Montag, 26. September 2011

2-III Tokyo

Reiseorganisation im Shikansen-Tempo Wir sind gut gelandet, und jetzt im Hotel. Dazwischen haben wir den ganzen Japanaufenthalt organisiert, in gut 2 Stunden: Geld wechseln bzw. am Automaten rauslassen, Telifönli mieten, Hotelzimmer buchen, Zugsbillete kaufen, in den Zug in die Stadt einsteigen. Das alles konnten wir am Flughafen machen, wo es ein ausgezeichnetes offizielles Reisebüro gibt, das kostenlos alles nach Wunsch arrangiert.

Wir hatten ja nur das Hotel in der Stadt per Internet gebucht, angenehm, nicht zu teuer, gut gelegen an der U-Bahn nahe dem Zentrum. Und den Abflug von Fukuoka („Fukoka“ sprechen sie das aus, und sie haben immer auf den Stockzähnen (wohl ganzen!) gelacht, wenn der Baumberger „Fukuoka“ gesagt hat, also von „Fukoka“ aus nach Peking am 4.10., den haben wir auch schon in der Tasche. Aber dazwischen? Nach Kyoto wollten wir und in einem Ryokan, einem traditionellen japanischen Hotel, übernachten, wenn wir uns das leisten konnten.

Denn, was wir im Internet fanden, war abschreckend teuer: über 500 Franken pro Nacht, nach oben offen in den vierstelligen Bereich.

Also haben wir uns an die Damen gewandt. Diese meinten, da sei schon was zu machen. Zuerst legten wir fest, dass wir 5 Nächte in Kyoto bleiben wollten, von wo aus wir dann die alte Hauptstadt Nara (also noch eine Hauptstadt, nach Kyoto und eben heute Tokyo) und Osaka in Tagesausflügen besuchen wollen.

Garden-View
Die Damen suchten nach einem Ryokan und wurden fündig: für knapp 200 Franken für 2 Personen im zahlbaren Bereich. Es ist ein Haus mit langer Tradition: seit 1884 beherbergen sie Gäste, als sie einen Mönch unter ihr Dach aufnahmen. Wir haben zugeschlagen, und wir freuen uns darauf, hat uns doch gerade auch ein Kenner Japans, gell Hans Uli, nochmals den Ryokan ans Herz gelegt, da man sonst nicht richtig in Japan gewesen sei. Ihr könnt’s Euch ansehen: www.matsubayainn.com, dann unten auf „English“, dann auf Room-Types&Charges und unter B-Type findet Ihr, was uns erwartet. Wir haben noch „Garden-View“, also Aussicht in den Garten,  und als Besitzer eines durch die japanische Gartenkunst beeinflussten Gartens freuen wir uns darauf.

Shinkansen
Reisen tun wir mit dem Zug, und zwar dem Schnellzug, dem Shinkansen, dem Vorbild aller Hochgeschwindigkeitszüge. Von Tokyo nach Kyoto sind es Luftlinie 365 Kilometer, dafür braucht er zweieinhalb Stunden, von Kyoto nach Fukuoka Luftlinie 520 Kilometer, da sind es zweidreiviertel Stunden. Kosten tut das Ganze 300 Franken pro Person. Das kam mir sehr teurer vor, aber Elo meinte, das sei im Verhältnis zum Kilometerpreis in der Schweiz noch günstig.

Die Billets haben wir einen Stock tiefer gekauft. Da war eine nette Dame, die die Ausländer beriet und schaute, dass sie auch die günstigste Lösung bekamen: Ein Direktbillet statt zwei Teilbillets. Dabei, und das erklärte sie mir ausführlich, ist es wichtig, dass wir in Kyoto die Karten nicht durch die Entwertungsmaschine lassen, sondern zum Personal gehen und erklären, wir würden unterbrechen.

Ausserordentlich freundlich und hilfsbereit
Ganz allgemein haben wir am ersten Tag die Japanerinnen und Japaner sehr freundlich, hilfsbereit und effizient erlebt. Sie sind humorvoll gewesen und haben positiv auf meine flotten Sprüche reagiert – vielleicht gehört das einfach zur Gastfreundschaft. Aber – so meine ich – witzig sind die Sprüche ja allemal. (Diese meine Ansicht ist nicht durch meine verehrten Gattin abgesichert, steht also etwas ungeschützt im gedanklichen Raum!)

Geheizter Hintern
Das Hotel ist, wie gesagt, in Ordnung, gut, mit dienstbereiten Leuten am Empfang usw. Aber eines ist speziell. Wir sind ja schon weit herumgekommen, aber einen geheizten WC-Sitz hatten wir bis heute noch nie! Komisches Gefühl. Ueberhaupt haben es die fernöstlichen Toiletten mit den eingebauten Waschanlagen in sich. Bei der Familie Lee in Seoul hat Elo den Lichtschalter gesucht und dabei die Sprinkelanlage für den Hinterteil in Betrieb gesetzt. Die Uebeschwemmung hielt sich in Grenzen! Und das Licht hat sie dann auch noch gefunden: im Gang vor dem Bad.

Weiter im Text
Damit nicht genug der fernöstlichen Ueberraschungen.

Heute Sonntag waren wir im Stadtteil Shibuya.

Wir besuchten dann den Schrein zum Gedenken des Meiji-Kaisers, der von 1868 bis 1912 regierte und den Uebergang Japan in die Neuzeit durchsetzte. Er verlegte die Hauptstadt von Kyoto nach Yedo, das er in Tokyo (östliche Hauptstadt) umbenannte. Der Schrein, in einem schönen grossen Park gelegen, ist ein nationales Heiligtum, und an einem Sonntag wie heute, wird er stark besucht. Dass der Meiji - Kaiser auch der Begründer des aggressiven japanischen Imperialismus war, der China und ganz Südostasien unterjochen wollte und Pearl Harbour in Hawaii bombardierte, liess sich in unserem Bewusstsein aber nie ganz verdrängen.

Wir assen im Snack-Restaurant eine Schüssel ausgezeichnete Nudelsuppe. Dann habe ich mir zum Dessert ein Erdbeerglacé gegönnt. Allerdings hatte ich schon besseres, aber gekauft ist auch gegessen. Als wir dann durch einen Markt mit biologischen Produkten gingen und dort einen Becher Sauvignon Blanc aus Frankreich kauften, meinte Elo, der sei doch wohl besser als das eben von mir verspiesene TOMATEN-Glacé!

Ich hatte einfach auf das rote Bild getippt, ohne zu lesen, und da ich sicher war, dass das Erdbeer sein musste, war es auch Erdbeer. Punktum, Streusand. Des Menschen Wille ist sein Himmelreich, meinte mein Schwiegervater in solchen Situationen. Und Elo, die kein Eis wollte und schon gar kein Tomateneis, dachte sich, solange er es isst, ist es ja gut.

