Samstag, 3. September 2011

XII Irkutsk - Chabarovsk

29.8.

Wir sind heute um den Baikal-See gefahren, nach Ulan-Ude, der Hauptstadt der Republik Burjatien. Am Morgen in Irkutsk hatten wir Nebel, dann war es einfach schön. Wir hatten schönes Wetter, es war eine eindrückliche Fahrt. Zuerst durch die Hügel, die den Baikal-See südwestlich abschliessen, dann zweihundert Kilometer entlang des Ufers, und schliesslich im Tal des Selanga-Flusses, eines grossen Zubringers des Sees nach Ulan-Ude.

Fischverkauf

Hier sieht man die Regelkonstruktion eines Bauernhofs sehr schön











Vor Ulan-Ude am Selenga

Ulan-Ude ist eine recht ansehnliche Stadt, hat eigenen Charakter, breite Fussgängerzonen und den grössten Leninkopf Russlands. Der kleine Mann (er war nicht lang, er war gross, was immer man auch von ihm denken mag), wird sich nicht geträumt haben, dass sein Kopf mal so enorm das Bild einer Stadt prägen würde.













Büssli in Auflösung
Das Büssli, das uns so brav durch die Gegend trägt, löst sich langsam auf, und es wird dann Zeit, dass wir ihm die ewige Ruhe gönnen. Ich weiss nicht, was die Bündner Gemeinde Trin-Mulin mit dem Fahrzeug gemacht hat, aber es rostet unten herum ganz schrecklich. Heute habe ich festgestellt, dass im Standgas etwas scheppert. Als ich der Sache nachging, stellte ich fest: Irgendwann in den letzten Tagen ist die hintere Aufhängung des Auspuffs durchgerostet und abgebrochen.

Ich bin unter das Auto gelegen und ich habe den Auspuff nun mit dem 1.8 mm Draht, den wir in Konstanz gekauft haben (gut, Johnny, gell!) wieder aufgehängt, den Draht mit der Zange so angezogen, dass der Auspuff wieder an der Aufhängung fest ist. Dann habe ich das ganze mit Gaffa-Tape (gut, Martin, gell!) eingepackt. Vielleicht verbrät es das Tape unten herum, aber oben wird die Konstruktion nicht verrutschen.

Mal sehen, ob das hält, und ich denke, die restlichen gut 3000 Kilometer werden wir zusammen auch noch überstehen. Wir haben das Büssli auf jeden Fall gern.

(PS. vom 3.9.: Es hat gehalten. Und auch den inneren Türgriff rechts, der uns immer entgegengekommen ist, habe ich, so glaube ich jedenfalls heute, mit List, Tücke und etwas handwerklichem Geschick solide befestigt.)

Morgen geht es nach Chita weiter. Man spricht das Chità, nicht Chìta! Damit Ihr es wisst, wenn Ihr mal hier vorbeikommt und nach dem Weg fragen müsst!

Elos Bermerkungen

Ihr wundert Euch vielleicht, was denn so schrecklich an dem Essen war, das ich nicht anrühren wollte. Denn so heikel bin ich eigentlich nicht – habe ich doch fast 24 Jahre in der Kantine des „Tagblatts“ gegessen. Also: zum Frühstück gab es eine dickflüssige, gesüsste Mais- oder Haferschleimsuppe und mehlige frittierte Teigklösse in Honigsauce. Am Abend (zweimal hintereinander!) Hackfleischklopse nach dem Frankfurter Frikadellen-Motto „wir haben den Hof gekehrt“ – also mit undefinierbarem Inhalt und Geschmack. Die Kartoffeln schwammen in Fett, der Kohl war total verkocht. Das alles roch zudem wie Schweinefutter und wurde auch so auf dem Teller präsentiert.

