'000 und mehr Jahren mehrer Kauriwälder Naturkatastrophen nicht genau definierter Art zum Opfer. Die Bäume fielen um und sie wurden von Wasser und Sumpf überspült. Der Cocktail von Sumpfpflanzen konservierte sie ausgezeichnet. Das Harz versteinerte teilweise und bildete Bernstein, oder es blieb in einer Form erhalten, die es als Grundstoff für die verschiedensten Produkte von Feueranzünder und Kaugummi der Ureinwohner bis hin zum Lack der Engländer wertvoll werden liess.
Es entstand ein eigentliches Gewerbe, die Suche nach Gum, wie die Harz-
und Bernsteinknollen hier genannt werden. Zuerst wurden die Harzknollen an der
Oberflläche gesammelt, dann aber immer mehr die Knollen der im Sumpf
verschwundenen Wälder. Wir besuchten ein Museum. Das Gewerbe war hart, die
Arbeit im Sumpf beschwerlich. Die Sucher stiessen auch auf die konservierten
Stämme, die heute teilweise ausgegraben und für Kunstgewerbe genutzt werden.
Es
ist eindrücklich, 100'000 Jahre alte Stämme zu sehen oder einen
Pfannenuntersatz von 45’000-jährigem Holz kaufen zu können.
Elo im alten Holz
Zum Schluss noch ein Bild von den freundlichen Neuseeländern (die
Eltern waren genauso zutraulich!):
21.10.2012 / JB.