Der Wein und die Brissago dazu haben dann das alles wieder ausgebügelt.

Sonntagsvergnügen
Wir sind auf dem Weg in den Schrein durch einen benachbarten Park gewandert, der voll von Leuten war, die joggten (auch Blinde mit jeweils einem Führer), Velo fuhren (gross und klein), picknickten, spazierten, ausruhten.

Vor dem Park war ein Markt „Incredible India“, mit Ständen und Beizen und Informationspunkten über Indien. Auf der Open-Air-Bühne sahen wir eine japanische Trommel-Gruppe, in der auch Kinder mitwirkten. Der Rhythmus war mitreissend.




Im Schrein sahen wir zwei hochvornehme Hochzeiten, Braut und Bräuterich in traditionellen Kleidern, die Gesellschaft piekfein angezogen, mit Shinto-Priestern und aufgebaut für das Erinnerungsbild.





Zurück in der Stadt waren die Strassen voll von flanierenden Paaren, Familien, Einzelgängern. Wir haben eingekauft, denn die eine Reisetasche, die wir in Vladivostok auf dem Markt günstig gekauft hatten, war einfach nur billig. Sie ist uns gestern Nachmittag vor dem Hotel quasi zusammengebrochen. Jetzt haben wir Ersatz.



Voller Erfolg
Das mit dem Senden der japanischen Telefonnummer an alle Blogbezieher war ein voller Erfolg. Wir haben Anrufe aus 5 Ländern und 3 Kontinenten bekommen. Dazu noch SMSs. Alle diese Kontakte freuen uns sehr, denn die Stimmen mündlich und schriftlich tun gut. Die SMS können wir allerdings mit diesem Dampftelefönli nicht beantworten, aber auch sie sind liebe Zeichen von guten Freunden!

Die Japaner sind übrigens weniger Natel-verrückt als die Koreaner. Von 6 uns in der Metro gegenüber sitzenden Japanerinnen und Japanern haben es nur 2-3 in der Hand. Dabei sind durchaus auch noch alte Modelle zu sehen. Und es werden sogar Bücher gelesen beim stundenlangen zugfahren.

Meiji und Modernisierung

Der Kaiser Meiji, dessen Schrein wir heute besucht haben, hat mich im Zusammenhang mit der Modernisierung Chinas (Thema meiner Doktorarbeit) immer wieder beschäftigt. Deshalb sei hier ein kleiner historischer Exkurs erlaubt.
Das gesamte 19. Jahrhundert (zum Teil schon zuvor) waren China und Japan mit einer westlichen Herausforderung konfrontiert. Die in sich geschlossenen, der (konfuzianischen) Tradition verhafteten Gesellschaften sahen sich modernen industrialisierten und militarisierten Gesellschaften wie England, Frankreich, Deutschland, Amerika, Holland gegenüber, die mit allen Mitteln den freien Welthandel erzwingen wollten. Sowohl Japan als auch China wehrten sich zunächst dagegen, ihre Häfen den ausländischen Teufeln zu öffnen. Beide Länder aber erkannten, dass sie den Westen nur mit seinen eigenen Mitteln schlagen konnten, nach dem Motto: die eigene Tradition ist Grundlage, aber aus dem Westen übernehmen, was gut und notwendig erscheint.

Der japanische Kaiser Meiji führte ab Mitte des 19. Jahrhunderts in diesem Sinne Reformen durch. Da vom Kaiser selbst als richtig und notwendig erachtet, wurden die Reformen auch umgesetzt. Zudem gab Meiji selbst ein Vorbild: Er und seine Gemahlin kleideten sich im westlichen Stil und assen auch westliche Gerichte. (Das scheint unwesentlich zu sein, ist aber entscheidend für Denken und Verhalten). Die Reformen waren erfolgreich.

Die Folge der Meiji-Reformen war eine rasche Modernisierung und Industrialisierung. In Verbindung mit Japans militärischer Tradition (Shogunat/Samurai) entwickelte sich daraus eine unheilige Allianz zwischen Militär und Industrie, die zu einem aggressiven Imperialismus führte. Das äusserte sich in den 30er und 40er Jahren des letzten Jahrhunderts.

Vermutlich spielt diese Tradition heute noch in den grossen Firmen. Die unheilige Verbindung zwischen Wirtschaft und Politik zeigte sich ja auch in der Bewältigung der Krise von Fukushima.

Spätes Erwachen Chinas
In China gab es ab Mitte des 19. Jahrhunderts ähnliche Reformanstrengungen wie in Japan. Die „Selbsterstarkungsbewegung“ und die Reformbewegung von 1898 scheiterten aber kläglich. Das lag an der Schwäche der letzten Dynastie und an den inneren Unruhen in China (Taiping und Boxer).

So wurden Reformen wie die Erneuerung und Professionalisierung des Beamtenapparates, des Erziehungswesens und der Wirtschaft nicht durchgesetzt, nur ansatzweise oder zu spät angegangen. Das Ergebnis war, dass westliche Mächte die Öffnung von Chinas Häfen erzwangen, England Hongkong annektierte und das auf dem Festland gegenüber gelegen Kowloon für 99 Jahre pachtete, Shanghai in ausländische Konzessionen aufgeteilt wurde etc. 1911 wurde dann die letzte Dynastie gestürzt, gefolgt von der Herrschaft der Kriegsherren, von Bürgerkriegen und dem Krieg gegen Japan.

Beruhigung und „Modernisierung“ gab es erst ab 1949 (zu einer Zeit als Japan seine Niederlage im Zweiten Weltkrieg schon bewältigt hatte und mit dem Wiederaufbau begann). Mit den „vier Modernisierungen“ und den Reformen Deng Xiaopings hat China ab 1978 enorm aufgeholt. Der Abstand zwischen Japan und China wird immer geringer – er scheint mir noch vorhanden. (eb)

Stadtleben
Heute Montag waren wir in der Stadt. Wir sind viel Metro gefahren, die praktisch, zuverlässig und gross ist. Wir können auch schon umsteigen, wobei in den Stationen mit mehreren Linien viel Weg zu laufen ist. Aber wir haben uns nicht verfahren.

Zuerst fuhren wir in den Stadteil Asakusa im Nordosten.

Hier gibt es eine Einkaufsstrasse im Stil der alten Hauptstadt Edo. Auch viele Läden stammen aus dieser Zeit. Auffallend ist die grosse Zahl der Zuckerbäcker, die ihre Produkte von Hand oder maschinell direkt im Laden herstellen. Sonst überwiegen die Souvenir-Shops. Ich erhielt ein Vanille-Erdbeer-Glacé, damit ich den Flop des Vortags vergesse. Essen musste ich es vor dem Geschäft zusammen mit anderen Leidensgenossen, denn flanierend darf so was nicht geschehen. Es ist ja auch etwas wie ein Open-Air-Museum, und da muss Ordnung sein!