Lachs und Kaviar
Aber ich will der russischen Küche nicht unrecht tun. Man isst nämlich in der Regel gar nicht so schlecht. In fast jedem Restaurant oder Café bekommt man geräucherten Fisch – für mich als Lachsbrötchen-Esserin ein gefundenes Fressen. Auch das grillierte Gemüse (Aubergines, Pepperoni, Zucchetti) ist ausgezeichnet. Teiggerichte wie „Manti“ oder „Pelmini“ – mit Fleisch und Gemüse gefüllte Teigtaschen sind auch gut. Heute haben wir am Baikal-See zum Picknick geräucherten Fisch sowie eine Dose Kaviar gekauft. Wir leben manchmal nicht schlecht.

Rauchfisch
Mittagsmahl vom Feinsten:
Fisch, Wurst, Käse, Gemüse, Brot, Tee (kein Alkohol!)
und dann noch Kaffee

Die Pizza wird auch recht original zubereitet, und in grösseren Städten gibt es überall Sushi-Bars. Wenn ich gar nicht mehr weiter weiss, bestelle ich „Kartoffel fri“, denn wie schon „Bap“ singen: „Fritten sind immer gut.“

Stöckelschuhe und Pelz

Einige von Euch haben sich ja schon vor unserer Reise gewundert, wie es denn um meine Eleganz bestellt sei. Ich danke für die Nachfrage und fasse das als Kompliment auf. Ich schaffe es noch immer gut farblich abgestimmt gekleidet zu sein. Allerdings haben meine Hosen Beulen und Flecke – seit kurzem riechen sie auch noch nach Benzin. Meine Schuhe sind natürlich eine wahre Katastrophe im Vergleich, was man hier so sieht. Auf Bleistift dünnen Absätzen, die mindestens 100 bis 120 mm messen, stöckeln die Russinnen (wie auch die Ukrainerinnen) über holpriges Pflaster, unebene Trottoirs, durch Löcher und Pfützen. Und auch durch Eis und Schnee – wie wir bei unserer Fahrt vor fünf Jahren mit der Transsib beobachtet haben. Über die Statistik der Beinbrüche und Hüftoperationen ist mir nichts bekannt.

Die Russinnen haben z.T. sehr gute Figuren, haben lange Beine und interessante Gesichter. Sind sie aber mal über 30 schlägt die russische Küche gnadenlos zu. Allerdings sieht man in Russland bei weitem nicht so viele Fettleibige (eigentlich gar keine) wie in USA.

Inzwischen war ich auch beim Coiffeur – Rita hatte sich ja schon Sorgen gemacht, wie ich das in Sibirien handhabe. Mein Haarschnitt ist nicht mal so schlecht, finde ich – und wohl auch Jürg. Allerdings kein Vergleich mit Kathrins geschickten Händen!

 Auch kein Vergleich zu den Frisuren russischer Damen. Die jungen Frauen kommen in der Regel langhaarig und blond daher. Die etwas älteren haben oft dünne und schlecht gefärbte Haare (tendenziell rot).

 Das Angebot an Kleidung, Schuhen und Kosmetik scheint mir recht gross. Der Geschmack entspricht nicht immer dem unsrigen: grelle Farben und Muster, Rüschen – alles etwas zu eng. Und Pelz ist gross in Mode – die Geschäfte rüsten sich für den nächsten sibirischen Winter.

Rot und Weiss

Ich passe also insgesamt nicht so schlecht nach Sibirien. Seit es allerdings nicht mehr so heiss ist, habe ich meinen eleganten Sonnenhut gegen eine rote Baseball-Mütze mit weissem Kreuz getauscht (die Notfall-Ausstattung von Annamaria). So etwas hat hier niemand – und damit passe ich auch noch perfekt zum Büssli. (eb)

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30.8.
Heute war ein Regentag und wir sind nur gefahren. Von Ulan-Ude nach Chita, es waren fast 700 Kilometer. Die Strassen waren meist gut bis recht gut

Wir haben uns abgelöst beim Fahren, alle 100 Kilometer, das sind je nach Strasse 75 bis 120 Minuten Konzentration. Jetzt sind wir recht müde, und ab in die Haja!