In der Haupothalle des Sensoji-Tempels

Anschliessen an die Strasse liegt der Sensoji-Tempel. Es ist der „älteste“ in Tokyo, begründet im Jahr 628. Aber nach verschiedenen früheren Beschädigungen und Zerstörungen wurde er 1945 im Weltkrieg endgültig zusammengehauen. 1968 wurde er wieder aufgebaut, in Eisenbeton, wie die Hinweistafel anscheinend mit Stolz bezeugt.



Bad Joss

Aber das Gelände ist schön, mit kleinen Sakralbauten und Gräbern, und die Japanerinnen und Japaner beten, spenden Weihrauch und lassen sich mit Stäbliorakeln die Zukunft deuten. Du nimmst, nachdem du den Obolus von 100 Yen (einem Euro) abgeliefert hast, eine grosse Büchse mit einem oben seitlich angebrachtem Loch, ähnlich einem modernen Zahnstocherbehälter in der Beiz, schüttelst ihn und drehst ihn. Dann kommt ein Stäbli raus mit einer japanisch geschriebenen Zahl drauf. (Die ist wie Chinesisch, wir können sie lesen). Du öffnest das Schublädli mit der entsprechenden Zahl und entnimmst die Weissagung (englische Uebersetzung steht drauf.

 
Auch ich habe mir die Zukunft deuten lassen, mit einem Resultat, das mich in ebendieser (Zukunft) davon abhalten wird, das nochmals zu tun. „Bad joss“, schlechtes Glück, war das Erste, was mir in die Augen sprang. Dann kam es knüppeldick: Mir würden die Diener davonlaufen, ich würde krank und einsam, und – das Grösste! – ich dürfte keinerlei Reisen unternehmen. Ich habe dann den Zettel einem der Arbeiter gegeben, die den Tempel sauber halten, und dabei (leise) gesagt, ich würde ihm auch mein Bad Joss mitgeben. Wird wohl helfen.

Tokyos Bahnhofsstrasse

Das Ginza-Quartier im Zentrum Tokyos ist, was die Bahnhofsstrasse in Zürich. Nur grösser und vielleicht auch im Durchschnitt qualitativ hochstehender. Wir sind in ein alteingesessenes Warenhaus mitten in Ginza, das Mitsukoshi. Da finden sich auf 3 Stockwerken unter und 9 über dem Boden alles, was an luxuriöser Lebenshaltung zu finden ist. Lebensmittel, Kleider für Frauen, Kinder und Männer, Schuhe, Möbel und Teppiche, Geschirr, Küchenartikel usw. usf. Darüber auf drei Stockwerke Kulinarik. Zuerst eine Terasse mit einem guten Angebot an schnellen Snacks. Dann auf zwei Stockwerken Restaurants mit allen Varianten der japanischen Küche.

Sogar die Löschanschlüsse für die Feuerwehr sind edel


Wir haben in einem Restaurant, das ähnlich den südchinesischen Dim Sum-Gaststätten gekochten und gedämpfte Kleinigkeiten anbietet, zu Mittag gegessen. Es gab nicht die ganze Karte, sondern über Mittag nur zwei Menues zur Auswahl. Wir haben uns eines geteilt, und die 5 Gänge haben völlig ausgereicht. Der Hauptgang Scharfe Nudelsuppe mit Sesam war so gross und gut, dass wir auch schon das Abendessen eingenommen hatten. Nicht aber die Abendgetränke, denn da reichen zwei kleine Bier und ein grüner Tee denn doch nicht!

Nieselregenprogramm
Es regnete jetzt leicht. Wir suchten also Dach über dem Kopf. Im Sony-Haus liessen wir uns  in die neuesten Neuigkeiten der japanischen Elektronik einführen, aber das war so ganz neu nicht.

Jetzt war genug geshoppt, aber noch nicht genug gesehen. Wir fuhren mit der U-Bahn zum nahe des Hafens gelegenen World-Trade-Centre (heisst so!) mit seinem auf 152 Metern gelegenen „Observatory“, das hier keine Sternwarte sondern eine Art Plattform ist, von der aus wir die ganze Stadt sehen konnten: Gedeckt, verglast, klimatisiert und mit rundrum Fenstern. Phantastisch!



 
Anschliessend gingen wir einen Stock runter in den 39. und tranken ein Glas Weisswein und beobachteten, wie die Stadt sich quasi schlafen legte, auch wenn sie natürlich nie schläft.






Heute geht’s mit dem Shinkansen nach Kyoto.
27.9. ejb

Freitag, 23. September 2011

2-II Südkorea 2

Rohfischorgie Wir haben vertilgt: 3 Fische, 3 Seeigel, 1grosse Muschelschnecke – alles roh! Die Finger riechen immer noch etwas danach. (Jetzt nicht mehr: gewaschen.)

Aber der Reihe nach:

Nach einem Tag im Zimmer, auch wenn es schön ist, bekommst Du etwas wie Klaustrophobie. Also gehen wir um 17 Uhr, als der Regen etwas nachlässt, raus, mit dem Ziel, in der Nähe des Hafens etwas zum Essen zu finden. Nachdem wir als Versicherung gegen den Regen zwei kleine Schirme gekauft haben – es hat genützt – und an der in der Nähe des Hafens gelegenen Busstation das Bus-Ticket für morgen um 9h, gehen wir los in Richtung Hafen.

Die am Wege liegenden Beizen mit den vielen frischen, in Vivarien schwimmenden Fischen ignorieren wir. Ich habe noch im Kopf, dass die Frau von der Touristeninformation gesagt hatte, Sokcho sei in Korea der berühmteste Ort für rohen Fisch.

Wir laufen also bis ans Ende des Hafens, und es lohnt sich. Dort kommen wir an ein grosses Gebäude, das an einen Hafenzoll erinnert: knapp 100 Meter breit, zweistöckig und hell beleuchtet. Wir sind nicht die einzigen, die da hin gehen, wohl aber die einzigen, die zu Fuss kommen.

Vor dem Gebäude sind über die ganze Breite flache Vivarien aufgereiht, versorgt mit Frischwasser, drei bis vier Reihen tief, voll von Fischen und Meeresfrüchten. Hinter jeder Reihe ist etwas wie ein Laden. Wir sehen, dass die Leute Fische und anderes kaufen, die dann in einen Korb kommen, wo sie oft zappelen, so sie denn dazu ausgerüstet sind (die Seeigel z.B. nicht).



Saschemi? Saschemi!
Eine Fischhändlerin kommt auf uns zu und fragt uns: „Sashemi?“, also: rohen Fisch? Wir bejahen, sie zeigt uns 3 10’000er-Noten, ich nicke. Sie beginnt auszusuchen, was wir ihr überlassen. Es sind eben die drei Fische mittlerer Grösse, 3 Seeigel und 1 grosse Schneckenmuschel. Mit den Fischen im flachen Korb winkt sie uns in den Laden. Dort sind weitere Fischbehälter zu sehen. Dahinter ist dann eine Art Arbeitsraum, in dem 3 Frauen sitzen. Diese nehmen unsere „Beute“, töten sie, nehmen sie aus, und zerlegen sie in kleine Stücke. Frischer kann Fisch nicht sein.
Dann fragt uns die Frau noch, ob wir Wasabi, die scharfe grüne Meerrettichpaste, rote Sauce mit Soja und Salat- und Gemüseblätter zum Einwickeln des Fisches und dann so essen wollen. Das ist inbegriffen, und vom Wasabi gibt es eine ganze Tube, die uns zuhause für ein Jahr reicht!

Alles durchorganisiert
Dann werden wir von der Fischhändlerin in den ersten Stock geführt und an einen Tisch platziert. Die beiden Körbe mit dem Fisch etc. und den Beilagen kommen zwischen uns, es gibt einen Becher für Wasser oder (für mich) Bier, das ich kaufe, Stäbchen, eine Flasche Sojasauce und ein zweigeteiltesTellerchen aus Styropor, in das wir Sojasauce und Wasabi tun. Neben jedem Sitzplatz ist auch noch ein einflammiger Gaskocher, auf dem wir uns eine Suppe hätten zubereiten können, hätten wir die entsprechenden Zutaten wie Fischköpfe und Krebse besorgt gehabt. Die Pfannen würden geliefert.

Wir lassen es uns schmecken.

(Die Bilder stammen aus Busan, ich bin ohne Kamera ausgerückt!)

Viva Italia
Auf dem Heimweg laufen wir noch durch die Stadt, die auf den zweiten Blick einen viel besseren Eindruck macht, als im Regen. Wie halt in der Nacht alle Katzen grau sind, sind Städte im Regen nichts Amächeliges! In einem der vielen Cafés, die es in Korea gibt, kehren wir noch ein. Ich esse ein sehr gutes Glacé, beide trinken einen Espresso. In Südkorea gibt es wesentlich mehr Cafés all’Italiana als Starbucks-Schuppen mit „Kaffee“ im Karton. Daher:

Italien und die italienischen Kaffeemaschinen-Bauer haben mit der Verbreitung italienischer Kaffee-Kultur ein unbestreitbares kulturelles Verdienst.

Wechselgeld
Bewegt haben wir uns in der Stadt mit öffentlichen Bussen. Das ist ganz einfach: Du steigst ein und wirfst, egal wie weit du mit der Linie fährst, pro Person 1000 Won (75 Rappen) in einen Plastikkasten neben dem Chauffeur. Das hat immer gut geklappt, ausser einmal. Als ich gestern einmal einwarf, hat es unter dem Plastikkasten plötzlich langsam aber stetig zu scheppern begonnen: Klack, klack, klack… und nicht mehr aufgehört. Die 1000er und die 10000er haben fast die gleiche Farbe, und ich habe statt 2000 11'000 eingeworfen. Der Chauffeur gibt das Retourgeld, indem er auf eine Taste drückt. Er kann nur Münzen rausgeben, und die grösste ist 500. Also musste er 18 Mal drücken, und ich musste 18 500er einstecken. Der ganze Bus hat gelacht, und ich bin etwas schief gegangen, bis ich die Last wieder los war.

Heimweh
Heute Abend stand uns der Sinn nach etwas Luxus, oder wie Jürg meinte, nach einem „decent meal“. Wir liefen etwa eine halbe Stunde bis zum Hotel „Hilton“. Meine Sorge, in Jeans und Turnschuhen würden wir in dem noblen Schuppen abgewiesen, erwies sich als unbegründet. Als wir nach dem Restaurant fragten, meinte der Portier nur: „Welches?“ Japanisch und chinesisch werden wir demnächst im Original haben, italienisch geniessen wir lieber in Italien oder in der Schweiz. Also Buffet-Dinner! Wir wussten ja nicht, dass sie hier gerade Oktoberfest feiern, mit deutschem Bier und deutschem Essen. Allerdings war ausser dem Schweinebauch und den Rippchen nichts Deutsches auszumachen. Das Buffet bot alles von Sushi, über Roastbeef und koreanischem Essen bis zu Früchten und Desserts. Wir legten auch einen Gang Spaghetti Bolognese ein. Dazu tranken wir einen chilenischen Chardonnay.

Wir liessen es uns gut gehen, liessen Vergangenes passieren, planten für die zukünftigen Ziele. Dabei waren wir uns einig, dass auch nach fast drei Monaten auf Reisen sein, wir keinen einzigen Augenblick Heimweh hatten.

Aber als wir das Restaurant verliessen, übermannte es mich dann doch schier ,das Heimweh. Neben Werbung für deutsches Bier und deutschen Wein lag in russisch und koreanisch ein Prospekt „Frankfurt welcomes you“. Die schönen Bilder! Auf dem Stadtplan der Innenstadt war zwar die Deutschordenstrasse knapp nicht mehr drauf, dafür auf dem Verkehrsplan die Haltestelle „Frauenhofstrasse“. Und wo wir zur Schule gegangen sind (Brigitte, Ulla) war auch leicht zu finden. So hat mich denn die Nostalgie doch wieder eingeholt!  (eb)

Schlemmen
Wie Elo beschreibt, heute wäre ein Abend zum Besaufen gewesen. Aber ich hielt an mich und bestellte zum Espresso in der Hotlellobby keinen zweiten Single Malt (Glenlivet) mehr.

Aussicht aus dem Hotelzimmer













Wir hatten einen schönen Tag und besuchten in der alten Königsstadt Gyeongju (300 – 900 n.Chr.) Hügelgräber, einen Eiskeller, einen uralten Wald, einen Sommerpalast mit künstlichem See, das Nationalmuseum, Tempel usw.



Wir latschten uns die Füsse wund, es war windig, aber trocken bis schön. Da hatten wir doch ein gutes Essen verdient.

Auf der Rückfahrt von der Stadt und den Sehenswürdigkeiten nehmen wir den Bus. Der aber fährt in eine ganz andere Richtung, als ich denke. Es ist schön, passieren kann nichts, ausser wir müssen das wieder zurück, und für einen Franken kannst du nichts sagen. Aber dann merken wir, dass es ein Rundkurs ist, der uns mit einem grossen Umweg zum Ziel bringt. Sightseeing kostenlos, ausser einigen Momenten der Unsicherrheit.