(Nachbericht aus Chabarovsk:)

Ulan-Ude – Chita
Als wir von Ulan-Ude abfahren, regnet es, die Strasse ist mittelmässig und wir stellen uns die kommenden 3000 Kilometer vor. Aber dann bessern sich Wetter und Verkehrswege. die Landschaft war auch bei wolkenverhangenem Himmel eindrücklich und wir fahren durch eine hügelige Landschaft in Richtung Südosten, Osten, Nordosten. Die Transsib begleitet uns, schöne Flüsse bilden zum Teil grosse Ebenen oder sich windende Täler. Mal ist die Landschaft baumlos, dann kommen wieder grössere bis grosse Wälder, Föhren, Birken. Die weiten Täler sind meist baumlos oder mit kleinen Föhren durchsetzt, die mittelgrossen Berge sind zwischen 1000 und 2000 Metern hoch. Eher trostlos wirken die Häuseransammlungen, die jedoch fast immer von der Strasse umfahren werden. Es gibt wenig Verkehr.
















Zuviel des Guten
Auch heute wechseln wir uns, wie für den Rest der Strecke, alle 100 Kilometer ab. Da es oft leicht regnerisch ist, essen wir im Büssli, und wir machen keine grosse Pause. Dafür fahren wir bis Chita, obwohl wir eigentlich im Büssli übernachten wollten. Das macht uns sehr müde, kaputt, und die Hotelsuche in der nicht eben einladenden Stadt wird zum Stress. Nichts passt uns oder will uns, und wir landen dann im teuersten, dem Montblanc (!). Das Zimmer ist schön, aber für weniger als 12 Stunden etwas teuer. Die Aufnahmebürokratie an der Reception gibt uns den Rest.

Wir gehen essen und landen prompt wieder in einem Lokal, in dem wir trotz Selbstbedienung nichts Gescheites finden. Es ist uns eine Lehre, die wir in den nächsten Tagen beherzigen werden: nichts erzwingen, lieber einen Tag mehr machen, wir haben ja Zeit.

Ein Aufsteller ist nur der kleine Laden neben dem Hotel, in dem wir uns mit Früchten, Gemüse, Kaviar und Guezli eindecken, die uns über die kommenden Tage ohne Stadt und Dorf helfen sollen und auch helfen werden.

Richtung Chabarovsk
Morgen geht es ab in Richtung Chabarovsk. 2100 Kilometer und vermutlich alles im Hotel Büssli. Dieses hat sich gut gehalten, der Auspuff ist i.O., und der Dieselgeschmack hatte sich bereits in Irkutsk verflüchtigt. Zum Picknick gab es heute Ei mit Kaviar. Das Ei war in der Lunchbox, die wir jeweils im Hotel uns geben lassen, da wir früh wegfahren und das Morgenessen verpassen. Den Kaviar haben wir in einem Dorfladen am Südende des Baikalsees gekauft!

Computer!
Was mich ärgert, ist, dass mein Notebook seit gestern Abend beim Uebertragen der Bilder von der Kamera jeweils die Speicherkarte mit einem Schreibschutz versieht, den ich nur durch das Formatieren der Karte wegbringe. Warum weiss ich nicht, aber mit dem Formatieren gehen auch die Bilder auf der Karte weg. Also muss ich nach dem Uebertragen auf das Notebook noch auf die externe Festplatte sichern….  (PS. vom 3.9.: In Chabarovsk geht es plötzlich wieder, nur ein Speicherchip ist noch blockiert, aber der war eh fast voll. Bill Gates wird schon wissen, was der Grund ist/war!)

31.8. – 3.9.
Oestlicher Wendepunkt in Russland
Wir sind jetzt in Chabarovsk, dem östlichsten Punkt der Büsslireise in Russland. Nach Vladivostok geht es wieder drei bis vier Längengrade nach Westen, und ebenso viele Breitengrade nach Süden.