Mit über 300 km/h
Hierher sind wir mit der Koreanischen Schnellbahn KTX gekommen. Durch fast ganz Südkorea in 2 Stunden. Diese Bahn heisst hier KTX und fährt mit über 300 Kilometern pro Stunde. Die Geleise sind meist neu gebaut, und wir merken nichts von der Geschwindigkeit.

Seoul HB
Die Landschaft ist abwechslungsreich und fast immer eine Mischung von Stadt, Land, Industrie und Landwirtschaft. Jede Ecke wird genutzt, was nötig ist, da durch die vielen Berge das kultivier- und bewohnbare Land knapp ist.

Der Zug, der in der Form dem französischen TGV ähnelt, hält bis hierher nur 4 oder 5 Mal. Da wir viel sehen, kommt die Seele – gerade! – noch mit.


Familienanschluss
In Seoul waren wir zu Gast bei der Familie von Kang Woo Lee. Die Frau heisst Seung Ja Kim, und sie ist die Schwester eines verstorbenen Studienfreundes aus Deutschland, Chon Yul Kim. Wir hatten sie an seiner Beerdigung in Lünen kennengelernt und sie lud uns für einen Tag zu sich ein. Das Ehepaar, die Söhne sind ausgeflogen, bewohnt eine schöne grosse Wohnung in einem Vorort von Seoul, in einem dieser eng beieinander stehenden Wolkenkratzer. Wenn man in der Wohnung ist, fühlt man sich nicht so beengt, da zwischen den Häusern in der Regel ein relativ grosser freier Raum liegt. Aber dicht besiedelt ist das Ganze schon.

Und um dahin und dann am nächsten Tag wieder zum Bahnhof zu kommen, wohin uns Kang Wo, ein emeritierter Professor für Werbewissenschaft (Advertisment) brachte, fährt man durch ein veritables Gewirr von Autobahnen.

Seoul ist, wie Hansjörg am Telefon sagt, ein veritabler Moloch, ein Gewirr von Stadt, Städten und Vorstädten, die sich für uns gleichen, wie ein Ei dem anderen, von 4-, 6-, 8-, 10-spurigen Autobahnen mit höchst komplizierten Verzweigungen und Kreuzen, ein wahres Labyrint. Wie man sich da zurecht findet, habe ich nicht heraus bekommen. Und auch die Nichte Yoo Mi Lee (Yümi), die uns am ersten Tag zusammen mit ihrem Neffen, dem Studenten Seok Wo Lee (Sogu,) herumführte, verfuhr sich und musste, als wir ein Restaurant „auf dem Land“, d.h. in den Hügeln, suchten, mehrfach nachfragen.

Elo, Song Ja, Yumi, Sogu


Wir wurden jedenfalls einen ganzen Tag verwöhnt, haben immer gegessen und sahen einen zweiten „Ballenberg“ mit einer hochstehenden folkloristischen Aufführung und einen idyllischen buddhistischen Tempel. Der ganze Clan kümmerte sich um uns, nur Chong Yuls älterer Bruder konnte nicht kommen, da seine Frau eine Operation hatte. Sonst hätte er die 200 Kilometer unter die Räder genommen. Er rief mehrfach an, um sich zu entschuldigen!











Reisephilosophie auf den Punkt gebracht
Sogu hat, als wir über unsere Reiserei sprachen, die Sache auf den Punkt gebracht:
„That’s why travelling is so exciting: You can leave the country. »

Für uns übersetze ich das so:
Das ist das Schöne am Reisen: Du kannst das Land (wieder) verlassen.

Wir haben die Schweiz verlassen, und wir können die Länder, die wir bereisen, wieder verlassen, haben schon viele wieder verlassen, und es werden noch einige sein, bis wir wieder in der Schweiz sind. That’s why travelling is so exciting!

Elo am  Berg

Heute sind wir zu einem Tempelberg gefahren. Am Fuss ist ein rekonstruierter Tempel aus dem Jahr 751, darüber ein Berg mit einer Grotte aus dem gleichen Jahr. Dazwischen liegt ein idyllischer, wenn auch sehr steiler Weg, der an einer Mineralquelle vorbeiführt. Den haben wir erklommen. Dann ging es, bevor wir noch die eindrückliche Grotte mit den dazu gehörenden Gebäuden besichtigten, zum Gipfel, insgesamt 600 Meter über dem Talboden.

Kurz vor dem Gipfel hat dann Elo ihre Definition von Freiheit entdeckt: „Wem muss ich beweisen, dass ich da hoch kann? Geh Du, ich warte an der Abzweigung zur Grotte.“  Die Aussicht ins Tal und zum Meer war spektakulär, aber das war sie weiter unten auch. Wir sind dann alles wieder runter gegangen (den Bus nahmen wir nicht), und wir werden morgen ganz schön Muskelkater haben.



 Aussicht von der Grotte
(Ist gar nicht schlimm, vielleicht, weil wir am Schluss noch am See etwa zwei Kilometer flach gelaufen sind, um einen Sundowner, einen Apéro an der Sonne, mit Brissago, zu geniessen.  Die Getränke waren bescheiden: Eistee und  Bier, aber die Stimmung um so besser.)




Alles in allem ist Gyeong sehr schön, ein lohnendes Ziel, wenn man in Korea ist. Morgen fahren wir mit dem Bus in die Hafenstadt Busan.

ÖV perfekt und billig
Wo ist der Chauffeur?

Wir sind mit dem Expressbus nach Busan gekommen: 80 Kilometer, eine Stunde, knapp vier Franken pro Nase und ein sehr schöner Bus. In Busan ist die Enstation weit draussen. Da wir uns an die hiesigen Preisverhältnisse gewöhnt haben, fanden wir 18 Franken für das Taxi zu teuer, und wir haben den Bus auch für die Fahrt in die Stadt genommen: 3 Franken zusammen für knapp eine Stunde Stadtrundfahrt. Dann für den Rest das Taxi.

Der ÖV ist wirklich sehr gut organisiert, pünktlich, bequem, freundlich und günstig. Die Bahnfahrt im Hochgeschwindigkeitszug hat nur 35 Franken pro Person gekostet, die Qualität des Zugs war 1A, fast wie vom SVP-Nationalrat aus Bussnang.

Busan? Busan!

Elo ist in den Sinn gekommen, wie wir uns mal auf dem Flughafen in Peking gefragt haben, was für eine internationale Destination „Busan“ denn wohl sei. Unsere Unwissenheit sei entschuldigt, die Stadt hat ja auch nur 2,5 Millionen Einwohner! Und es ist eine schöne und sehr lebhafte Metropole am Südzipfel der koreanischen Halbinsel













Bade- und Einkaufsurlaub
Auch wenn ich uns mittlerweile nicht mehr als Touristen bezeichnen würde, sondern als Reisende (nicht: Handlungsreisende!), machen wir doch immer wieder Tourismus. Unser Hotel liegt 300 Meter vom Sandstrand des Stadtteils Hyundae entfernt. Im Sommer muss es kriminell sein, wir haben ein Bild im Tourismusbüro gesehen, wo wir uns schlau gemacht haben: Ich glaube, die liegen dann auch im Wasser noch mehrstöckig übereinander.