Wir sind in 6 Tagen seit Irkutsk 3400 Kilometer gefahren, seit Ulan-Ude sind es in 5 Tagen 2916. Seit Sirnach in 2 Monaten und 3 Tagen 17'980. Jetzt sind es bis Vladivostok noch rund 800. Wir werden also 2000 Kilometer mehr machen, als geplant, aber der Umweg in Kasachstan und die vielen kleinen Umwege machen das aus. Die Schätzung war also nicht ganz daneben.



Verschobene Dimensionen
Wir verlieren die Dimensionen der Distanz völlig. Wir sind nur noch 250 Kilometer vor Chabarovsk – das ist in der Schweiz von Sirnach aus weit hinter Bern. 2000 Kilometer auf dem Wegweiser, 2000 Kilometer in die nächste grössere Stadt, und 2000 Kilometer sind doch von Hamburg irgendwo weit in Italien. Und das bei Strassen, die kein einfaches Vor-sich-her-fahren zulassen.




Andererseits ist jeweils das, was wir gestern gefahren sind, schon weit weg. Irkutsk liegt heute hinter sieben Bergen, von Zentralasien ganz zu schweigen. Das ist einer der Gründe, weshalb ich ausführlich schreibe. Für mich, damit ich es nicht vergesse, und wenn es für Euch Leser auch passt, umso besser!





Dreieinhalb Tage für uns
Für dreieinhalb Tage sind wir also ab Chita nur unterwegs, ohne Stadt, ohne Dorf, ganz auf uns angewiesen. Das geht sehr gut. Wir haben meinen Plan, in drei Tagen zu fahren, sausen lassen und statt zwei drei Uebernachtungen im Wald gemacht. Das ging immer sehr gut. Wir haben einen Platz gesucht, an dem wir noch etwas Abendsonne hatten, und der von den Scheinwerfern der Autos nicht erfasst wurde. So wurden wir in der Nacht nicht gesehen und hatten nie ein ungutes Gefühl.

Elo als Fernfahrerin
Elo fährt fast die halbe Strecke (ich beginne jeweils am Morgen, höre am Abend auf). Und sie fahrt wie eine Eins, oder 1A Qualität, wie es beim Metzger jeweils geheissen hat. Sie ist ja früher fast nur Autobahn gefahren, hatte wenig Erfahrung mit Landstrasse und schon gar keine mit miserablen Ausführungen dieser Art. Jetzt liest sie die Strasse wie ein Profi, fährt in der Mitte, wenn es geht, da die Ränder oft schlecht und mit tiefen Gruben bestückt sind, sie sieht den Bremspuren und Schatten voraus an, wenn Dellen kommen, die das Büssli zum Aufgumpen bringen, und sie fährt auch Baustellen mit Bravour. Chapeau!

Barnard oder Alain
Am Mittag des ersten Tages machen wir auf einem Rastplatz Picknick. Da steht schon einer, und zwar in den Unterhosen, das Gesicht eingeseift für eine Rasur. Ein Franzose. Er heisst (nach Elo) Bernard oder (nach mir) Alain. Elo wird wieder mal recht haben. Er fährt allein mit einem genial eingerichten 2CV(Döschwo)-Kombi nach Australien, über die Mongolei. Er hat einen Kochherd, einen Kühlschrank und eine Scheibenwischermotor-betriebene Dusche dabei. Wir laden ihn zum Kaffee ein, mit Schokolade und Williams (Monika!).

Bernard-Alain hilft mir aus einer konzeptionellen Verlegenheit: Am Abend davor, als wir in Chita eher einen Hänger hatten, hat mir Elo die Katze den Buckel hochgejagt mit den Schwierigkeiten, die wir mit dem Abstossen des Büssli in Vladivostok haben würden. Ich habe darauf, trotz oder wegen Uebermüdung, im teuren Hotel wenig geschlafen und viel nachgedacht (bis dass ich dann die Beine – à la Kneipp – kalt geduscht habe, was die Blutzirkulation aus dem Hirn in die Beine zog. Alain hat nun erwähnt, er fahre mit seinem Auto von Vladivostok mit der Fähre nach Pusan in Südkorea. Das können wir auch, wenn die Russen bürokratisch spinnen sollten. Der Kaffee Williams war gut investiert, auch die Schoggibrügeli, die wir ihm schenkten.

Kalte, schöne Nacht
In der ersten Nacht haben wir gefroren. Wir nahmen zwar zu den Schlafsäcken noch die Kamelhaardecke vom „Möbelhaus Joh. Baumberger-Lattmann“ seligen Angedenkens über die Beine, aber sie half nur teilweise. Die Erklärung hatten wir dann am Morgen, als ich beim Abfahren mit dem Scheibenwischer den Tau von der Frontscheibe wegmachen wollte. Ueberraschung, es machte „ssssssssssss“, es ging nicht weg, denn es war kein Tau, es war – Eis! Die Scheibe war gefroren! Wir hatten Frost, und unsere Schlafsäcke sind nicht für unter Null gemacht. Aber dann wurde es wieder wärmer.

Die Frostnacht hat mir dafür etwas Tolles gebracht: einen Sternenhimmel, wie ich ihn noch nie gesehen habe. Die Milchstrasse war ein dichtes Band, fast weiss, die Unzahl der sichtbaren Sterne machten es teilweise unmöglich, die Sternbilder zu erkennen. Ich hatte die grösste Mühe auch nur den Grossen Wagen zu finden. Der Mond hatte sich bescheiden einfühelnd unter den Horizont zurückgezogen.

Abendruhe im Wald
Am Abend gehen wir jeweils mit der Sonne schlafen. Das empfiehlt sich, wenn du keine Moskitos im Wagen haben willst. Wir geniessen die Abendsonne, rauchen eine Brissago (ich!), trinken einen Tee oder, wenn wir eingekauft haben in einem der Strassenrestaurants, ein Bier und plaudern. Wir präparieren die Schlafsäcke, die Wolldecke, die Zeltplane über die Wolldecke vorher, putzen die Zähne und hopp – rein in den Wagen, die Türen zu, und erst dann das Licht an. Wir lesen bis uns die Augen zufallen und erwachen mit dem ersten Licht.

Neben uns plätschert ein Bächlein, manchmal hören wir Vögel und Insekten. Immer ist viel Abfall herumliegend. Das ist wirklich eine Schweinerei: Sie werfen einfach alles weg, oder entsorgen direkt im Wald.

Frühstück
Das Frühstück ist jeweils frugal. Weil es kalt ist am Morgen, fahren wir sofort nach dem Aufwachen ab, mit nüchternem Magen, damit die Heizung uns und das Büssli etwas aufwärmen kann. Dann gibt es Tee (wir holen in den Beizen am Wegrand jeweils heisses Wasser und machen Tee, der in der Thermoskanne lange warm hält), Früchte, Guetzli und vielleich noch den Rest der Lunchbox, die wir statt Frühstück am Vortag im Hotel erhalten haben. Für mich ganz besonders: Ich habe in Tadjikistan einen halben Liter Berg-Waldhonig gekauft (Fanta-Fläschli!). Er ist super, und ich nehme jeweils einen kleinen Schluck in den Mund und trinke den Tee darauf. Ein Hochgenuss!

Mittagessen
Jeden Tag können wir Picknick machen, das Wetter ist gut. Wir nehmen Kisten und Stühle heraus, für den Tisch ist es zu kurz. Dann essen wir Gänseleber, Ton, Kaviar, Brot, Gemüse, Früchte, Schoggi und Guetzli. Dazu trinken wir Wasser oder Tee. Am Schluss gibt es einen Kaffee mit einem Schuss Appenzeller. Es geht uns gut. Und gestern haben wir Suppe gekocht: Erbs mit Sago (Andrea), es hat herrlich geschmeckt.

Erbs mit Sago!