Aber jetzt war es einfach schön: Das Wasser etwa 23 – 25 Grad, schöne Sonne, angenehmer Sand. Wir sind auf jeden Fall rein, nachdem wir uns mit Hilfe eines kleinen Agfa-Handtuchs nicht ganz jugendfrei umgezogen hatten. Ein schönes Schwimmen.

Dann sind wir mit dem Bus 1003 für 1.50 eine Stunde ins Quartier des Hafens gefahren. Da haben wir auf einem grossen Markt zwei Sachen ersetzt: Elos Handtasche und meine Turnschuhe.

Einmal Rohfisch reicht
Schliesslich sind wir noch auf den Fischmarkt, wo ich doch noch Bilder von der Rohfischsache (s.o.) schiessen konnte. Essen werden wir zwar Fisch, aber in einem bekannten Restaurant hier in der Umgebung. „Einmal Rohfisch reicht!“, meinte Elo, als die Damen im Tourist Office uns diese Gaumenfreude ans Herz legen wollten.

Also ganz generell: „En Guete!“

Morgen geht es weiter nach Tokyo.

PS. Tempores mutantur et nos mutamur in illis – oder vom allgemeinen Zerfall alles Materiellen und damit auch des Schreibenden
Fast hätt’ ich’s vergessen:

Der Mensch ist vergänglich, wir wissen’s hinlänglich.

Dass er dabei im Alter sozusagen „verbrösmelet“ (zerbröselt, für die Leser nördlich des Hochrheins), ist eine eher unangenehme Erfahrung, die ich eben allhier wieder gemacht habe. Das Amazonaserlebnis von letztem November wiederholte sich. Während ich damals einem Glacé unterstellte, eine Nussschale eingebaut gehabt zu haben, war es diesmal Trockenfisch. Der Irrtum war derselbe. Nicht das Nahrungsmittel war unzulänglich, sondern mein Beisswerkzeug. Ich habe erneut ein Stück Backenzahn abgebrochen. Nur dass ich es diesmal nicht in den Amazonas geschmissen habe, sondern es jetzt mit mir rumschleppe. Nützen wird das eh nichts.

Aber es ist weniger schlimm, als das letzte Mal, denn die Plombe hält und schmerzen tut es auch diesmal nicht. Mal sehen, ob ich einen Ersatz für Sandro Pelletieri aus Sirnach finde, der mir den Schaden beheben kann. Im schlimmsten Fall, muss der Kerl halt raus, irgendwann – der Zahn, nicht der Zahnarzt!

23.9. ejb

Samstag, 17. September 2011

2-I Südkorea 1

Südkorea 1

Vorbemerkung
Die Form der Blogspots wird sich von hier ab etwas ändern. An die Stelle des Reisetagebuchs der Spots bis Vladivostok werden eher generelle Eindrücke treten, sicher auch immer wieder mit eingestreuten Erlebnissen. Aber die Chronologie werden wir nicht gleich aufrecht erhalten wollen und können.

Das hängt sicher damit zusammen, dass wir anders reisen, als bisher. Wir lassen fahren, nicht unsere Winde, nein Flugkapitäne, Chauffeure, Lokomotivführer, Bus- und Taxifahrer sind nun für unsere Fortbewegung verantwortlich, wir lehnen uns zurück.

Das gibt andere Eindrücke, diese führen zu anderem Ausdruck.

Russische Post mit Nachschlag
Wir sind seit dem 13. 9. in Südkorea. Das hängt damit zusammen, dass dies mit Olga aus Vladivostok einfacher zu organisieren war. Und es hat sich gelohnt. Aus Russland haben wir gehört, dass die russische Post sich geweigert hat, unsere Autonummern in die Schweiz zu spedieren, da sich darauf ein mit dem Schweizerkreuz ein Nationalemblem befindet. Begründung?????????? Sie werden also vermutlich auch keine Sackmesser mit Victorinox-Zeichen senden, aber da sie sowieso keine Messer transportieren, spielt das eine geringere Rolle. Bei Papierservietten mit Schweizerkreuzen, Schoggis mit dem helvetischen Staatswappen usw. wird es dann schon schwieriger. Ich habe auf jeden Fall geraten, die Wappen abzuschneiden und es so zu senden. In Frauenfeld bei der Automobilkontrolle werden sie sicher gnädig darüber hinwegsehen und das Auto abmelden!

In diesem Teil ist Jürgs Beitrag kursiv, Elo schreibt versal.

Im Land der Morgenstille

Der Königspalast ins Seoul

Wir fühlen uns in einer anderen Welt – nicht nur, weil wir anders reisen. Obwohl Vladivostok sehr europäisch ist, und wir in Südkorea in einer alten asiatischen Kultur sind, fühlen wir uns in Seoul näher an zu Hause. Zwar müssen wir hier auch erst lernen, wie alles funktioniert, aber es läuft zumindest oberflächlich alles ganz ähnlich wie in der Schweiz.




Das Land der Morgenstille ist allerdings alles andere als still, sondern sehr busy. Hier sind wir ganz und gar in der Informations- und Kommunikationsgesellschaft. Zwar sind wir totale Analphabeten (in Russland konnten wir doch die Schrift lesen und Vieles entziffern), aber wir finden uns viel besser zurecht. Das beginnt schon am Flughafen. In kaum ein anderes Land ausserhalb Westeuropas sind wir je so schnell eingereist. Hinweisschilder führen durch das Gewirr des Flughafens. Schnell haben wir ein Handy gemietet (das wir an einem anderen Flughafen oder Hafen wieder abgeben können), rasch wissen wir, welchen Bus wir wo nehmen müssen, um möglichst nahe an unser reserviertes Hotel zu kommen.

18 Minuten bis Goldfluss
 Auch in der U-Bahn ist alles angeschrieben und somit leicht zu handhaben. Die Stationen sind jeweils in drei Sprachen angekündigt: koreanisch, japanisch und englisch. Wir haben dann noch Aha-Erlebnisse, wenn wir aus den japanischen Schriftzeichen (die ja zum Teil mit den chinesischen identisch sind) ersehen, dass die Station Akasu Goldfluss bedeutet.