Am Abend essen wir nicht immer noch etwas, es sei denn, wir hätten Hunger. Wir leben also eher bescheiden, aber wir leben gut, und es gefällt uns so!
Was uns immer etwas Mühe macht, ist die Zeitvorschiebung (nicht Zeitverschiebung!), denn alle zwei Tage müssen wir die Uhr um eine Stunde vorstellen. Hier in Chabarovsk sind wir der mitteleuropäischen Zeit 9 Stunden voraus. Am Morgen im Büssli stimmt das nie ganz, zu früh, zu spät. Aber wir leben dann eben mit der Sonne, oder, wenn es regnet, mit dem Licht. Das geht ganz gut.

Weites Land
Die Landschaft ist umwerfend. Gross. Weit. Gewellt. Flach. Sumpfig. Steinig. Bewaldet. Steppig. Eintönig. Abwechslungsreich. – Alles gleichzeitig. Der Wald hat über weite Strecken nur Birken oder Föhren. Tiere sehen wir kaum, lediglich Erdhörnchen oder – überfahrene – Füchse und einmal ein Rebhuhn oder so was. Dann viele Krähen und wenig Raubvögel.

Wir fahren von Chita nördlich um China herum. Mittelgebirge wäre das bei uns, endlos, schwach besiedelt. Die Strasse ist die beste, die wir seit Europa hatten. Putin hat sich da ein 2000 Kilometer langes Denkmal gesetzt. Die Erschliessung des Fernen Ostens ist Programm.

Von der Schweiz aus gesehen, ist alles hinter dem Ural Sibirien. Das stimmt aber nicht. Sibirien geht nur bis hinter Chita. Dann kommt Russland Fernost, mit der Hauptstadt Chabarovsk. Das ist weit von Moskau, nahe bei Korea und Japan, und dementsprechend selbstbewusst sind die Menschen hier.

Jüdischer Bezirk
Als wir Chinas Nordspitze (die Provinz Heilongjinang – so heisst auf Chinesisch der Fluss Amur) umrundet haben, wird es wieder etwas besiedelter. Es gibt Industriestädte mit riesigen rauchenden Schloten, Bauerndörfer, aber auch grossen Sümpfen. Vor Chabarovs kommt ein autonomer jüdischer Bezirk, gegründet in den 20er-Jahren mit dem Ziel, den Juden eine eigenständige Lebensumgebung zu schaffen. Stalins Judenverfolgungen haben dem Projekt den Garaus gemacht, heute leben in dem Bezirk, der weit grösser ist als Israel, nur noch zwei Prozent Juden. Als wir einkaufen, werden wir von einem jungen Mann angesprochen, der eine Nase hat, wie sie in Adolfs antisemitischen Machwerken als typisch jüdisch bezeichnet wurden. Leider können wir nicht russisch, leider ist es offensichtlich ein Kretin.

Sprache
Das mit der Sprache ist sowieso eine eigene Geschichte. Klar, wir können kein Russisch, ausser einigen lebensnotwendigen Sachen wie adin, djessit, njet, da, ikra, pivo, vino, spasiva, dosvidanje (eins, zehn, nein, ja, Kaviar, Bier, Wein, danke, auf Wiedersehen). Aber es wäre doch das Leben für uns so viel einfacher, wenn die Bevölkerung dieses grossen und schönen Landes Deutsch, Französisch, Englisch oder wenigstens Italienisch sprechen würde.

Spass beiseite: Die Leute sind zwar sehr zurückhaltend – viel zurückhaltender als in Usbekistan zum Beispiel –, aber sie sind uns immer sehr freundlich gegenübergetreten. Sie halfen, wo sie konnten, sie versuchten, uns zu verstehen (ausser sie waren in einer bürokratischen Funktion!). Wir wurden nie abwehrend oder feindlich angemacht.

Chabarovsk
Chabarovsk ist eine schöne Stadt. Sie liegt am Amur. Das Zentrum ist auf einem Sporn hin zum Fluss, beidseitig geht es jeweils runter in ein (ehemaliges Bach-)Tal, die Strassen gehen direkt hoch, wie in San Francisco. Die Stadt ist gut im Schuss, die Strassen und Trottoirs besser als irgendwo, von dem was wir in Russland gesehen haben. Die Stadt scheint reich zu sein, Hotels und Restaurants entsprechend relativ teuer. Wir haben nur eine Uebernachtung für Samstag und Sonntag gefunden, ab Montag sind im Zentrum die Hotels ausgebucht. Mal sehen.






Toilette auf japanisch
Das Hotel Sapporo, in dem wir die Luxussuite haben, gehört Japanern. Und die Eirichtung lässt erahnen, was uns in Japan als Hotel erwartet. Das Zimmer ist zwar gross, es kostet ja auch entsprechend. Aber die Nasszelle: Sie ist wohl am Stück aus Japan importiert und in das Zimmer reingestellt worden, ganz aus Plastik, vorfabriziert: Man betritt sie durch einen Schritt nach oben. Die Dimensionen sind mikro, breit rund einen Meter, lang etwa 1.30. Die Badewanne ist dann halt auch einen Meter lang (hinten quer), auf dem WC rechts vom Eingang schlägst du fast den Kopf an der Gegenwand an, dazwischen rechts das Lavabo. Aber es funktioniert alles, auch wenn es nicht ganz unseren Vorstellungen von einer Luxussuite entspricht. Ich frage mich, wie das die Sumo-Ringer in Japan machen.

Einkauf für mich
Wir wollten so oder so unsere Kleider ergänzen, die kalte Zeit kommt. Das hat sich aber noch akzentuiert dadurch, dass die Preise für das Waschen von Kleidern im Hotel so unverschämt teuer sind, dass sich das Kaufen neuer Sachen lohnt. Das hat sich dann bestätigt: Socken sind billiger zu kaufen, ein Paar Jeans bekommen wir für zweimal Waschen! Elo meint, hier wasche der General Manager wohl höchstpersönlich, anders liessen sich diese Preise auf keinen Fall erklären! (Sie wäscht jetzt, während ich schreibe.)

Wir haben auf dem Markt eingekauft: Socken, dann Jeans und ein Hemd für mich, zwei Rolltaschen als Gepäck für die kommenden Wochen. Ich kaufte am liebsten bei Chinesen. Da konnte ich die Sprache, und ich wusste, wie ich mit ihnen umgehen muss. Mit den Russen kann man nicht handeln. Hosen die Elo gepasst und gefallen hätten, haben wir noch  nicht gefunden. Aber wir kommen ja noch weiter.

Wohin weiter?
Hier in Chabarovsk drängt sich langsam die Frage auf, wohin es von Vladivostok aus gehen wird. China, Korea, Japan, alle wollen wir besuchen, allerdings ist die Reihenfolge noch offen. Das hängt vom Büssli ab. Werden wir es dort los, sind wir frei, wenn nicht, gehen wir zuerst noch nach Korea. Hier wollen wir uns auf alle Fälle auf dem chinesischen Generalkonsulat nach dem Visum erkundigen und es wenn möglich erwerben. Mehrfacheintritt bevorzugt, aber ob das geht?
 

4.9.
Heute lassen wir es ruhig angehen. Wir werden die Flusspromenade besichtigen und wenn möglich eine Schifffahrt auf dem Amur machen.

Wir waren auf dem Amur. Der Fluss, der den Grossteil der Grenze mit China im Norden und Nordosten bildet, ist riesig, hier kommt ja auch von Süden der Ussuri, der Grenzfluss ab Vladivostok nach Norden dazu. Der Amur geht dann nach Nordosten und gegenüber der Insel Sachalin in den Pazifik.

Die Uferpromenade ist schön, das Ufer selbst wird auch als Badestrand genutzt. Aber wohl nur für weinige Monate, denn von November bis April ist der Amur zugefroren.





Sind sie nicht schön . die beiden?

4.9. / JB.

1 Kommentar:

  1. Bild Fischverkauf: Da haben Anna und ich auch Halt gemacht. Und auch an Lenins Riesenkopf erinnere ich mich gut.
    счастливого пути!

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