Und zudem: Sobald wir irgendwo scheinbar ratlos mit unserem Stadtplan herumstehen, spricht uns bald jemand in Englisch an und fragt, ob er helfen könne. Ein älterer Herr zückt sein Handy, gibt etwas ein und informiert uns dann: „Sie müssen bis zu Ihrem Ziel neun Stationen fahren, das dauert ungefähr 18 Minuten.“

In einem Park entlang eines Kanals sind Schilder, die Rollstuhlfahrer und Eltern mit Kinderwagen darauf hinweisen, wo eine Rampe ist und wo sie nicht durchkommen. In Russland, so unser Eindruck, könnte man vor einem Abgrund stehen und es gebe kein Warnschild.

Anscheinend wollen die Südkoreaner auch genau darüber informiert sein, was sie in einem Restaurant erwartet. Welcher Art Küche auch immer - Bilder oder Plastikgerichte zeigen, was den Gast erwartet. Für uns äusserst angenehm. Ein kleiner Irrtum ist uns allerdings auch schon unterlaufen. Wir bestellten eine Platte, auf der saftiges rohes Fleisch, allerlei Gemüse und Nudeln zu sehen waren – in der Annahme, das werde wie am Nachbartisch für uns gegrillt. Die Kellnerin brachte zwar einen Ofen, erhitzte aber damit Wasser und brachte alles darin zum Kochen. So assen wir denn Nudelsuppe.







Handys, Handys, Handys
Ohne Handys können Südkoreaner und –koreanerinnen nicht leben. Es wir ständig telefoniert, oder aus dem Handy werden irgendwelche Informationen herausgeholt. Man hat das Gefühl, die Menschen leben in einer Scheinwelt, die sie ständig mit anderen verbindet, während sie ihre reale Umgebung rechts und links überhaupt nicht  wahrnehmen.
Es ist aber auch eine junge Gesellschaft, zumindest dem Anschein nach in der Stadt, auf den Strassen, in der U-Bahn. Die Verkehrsverbindungen sind gut: ein dichtes, bequemes Netz an U-Bahnen und Bussen. Jede dritte Station ist irgendeine Universität. Die Stadt hat viele Parks und Promenaden entlang des Flusses und des Kanals, schön gestaltet für Fussgänger und Velofahrer.

Die Hochhäuser, in denen die Menschen dieser 16-Millionenstadt leben, wirken auf uns allerdings abweisend und anonym. Auf den Strassen herrscht Dauerstau.














Dennoch waren wir in knapp zweieinhalb Stunden in Sokcho, einer Stadt im Nordosten, Ausgangspunkt für Ausflüge in den Seoraksan-Nationalpark.









Die Stadt ist langweilig, auf Japaner eingestellt, vom Stadtplan, über das Hotel bis zu den Restaurants. Wir erhoffen uns Stille und Erholung im Gebirge und am Meer – aber der Wettergott meint es nicht gut mit uns.

Sightseeing
Wir haben das Tempo aus der Reise rausgenommen, lassen uns Zeit. Wir wollen an den Orten länger bleiben, auch im Land insgesamt.

Aus der Metro
In Seoul haben wir uns mit der Metro und zu Fuss bewegt. Der Metroplan gibt jeder Station eine dreistellige Nummer. Die erste Zahl für die Linie, dann die Haltestelle. Die Automaten sind auch in Englisch ablesbar. Du gibst die Nummer ein, dann die Banknoten und die Kiste spuckt Billets in Form von Plastikkarten aus und das Retourgeld. Am Zielort steckst Du die Karten in eine andere Maschine, die dann das Depot, das auf der Karte erhoben wird, zurückgibt.

Mit der Metro über den Hangang, den grossen Fluss Seouls













Auf den Perrons gibt es, leider vorab in Koreanisch, grosse interaktive Bildschirme mit Karten, Streckenplänen usw. Du kannst die Karte mit dem Finger antippen und bewegen, vergrössern usw.
  

Wir sind zuerst in eine Art Ballenberg à la coréenne gegangen, mit (gut 100 Jahre) alten Häusern und einem schönen Park.










Dort haben wir uns als Koreaner alten Stils fotografieren lassen – schrecklich schön.












Freiheit
Im Café des Parks sind wir mit einer Gruppe Philippinas/nos ins Gespräch gekommen. Diese haben, als sie unsere Reisepläne hörten, vorgeschlagen, wir sollten doch für die Badeferien, die wir an sich eher in Indonesien (nicht: Bali!, da waren wir schon) machen wollten, doch lieber in ihr schönes Land gehen. Und sie haben uns gleich auch die besten Destinationen vorgeschlagen. Und das werden wir, obwohl wir davor nie daran gedacht hatten, jetzt wohl auch tun.

Das ist für uns zur Zeit Freiheit, nicht die grosse, allgemein menschliche, versteht sich, aber die persönliche, bourgeoise. Einfach von heute auf morgen zu sagen, das machen wir so, und alte Pläne über den Haufen zu werfen. Dafür nehmen wir die paar Unannehmlichkeiten, Unbequemlichkeiten gerne in Kauf¨

Schopping
Dann sind wir durch die Stadt getigert. Zuerst zum Markt (riesig!), um zu schoppen (das wird jetzt eingedeutscht!). Elo hat einen Ersatz für ihr mittlerweile schäbiges Handtäschli gesucht, dessen Leder sich von aussen her auflöst. Und nicht gefunden, bis jetzt. Dann wollte sie schon lange ein zweites Paar Jeans. Das hat sie gefunden. Anprobiert hat sie sie auf der Strasse, über die anderen Hosen drüber. Sie passen und wurden auf dem Markt sofort gekürzt. Und ich wollte den Geldclip für die Banknoten ersetzen. Das gelang mir erst zwei Tage später auf der Busstation.







Elos Jeans in Arbeit













Erholung am Fluss



Als dann unsere Beine total müde wurden, kamen wir an einen Fluss, der ca. 7-8 Meter unter dem Strassenniveau quer durch die Stadt geht. Beiderseitig gibt es einen Spazierweg, Ubergänge sind als Brücken oder Trittsteine ausgebildet. Die Bewohner Seouls geniessen das, sie sitzen am Ufer und halten die Füsse ins Wasser. Das taten wir auch, schauten den Kindern zu, die sich auch mal ins Wasser setzten, telefonierten mit Schwester Ruth, ruhten aus.


Kontakte mit Hindernissen
Ein Freund von uns, rüstig und wacker, nicht mehr der jüngste, gab uns eine Kontaktadresse, einen Geschäftskollegen aus früheren Asienjahren, den er als sehr hilfsbereit beschrieb. Ich habe da mehrfach angerufen, und bekam zunächst niemanden, dann mehrfach das Hauspersonal an den Apparat: „in ten minutes please“ usw. Dann war er einmal dran, aber wir verstanden uns kaum, und – erstaunlich – er wollte sich nicht an unseren Freund erinnern. Aber ich solle doch in einer Stunde wieder anrufen. Wieder das Personal, und beim dritten Mal konnte ich dann wenigstens meine Telefonnummer hinterlassen. Beim Abendessen rief er dann an, und es war ein merkwürdiges Gespräch. Vom Freund wollte er immer noch nichts wissen, auch nicht von Ciba-Geigy, wo sie zusammen gearbeitet haben sollen. Als ich dann noch meinte, ich müsste auch seine Frau grüssen, kam ein so erstaunter Ausruf: „my wife???“, dass ich glaube, mein Gesprächspartner ist gar nicht verheiratet.

Wir haben uns dann sehr freundlich verabschiedet, ich dankte für den Rückruf und hatte Verständnis, dass er „very busy“ war, und er wünschte uns eine gute Reise. Per Mail meinte dann unser Freund, das sei vermutlich der Sohn gewesen, knapp 50, Professor, der die Wohnung vom Vater übernommen habe.

Reiseplanung bis Peking

Christina Song in ihrem Reisebüro 

Für Südkorea haben wir die Hilfe eines lokalen Reisebüros in Anspruch genommen. Die Inhaberin hat in Deutschland Betriebswirtschaft studiert. Auf dem Plan sind der Nationalpark bei Sokcho und die alte Kaiserstadt Gyoengju im Süden. Dann geht es über Busan nach Tokyo (am 24.9.).Bezahlen mussten wir bar, der Bankomat gibt nur 75 Franken her und daher haben wir unsere Barbestände geplündert (im Land, in dem alles elektronisch geht).

Dazwischen sind wir noch für eine Nacht in Seoul bei der Schwester eines leider früh verstorbenen koreanischen Freundes eingeladen, der in Deutschland gelebt hat und dort verheiratet war

Für die weitere Planung haben wir uns des Internets bedient. Wir haben ein Hotel in Tokyo für 3 Nächte reserviert, dann wissen wir noch nicht, was wir im Detail machen werden. wir werden auch hier ein Reisebüro suchen. Was wir wissen, ist, dass wir am 4. Oktober nach Peking fliegen werden (von Fukuoka in Südjapan nach Peking). Kioto, die alte Kaiserstadt, wollen wir auf alle Fälle besichtigen. In Peking haben wir das Hotel gebucht, vom 4. bis 15. 10. Und zwar – den Luxuskasten Penninsula. Das Superangebot im Internet hat Elo und dann auch mich überzeugt. Da lassen wir uns dann verwöhnen.


Regentag am Nationalpark

Gestern Abend haben wir im Fressdistrikt des Ortes Meeresfrüchte gegessen. Auf dem Boden, vor uns eine grosse mit Gas beheizte Pfanne, in der alles frisch gekocht wurde. Es war ausgezeichnet, wenn auch die Schärfe (wir haben gesagt: wenig!) auch für uns an der Grenze war. Als wir nach dem Essen wieder auf den Beinen waren und der Krampf sich gelöst hatte, waren wir uns einig: Sehr gut.

Jetzt sitzen wir im schönen Zimmer des guten und recht preiswerten Etablissement mit dem tollen Namen „Class 300 Membership Hotel“ und warten darauf, dass der starke Regen aufhört, der uns vor dem Ausflug in den nahe gelegenen Nationalpark hängt. Wir haben feine Meersicht – es ist stürmisch bewegt. Die Aussichten für morgen sind gleichbleibend – miserabel!

Koreanisches Spa
Hier im Vorort von Sokcho gibt es ein bekanntes Thermalbad, Cheoksan. Nach Internetrecherche ob das auch zugänglich sei, sind wir mit dem Bus hin, einmal umsteigen, quasi von Tür zu Tür. Wir haben die durchsichtigen Regencapes genommen, Sandalen, an den Freizeithosen die Unterbeine abgeschraubt und sind in den Regen. Es ging ganz gut.

Das Bad ist gut. Männer und Frauen getrennt, Männer oben am Licht, Frauen unten im Keller, wie es sich gehört! Ich beschreibe das Männerbad. Alles ist perfekt organisiert. Nach dem Eintritt (7000 Won oder gut 5 Franken) stellst du die Schuhe in ein Schliessfach ein, diesen Schlüssel tauschst du gegen einen elektronischen Kleiderkastenschlüssel.

Dann ziehst du alles aus, denn was jetzt kommt ist immer alles splitterfasernakt. In einem Eingangsbereich findest du Duschen, Seife und frische Tücher, zum dich waschen. Dann kommen die Bäder. Nicht so gross zum schwimmen, aber viele verschiedene: 38°, 40°, 42°, 44° oder recht frisches aber nicht kaltes Wasser, mit oder ohne Whirlpool, mit oder ohne Massagedüsen (oft sehr hart eingestellt), ein Becken mit Liegebänken unter Wasser, die Massagedüsen haben, ein Whirlpool im Freien, wo es dir auf den Kop regnet. Dann zwei Saunen, 83 und 86° (bei den Frauen markant weniger, sagt Elo).

Im Nassbereich sind auch Ruheliegen, auf denen du fröhlich weiterschwitzt, und zwei Massageplätze, die beide benutzt wurden, wenn auch nicht von mir.

In der Mitte ist der eigentliche Reinigungsbereich: Neben normalen Duschen viel Waschplätze auf Kniehöhe: ein Stühlchen von ca. 20 cm Höhe, davor Duschschläuche, Seifenhalter usw. Du kannst neben den erwähnten Waschtüchern auch Waschlappen, dann auch Zahnbürsten und – nicht im Nassbereich – Haarbürsten benutzen. Gebraucht kommen sie in einen Korb, dann werden sie gewaschen und – Zahn- und Haarbürsten in richtigen Autoklaven wie das Operationsbesteck im Spital sterilisiert.

Nach dem Verlassen des Nassbereichs findest du noch einen Coiffeur, Spiegel und Rasiermöglichkeiten, eine Waage. (Ich habe mich draufgestellt, das erste Mal seit langem. Ich wiege jetzt netto noch 82 Kilo, und damit dürfte die minus 10, die ich Elo versprochen habe, in etwa erreicht haben. Aber das ist ein Zwischenziel.)

Beim verlassen der Männerabteilung sehe ich noch, dass ich, hätte ich keine Sandalen getragen, mir die Schuhe hätte putzen lassen können. Der Schuhputzer war selbstverständlich auch im Badekostüm, nicht nackt zwar, aber nur mit Lendentuch bekleidet.

Stabile Wetterlage
Die Aussichten für heute sind gleichbleibend:
Die Sicht auf das aufgewühlte Meer aus dem Hotelzimmer zeigt es. Das mit den schönsten Bergen Koreas können wir wohl vergessen. Aber es gibt ja noch andere, vorher, nachher.
















18.9. ejb